Bilder aus der Toskana - Hermann Hesse - E-Book

Bilder aus der Toskana E-Book

Hermann Hesse

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Beschreibung

»Angesichts dieser Kultur und dieses Landes sinkt mein Nationalgefühl auf Null«, schrieb Hermann Hesse 1901 in einem Brief von seiner ersten Italienreise. Seitdem hat er bis 1914 dieses Land immer wieder bereist und Venedig, Florenz, die Toskana und Umbrien auf ganz untouristisch-eigenwillige Weise für sich entdeckt und erwandert. Worüber »Baedeker unverantwortlich schweigt«, finden wir in Hesses Tagebüchern, Reiseskizzen, Gedichten und Erzählungen über Florenz und die Toskana so anschaulich und poetisch geschildert, daß es ein Abenteuer ist, die Landschaften, Städte und Sehenswürdigkeiten Oberitaliens mit seinen Augen zu erleben.

»Daß mein Reisen, Sehen und Erleben unabhängig von Mode und Reisehandbüchern war, wird man leicht sehen können. Wer auf Reisen wirklich etwas erleben, wirklich froher und innerlich reicher werden will, wird sich die geheimnisvolle Wonne eines ersten Schauens und Kennenlernens nicht durch sogenannte ›praktische‹ Reisemethoden verderben. Wer mit offenen Augen in ein fremdes, bis dahin nur aus Büchern und Bildern gekanntes, aber seit Jahren geliebtes Land kommt, dem wird jeder Tag unerwartete Schätze und Freuden geben, und fast immer behält in der Erinnerung dieses naiv und improvisiert Erlebte die Oberhand über das planmäßig Vorbereitete.« Hermann Hesse

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Hermann Hesse

Bilder aus der Toskana

Betrachtungen, Reisenotizen, Gedichte und Erzählungen

Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Volker Michels Insel Verlag

Inhalt

Reiselust

Reiselied

Über die Alpen

Bei Spezia

Meermittag

Tagebuchnotiz aus Livorno

Hafen von Livorno

Odysseus

In Pisa

Vom Zauber einer alten, untergegangenen Kunst

»Ars Florentiae Docet«

Ostern in Florenz

Ein Opernabend

Wenn ich an Florenz denke

Il Giardino di Boboli

Ein Stadtrundgang durch Florenz mit Hesses

Reisetagebuch

Das trotzende Certaldo, die Heimat Boccaccios

Giovanni Boccaccio als Dichter des »Decamerone«

Anemonen bei Fiesole

Toskanischer Frühling

Fiesole

Im Norden

Initialen

Lorenzos Lied

Der Mönch

Certosa di Val d’Ema

Prato ist ein famoses Städtchen

Tagebuchnotiz aus Pistoia

Siena mit seinem schwarz-weißen Banner

Der lustige Florentiner

Der Erzähler

Nachwort

Quellennachweis

Reiselust

Es ist mitten im Winter, der Schnee wechselt mit Föhn und das Eis mit Schmutz, die Feldwege sind ungangbar, man ist von der nächsten Nachbarschaft abgeschnitten …

Ich trete häufig für einige Augenblicke ins Schlafzimmer, wo an der Wand die große Karte von Italien hängt, und streife mit begehrlichem Auge über den Po und Apennin hinweg, durch grüne toskanische Täler, an blau und gelben Strandbuchten der Riviera hin, schiele auch etwa nach Sizilien hinab und verirre mich dabei gegen Korfu und Griechenland hin. Lieber Gott, wie ist das alles nah beieinander! Und wie schnell kann man überall sein. Und pfeifend kehre ich in die Studierstube zurück, lese entbehrliche Bücher, schreibe entbehrliche Artikel und denke entbehrliche Gedanken.

Im vergangenen Jahre war ich sechs Monate auf Reisen, im vorhergehenden fünf Monate, und eigentlich ist das für einen Familienvater, Landmann und Gärtner ziemlich reichlich, und als ich neulich das letztemal heimkehrte, nachdem ich unterwegs in der Fremde krank geworden, operiert worden und eine gute Weile gelegen war, da schien es mir an der Zeit, nun für lange hinaus, wenn nicht für ewig, Frieden zu schließen und heimisch und häuslich zu werden. Allein, kaum war die ärgste Abmagerung und Müdigkeit überwunden und ersetzt, kaum hatte ich mich wieder ein paar Wochen mit Büchern befaßt und Schreibpapier verbraucht, da schien eines Tages die Sonne wieder so unheimlich gelb und jung auf die alte Landstraße, und über den See lief ein schwarzer Nachen mit einem großen schneeweißen Segel, und ich bedachte die Kürze des Menschenlebens, und plötzlich war von allen Vorsätzen und Wünschen und Erkenntnissen nichts mehr da als eine unheilbare, tolle Reiselust.

Ach, die echte Reiselust ist nicht anders und nicht besser als jene gefährliche Lust, unerschrocken zu denken, sich die Welt auf den Kopf zu stellen und von allen Dingen, Menschen und Ereignissen Antworten haben zu wollen. Die wird nicht mit Plänen und nicht aus Büchern gestillt, die fordert mehr und kostet mehr, man muß schon Herz und Blut daran rücken.

Vor meinem Fenster wühlt der weiche, laue Westwind im schwarzen See, ohne Zweck, ohne Ziel, in seiner Leidenschaft rasend und sich verzehrend, wild und unersättlich. So wild und unersättlich ist die wahre Reiselust, der Erkenntnis- und Erlebensdrang, den kein Erkennen stillt und kein Erleben sättigt. Der ist stärker als wir und als alle Ketten, und über wen er herrscht, von dem will er immer wieder Opfer haben. Gibt es nicht Menschen, die toll und wild bis zum äußersten Wagnis und bis zum Untergang nach Geld jagen und nach Frauengunst und nach Fürstengunst? Nun, so jagen wir, wir Reiselustigen, nach einem Erfassen und Erleben der Mutter Erde, nach einem Einswerden mit ihr, nach einem so völligen Besitzen und Sichhingeben, wie es nicht zu haben und nicht zu erjagen, wie es nur zu träumen, zu begehren, zu ersehnen ist. Und vielleicht ist diese unsre Jagd und Leidenschaft nicht viel anders und um nichts besser als die des Spielers, des Spekulanten, des Don Juan, des Strebers. Im Hinblick auf die Abendstunde aber scheint mir unsre Leidenschaft doch besser und wertvoller zu sein als manche andre. Wenn uns die Erde ruft, wenn uns Wanderern die Heimkehr, uns Rastlosen die Ruhestatt winkt, so wird das Ende kein Abschiednehmen und zages Sichergeben sein, sondern ein dankbares und durstiges Schlürfen des tiefsten Erlebens. Wir sind neugierig auf Südamerika, auf unentdeckte Buchten der Südsee, auf die Pole der Erde, auf das Verstehen der Winde, Ströme, Blitze, Lawinen - aber wir sind noch unendlich viel neugieriger auf den Tod, auf das letzte und kühnste Erlebnis dieses Daseins. Denn wir glauben zu wissen, daß von allen Erkenntnissen und Erlebnissen nur die wohlverdient und befriedigend sein können, um die wir gern das Leben hingeben.

[1910]

Reiselied

Sonne, leuchte mir ins Herz hinein,

Wind, verweh mir Sorgen und Beschwerden!

Tiefere Wonne weiß ich nicht auf Erden,

Als im Weiten unterwegs zu sein.

Nach der Ebne nehm ich meinen Lauf,

Sonne soll mich sengen, Meer mich kühlen;

Unsrer Erde Leben mitzufühlen

Tu ich alle Sinne festlich auf.

Und so soll mir jeder neue Tag

Neue Freunde, neue Brüder weisen,

Bis ich leidlos alle Kräfte preisen,

Aller Sterne Gast und Freund sein mag.

Über die Alpen

Das ist ein Wandern, wenn der Schnee

Der Alpenberge kühl erglänzt,

Indes der erste blaue See

Italiens schon die Sicht begrenzt!

Durch Höhenwind und herbe Luft

Weht eine süße Ahnung her

Von violettem Ferneduft

Und südlich übersonntem Meer.

Und weiter sehnt das Auge sich

Zum hellen Florentiner Dom

Und träumt nach jedem Hügelstrich

Aufsteigend das beglänzte Rom.

Schon formt die Lippe unbewußt

Der fremden schönen Sprache Laut,

Indes ein Meer verklärter Lust

Dir schauernd warm entgegenblaut.

Bei Spezia

In großen Takten singt das Meer,

Der schwüle Westwind heult und lacht,

Sturmwolken jagen schwarz und schwer;

Man sieht sie nicht, es ist zu nacht.

Mir aber scheint: so tot und bang,

So ohne Trost und Sternegold

Durch schwüle Nacht und Sturmgesang

Sei auch mein Leben hingerollt.

Und doch ist keine Nacht so schwer

Und so voll Dunkels keine Fahrt,

Der nicht vom nahen Morgen her

Des Lichtes süße Ahnung ward.

Meermittag

Das ist so süß wie Traum und Tod:

Von Glut und Stille müd und schwer

Zu ruhn in einem Fischerboot

Im herben Duft von Salz und Teer.

Der kurzen Pfeife Wolkenspiel

Folgt lang das Auge ohne Ziel,

Bis es gebannt und müde ruht

In blauer Mittagssonnenglut.

Da segeln hoch in stetem Ziehn

Die weißen, losen Wolken hin,

Fernher mit kaum gehörtem Pfiff

Gibt Kunde seiner Fahrt ein Schiff.

Die Flut in träumerischem Spiel

Verlecht mit dumpfem Laut am Kiel;

Das schlaffe Segel feiert leer,

Die Netzeschnur schleift hinterher.

Und alles, was dich sonst bewegt,

Und alles, was in Glück und Weh

Dir irgendwann das Herz erregt,

Ruht tief und schlummert in der See.

Dein Herz, so wild es sonst gebrannt,

Wird wieder still, wird wieder Kind

Und ruht wie Sonne, Meer und Wind

In Gottes Hand.

Tagebuchnotiz aus Livorno

19. 4. 1901

In Livorno ging ich sofort zum Hafen, wo ich mich zwei Stunden Barke führen ließ. Die Fahrt auf dem abendklaren Meer war köstlich. Ich ging den molo nuovo zu Fuße ab: Das Meer mit vielen Segeln, die Küste und die Inseln (darunter Elba) waren herrlich schön. Ich schöpfte mit der Hand einen Schluck Salzwasser. Am Strande fand der Bootsmann eine Menge austernartige Muscheln, deren frischen Inhalt nebst Meerwasser ich mit Appetit verzehrte - frutta di mare. Dann bestieg ich den Leuchtturm. Von da sah ich nochmals Korsika, Elba etc. sowie durchs Fernrohr sehr schön den Dom von Pisa, ohne die Stadt, von Bäumen eingerahmt. Nun Bummel in der buntbelebten Hafenstadt. Glänzender Reflex eines frisch mit Zinnober gestrichenen Schiffes im Meer. Vesper in einer Trattoria nahe der Bahn. [In der Stadt hat ein Café den Namen »Amico Fritz«.] Auf der Rückfahrt erst wundervolles Abendglühen, namentlich in den Kanälen, dann schöner Sternhimmel.

Hafen von Livorno

Nach einem Bild, das ich vor Jahren sah,

Verläßt mich eine milde Sehnsucht nie.

Es ist mir oft in Träumen fern und nah

Wie eines Jugendwanderliedes

Vergeßne traumbekannte Melodie.

Die Sonne sank und war voll müder Glut,

Der fernen Inselberge Linie schwand

In Duft und Himmel. Und die schwere Flut

Des Meeres schlug in wunderlichen Takten

An meines dunklen Fischerbootes Rand.

Ein gelbes Dreiecksegel flammte schwer

Am Molo auf. Ein sattes Leuchten glitt

Mit jäher Schönheit übers goldne Meer

Und nahm die letzten roten Strahlen

Ins violette Reich des Abends mit.

Odysseus

Bei Livorno

Das fernste Schiff, das abendlich besonnt

Mit schwarzen Masten fährt am Horizont,

Das meinen Blick mit starkem Zauber hält

Am Rande einer unsichtbaren Welt.

– Mir träumt, sein Steuer läge in der Hand

Des göttlichen Odysseus, der sein Land

Durch aller Meere schreckenvolle Flucht

Mit namenlosem Heimweh liebt und sucht,

Der nächtelang, unbeugsam dem Geschick,

Des Himmels Sterne mißt mit scharfem Blick,

Der hundertmal verschlagen und bedroht

Sich sehnt und weiterkämpft durch Angst und Tod

In sturmverfolgter hoffnungsloser Fahrt

Ziel und Vollendung ungebeugt erharrt.

Das ferne Schiff entgleitet meinem Blick

In dunkelblaue Meere; sein Geschick

Füllt meinen Traum und läßt ins Blaue ziehen

Mit leiser Frage seine Phantasien.

Ist dort, wohin das Schiff des Dulders fährt,

Ist dort das Glück, nach dem mein Wunsch begehrt?

– Vielleicht! – Und welches Schiff führt mich ihm zu?

– Einstweilen irre, Herz, und dulde du!

In Pisa

Aus dem Reisetagebuch

19. 4. 1901

Halb 12 Uhr Ankunft in Pisa und Besteigung des famosen, leider schiefen Kampanile mit Blick auf Stadt, Berge und Meer. Ich aß ein paar Eier mit Wein, das Wetter blieb klar und warm, ein Prachtstag. Vom Zug aus sah ich Zypressen, deren Gipfel für die Perspektive die Höhe des fernen Gebirgs hatten und beim Fahren die Höhenlinie wie Finger abfühlen. Nach Tisch zum Dom. Das Ensemble von Dom, Kampanile, Baptisterium, Campo Santo ist etwas ganz Einziges, abseits der Stadt eine kleine stille Welt edelster Kunst, die auch die Schiefe des Turms nur wenig stört. Die Domfassade ist imponierend edel. Die alte Erztüre ist ein strenges, solides Werk, neben dem die zwei späteren Türen miserabel aussehen. Das Innere des Doms ist ein Wunder in Konstruktion und Dekoration, alles von fast antiker Klarheit. Prächtiges Chorgestühl, geschnitzt und eingelegt. Mosaik von Cimabue, Bilder von Andrea del Sarto. Im Dom ersucht ein Plakat, man möge nicht auf den Boden spucken »aus Respekt vor dem Haus Gottes und wegen der Hygiene«! Vor dem Dom saß ein hübsches Mädchen und frisierte sich vor einem Scherben Spiegelglas. Der Campo Santo ist ein sehr ernster, würdiger Raum, mit dem Gozzolis lustig unterhaltende Fresken eigen kontrastieren. Der »Triumph des Todes« ist von größter Wirkung und übertraf meine Vorstellung weit. Besuch des Baptisteriums mit der schönen Kanzel des Pisano, deren drei säulentragende Löwen mir besonders imponieren. Schönes Echo. Am Arno das zierliche gotische Kirchlein S. Maria della Spina. Die Stadt scheint wohlhabend, ist recht sauber und auffallend still. Nur auf einer Straße fand ich Leben, wo einige Männer Schlagball spielten und die ganze Gasse zusah.

Vom Zauber einer alten, untergegangenen Kunst

Der Triumph des Todes

Vor dem hübschen, ruhigen Städtchen Pisa liegt abseits und von grünen friedlichen Wiesen eingeschlossen eine stille, ernste, marmorne Welt, einsam und vom Zauber einer alten, untergegangenen Kunst übergossen. Das ist jene berühmte Pisaner Gruppe heiliger Gebäude, des Baptisteriums, des Domes, des Campanile und des Campo Santo, sämtlich aus jener uns seltsam anziehenden Zeit stammend, in welcher aus der Dantesken Kultur des endenden Mittelalters heraus die ersten überraschenden Keime einer neuen Kunst und eines neuen Lebens erstanden.

Wer aus den Straßen der wenig belebten Stadt heraustretend zum erstenmal von diesem einzigartigen Anblick überrascht wird, der bleibt mit Herzklopfen vor dieser adlig schönen Gruppe stehen. Kein Haus, kein Bild oder Klang modernen Lebens stört den Eindruck, abgeschlossen und in der ganzen Reinheit von ehemals liegt diese kleine Welt im Grünen, deren späteste Teile sechs Jahrhunderte alt sind. Wen hier nicht ein Gefühl von Ehrfurcht und heiligem Schauer überwältigt, der ist vergebens nach Italien gekommen; er wird keinen zweiten Ort finden, wo ein Stück des alten Italien sich so großartig rein und edel erhalten hat.

Nach dem Erwachen aus dem ersten ehrfürchtigen Staunen wendet sich unwillkürlich die erste Neugierde dem Campanile, dem berühmten schiefen Turme, zu. Auch mir ging es so, und vom ersten Augenblick an war es mir rätselhaft, daß viele der Ansicht sind, dieser Turm sei mit Absicht schief angelegt worden. Denn wenn die beiden schiefen Türme von Bologna den erstrebten Eindruck des apart Bizarren wirklich machen, so kann man den Pisaner Turm nur mit tiefem Bedauern über seine schiefe Neigung betrachten, welche den einzigen Mißklang in einer vielleicht nirgends sonst so großartig vorhandenen vornehmen Harmonie gibt.

Nachdem ich den wundervollen Turm betrachtet und erstiegen, den Dom mit der glänzenden Fassade und den Bildern des Andrea del Sarto, sowie das Baptisterium mit der streng schönen, reliefgeschmückten Kanzel des Giovanni Pisano besucht hatte, wandte ich mich zu dem wenige Schritte entfernten Campo Santo, in dessen Innern ich einen Eindruck besonderer Art auf mich warten wußte.

Der Campo Santo ist ein rechteckiger, grüner Platz, von nach innen offenen Hallen umgeben, deren Wände die berühmten Fresken bedecken. Der ganze Raum ist totenstill, abgelegen und feierlich und hat die Stimmung der Weltferne und des nachdenklichen Ernstes. Die Steinböden der Hallen sind aus Grabplatten zusammengesetzt, auf denen eine wichtige Sammlung antiker und mittelalterlicher Plastik aufgestellt ist. Ich hatte das Glück, der einzige Besucher zu sein; nichts störte meine stille Betrachtung, kein Laut als der meiner eigenen Schritte traf mein Ohr. Ich besah die bunte Reihe der Fresken, fand bei den Skulpturen einige höchst anziehende etruskische Stücke und ließ dann mein Auge auf dem grün bewachsenen Hofe ausruhen, um dann das Hauptbild, den Triumph des Todes, würdig zu betrachten. Während dieses Ausruhens in der vollkommenen Stille war meine Phantasie mit dem Bilde der Zeit beschäftigt, in welcher diese Wände erbaut und bemalt wurden, die durch die Vermittlung der englischen Präraffaeliten wieder einen so enormen Einfluß auf die Kunst der letzten Jahrzehnte geübt haben. Bei allem Reiz hatte das historische Phantasieren an diesem Ort der Vergangenheit und des Todes etwas Traurigmachendes; ich riß mich los und stellte mich nun dem »Triumph des Todes« gegenüber auf.

Die schwermütige Mystik des scheidenden Mittelalters redet aus diesem gewaltigen Bilde, das heute noch, beschädigt und antiquiert, die Schatten der Trauer und Todesgedanken auf die Seele des Beschauers legt. Links ist das fromme Leben der Einsiedler dargestellt, für welche der Tod keine Schrecken hat; der eine ruht an einen Baum gelehnt, ein anderer liest gebückt in einem Buche, ein dritter melkt eine Hirschkuh. Rechts sehen wir die Seligen im Paradiese sitzen, unter laubigen Fruchtbäumen, in tiefem Frieden, bei Gespräch und Lautenspiel. Die Mitte aber schildert in drei Hauptgruppen den Triumph des Todes, der nach Willkür grausam über die Menschen herrscht. Da reitet eine vornehme, reichgekleidete Jagdgesellschaft, auf schönen Rossen, von Hunden umbellt. Plötzlich begegnen die Vordersten des fröhlichen Zuges drei offenen Gräbern, in welchen Leichname in den verschiedenen Stadien der Verwesung sichtbar werden. Ein obenan reitender schöner Jüngling erbleicht und zeigt den Nachfolgenden stumm mit ausgestrecktem Finger das Schrecknis, die Dame zu seiner Rechten blickt scheu und verstört hinüber. Und nun pflanzt sich der Schauer des Todesschreckens durch die glänzende große Reihe fort, ein Hündlein nähert sich angstvoll winselnd den Gräbern, eines der Pferde stiert mit vorgerecktem Halse scheu auf die Leichname. Die nächstfolgende Dame neigt in schmerzlicher Todesangst das schöne Haupt auf die Hand und kann nicht nochmals hinübersehen; der ganze Zug gerät in ängstliches Stokken, nur die Hintersten, die noch nichts ahnen, blicken lebensfroh und übermütig uns aus dem Bilde an.

Nebenan folgt die ergreifendste Gruppe. Eine Schar von Armen und Bettlern steht und liegt am Wege. Sie alle sind elend, alt, krank und des Lebens müde; der eine ist blind, ein anderer lahm, andere vom Alter gekrümmt oder durch Unglück verstümmelt. Mit herzzerreißenden Gesten und Blicken flehen sie zum Tode, er möge sie erlösen, sie, die einzigen, welche gern zu sterben bereit sind.

Aber der Tod erhört sie nicht. Als grauenhafte Megäre mäht er mit riesiger Hippe seine Beute nieder, lauter Junge, Reiche, Schöne, Vornehme, die am Leben hingen. Sie liegen dicht in welken Haufen am Boden, Äbte, Nobili, Edeldamen und in der Blüte weggeraffte Jugend. Darüber in den Lüften streiten sich Engel und Teufel um die Seelen.

Das ist der trionfo della morte. Ich weiß kein Bild und keine Dichtung, aus denen so gewaltig düster die ewige Todesbotschaft spricht, es seien denn zwei oder drei jener fast trostlos herben Todesverse in den Psalmen, im Jesus Sirach und im Prediger Salomo.

[1901]

»Ars Florentiae Docet«

Die Stunde kam. Ich nahte mich Florenz.

Der schönen fremden Sprache Laut erklang,

Die Sonne streute Gold den Strom entlang,

Rings auf den Hügeln duftete der Lenz!

Ich weiß nicht, ob die Erde Schöneres hat –

Paläste streift bei jedem Schritt mein Blick,

Aus jedem Steine spricht ein groß Geschick,

Buntheit und Duft erfüllt die Blumenstadt.

Die Stunde kam. Es glänzt in warmem Licht

Tal, Strom und Stadt. Allein des Glückes Schimmer,

Der tröstet, heiligt und beglückt für immer,

Und den ich lange suchte, fand ich nicht.

Ostern in Florenz

Lo scoppio del carro

Am Ostersamstag jedes Jahres begehen die Florentiner eine eigentümliche Feier, den scoppio del carro, den »Wagenschuß«. Die Geschichte des uralten Brauches ist nicht in allen Punkten völlig klar – das Wichtigste sei hier kurz erzählt.