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Die Bhagavad-Gita ist eines der wichtigsten Weisheitsbücher Indiens. Wörtlich bedeutet Bhagavad-Gita "Gesang des Erhabenen". Der Erhabene, hier Gott Krishna, unterweist seinen Schüler, den ruhmreichen Krieger Arjuna. Krishna lehrt ihn den Weg der Befreiung und weiht ihn in die Geheimnisse des Yoga ein. Im Verlauf des Buches entspinnt sich ein spannender Dialog zwischen Krishna und seinem Schüler Arjuna. Die Bhagavad-Gita liegt bereits seit langem in deutscher Sprache vor. Viele der verfügbaren Textfassungen sind in einem sehr altbackenen Deutsch geschrieben und heute nur noch mit viel Mühe und Geduld zu lesen. Deswegen hat es mich gereizt, eine Bhagavad-Gita in zeitgemäßem, gut lesbarem Deutsch zu erstellen. Das ehrwürdige Werk soll schließlich auch jüngere Leser erreichen, ihnen Freude schenken und tiefere Erkenntnis bringen.
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Seitenzahl: 108
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Bhagavad-Gita
Der Gesang des Erhabenen
In modernes Deutsch übertragen von
Detlef B. Fischer
Einleitung zum Text der Bhagavad-Gita
Unter den zahlreichen religiösen Schriften des Hinduismus ragt die Bhagavad-Gita als besonders bedeutsam hervor. Der Einfluss dieses Textes, den neben den alten hinduistischen Theologen auch die großen Weisen und Politiker des modernen Indien studiert und kommentiert haben, ist in Indien bis heute spürbar. Fast alle Vertreter des indischen Geisteslebens haben ihren Ehrgeiz dareingesetzt, zu den Gita-Kommentatoren zu gehören. Zu den Kommentatoren der älteren Zeit gehören u. a. Shankara, Râmânuja, Vallabha, zu denen der neueren Zeit zählen Sri Aurobindo, Mahatma Gandhi, Sarvepalli Radhakrishnan und Paramahansa Yogananda. Sie alle loben die Schönheit und Tiefe des philosophischen Lehrgesprächs zwischen dem ruhmreichen Krieger Arjuna und Gott Krishna auf dem Schlachtfeld von Kuruksetra.
Wörtlich bedeutet Bhagavad-Gita „Gesang (gita) des Erhabenen (bhagavat)“, wobei der „Erhabene“ hier der Gott Krishna ist, der seinen Schüler Arjuna unterweist. Die Bhagavad-Gita gliedert sich in 18 Kapitel, die in 700 Verse unterteilt sind. Sie findet sich im sechsten Buch des indischen Nationalepos Mahâbhârata, das insgesamt wiederum 18 Bücher in 106.000 Versen umfasst. Das Mahâbhârata, ein Werk zahlloser Autoren, ist zwischen dem 5. Jh. v. Chr. und dem 2. Jh. n. Chr. entstanden. Die Gita wurde wohl im 2. Jh. v. Chr. abgeschlossen und in das Mahâbhârata integriert. Seit dem 7./ 8. Jh. n. Chr. wurde sie als eigenständiger Text überliefert und kommentiert.
Irritierend für westliche Leser ist die Tatsache, dass die Bhagavad-Gita, wie auch andere hoch verehrte philosophisch-religiöse Texte Asiens, nicht den Eindruck vermitteln, in sich völlig stimmig zu sein. Die Gita enthält neben häufigen Wiederholungen zahlreiche Widersprüche, Kontraste und sogar gegenläufige Lehren. Problematisch und von westlichen Rezensenten immer wieder angeführt ist die Rechtfertigung von Kriegshandlungen und Gewalt durch den Gott Krishna. Mit einigem Recht wird darauf hingewiesen, dass es äußerst fragwürdig ist, das Töten von Menschen für rechtmäßig zu halten, weil ja nur deren Körper, nicht aber deren Seelen getötet würden. Folgte man diesem Argument unkritisch, ließe sich auf diesem Wege jegliche Art von Gewalt und Folter rechtfertigen.
Der Wert der Bhagavad-Gita liegt aber nicht auf dieser Ebene, er liegt in seiner mystisch-religiösen und philosophischen Tiefe. In Indien werden die oben beschriebenen „Schwächen“ der Schrift weniger als solche, sondern eher als Bereicherung empfunden. Eindeutigkeit und Widerspruchsfreiheit eines Textes, im Westen ganz wesentlich, gelten in Asien als weitgehend verzichtbar, denn schließlich, hier denken die Inder ganz pragmatisch, ist das Leben selbst ja auch nicht „eindeutig und widerspruchsfrei“.
Ungeachtet aller Vielschichtigkeit gibt es eine Essenz, eine Grundtendenz in der Bhagavad-Gita, die man als Weg zur Erlösung oder als Vereinigung mit dem Göttlichen bezeichnen kann. Drei grundlegende Yoga-Wege werden ausführlich dargelegt, die geeignet sind, den Menschen zum Heil zu führen. Diese sind: Karma-Yoga, der Yoga-Weg des Handelns, Jnâna-Yoga, der Yoga-Weg der Erkenntnis, und Bhakti-Yoga, der Yoga-Weg der Gottesliebe. Da die Gita das Werk vieler Autoren ist, bleibt es nicht aus, dass Verfasser mit der Vorliebe für einen bestimmten Yoga-Weg diesen als den besten, höchsten und wahren darstellen. Die anderen Möglichkeiten der Heilsfindung werden nicht herabgesetzt, sondern als alternative Übungspfade vorgestellt. Was für den gesamten Hinduismus gilt, gilt auch für die Gita: Es gibt nicht „den Einen Weg“ für alle Menschen, sondern es gibt, der Unterschiedlichkeit der Menschen entsprechend, verschiedene Wege. Der indischen Weitsicht und Toleranz in weltanschaulichen Fragen, die die gesamte indische Religionsgeschichte durchzieht, kann man, vor allem im Hinblick auf die europäische Kirchengeschichte, eine gewisse Bewunderung nicht versagen.
Bhagavad-Gita
Der Gesang des Erhabenen
Erster Gesang
(Die Heere der Kurus und der Pandavas stehen sich auf dem Schlachtfeld von Kuruksetra kampfbereit gegenüber. Sanjaya, ein Wagenlenker und Herold, berichtet Dhritarâshtra, dem blinden König der Kuru-Sippe, die Ereignisse der großen Schlacht.)
Dhritarâshtra sprach:
O Sanjaya, was taten an der Pilgerstätte von Kuruksetra meine Söhne und die Söhne der Pândava, als sie sich dort kampfbereit gegenüber standen?
Sanjaya sprach zu Dhritarâshtra:
Als König Duryodhana das Heer der Pandus in Schlachtordnung aufgestellt sah, trat er vor seinen Lehrer hin und sprach:
O mein Lehrer, sieh dort das gewaltige Heer der Pandu-Söhne, das dein kluger Schüler, der Sohn des Drupada, machtvoll aufgestellt hat.
Pfeilschützen stehen dort, treffsicher wie Arjuna und Bhîma, und andere Helden wie Yuyudhâna, Virâta und Drupada, der Wagenheld.
Dhrishtaketu, Cekitâna und der heldenhafte Fürst von Kaci sind dort, wie auch Purujit, Kuntibhoja und König Câivya, der mächtigste unter den Männern.
Yudhâmanyu ist dort, der tapfere Held und der kräftige Uttamâujas, der Sohn Subhadrâs und auch, auf hohen Streitwagen, die Söhne der Draupadi.
Nimm aber auch die Besten unserer Streitmacht wahr, Höchster der Brahmanen. Zu deiner Erinnerung nenne ich dir die Anführer meines Heeres.
Es sind Männer wie du selbst: Großvater Bhîshma, Karna, dann Kripa, Acvatthâman und Vikarna, wie auch der Sohn des Somadatta, alles Kämpfer, die im Kriege immer siegreich sind.
(Bhîshma ist der greise Kriegsheld der Kurus, der einst Dhritarâshtra und Pându großgezogen hat.)
Und viele andere Helden sind da noch, die alle ihr Leben um meinetwillen bereit zu opfern sind. Sie alle, jeder Einzelne mit dem Kampf vertraut, schwingen ihre furchtbaren Waffen.
Unsere Stärke ist unermesslich, weil Großvater Bhîshma unser Beschützer ist. Die Stärke des Pandava-Heeres aber, an dessen Spitze Bhîma steht, ist begrenzt.
In der weiten Heeresfront am richtigen Platze stehend, sollt ihr Großvater Bhîshma unterstützen, so gut ihr könnt.
Um in Duryodhana den Kampfesmut zu wecken, blies Bhîshma, der greise Ahnherr der Kurus, das Muschelhorn so laut, dass es wie das Brüllen eines Löwen klang.
Daraufhin ertönten alle Muschelhörner, Kesselpauken, Trommeln und zahllose Trompeten, so dass der Lärm gewaltig war.
Auf einem von weißen Pferden gezogenen Streitwagen stehend, bliesen auch Krishna und Arjuna, der Sohn der Pândus, lärmend die himmlischen Muschelhörner.
Krishna blies die Dämonsmuschel, ein Horn mit dem Namen Devadatta blies Arjuna und Bhîma, der gierige Esser und mächtige Streiter, ließ das furchterregende Muschelhorn Pâundra ertönen.
(Bhîma, der Schlachtenlenker der Pandus, war berühmt für seinen ungeheuren Appetit und für seine Heldentaten.)
Anantavijaya, die Siegesmuschel, blies Fürst Yudhishthira, der Sohn der Kuntî, und durch Nakula und Sahadev erschollen die Muschelhörner Sughosa und Manipuspaka.
König Kâci, der beste aller Schützen, und Cikhandî, der tapfere Krieger auf dem Streitwagen, und auch Virâta, Dhrishtadyumna und der unbezwingbare Sâtyaki.
Drupada und die Söhne der Draupadi und der kräftige Abhimanyu, sie alle ließen, o König, ihre Muschelhörner erschallen.
Dieses mächtige Dröhnen, das den Himmel und die Erde erbeben ließ, zerriss die Herzen der Söhne Dhritarâshtras.
Arjuna, an dessen Streitwagen sich die Fahne mit dem Zeichen Hanumans (des Affengottes) befand, sah vor sich die Söhne Dhritarâshtras und als der Pfeilhagel begann, da spannte auch er seinen Bogen.
Doch dann sprach er zu Krishna diese Worte: O Herr der Erde, halte bitte dort drüben, inmitten beider Heere, den Streitwagen an!
Ich möchte mir all jene anschauen, die dort schon kampfbegierig in Reihen stehen und gegen die ich in dieser Schlacht kämpfen soll.
Zum Kampf bereit sind sie an diesem Ort versammelt, um den niederträchtigen Sohn Dhritarâshtras zu erfreuen.
(Mit dem niederträchtigen Sohn Dhritarâshtras ist Duryodhana gemeint, der das Königreich der Pandavas durch üble Machenschaften an sich bringen wollte.)
Auf Arjunas Bitte hin lenkte Krishna den Streitwagen zwischen die beiden Heere und hielt dort den herrlichsten der Wagen an.
Vor Großvater Bhîshma, Drona und all den anderen Herrschern der Erde sprach dann Krishna, der Herr: Siehe Arjuna, Sohn der Prîtha, dort steht die gesamte Sippe der Kurus.
Da sah Arjuna dort Väter und Großväter stehen, Lehrer, Brüder und Onkel, Söhne, Enkel und auch Gefährten.
Schwiegerväter sah er und auch Freunde, in beiden Heeren gleichermaßen. Von tiefem Mitleid übermannt sprach Arjuna, als er all die Verwandten dort kampfbereit stehen sah, diese Worte:
Arjuna sprach zu Krishna:
O Krishna, wenn ich die Schar der Freunde und Verwandten so kampfbereit vor mir stehen sehe, werden meine Glieder schwach.
Ich beginne, am ganzen Leib zu zittern, mein Mund wird trocken und meine Haare sträuben sich;
Gândiva, mein Bogen, fällt mir aus der Hand. Die Haut an meinem Körper brennt und ich kann nicht länger aufrecht stehen. Rastlos irrt mein Geist umher und ich sehe Zeichen, böse Vorzeichen, o Krishna!
Ich kann nicht erkennen, wie etwas Gutes daraus erwachsen kann, wenn ich im Kampf meine Verwandten umbringe. Auch die Folgen dieses Sterbens, der Sieg, das Königreich oder Glück, wünsche ich nicht herbei.
Krishna, ich wünsche nicht den Sieg, auch Königsherrschaft und weltliche Freuden bedeuten mir nichts. Welchen Wert haben letztlich Herrschaft, Genüsse und auch das menschliche Leben?
Jene, um deretwillen Königswürde, Besitz und Freuden begehrenswert erscheinen, stehen dort in langen Reihen, bereit, im Kampf Leben, Hab und Gut zu opfern.
Lehrer, Väter, Söhne und auch Großväter sind es; Onkel, Schwiegerväter, Enkel, Schwager und auch andere Verwandte.
Auch wenn sie mich töten sollten, o Krishna, so wünsche ich nicht, sie auch zu töten, selbst um die Herrschaft über die drei Welten (Himmel, Erde,Unterwelt) nicht – wie viel weniger dann um die Erdenherrschaft.
Wenn wir Dhritarâshtras Söhne erschlagen, o Krishna, wie werden wir je wieder froh? Die Sünde wird uns anhängen, wenn wir diese Gegner töten.
Darum dürfen wir unsere Blutsverwandten, die Sippe der Kuru, nicht töten. Wie können wir je wieder glücklich sein, o Krishna, wenn wir den eigenen Stamm zerstören?
Auch wenn ihnen die Gier den Verstand geraubt hat und sie nicht sehen, dass Verwandtenmord und Freundesverrat schwere Verbrechen sind;
So sollten doch wir es verstehen und uns abwenden von bösen Taten, weil wir Verwandtenmord und Verrat deutlich als Sünde ansehen.
Geht eine Familie zugrunde, gehen auch die alten Familiensitten unter und ist die Tradition erst zerstört, herrscht bald in der ganzen Sippe Gesetzlosigkeit.
Durch den Verfall der Sitten sind dann bald auch die Frauen des Stammes verdorben. Und sind die Frauen erst unrein geworden, entsteht unerwünschte Nachkommenschaft und die Kasten vermischen sich.
Die Vermischung führt jene, die die Familientradition zerstören, wie auch die ganze Familie in ein höllisches Dasein, denn durch die Unterlassung der Opferhandlungen fällt der Geist der Ahnen aus dem Himmelsreich.
Auf diese Weise werden sich durch die Schuld der Stammesmörder, die zur Kastenmischung führt, die ewigen Standes- und Familienpflichten auflösen.
Wo sich aber, o Krishna, so habe ich gehört, die Familientraditionen auflösen, folgt unausweichlich das Leiden in der Hölle.
O weh, wir sind dabei, eine schwere Sünde zu begehen, wenn wir aus Gier nach Macht und Herrscherglück unseren eigenen Stamm ermorden.
Bald wäre mir lieber, wenn die Söhne Dhritarâshtras mich, der ich waffen- und wehrlos bin, in diesem Kampf erschlagen würden.
Sanjaya sprach zu Dhritarâshtra:
So sprach Arjuna auf dem Schlachtfeld, setzte sich im Wagen nieder und warf, betrübten Geistes, Pfeil und Bogen einfach fort.
(Krishna ermutigt den zweifelnden Arjuna zum Kampf. Im zweiten Kapitel der Bhagavad-Gita wird dessen Inhalt zusammengefasst.)
Sanjaya sprach zu Dhritarâshtra:
Als Arjuna, von Mitleid übermannt und mit Tränen in den Augen vor ihm zu Boden sank, sprach Krishna zu ihm diese Worte:
Der Erhabene sprach:
Woher kommt diese Verzagtheit im Augenblick der Gefahr? Unwürdig ist sie, o Arjuna, und einem edlen Mann völlig unbekannt.
Lass ab von dieser Weichlichkeit, Arjuna, denn sie ist deiner unwürdig. Überwinde die feige Schwächlichkeit und erhebe dich, du tapferer Held!
Arjuna sprach:
Wie könnte ich in dieser Schlacht mit meinen Pfeilen Bhîshma und Drona angreifen, die ich beide sehr verehre?
Weit besser wäre es, die beiden Lehrer zu verschonen und fortan als Bettler auf dieser Erde umherzugehen. Denn töte ich sie, auch wenn sie sich nach Macht und Reichtümern sehnen, würde alles, was wir genießen, mit Blut befleckt sein.
Wir wissen nicht, was besser ist, wenn wir die Sieger oder wenn wir die Besiegten sind? Wenn wir die Kuru-Söhne getötet haben, die dort vor uns stehen, was soll uns unser eigenes Leben dann noch bedeuten?
Mein Herz zerbricht in dieser jammervollen Lage und ich weiß nicht, was meine Pflicht ist. Ich muss dich daher fragen: Was ist die bessere Entscheidung? Ich bin dein treuer Schüler, o Krishna, belehre mich!
Ich sehe nicht, wie ich diesen Kummer vertreiben kann, der meine Sinne austrocknet. Weder ein Königreich auf dieser Erde noch alle Macht über die Halbgötter könnten mich trösten.
Sanjaya sprach zu Dhritarâshtra:
So sprach Arjuna, der Held, zu Krishna, dem ewigen Herrn. Ich will nicht kämpfen! - sagte er klar, dann war er still.
Als er ihn so verzagt dort hocken sah inmitten beider Heere, sprach Krishna lächelnd diese Worte:
Der Erhabene sprach: