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Wie ein Märchenprinz wirkt Stefan Redwell mit seiner blonden "Löwenmähne" auf die zarte Ferry. Doch der Unternehmer sieht in ihr nur eine tüchtige Sekretärin. Bis sie sich auf einer Budapest-Reise ein Zimmer teilen müssen. Beide sind sehr erregt. Erleben sie eine Nacht der Lust?
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Seitenzahl: 599
Jenny Cartwright, Christine Greig, Sandra Field
Bianca Exklusiv Band 0112
IMPRESSUM
Bianca Exklusiv Band 0112 erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
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Redaktionsleitung:
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Produktion:
Christel Borges
Grafik:
Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)
©
2012 by Jenny Cartwright Originaltitel: „Passionate Opponent“ erschienen bei: Mills Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
©
2012 by Christine Greig Originaltitel: „Passionate Obsession“ erschienen bei: Mills Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
©
2012 by Sandra Field Originaltitel: „Travelling Light“ erschienen bei: Mills Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
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Deutsche Erstausgabe in der Reihe Bianca Exklusiv Band 0112 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Fotos: photonica/RJB Photo Library
Veröffentlicht im ePub Format im 12/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: readbox, Dortmund
ISBN 978-3-95446-111-0
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Jenny Cartwright
Romantische Nächte in Budapest
1. KAPITEL
Es war ein ausgesprochen schönes Büro mit weißen Wänden und großen Schallschutzfenstern, die den Lärm des Straßenverkehrs schluckten. Die Einrichtung war aus blau und gelb gebeiztem Holz. Auf einer Seite des Raumes befand sich eine blaue Tür – wahrscheinlich führte sie in das Büro ihres neuen Chefs –, auf der anderen Seite stand ein gelber Garderobenständer, an dem sie ihren Regenmantel aufhängte. Danach blieb Ferry ganz ruhig stehen. Angestrengt dachte sie nach. Nachdem sie sich entschieden hatte, setzte sie sich schnell an den Schreibtisch, nahm den Telefonhörer ab und wählte.
“Angela?”
“Hallo, Ferry! Alles in Ordnung? Du gehst doch hin, oder?”
“Ich bin schon da.”
“Es ist doch erst acht Uhr. Ich habe mich noch nicht einmal angezogen.”
“Du weißt doch, wie überrascht sie immer sind, wenn sie merken, wie früh ich mit der Arbeit beginne … Die Busfahrt war auch kürzer als ich dachte. Aber ich bleibe nicht.”
“Aber …”
“Kein Aber. Du hast mir ein Reisebüro versprochen. Wir haben jetzt schon Mitte April. Wenn ich vor der Hauptsaison nach Kreta kommen will, muss ich jetzt da sein, wo es billige Flüge gibt, und mich nicht mit Rechnungen für Pfefferstreuer herumschlagen.”
“Pfefferstreuer?”
“Angela, das ist keine Reiseagentur. Du hast mich angelogen.”
“Habe ich nicht. Ich habe nur gesagt, dass diese Stelle genau das ist, wonach du suchst.”
Ferry seufzte. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie sich diesen Anruf hätte ersparen können. Jetzt, da es so weit war, wünschte sie sich, Angela würde es ihr nicht noch schwerer machen.
“Bis zur Mittagspause. Du hast Zeit bis halb eins, um mir eine Stelle in einem Reisebüro zu verschaffen”, sagte sie und runzelte die Stirn, in der Hoffnung, dass ihre Stimme dadurch bestimmter klang. “Keine Minute später, sonst gehe ich zur nächsten Zeitarbeitsvermittlung und lasse sie in den Genuss meiner unerschütterlichen guten Laune kommen.”
“Aber …”
“Bis zur Mittagspause. Abgemacht?” Sanft legte sie den Hörer auf. Ferry seufzte erleichtert auf. Es musste einfach sein – sie musste diesen Urlaub haben – schon bald. Es war schon alles geplant. Wenn sie eine Woche in Kreta verbringen, in der Sonne liegen, die Sehenswürdigkeiten ohne die üblichen Touristenschwärme besichtigen könnte, würde sich alles fügen. Sie schloss die Augen.
Als sie sie wieder öffnete, stellte sie fest, dass sie von einem großen Mann beobachtet wurde, der auf der Schwelle der jetzt offenen blauen Tür stand. Ein großer, erstaunlich gut aussehender Mann mit honigfarbenen Augenbrauen, der sie finster betrachtete.
“Hallo”, sagte sie freundlich und hoffte, er würde noch nicht allzu lange dastehen. “Ich bin Miss Lyon. Von der High-Temp-Agentur.”
“Und Ihre gute Laune ist durch nichts zu erschüttern?”, fragte er brummig.
Oh nein. Er war schon lang genug da … Ferry bemühte sich, Haltung zu bewahren. Sie lächelte und zeigte ihre schöne weiße Zahnreihe. “Genau. Und Sie sind …?”
“Stefan Redwell. Unheimlich reizbar.” Das war kein Scherz. Irgendetwas in seiner tiefen, vollen Stimme brachte dies ganz deutlich zum Ausdruck.
Sie schluckte. Sie hatte sich in Schwierigkeiten gebracht …
“Ich beglückwünsche Sie, Mr. Redwell”, begann sie vorsichtig, “zur Wahl Ihres Telefons. Es war eine Freude, es zu benutzen. Diese altmodischen Telefone haben genau das richtige Gewicht. Sie rutschen nicht auf dem Tisch herum. Was für eine tolle Idee, sie an das moderne Digitalsystem anzupassen.”
“Miss Lyon …” Seine Stimme bewies, wie reizbar er war. “Sie scheinen mich für einen Narren zu halten. Sie täuschen sich.”
“Ja, Sir.” Sie biss sich auf die Lippe. Im Zweifelsfall immer zustimmen.
“Kennen Sie Angela gut?”
“Ja, Sir. Seit unserer Schulzeit, Sir.”
“Dann können Sie ihr mitteilen, dass ich kein Narr bin und auch nicht dafür gehalten werden möchte. Wenn Sie jetzt gehen, kommen Sie rechtzeitig in die Agentur, um sich bis Mittag eine Stelle im Reisebüro zu suchen.”
Was sollte sie dazu sagen? Ferry schaute ihn demütig an. Sie senkte den Kopf und richtete den Blick ihrer grauen Augen erwartungsvoll auf ihren Chef. Sie konnte nicht leugnen, diese peinliche Situation selbst heraufbeschworen zu haben. Am besten sollte sie jetzt wohl aufstehen und sich unerschütterlich gut gelaunt verabschieden. Jetzt gleich. Theoretisch war es genau das, was sie tun wollte, aber praktisch gefiel ihr diese Vorstellung überhaupt nicht. Merkwürdig.
“Sind private Telefongespräche während der Arbeitszeit nicht erlaubt, Sir?”, fragte sie sanft.
Er sah auf seine Rolex, die von den dichten blonden Härchen auf seinen Armen fast verdeckt wurde. “Sieben nach acht. Sie haben nicht während der Arbeitszeit telefoniert. Sie fangen doch um neun an.”
Verflixt. Das war doch ihr Argument! “Ja.”
Sein frostiger Blick traf sie. “Sicherlich wollten Sie mich beeindrucken, indem Sie an Ihrem ersten Arbeitstag besonders früh erschienen sind?”
“Nicht nur am ersten, an jedem Tag, Sir.”
“Wirklich?”, fragte er ironisch.
“Ja, Sir.”
“Könnten Sie bitte aufhören, mich Sir zu nennen? Es stört mich.”
“Natürlich, Mr. Redwell.”
“Warum kommen Sie so früh? Einmal sollte genug sein, um einen guten Eindruck zu machen, es sei denn, Sie hoffen, eine Dauerstellung zu bekommen.”
Nervös faltete sie die Hände. “Man bietet mir oft eine Dauerstellung an, Mr. Redwell. Ich bin … nun, ich bin eben sehr gut. Allerdings ziehe ich befristete Stellen vor.”
“Warum kommen Sie dann so früh, wenn Sie doch so gut sind?”
“Ich komme nicht zeitig, um dies zu beweisen”, sagte sie aufrichtig. “Ich komme früh, um einen Großteil der Arbeit in aller Ruhe zu erledigen, solange ich frisch bin. Abends gehe ich zeitig nach Hause. Aber natürlich nur, wenn meine Anwesenheit nicht mehr erforderlich ist.”
“Was tun Sie?”
Oh nein! Was sollte sie dem Mann sagen, um alles wieder ins richtige Licht zu rücken? Es war wirklich entmutigend. Ferry hatte schon für unzählige Chefs gearbeitet. Aber noch nie hatte sie derartige Probleme gehabt.
“Ich bestehe wirklich nicht darauf, Mr. Redwell, falls Sie den Eindruck haben, ich wäre ein bisschen dreist für eine Zeitarbeitskraft. Es ist nur so … nun, die meisten meiner Arbeitgeber waren zufrieden mit dieser Einteilung. Am liebsten habe ich alles bis vier Uhr erledigt. Normalerweise sind die Chefs um diese Zeit auch leicht abgespannt, sodass sie dann nicht mehr viel Arbeit für mich haben.”
“Um vier schon abgespannt? Kein Wunder, dass Sie glauben, Sie wären so gut, wenn Sie sonst für Altersschwache arbeiten.”
“Soll das heißen, dass Sie auch später noch geistig frisch sind, Mr. Redwell?”
“Noch viel später. Und hören Sie auf, mich Mr. Redwell zu nennen.”
“Natürlich, Mr…. hm …” Nach kurzem Zögern fügte sie bestimmt hinzu: “Das ist also keine gute Regelung für uns. Ich bleibe so lange, wie Sie mich brauchen.”
“Das wird nicht nötig sein. Ich würde es mir nie verzeihen, einer Reiseagentur Ihre unerschütterliche gute Laune vorzuenthalten.”
Oh nein! Diese Taktik funktionierte nicht. Seltsamerweise wurde Ferry dadurch ermutigt. Je länger sie miteinander sprachen, desto weniger hatte sie zu verlieren – jedenfalls kam es ihr so vor. Vielleicht, weil sie schon verloren hatte, gestand sie sich wehmütig ein. Sie wollte wenigstens nicht kampflos aufgeben.
Ferry schaute ihren Chef so freundlich wie möglich an. Im Grunde war sie ziemlich verwirrt. Die meisten Männer, die eine Position erreichten, in der sie eine Sekretärin benötigten, waren empfänglich für den unterwürfigen, nach oben gerichteten Blick, den Ferry, aufgrund ihrer Größe, nur im Sitzen zustande brachte. Dieser Mann war jedoch alles andere als gewöhnlich. Er war nicht dick, hüllte sich auch nicht in eine Wolke billigen Rasierwassers. Und dafür, dass er es im Vertrieb von Platztellerchen so weit gebracht hatte, war er ziemlich jung – höchstens Mitte dreißig. Kein Wunder, dass er so reizbar war.
“Würde es etwas ändern”, begann sie schließlich, “wenn ich meine gute Laune verbergen würde? Stört es Sie, dass ich glücklich bin? Liegt es daran?”
Seine Nasenflügel zitterten leicht, als ob er belustigt wäre. Er war beeindruckend groß und hatte ausdrucksvolle Gesichtszüge. Seit sie ihn zum ersten Mal im Türrahmen gesehen hatte, stand für sie fest, dass er ausnehmend gut aussah. Sie betrachtete sein dichtes goldbraunes Haar, dessen makelloser Schnitt nicht verbergen konnte, dass es sich lockte, und kam zu dem Schluss, ihren ersten Eindruck berichtigen zu müssen. Seine Gesichtszüge waren zu unregelmäßig, zu ungewöhnlich, um im klassischen Sinn als schön bezeichnet zu werden. Aber irgendwie wirkte sein Gesicht mit den hohen Wangenknochen und der markanten, feinen Nase, die aussah, als hätte er sie sich schon einmal gebrochen, irgendwie unwiderstehlich und beunruhigend attraktiv. Doch obwohl seine goldbraunen Augen unheimlich gelassen wirkten, hatte ihn das leichte Zittern der Nasenflügel verraten.
“Ihre gute Laune wäre sicherlich schwer zu ertragen, wenn Sie blieben. Aber jetzt ist es ja müßig, noch darüber zu reden.”
Da hatte er recht. Er hatte gewonnen. Seufzend stand Ferry auf, ging zur Garderobe und nahm ihren Regenmantel vom Haken.
“Es tut mir leid, dass ich meine Fähigkeiten nicht unter Beweis stellen konnte”, bemerkte sie. “Jetzt werden Sie glauben, ich sei eine Lügnerin – und das bin ich nicht. Ich bin wirklich eine erstklassige Sekretärin. Aber eigentlich sind wir ja quitt. Schließlich werde ich Sie immer für charakterlos halten.”
“Charakterlos?”
“Ja”, antwortete sie. Für jemanden, der von sich behauptete, sich durch nichts die Laune verderben zu lassen, klang ihre Stimme ziemlich gereizt. “Sie haben ein Privatgespräch belauscht und die Informationen daraus gegen mich verwandt. Immerhin habe ich mich mit Angela gestritten – nicht mit Ihnen. Sie hat mir ein Reisebüro versprochen – und wenn man bedenkt, welches Ansehen meine Dienste ihrer Agentur schon gebracht haben, sehe ich nicht ein, warum ich nicht hin und wieder eine Stelle aussuchen sollte. Ich habe das Missverständnis erst heute Morgen erkannt, als ich die Nachricht bekam, aber da war es schon zu spät. Und obwohl ich Sie im Stich hätte lassen können, bin ich gekommen.”
“Etwas anderes hätte Angela doch sicherlich auch nicht geduldet?”
Ferry hielt mit der Wahrheit zurück. Angela hätte es ihr wahrscheinlich schon durchgehen lassen – zumindest einmal. Sie hatte Angela noch nie enttäuscht – ganz im Gegenteil. Angela hätte es verstanden. Sie waren schon lang gute Freundinnen. Das konnte sie aber Stefan Redwell wohl kaum erzählen.
“Nein, hätte sie nicht. Es ist jedoch auch keine Lüge, dass mir oft hervorragende Stellen angeboten werden. London ist eine sehr große Stadt. Ich bin nicht völlig von Angelas Wohlwollen abhängig. Wenn man bedenkt, dass ich trotz der Pfefferstreuer bereit war, hierzubleiben, hätten Sie ruhig etwas toleranter sein können.”
Er kniff die Augen zusammen, aber seine Nasenflügel bewegten sich wieder. Offensichtlich war er nicht so, reizbar, wie er sich gern gab. “Miss Lyon …”, begann er kühl.
In diesem Augenblick leuchtete das Telefonlämpchen auf. “Entschuldigen Sie mich bitte”, unterbrach sie ihn und nahm den Hörer ab. “Guten Morgen, Mr. Redwells Sekretärin am Apparat”, sagte sie mit ihrer schönsten Telefonstimme. “Was kann ich für Sie tun?”
“Ferry, ich bin’s, Angela! Ich weiß, dass es die falsche Branche ist, aber warte doch erst ab, bis du den Mann siehst. Er ist faszinierend – und ich präsentiere ihn dir auf einem Tablett …”
“Ich habe ihn schon kennengelernt. Du liegst ganz falsch. Er bietet sich mir zurzeit gewiss nicht auf edlem Silber an. Obwohl ich zugeben muss, dass es mich nicht stören würde, seinen Kopf auf einer Silberplatte zu sehen. Er hat mich gerade an die Luft gesetzt.”
“Aber Ferry …”
“Bis bald, Angela.”
Er lächelte. Seine ebenmäßigen weißen Zähne wirkten außergewöhnlich kräftig. Irgendwie erinnerte er an einen Löwen. Sie senkte den Blick. Ein merkwürdiges Gefühl im Magen bestätigte ihr, was sie sich eigentlich nicht eingestehen wollte. Wenn er so lächelte, verstand sie genau, was Angela meinte. Er war faszinierend. Aber er würde sich bestimmt nicht auf einem Tablett reichen lassen. Schon gar nicht ihr.
“Ziehen Sie den Mantel aus, Miss Lyon. Sie können bleiben. Sie sollten aber auch so gut sein, wie sie behaupten”, brummelte er gereizt.
“Das bin ich”, erwiderte sie leise. Obwohl sie jetzt auf ihren Urlaub verzichten musste, war sie erleichtert – sogar richtiggehend übermütig. Sie schlüpfte aus dem Regenmantel und hängte ihn wieder auf. “Danke. Sie werden es nicht bereuen.”
Stefan Redwell blickte sie geringschätzig an. “Das bezweifle ich, Miss Lyon. Aber andererseits hoffe ich, dass Sie meine Entscheidung genauso bereuen werden, wie ich.”
Ferry spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Stefans Worte wirkten bedrohlich – obwohl sie ihm nicht die Schuld dafür geben konnte. Sie war ja selbst von ihrer Offenheit überrascht. Das war sonst gar nicht ihre Art. Irgendetwas war heute Morgen in sie gefahren, und nun hatte sie auf ihren neuen Chef einen schrecklichen Eindruck gemacht. Sie würde sich anstrengen müssen, um die Wogen wieder zu glätten.
Das dürfte aber kein Problem sein, dachte sie unsicher. Sie war wirklich eine gute Sekretärin. Ihre Arbeitgeber zu besänftigen war eine Aufgabe, die zu lösen sie im Laufe der Jahre fast bis zur Perfektion gelernt hatte. Stefan Redwell schien jedoch kein allzu leichter Fall zu sein …
“Ich werde mein Bestes geben, Sir.”
“Das bezweifle ich.”
Plötzlich verspürte sie das unerklärliche Bedürfnis zu lachen, konnte es sich aber gerade noch verkneifen. Er mochte zwar furchteinflößend sein, irgendwie war seine direkte Art jedoch auch belustigend. Sie behauptete ja immer, dass sie in der Lage wäre, es vierzehn Tage lang mit allem und jedem aufzunehmen. Das würde sie jetzt beweisen müssen.
“Was soll ich tun?”, fragte sie gelassen.
“Nebenan steht eine Kaffeemaschine”, erwiderte er und wandte sich unvermittelt der blauen Tür zu. “Ich trinke meinen Kaffee schwarz. Beeilen Sie sich.”
Ferry lächelte halbherzig, als er die Tür hinter sich zufallen ließ. Sie verstand sich selbst nicht mehr. Sie war sich gerade untreu geworden, nur um eine Stellung zu behalten, die sie eigentlich gar nicht wollte. Es wäre sicherlich nicht so schlimm gewesen, wenn man sie einmal an die Luft gesetzt hätte. Angela hätte es bestimmt verstanden, und wie sie Stefan ja bereits erklärt hatte, war London eine große Stadt. Es hätte ihre berufliche Zukunft gewiss nicht beeinträchtigt. Darüber hatte sie sich aber gar nicht den Kopf zerbrochen.
Sie stand auf. Schwarzer Kaffee. “Beeilen Sie sich”, hatte er gesagt. Wichtige Dinge wie Kaffeemaschinen zu finden bereitete ihr normalerweise keine Probleme. Aber das Redwell-Gebäude hatte sie überrascht. Es hatte eine elegante und vollständig erhaltene georgianische Fassade, war innen jedoch ganz modern und um einen Innenhof gebaut, in dem eine hochgewachsene schottische Pinie stand. Das Haus war so außergewöhnlich wie der löwenartige Mr. Redwell selbst.
“Vertrieb von Tafelzubehör” stand auf der Karte der Agentur. Ferry hatte sich vorgestellt, wie ältliche Serviererinnen einen langen Tisch deckten, wie sie Salz- und Pfefferstreuer aufstellten. Sie hatte sich einen glatzköpfigen Manager in einem glänzenden Anzug, mit einem grauen Schnurrbart vorgestellt, an dem der Kaffee hängen blieb.
Aber obgleich sowohl das Gebäude als auch der Manager schon derart ungewöhnlich waren, übertraf die Kaffeemaschine all ihre Erwartungen. Sie hatte zunächst einmal nur angenommen, dass es eine Kaffeemaschine gab. Eine schlechte Kaffeemaschine mit jenen dünnen Plastikbechern, in die eine schwarze Brühe floss, die vorgab, Kaffee zu sein. Zweifellos sprang hier auch ein unsympathischer Hausmeister herum, der nur darauf wartete, Ferry schöne Augen zu machen. Unentschlossen schaute sie auf das Telefon. Sollte sie Angela anrufen? Oder erst einmal abwarten?
Die Kaffeemaschine stellte sich als echt italienische Espressomaschine heraus, die einen erstklassigen Kaffee herstellte. Zuversichtlich nahm Ferry die Tassen aus feinem Porzellan in die Hand. Sie war zwar nicht besonders schnell gewesen, aber wenn sie so tat, als ob, würde Stefan es bestimmt nicht merken.
“Sind Sie aufgehalten worden?”, fragte er spöttelnd.
Sie lächelte verblüfft. Das passte gar nicht zu ihm. Ihrer Erfahrung nach zählten Chefs, die derartige Dinge bemerkten, zum Schuldirektortyp, Anfang Sechzig. Stefan Redwell sah nicht so aus, als würde man ihm einen Posten in einer englischen Schule übertragen.
“Entschuldigung”, murmelte sie. “Ich habe noch nie so eine Kaffeemaschine benutzt.”
“Sie haben mir das Blaue vom Himmel versprochen, Miss Lyon, und lassen sich schon von einer einfachen Kaffeemaschine verunsichern.”
“Sie müssen zugeben, dass es keine gewöhnliche Maschine ist”, sagte sie fröhlich.
Er zog eine Augenbraue hoch. “Ich gebe gar nichts zu. Es kommt ganz darauf an, woran Sie gewöhnt sind. Lassen Sie uns keine Zeit mehr verlieren. Tippen Sie bitte die Briefe, die ich auf Ihren Schreibtisch gelegt habe.”
“Ich kann auch Diktate aufnehmen”, erwiderte sie leise. “Sie müssen die Briefe nicht schreiben.”
Er lächelte jungenhaft.
Als sie zu ihrem Schreibtisch kam, stellte sie fest, dass die Briefe so aussahen, als wären sie in Steno geschrieben. Aber in Kürzeln, die ihr nicht geläufig waren. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie schließlich einige davon. Es gab ein L, das auf dem Kopf stand, und ein X mit sechs Strichen, das ihr unheimlich bekannt vorkam. Die Briefe mussten an einen Russen gerichtet sein. Sie waren alle in Kyrillisch. Deshalb also das Lächeln!
Es gab drei Möglichkeiten. Sie könnte ihn fragen, was er sich dabei dachte, ihr russische oder polnische Briefe zum Tippen zu geben. Sie könnte auch den nächsten Bus zur High-Temp-Agentur nehmen. Irgendwie könnte sie ihm aber auch in Rekordzeit einen Stapel Briefe in schönen kyrillischen Buchstaben präsentieren. Sie strich den geschmackvollen blauen Rock glatt und schaltete den Computer an …
Mithilfe des Handbuchs gelang es Ferry schließlich, die unbekannten Zeichen auf den Bildschirm zu bringen. Sie fand jedoch bald heraus, dass sie trotzdem nicht in der Lage war, die Briefe fehlerfrei zu tippen. Woher sollte sie wissen, ob er sich verschrieben hatte? Nervös klopfte sie mit den Fingerspitzen auf den Schreibtisch. Denk nach, Ferry, sagte sie sich. Benutz deinen Verstand …
Übersetzungsbüros? Sie wusste, dass das zu lange dauern würde. Wenn Sie sich ein paar Pluspunkte verdienen wollte, musste sie diese Aufgabe schnellstens erledigen. Sie schaute in ihrem Adressbuch nach, fand schließlich die gesuchte Nummer und wählte.
“Simon? Es ist doch nicht mehr früh? Es ist schon drei nach neun. Ihr Uni-Angestellten solltet mal das richtige Leben kennenlernen …”
Um neun Uhr sechsundzwanzig rief Simon zurück. Drei Minuten danach schickte sie ihr erstes Fax ab. Sechs Faxe und eineinhalb Stunden später klopfte sie an die blaue Tür.
“Herein …”
Man sah, dass Stefan sich mit den Fingern durch das dichte, wellige Haar gefahren war. Ferry hatte wieder das Bedürfnis zu lachen, hielt sich aber zurück. Wenn seine Frisur zerzaust war, wirkte sie wie eine Mähne … Stefan Redwell, König der Tiere.
“Würden Sie einen Blick darauf werfen, bevor sie unterschreiben?”
Ungeduldig legte er die Stirn in Falten. “Wovon sprechen Sie eigentlich?”, murmelte er, ohne aufzuschauen.
“Von den Briefen. Sie sind fertig.”
Noch immer hielt er den Blick gesenkt. “Könnten Sie mich vielleicht mit meinem Namen ansprechen, Miss …?”
Er tat so, als könnte er sich nicht erinnern. Als hätte sie überhaupt keinen Eindruck auf ihn gemacht. Ihr Name war fast so einprägsam wie der von Miss Piggy.
“Lyon. Ferraleth Lyon. Vielleicht können Sie sich daran erinnern, dass Sie mich vor Kurzem gebeten haben, Sie nicht Mr. Redwell zu nennen.”
“Ich habe mich anders entschieden. Es ist in Ordnung. Aber sagen Sie es nicht dauernd.”
“Sicher, Mr. Redwell. Wenn Sie jetzt einen Blick auf die Briefe werfen würden …”
Er schaute sie finster an. Ungeduldig nahm er die Briefe an sich. “Welche Agentur haben Sie bemüht? Sie sind alle ziemlich gut. Und es ging schnell. Man kann sich viel Arbeit ersparen, wenn der Preis stimmt.”
“Ich war bei keinem Übersetzungsbüro, Mr. Redwell. Ich habe die Briefe selbst getippt.”
Ungläubig kniff er die Augen zusammen. “Soll das heißen, dass Sie Polnisch sprechen?”
“Nur ein Brief ist auf Polnisch. Die anderen sind auf Russisch.”
“Sie haben meine Frage nicht beantwortet.”
“Es tut mir leid, Mr. Redwell. Zufällig spreche ich nur Französisch. Aber nicht besonders gut.”
“Wie haben Sie das dann geschafft?” Er blätterte die Briefe durch.
“Ich habe einen Freund um Rat gebeten. Per Fax habe ich Rechtschreibung und Zeichensetzung überprüfen lassen. Er hat zwei oder drei Veränderungen vorgeschlagen und mir versichert, dass es sich nur um Kleinigkeiten handelt. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Briefe durchlesen würden, um sicherzugehen, dass alles korrekt ist. Schließlich kann ich es nicht beurteilen. Hoffentlich billigen Sie meine Handlungsweise.”
Stefan sah sie lange an. Schließlich las er die Briefe durch. Seine Miene war finster, aber seine Nasenflügel verrieten ihn. Sie bebten nicht nur leicht, sondern bauschten sich richtig auf. Er lachte, dessen war sie sich sicher. Das beängstigte sie. Er nahm einen goldenen Füllfederhalter und klammerte einige Zeilen auf einem der Briefe ein.
“Drucken Sie den noch mal”, ordnete er ironisch an. “Und lassen Sie die markierten Zeilen aus.”
Nach zehn Minuten kam sie mit der neuen Fassung des Briefes zurück. Sie war verärgert. Schließlich hatte sie das Fax ganz genau abgeschrieben. Er hatte diese Änderungen nur vorgenommen, um es ihr schwer zu machen.
“Schon viel besser”, sagte er beim Unterschreiben. Als er diesmal zu ihr aufblickte, lächelte er. “Gut gemacht”, fügte er hinzu. Er war sichtlich beeindruckt.
Erneut hatte sie ein ganz komisches Gefühl in der Magengegend.
“Wer ist denn dieser Freund?”
“Oh, nur jemand, der an der Universität moderne Fremdsprachen unterrichtet”, antwortete sie.
“Ein Exfreund?”
Wie hatte er es nur erraten? “Nein. Nur ein Freund.”
“Belügen Sie mich nicht, Miss Irgendwie Lyon. Er ist ein Exfreund, der noch eine kleine Rechnung mit Ihnen begleichen will. Geben Sie es ruhig zu.” Seine Stimme verriet, wie belustigt er war.
Ferry biss sich auf die Lippe. “Ich heiße Ferraleth Lyon. Und ich fürchte, mein Freund ist alles andere als ein …”
“Bitte!”, unterbrach Stefan sie. “Gerade lief es doch so gut mit uns! Verderben Sie nicht alles mit Ihrer Verlogenheit. Ich bin sicher, dass ich recht habe. Wer sonst hätte in meinen Brief geschrieben: ‚Lassen Sie den Brief noch einmal tippen, damit sie nicht übermütig wird`”?
Ferry zögerte. Wenn sie Simon jemals wiedersehen sollte, würde sie ihn umbringen. Da sie sich jedoch nichts anmerken lassen wollte, lächelte sie strahlend. “Ein früherer Arbeitgeber, Mr. Redwell. Ein Arbeitgeber, der noch eine kleine Rechnung offen hatte.”
Als sie an ihren Schreibtisch zurückkam, dachte sie noch einmal über das Wort Verlogenheit nach. Er hätte sie auch gleich eine Lügnerin nennen können.
2. KAPITEL
Der erwartete Hausmeister stellte sich als Bürobote heraus. Er trug ein graues Drillichjackett anstatt des üblichen braunen Drillichmantels, doch die Wirkung war fast dieselbe. “Sie sehen so fröhlich aus”, sagte er mit einem zweideutigen Blinzeln, als er einen großen Stapel Briefe auf ihren Schreibtisch legte.
“Ich bin immer fröhlich”, erwiderte Ferry lächelnd.
“Ich bin Ray. Ihr kleiner Sonnenstrahl”, sprach er weiter und bewegte die Augenbrauen auf und ab. “Sie können mich Mr. Fields nennen, wenn Sie schlechte Laune haben – was wahrscheinlich meistens der Fall sein wird, wenn Sie unseren Chef erst einmal kennen gelernt haben.” Er deutete auf die blaue Tür. “Er ist ein Raubtier”, fügte er flüsternd hinzu.
“Das ist mir auch schon aufgefallen. Der König der Tiere”, erwiderte sie leise.
Ray kratzte sich am Kopf. “König? Seine Mutter soll eine Prinzessin sein. Ungarischer Lebensstil, wenn Sie verstehen, was ich meine, aber ich glaube nicht, dass er selbst einen Anspruch auf einen Titel hat.”
Ferry atmete tief ein. “Wollten Sie sonst noch was, Mr. Fields?”
Ray sah sie erwartungsvoll an. “Ist das ein Angebot, Miss …?”
“Miss Lyon”, seufzte Ferry überdrüssig.
“Sie brüllen also wie ein Löwe, Miss Lyon?” Er musste über seinen eigenen Scherz lachen. Dann fragte er: “Haben Sie keinen Vornamen?”
“Ferry”, sagte sie müde lächelnd und fügte hinzu: “Hören Sie, Mr. Fields, ich bin schrecklich beschäftigt. Wenn es Ihnen nichts ausmacht …”
Ray war verblüfft. Schmollend ging er zur Tür, drehte sich um und winkte ihr eingeschüchtert zu. Ferry hatte Mitleid mit ihm.
Die nächste halbe Stunde widmete sie sich der eingegangenen Post. Der Inhalt überraschte sie. Stefan Redwell schien überall seine Finger im Spiel zu haben – fast alles hatte irgendwie etwas mit Metall zu tun. Sie verstand das meiste nicht, und nie war von Pfefferstreuern die Rede. Es war oft schwierig, sich in die Geschäfte eines Unternehmens einzuarbeiten, aber früher oder später würde sie schon zurechtkommen. Normalerweise konnte sie auf die Hilfe ihres Chefs zählen. Diesmal würde sie sich wohl allein durchbeißen müssen.
Stefan ging in sein Büro hinein und wieder heraus, immer durch die Tür, die direkt auf den langen Gang führte. Ferry konnte die Tür unzählige Male schlagen hören. Bei ihren kurzen Begegnungen lächelte sie, während er finster blickte. Sie sprachen nicht miteinander.
Als sie ihn einmal in sein Zimmer kommen hörte, sagte sie durch die Sprechanlage: “Für heute steht nichts mehr in meinem Terminkalender. Wir könnten doch Ihre Termine durchgehen, damit ich ein paar Dinge eintragen kann.”
“Weshalb? Deprimiert Sie der Anblick einer leeren Seite?”
“Nein, aber wenn ein dringender Anruf kommt, ist es sicherlich hilfreich, wenn ich weiß, wo ich Sie finden kann.”
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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