Das Tao der Kunst - Detlef B. Fischer - E-Book

Das Tao der Kunst E-Book

Detlef B. Fischer

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Beschreibung

In diesem Buch beschäftigt sich der Autor Detlef B. Fischer mit dem Verhältnis von Kunst und Spiritualität. In welchem Verhältnis stehen die Künstler der Moderne zu spirituellen Fragen? Hat uns die Kunst etwas zu sagen in Bezug auf Lebenssinn, Gott und die Welt?

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Detlef B. Fischer

© 2021 Detlef B. Fischer

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback:

978-3-347-15513-8

e-Book:

978-3-347-15514-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Das Tao der Kunst

88 Essays über die Weisheit der Kunst

Vorrede

Über Jahrhundert hinweg war die Kunst ein Diener der Religion. Ausgestattet mit Kunstsinn und handwerklicher Geschicklichkeit war es die Aufgabe von Künstlern die Erzählungen heiliger Bücher zu illustrieren, aber die Verkündigung eigener Wahrheiten war ihnen nicht gestattet.

Aus der Abhängigkeit von kirchlichen Auftraggebern hat sich die Kunst der neueren Zeit weitgehend gelöst. Kunst hat sich als autonome kulturelle Kraft etabliert und ist mit den Religionen, wenn überhaupt, nur noch lose verbunden. Heutige Künstler sehen sich selbst als Schöpfer neuer Welten, als Mittler zwischen dem Unsichtbaren und dem Offensichtlichen, ja, und manchmal auch als Propheten.

In welchem Verhältnis stehen die Künstler der Moderne zu spirituellen Fragen? Hat uns die Kunst etwas zu sagen in Bezug auf Lebenssinn, Gott und die Welt? Diesen Fragen versuche ich in den 88 Essays dieses Buches auf den Grund zugehen.

Detlef B. Fischer

Danksagung

Unschätzbare Hilfe hat mir meine Lektorin Sabine Hülsen bei der Erstellung des Textes geleistet. Ich danke ihr!

1.     „Niemals dürfen sie sich auf ihr Genie verlassen. Haben sie große Talente, so wird der Fleiß sie vergrößern; sind ihre Fähigkeiten nur mittelmäßig, so wird der Fleiß das Mangelhafte ersetzen.“

Joshua Reynolds (1723-1792)

Joshua Reynolds war im 18. Jahrhundert einer der einflussreichsten Maler Englands. Nach seiner Ausbildung in London lebte er vor allem von der Porträtmalerei. Später wandte er sich der Historienmalerei zu, die in seiner Zeit sehr beliebt war, aber von englischen Malern bis dahin kaum betrieben wurde. Für seine Verdienste um die englische Kunst wurde Reynolds 1784 zum Hofmaler ernannt und 1769 von König Georg III. in den Adelsstand erhoben. Im Jahre 1789 erblindete Joshua Reynolds und musste die Malerei aufgeben. Reynolds war bis in seine späten Jahre bemüht, fremde Einflüsse aufzunehmen und in seine Gemälde einzuarbeiten. An Neugierde und an Fleiß hat es ihm nie gefehlt.

Viele begeben sich auf den Weg der Meditation, aber nur wenige bleiben diesem Weg lange treu. Es gehört Disziplin dazu, sich immer und immer wieder auf das Meditationskissen zu setzen und den Widerständen des Körpers und des Geistes zu trotzen. Auch im Bereich der Spiritualität gibt es so etwas wie Talent. Ich habe Zen-Übende getroffen, die das Wesentliche schneller und tiefer verstanden haben als ich, die sich nicht so sehr mit Müdigkeit, störenden Gedanken und sexuellem Verlangen herumschlagen mussten. Aber die meisten von ihnen waren ein paar Jahre später von der Bildfläche verschwunden. Wenn ich ein wenig nachforschte, wo dieser oder jene abgeblieben sind, dann erfuhr ich in der Regel, dass sie sich ins Ehe-, Familien- oder Berufsleben zurückgezogen und ihre spirituellen Übungen aufgegeben hatten. Dann gibt es aber auch das umgekehrte Phänomen, nämlich jene, die immer sehr bescheiden und unscheinbar auftraten und die mit bewundernswerter Beharrlichkeit auf ihrem Weg geblieben und zu tiefen Einsichten gekommen sind.

In dem indischen Weisheitsbuch Pantschatantra heißt es: „Wie uns mit einer einzigen Hand nicht Händeklatschen kann gelingen, so kann auch ohne Menschenfleiß das Schicksal nichts vollbringen.“

2.     „Es ist außerordentlich schwierig zu wissen, wann ein Bild fertig ist. Was mich anlangt: ich male so lange, bis ich merke, dass mein Bild anfängt, schlechter zu werden.“

James Northcote (1746-1831)

James Northcote wurde im südenglischen Plymouth geboren. Er war der Sohn eines armen Uhrmachers und arbeitete zunächst in der Werkstatt seines Vaters. Doch es zog ihn zur Kunst und er begann eine Karriere als Porträtmaler. Im Jahr 1773 zog er nach London und trat in die Werkstatt von Joshua Reynolds ein. Als Porträtist wurde Northcote von Reynolds stark beeinflusst. Er arbeitete aber nicht nur als Porträtist, sondern malte auch Historien- und Tierbilder. In seinen späten Lebensjahren widmete sich Northcote auch der Schriftstellerei, schrieb Erinnerungen und eine Reihe von Fabeln.

Fast alle Künstler kennen das Problem: Wann ist ein Bild fertig? Wann muss ich aufhören, daran zu arbeiten? Northcote stellt ein interessantes Kriterium dafür auf. Er sagt, wenn das Bild anfängt schlechter zu werden, dann wird es höchste Zeit, die Arbeit daran einzustellen. Wenn der Maler zu viel macht, dann lässt er dem Betrachter keinen Raum mehr, das Bild selbst zu vollenden. Durch Perfektion tötet er das Bild. Im Tao-Te-King, dem alten Weisheitsbuch der Chinesen, heißt es: „Wer handelt, verdirbt. Wer ergreift, lässt entgleiten. Weil der Weise nicht handelt, verdirbt er nicht. Weil er nicht ergreift, lässt er nicht entgleiten.“ In der Malerei ist es nicht anders als im Leben: Wir müssen ein Gespür für den richtigen Augenblick bekommen und wir müssen lernen loszulassen. Von Menschen, die uns keinen Raum lassen, sollten wir uns fern halten und von Dingen, die uns sehr binden, sollten wir uns trennen.

3.     „Es mag eine große Ehre sein, ein großes Publikum für sich zu haben. Aber gewiss ist die Ehre noch größer, nur ein kleines auserlesenes Publikum für sich zu haben.“

Caspar David Friedrich (1774-1840)

Kaum ein anderer Maler des 19. Jahrhunderts ist in Deutschland so bekannt wie der Romantiker Caspar David Friedrich. Er wurde in der Stadt Greifswald zu einer Zeit geboren, als die Region Vorpommern noch zu Schweden gehörte. Sein Vater übte den Beruf eines Seifensieders und Kerzengießers aus, ein Handwerk, das wenig Ansehen genoss. Caspar war das sechste von insgesamt 10 Kindern und zeigte schon früh künstlerische Neigungen. 1794 begann Caspar David Friedrich an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen, die damals einen guten Ruf besaß, zu studieren. Nach dem Studium verließ er Dänemark, ließ sich in Dresden nieder und begann dort seine künstlerische Laufbahn. Friedrichs bevorzugte Techniken waren zunächst Tuschezeichnungen und Aquarellmalerei. Der Ölmalerei wandte er sich erst später zu.

Caspar David Friedrich lebte in unruhigen Zeiten und die politischen Umbrüche seiner Epoche prägten auch sein Werk. Er war von stiller, kontemplativer Natur und wählte seine Bildthemen sorgfältig aus. In seinen Zeichnungen und Gemälden versteht er es, Landschaft und Religion zu Allegorien von Einsamkeit, Vergänglichkeit und Tod zu vereinen. Anerkennung für seine Arbeiten fand er auch schon zu Lebzeiten, aber zu den Malerstars seiner Epoche zählte er nie. Geldnot begleitete ihn bis in seine späten Jahre.

Caspar David Friedrich gilt heute als so etwas wie ein „Prophet der Einsamkeit“ obwohl er selbst kein einsames, zurückgezogenes Leben führte. Er hatte eine Familie und konnte auf einen Kreis von Freunden und Gleichgesinnten bauen, zu denen unter anderen auch Heinrich von Kleist und Theodor Körner zählten. Da Freunde sehr wichtig in seinem Leben waren, hielt er stetigen Kontakt zu ihnen. Um einem großen Publikum und den Kunstexperten seiner Zeit zu gefallen, war es dem Maler nie gegangen, denn er wusste, dass seine Bilder dem Zeitgeschmack nicht entsprachen. Sich über den Zeitgeist hinwegsetzen und der Kritik standhalten zu müssen, ist das Schicksal aller Avantgarde. Darin unterscheidet sich die Frühromantik nicht von der Pop-Art.

Der indische Dichter Rabindranath Tagore (1861-1941) sagt: „Glückselig ist der, dessen Ruhm seine Wahrheit nicht überstrahlt.“

4.     „Wenn ich mich vor die Natur setze, um ein Bild zu malen, versuche ich vor allen Dingen zu vergessen, dass ich jemals ein Gemälde gesehen habe.“

John Constable (1776-1837)

John Constable war die Karriere eines Malers wahrlich nicht vorgezeichnet. Er wurde als viertes von sechs Kindern in der westenglischen Grafschaft Suffolk geboren. Sein Vater, in dessen Betrieb er zeitweilig arbeitete, handelte mit Getreide, Holz und Kohle. Aber Constable konnte seinen Traum, Kunst zu studieren, verwirklichen und lernte ab 1799 an der Royal Academy in London. Constables Werk umfasst in erster Linie Landschaftsmalerei. Er übte sich in genauer Beobachtung der Natur und wurde berühmt für seine zahlreichen Himmels- und Wolkenstudien. Seine Gemälde beziehen ihre Lebendigkeit durch Studien in der Natur.

Constable will, wenn er ein neues Bild beginnt, alles vergessen, was er gesehen und was in ihm selbst als Bilderinnerung vorhanden ist. Er will sich in den Zustand versetzen, noch nie ein Bild gesehen und noch nie eines gemalt zu haben. Der Maler will Platz schaffen für eine neue, unerwartete Sicht auf die Welt. Er will sich auf unerforschtes Terrain vorwagen und nicht etwas schon Bekanntes wiederholen oder variieren.

Es gibt eine taoistische Meditationsmethode mit dem Namen „Sitzen und Vergessen“. Diese Art der Meditation bewirkt eine stufenweise Reinigung des Geistes und führt zum höchsten mystischen Zustand, einer Vereinigung mit dem Tao. Dieses vollständige Aufgehen im Tao bedeutet gleichzeitig das totale Vergessen von Ich, Selbst und Welt. Wenn die Einzelphänomene verschwunden sind, wenn alle Spaltungen, die wir mit unserem Denken vollziehen, aufgehoben sind, dann erscheint das ungeteilte, eigenschaftslose Ganze – das Tao.

5.     „Der Landschaftsmaler muss die Gefilde mit Demut durchwandeln. Kein übermütiger Mensch hat je die Natur in ihrer ganzen Schönheit sehen dürfen.“

John Constable (1776-1837)

Wer mit der Natur vertraut ist, der weiß, dass sie empfindlich auf Lärm reagiert. Beim Ton röhrender Kettensägen ziehen sich die Tiere in ruhigere Zonen zurück. Spechte klopfen nicht, Eichhörnchen klettern nicht durch die Äste und Mäuse verschwinden in ihren Löchern. Wenn es dann aber wieder still wird, braucht man nur ein paar Minuten warten, bis der Wald wieder zu leben beginnt. Die Tiere trauen sich aus ihren Verstecken und gehen ihren täglichen Geschäften nach, sie picken, scharren, fressen, dösen, bauen Nester oder sammeln Früchte. Ein Wald ist nicht nur eine Ansammlung von Bäumen, ein Wald ist ein Lebensraum, eine Stadt mit Hochhäusern aus Stämmen, mit Straßen aus Laub und Gärten aus Moos. Was für den Wald gilt, das gilt auch für die Wiese, den Bach, die Hecke oder das Moor. Wir sollten Respekt vor dem haben, was sich unseren Augen darbietet. Wenn wir laut und unachtsam sind oder der Lärm der Gedanken in unserem Inneren zu groß ist, können wir die Schönheit der Natur nicht wahrnehmen.

Der japanische Zen-Meister Daisetz T. Suzuki (1870-1966) sagt: „Die Bewunderung des Schönen ist im Grunde ein religiöses Gefühl. Niemand kann echte Schönheit entdecken und genießen, der nicht religiös ist.“

6.     „Auf jeden Fall bin ich darauf gefasst, dass mich viele nie verstehen werden und mich für einen Narren halten, das muss man sich schon gefallen lassen. Wer auf festem Grund steht, weiß doch wohl, was er hat. Es ist schlecht mit dem Künstler bestellt, der erst von anderen erfahren muss, was er will und was er soll.“

Philipp Otto Runge (1777-1810)

Ein sehr vielseitiger Künstler ist der aus dem vorpommerschen Wolgast stammende Philipp Otto Runge. Er kam aus gutem Hause und sollte einmal das Geschäft seines Vaters, eines Reeders, übernehmen. Aber er setzte seinen Wunsch, Künstler zu werden, durch. Schon in jungen Jahren erkrankte Runge an Tuberkulose. In der kurzen Lebensspanne, die ihm auf Grund dieser Krankheit vergönnt war, schuf er ein beachtliches Werk. Philipp Otto Runge gilt neben Caspar David Friedrich als der bedeutendste deutsche Maler der Frühromantik, aber er betätigte sich auch als Dichter und Kunsttheoretiker. Die meisten Jahre seines Lebens verbrachte Runge in Hamburg, wo er in der Kommissions- und Speditionshandlung seines ältesten Bruders arbeitete. Durch Vermittlung seines Bruders kam er in Kontakt zu einigen führenden Köpfen seiner Zeit, so etwa Ludwig Tieck, Matthias Claudius, Friedrich Gottlieb Klopstock und Johann Wolfgang von Goethe.

Mit seiner Äußerung, dass ein Künstler auf festem Grund stehen und sich nicht um die Meinungen anderer kümmern sollte, zeigt Philipp Otto Runge, der ja nur 33 Jahre alt wurde, eine bemerkenswerte Reife. Viele Menschen, nicht nur Künstler, finden ihren festen Grund erst in ihren späten Jahren und manche auch nie. Wer kennt nicht einige von denen, die ihr Fähnchen immer nach dem jeweiligen Wind hängen, jedem Trend folgen und auf diesem Wege ihr spezifisch Eigenes immer verfehlen. Runge ist seine Selbstgewissheit nicht einfach in den Schoß gefallen. Er hat sich unermüdlich, sowohl praktisch als auch theoretisch, mit der Kunst beschäftigt. Es hat ihm nicht genügt, hübsche Bilder zu malen, Runge wollte in das Geheimnis der Kunst eindringen. Er sagte selbst einmal: „Aus dem inneren Kern muss die Kunst entspringen, sonst bleibt sie Spielerei.“ Sein Traum war es, Malerei, Dichtung, Musik und Architektur zu einem Gesamtkunstwerk zu vereinen. Philipp Otto Runge war ein Visionär, er wollte etwas ganz Neues schaffen.

Im japanischen Zen gilt seit jeher: „Nie kann das begriffliche Verstehen das Wesen der Dinge erreichen. Erst wenn der Suchende noch einen Sprung über dieses Verstehen hinaus wagt, wie über die Spitze eines hohen Baumes, bricht er in die wahre Welt ein.“

7.     „Ich unterwerfe mich im Voraus der Kritik. Ich will kritisiert werden. Wenn man mich nicht kritisiert hätte, würde ich mich nicht kennen. Die gerechte Kritik hat mir Lehren, die ungerechte hat mir Kräfte gegeben.“

Horace Vernet (1789-1863)

Emile Jean Horace Vernet ist ein französischer Historien- und Militärmaler. Der Zugang zur Kunst fiel ihm leicht, da auch sein Vater sowie sein Großvater künstlerisch tätig waren. Vernet reiste gerne und viel. 1820 zog es ihn nach Italien, zwischen 1839 und 1840 bereiste er den Orient, 1842 besuchte er Sankt Petersburg, wo er die Zarenfamilie porträtierte. Während des Krimkrieges folgte Vernet dem Kriegsgeschehen auf Seiten des französischen Heeres und schuf in dieser Zeit zahlreiche Bilder. Horace Vernet war ein in seiner Zeit berühmter und überaus erfolgreicher Maler. Erfolgreiche Künstler, gleich welcher Sparte, stehen der Kritik in der Regel eher ablehnend gegenüber. „Was hat der schon geleistet im Leben, der mich da kritisieren will?“ fragen sie sich und reagieren dementsprechend häufig mit Ablehnung und Spott. Aber Vernet weiß Kritik zu schätzen und will sich ihr nicht entziehen. Er unterscheidet zwischen gerechter und ungerechter Kritik und versteht es, sehr weise von beidem zu profitieren.

Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn sich Menschen, seien es Politiker, Künstler, Firmenchefs oder auch spirituelle Lehrer, nur noch mit Bewunderern und Schmeichlern umgeben. Dann dauert es nicht mehr sehr lange bis zu ihrem Niedergang, denn all jene Personen, die für eine Belebung sorgen könnten, haben sich zurückgezogen oder sind beseitigt worden. Kritiker können unbequem sein, das ist sicher, sie können auch ungerecht sein, auch das ist wahr, aber man sollte sich der Kritik nie ganz verschließen. Ein Zuviel an Selbstzufriedenheit ist am meisten schädlich. Im Tao-Te-King (Vers 9) heißt es: „Auf Reichtum und Ehre stolz sein, heißt den Samen für den eigenen Untergang säen. Sich zurückziehen, wenn das Werk vollbracht ist, das ist des Himmels Weg.“

8.     „Der Laie glaubt, das Talent müsse sich immer gleich sein und jeden Morgen wie die Sonne aufgehen. Er weiß nicht, dass es wie alles Vergängliche eine ansteigende und abfallende Bahn verfolgt.“

Eugene Delacroix (1798-1863)

Zu den wichtigsten französischen Malern des 19. Jahrhunderts gehört mit Sicherheit Eugene Delacroix. Sein Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ aus dem Jahr 1830 zählt zu den berühmtesten Bildern der europäischen Kunstgeschichte. Sehr geschätzt wird das Werk von Delacroix wegen seines großzügigen Umgangs mit ungemischten Farben. Anders als seine Zeitgenossen hatte er keine Scheu vor bunten Farben. Delacroix‘ Leben war sehr arbeitsreich und er hatte nur wenig Zeit für Freunde. In den Salons, in denen er seine Vormittage verbrachte, wurde er für seinen Esprit und seine Intelligenz bewundert.

Delacroix kannte, wie jeder echte Künstler, auch das Misslingen, die zerrissenen Skizzen auf dem Atelierboden, die übermalten Figuren auf der Leinwand, den wieder zusammengekneteten Ton. Es gehört zum Schaffensprozess, dass nicht alles sofort gelingt, dass es Tage gibt, an denen der Künstler nur mit Mühe vorankommt und dass es solche gibt, an denen gar nichts geht. Dann aber wieder leuchtet unerwartet das Talent auf und der Maler erlebt Stunden, in denen der Pinsel das Bild wie von allein vollendet.

Auch spirituelle Lehrer haben nicht immer nur gute Tage und sind immer, von morgens bis abends ruhig, geduldig und weise. Für Schüler mag das oft irritierend sein, wenn sie menschliche Schwächen bei ihrem Lehrer entdecken, aber als reifer Schüler muss man den Lehrern zugestehen, auch Fehler zu haben oder zu machen. Vielleicht sind die Fehler und Schwächen ja der Stoff, mit dem der Lehrer arbeitet? Vielleicht sind sie es ja, die das Feuer seiner Weisheit nähren?

Der österreichische Schriftsteller Alfred Polgar (1873-1955) sagt: „Ein Mensch ohne Fehler ist kein vollkommener Mensch.“