Bille und Zottel Bd. 04 - Applaus für Bille und Zottel - Tina Caspari - E-Book

Bille und Zottel Bd. 04 - Applaus für Bille und Zottel E-Book

Tina Caspari

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Beschreibung

Frühling in Groß-Willmsdorf! Bille und ihr Pony Zottel werden vor neue Aufgaben gestellt: Wie bringt man einen kranken Reitlehrer zum Lachen? Wie hilft man einem verwaisten Pony? Wie erteilt man einem hochnäsigen Nichtskönner eine Lehre? Bille und Zottel sorgen auch hier wieder für Überraschungen.

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TINA CASPARI

Applaus für

Bille und Zottel

Frühling in Groß-Willmsdorf

„Ich könnte jetzt auf der Stelle einschlafen!“ Bille schloss die Augen und reckte sich wie eine schläfrige Katze. Zottel ging am langen Zügel und ließ den Kopf hängen, sein rot-weiß gesprenkeltes Fell dampfte von dem langen Ritt.

„Ich habe schon seit einer ganzen Weile den Verdacht, dass ihr beide pennt!“, rief Simon, der hinter Bille ritt. „Wenn man euch so ansieht – wie ein Maultier mit einem Mehlsack auf dem Rücken!“

„Ich bin auch total müde“, verteidigte Bettina die Freundin und band die Ärmel ihres Pullis, den sie sich um den Bauch geschlungen hatte, zu einem festen Knoten. „Diese ungewohnte Hitze macht einen völlig fertig!“

Sie trieb ihre zierliche Haflingerstute an, die schnaubend ein paar Meter trabte, bis sie auf gleicher Höhe mit Zottel ging.

„Wo bloß auf einmal die vielen Mücken herkommen?“

Florian verscheuchte ärgerlich den tanzenden Schwarm vor seinem verschwitzten Gesicht, den die plötzliche Wärme ins Freie gelockt hatte.

„Es wird eben Frühling“, stellte Bille fest. „Lass sie doch. Was hast du gegen die Mücken?“

„Sie schmecken mir nicht.“

„Dann mach den Mund zu.“

Simon klopfte seiner Stute Pünktchen beruhigend den Hals, als sie in der ausgefahrenen Rinne des Feldwegs ausrutschte und stolperte. „Auch schon erschöpft? Na, gleich haben wir’s geschafft.“

„Ihr seid mir vielleicht ein müder Verein! Kann ich gar nicht verstehen!“ Daniel sah seinen Bruder abschätzend an und nahm die Zügel auf. Sein Pferd Asterix schreckte hoch und machte einen Satz nach vorn.

Bille wandte sich lachend zu ihm um.

„Gib doch bloß nicht so an, Daniel! Du bist genauso schlapp wie wir. Warum bist du denn die ganze Zeit an letzter Stelle geritten? Wenn Asterix in die nächste Koppel marschiert wäre und sich schlafen gelegt hätte, hättest du es nicht mal bemerkt. Du wärst neben ihm ins Gras gekullert und hättest geschnarcht, wetten?“

„Ich? Ich bin taufrisch“, wehrte sich Daniel und unterdrückte nur mühsam ein Gähnen. „Ich bin nur hinter euch hergeritten, um aufzupassen, dass keiner verloren geht. Aber das hat man nun davon, wenn man euch zu einem Ausflug ans Meer mitschleppt – kaum ist man drei Stunden unterwegs, schon seid ihr total überfordert.“

„Was heißt hier Ausflug ans Meer?“, maulte Florian. „Du hast uns ja die ganze Ostseeküste rauf- und runtergescheucht, und das im Galopp! Bongo stolpert schon über seine eigenen Beine, so fix und fertig ist er.“

„Ein bisschen Anstrengung schadet ihm gar nichts“, gab Daniel ungerührt zurück. „Er ist sowieso viel zu fett. Genau wie du.“

„Keil doch mal kräftig aus, Dicker!“, raunte Florian seinem stämmigen kleinen Rappen ins Ohr. „Zeig’s dem langen Lulatsch, gib’s ihm!“

Aber sein Pferd tat ihm den Gefallen nicht. Unwillig schnaubte es und schüttelte den Kopf, zum Zeichen, dass es nicht mehr angeredet zu werden wünschte. Es dachte nur noch an den Stall und an einen großen Eimer, bis an den Rand gefüllt mit kühlem, frischem Wasser.

Bille blinzelte und schloss die Augen. Sie beugte sich vor und legte sich auf Zottels Hals, ihre Finger kraulten zärtlich die dichte Mähne ihres Ponys.

„Bist du uns sehr böse, wenn wir dir nicht das Ehrengeleit nach Groß-Willmsdorf geben, sondern direkt nach Peershof zurückreiten?“, rief Simon hinter ihr.

„Ich? Wie kommst du denn darauf! Ist doch klar, dass ihr mit den erschöpften Pferden auf dem kürzesten Weg heimreitet“, sagte Bille. „Hast du Angst, ich könnte verloren gehen?“

„Unser lieber Simon ist eben ein gut erzogener Junge“, stichelte Daniel. „Immer zuvorkommend Damen gegenüber – und 13-Jährigen, die es werden wollen.“

„Einer muss ja die Familienehre retten. Seid froh, dass ihr ihn habt, sonst wärt ihr schlimm dran!“, sprang Bettina ihrem Vetter bei. „Tschüss, Bille, ich ruf dich später noch an, damit wir die Matheaufgaben vergleichen können. Ein paar habe ich überhaupt nicht kapiert.“

„Okay, bis dann. Kommt gut nach Hause!“

Bille winkte den Freunden nach, bis sie hinter der Wegbiegung verschwunden waren. Wie selbstverständlich Bettina zwischen ihren drei Vettern ritt! Gerade ein halbes Jahr war es her, dass sie auf Peershof Einzug gehalten hatte – eine blasse, kränkliche Schönheit, wie ein Wesen aus einer anderen Welt, gezeichnet von dem schweren Unfall, der ihre Eltern das Leben gekostet hatte. Weder die drei Brüder noch Bille waren besonders glücklich über die Aufgabe gewesen, Bettina bei ihrem Start in ein neues Leben zu helfen.

Nicht Monate, sondern Jahre schienen Bille vergangen zu sein seit ihrer ersten Begegnung. In der kurzen Zeit waren Bettina, sie und die drei Brüder zu unzertrennlichen Freunden geworden.

„Das habt ihr zustande gebracht“, sagte Bille liebevoll zu Zottel. „Ihr und unsere verrückte Liebe zu euch Vierbeinern. Nun komm, es wird Zeit fürs Abendbrot!“

Angesichts dieser Ankündigung ließ Zottel sich zu einem Trab überreden, und bald lagen die vertrauten Wirtschaftsgebäude des Gutshofs Groß-Willmsdorf in der Abendsonne vor ihnen.

Warum waren die Pferde noch auf den Koppeln? Es war doch schon spät? Bille überlegte, ob sie sie gleich mit in den Stall nehmen sollte – wenigstens die Stuten. Aber vielleicht hatte der alte Petersen einen Grund, sie hier draußen zu lassen, und würde sich über ihr eigenmächtiges Handeln ärgern? Eigentlich war Petersen nicht der Typ, der sich leicht ärgerte. Trotzdem, es war besser, sie schaute erst einmal in den Stall.

Die hohen Buchen und Kastanien im Park, die einen schützenden Ring um das weiße Gutshaus bildeten, leuchteten in den letzten Strahlen der Abendsonne. Die Luft war erfüllt von Vogelstimmen, es duftete nach feuchtem Gras und Blumen und nach dem Dung auf den Feldern – genau die Mischung, die Bille bis zum Platzen mit Freude anfüllen konnte. Freude, dass endlich Frühling war und dass sie hier leben durfte, auf dem Land, bei den Pferden – und nicht irgendwo in der Stadt in einer grauen Straße in einem Hochhaus.

Auf dem Hof war es still, es schien, als seien alle bereits schlafen gegangen. Das Geräusch von Zottels Hufen klang unnatürlich laut in diese Abendstille hinein. Was war eigentlich los? Die Pferde noch draußen – und kein Mensch auf dem Hof?

Bille sprang aus dem Sattel und führte Zottel am Zügel in den Stall. Zottel strebte sofort der Tränke zu, und sie hatte alle Mühe, ihn zurückzuhalten und ihm Sattel und Zaumzeug abzunehmen.

„Langsam, mein Junge, nicht so hastig, das bekommt dir nicht. Einen Augenblick musst du dich noch gedulden.“

Sie band das Pony am Halfter im Stallgang fest und begann, sein verschwitztes Fell mit einem Strohwisch abzurubbeln.

Zottel ließ die Prozedur ungeduldig über sich ergehen und bekam zum Lohn seinen Eimer Wasser, den Bille sorgfältig mit einem Büschel Heu abgedeckt hatte, um ihren Liebling am allzu hastigen Trinken zu hindern. Zärtlich strich sie ihm über den Rücken, als er ärgerlich mit dem Maul die störenden Halme auseinanderschob.

„Mach dir nichts draus, Dicker, so ist es besser für dich, glaub mir! Wenn du zu hastig trinkst, kannst du krank werden …“

Bille schreckte hoch. Aus dem Seitenflügel hatte sie ein tiefes Stöhnen gehört. Ein Stöhnen, das nur eines bedeuten konnte! Und es konnte auch nur aus einer bestimmten Box kommen, denn alle anderen Pferde waren ja noch auf den Koppeln!

Sie ließ Zottel stehen und lief auf Zehenspitzen den Gang hinunter. Jetzt hörte sie auch Stimmen, leise und beruhigende Zurufe. Erleichterung schwang in ihnen mit.

Vor der Tür zur Box winkte Karlchen ihr zu und legte warnend den Finger an die Lippen. Und daneben standen sie alle – der alte Petersen, Hubert (Petersens Gehilfe und Karlchens älterer Bruder) und Herr Tiedjen, Billes Lehrer und Vorbild, dem Groß-Willmsdorf gehörte. In der Box kniete Dr. Dörfler, der Tierarzt, neben der Stute Jacaranda und hielt den Kopf eines winzigen Fohlens, das vor ihm im Stroh lag.

„Das ist gerade noch mal gut gegangen“, murmelte er. „Ein Hengstfohlen.“

Bille stellte sich auf die Zehenspitzen. Herr Tiedjen fing ihren fragenden Blick auf.

„Ja, du hast ein kleines Drama versäumt! Sei froh – wir sind alle fix und fertig.“ Herr Tiedjen fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und entfernte sich leise von der Box, gefolgt von Petersen, Hubert und Karlchen. „Lassen wir Dörfler allein mit den beiden, jetzt braucht er uns ja wohl nicht mehr.“

„Eine Frühgeburt, nicht wahr?“, fragte Bille leise.

„Ja, eine schreckliche Geschichte. Sie ist durch eine Detonation erschreckt, ausgerutscht und ganz unglücklich gestürzt. Wir haben nicht zu hoffen gewagt, dass das Fohlen lebt.“

„Eine Detonation? Ach, diese blöden Düsenjäger, ja, die haben wir auch gehört. Bongo wäre fast durchgegangen.“

„Die Stute war völlig durchgedreht. Zum Glück war ich in der Nähe, und auch Dörfler war schnell zur Stelle“, berichtete Herr Tiedjen.

Dr. Dörfler hatte vorsichtig Nüstern und Mäulchen des Fohlens vom Schleim gereinigt und seinen nassen kleinen Körper mit einem weichen Tuch abgerieben, da Jacaranda noch zu schwach war, sich um ihr Kind zu kümmern.

Der alte Petersen und Hubert begannen, die Nachbarbox herzurichten, um die Stute mit ihrem Fohlen umzuquartieren, sobald sie wieder auf den Beinen war. Herr Tiedjen ging zu der Box zurück, in der die erschöpfte Stute lag, und betrachtete die Arbeit des Tierarztes, der dem Fohlen jetzt eine Spritze gab.

„Ich glaube, du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen“, sagte Dr. Dörfler. „Der kleine Kerl ist zwar etwas schwach, aber muskulös und kräftig gebaut. Bei entsprechender Pflege kann er sich gut entwickeln.“

Jacaranda hob den Kopf und schnupperte an ihrem Neugeborenen. Dr. Dörfler trat zurück.

„Lassen wir die beiden jetzt allein, ich werde sie von draußen im Auge behalten. Ich bleibe auf jeden Fall, bis wir sicher sein können, dass alles in Ordnung ist und sie das Fohlen angenommen hat.“

„Hilfst du mir, die Pferde reinzuholen?“

Karlchen war leise an Bille herangetreten, die immer noch wie gebannt in Jacarandas Box starrte.

„Klar doch, komm! Je weniger Leute um sie herumstehen, desto besser für sie“, sagte Bille und trennte sich schweren Herzens von dem Anblick des wolligen kleinen Pferdekindes. „Ganz schwarz ist es, hast du gesehen? Ob es so bleibt – oder ob es auch ein Schimmel wird?“

„Hauptsache, es wächst und bleibt gesund“, meinte Karlchen achselzuckend. Seinem Gesicht war anzusehen, dass auch ihn die vergangenen Stunden ganz schön mitgenommen hatten. Er interessierte sich zwar nicht sonderlich für Pferde und half im Stall nur aus, weil er sich etwas dazuverdienen wollte und Hubert ihm diesen Job verschafft hatte. Aber die aufregende Geburt des kleinen Hengstfohlens war ihm richtig unter die Haut gegangen. „Weißt du was?“, sagte er nachdenklich zu Bille. „Ich glaube, ich werde ihn adoptieren. Das wird jetzt mein Pflegekind. Du hast ja Sindbad.“

„Sindbad – Mensch, komm, es wird wirklich Zeit, dass wir uns um die anderen kümmern. Los!“

Bille brachte Zottel in seine Box und ging mit Karlchen zu den Koppeln, um die Pferde hereinzuholen. Dann half sie Hubert und Petersen, das Kraftfutter zu verteilen, und bereitete Sindbad seinen nahrhaften Brei, da Sinfonie, seine Mutter, kaum noch Milch für ihn hatte.

Der Tierarzt kam aus dem Seitengang und warf einen Blick in Sinfonies Box, wo Bille beruhigend auf die Stute einredete, während Sindbad sein Abendbrot schleckte.

„Seit sie herausbekommen hat, wie gut der Brei schmeckt, will sie unbedingt ihren Teil abbekommen“, erklärte Bille lächelnd. „Ich werde wohl doch eine Fohlenkrippe für ihn anschaffen müssen. Wie geht es unserem Neugeborenen?“

„Gut. Es steht schon auf den Beinen und sucht nach dem Gesäuge. Achtet darauf, ob es auch wirklich trinkt. Ich muss jetzt für eine Stunde in die Praxis. Wenn nichts Dringendes vorliegt, komme ich vielleicht später noch mal vorbei.“

„Was ist mit Jacaranda? Gibt es irgendwas, was wir für sie tun können?“

„Nein. Selbstverständlich muss sie jetzt ein besonders kräftigendes Futter bekommen. Ich habe ihr zwei Injektionen gegeben, es geht ihr schon wieder ganz gut. Sie ist vollauf mit ihrem kleinen Sohn beschäftigt. Am besten, ihr lasst sie ganz in Ruhe.“

„Klar.“

„Dein kleiner Schützling hat sich gut entwickelt, wie ich sehe.“

„Ja, ich bin auch ganz stolz auf ihn. Aber was mich am meisten freut: dass ich mich mit Sinfonie angefreundet habe. Sie war doch so zickig früher – vor einem Jahr hatte ich noch einen Riesenrespekt vor ihr.“

„Na, du hast in diesem einen Jahr ja auch eine Menge gelernt. Daran wird’s wohl liegen. Du, ich muss gehen. Ich brauche dringend was in den Magen und ein kühles Bier. Tschüss, Bille, mach’s gut.“

„Wiedersehen!“

Sindbad hatte seine Mahlzeit beendet, und Bille verabschiedete ihn mit einem liebevollen Streicheln. Dann verließ sie die Box und ging leise zu Jacaranda hinüber, die jetzt mit ihrem Kleinen in der geräumigen Box in der ruhigsten Ecke des Stalles stand. An der Tür lehnte Karlchen, die Nase zwischen den Gitterstäben.

„Es trinkt, das Fohlen trinkt“, flüsterte er atemlos. „Es trinkt tatsächlich.“

„He, ich glaube, du hast dich verliebt? Du hast ganz glänzende Augen.“

„Kann schon sein. Gehen wir zusammen nach Hause? Oder reitest du?“

„Nein, ich lasse Zottel heute Nacht hier, er ist total fertig von unserem Ausflug. Was ist mit deinem Moped?“

„Verliehen“, sagte Karlchen grinsend. „An einen Herrn, der nicht genannt sein möchte. Muss seine Freundin nach Hause bringen.“

„Das ist super von dir, alle Achtung. Na komm, gehen wir!“

Eine unglaubliche Geschichte

Bevor sie sich auf den Weg machten, halfen Karlchen und Bille noch, den Stall zu kehren und Geräte und Eimer wegzuräumen. Dann machten sie sich auf den Weg nach Wedenbruck.

„Ganz schön spät geworden, hoffentlich sind Mutsch und Onkel Paul nicht sauer. Ich hätte anrufen sollen“, sagte Bille.

„Da musst du dir keine Sorgen machen, sie wissen Bescheid.“

„Wieso denn das?“

„Herr Tiedjen hat anrufen lassen, als es losging mit der Frühgeburt. Die Sekretärin, Frau Beck, hat bei deinen Eltern angerufen, ob du zu Hause wärst – du solltest sofort kommen, wenn’s möglich wäre.“

„Und ich hab mich ahnungslos mit den Peershofern am Meer herumgetrieben! So was Blödes.“

„Na, das konntest du doch nicht wissen!“

„Warum wollte er denn, dass ich komme?“

„Um zu helfen, warum sonst? Außerdem hat er wohl gedacht, du könntest was dabei lernen.“

„Finde ich toll von ihm. Dass er extra anrufen lässt …“

Ein heißes Gefühl der Freude durchrieselte Bille. Sie war ihm wichtig. Sie, Sibylle Abromeit, ein Mädchen aus dem Dorf, das nichts mitbrachte außer einer dicken Portion Pferdenarrheit – und dem Willen, für diese Leidenschaft jedes Opfer zu bringen –, war dem großen Turnierreiter Tiedjen wichtig! An ihrer Ausbildung, die er persönlich übernommen hatte, ihrer Arbeit, ihrer Mithilfe, ihrer Weiterentwicklung lag ihm wirklich etwas. Es war gut, das einmal wieder zu spüren, es stachelte den Ehrgeiz von Neuem an und machte Mut zum Durchhalten.

„Kannst dir schon was einbilden auf den Stein, den du beim Chef im Brett hast“, sagte Karlchen, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

„Du wirst lachen: tu ich auch. Aber es ist auch – pst! Bleib mal stehen!“, unterbrach sich Bille und zog Karlchen am Arm zur Seite.

Sie waren bei der Koppel angelangt, die zum Hof des Bauern Hansen gehörte, dem letzten Hof in Wedenbruck an der Landstraße nach Neukirchen. Vor ihnen auf dem Feldweg parkte ein Wagen. Er war nur undeutlich zu erkennen in der Dunkelheit, aber es schien ein großer Wagen zu sein.

„Kannst du was sehen?“

„Kaum. Scheint einen Anhänger zu haben“, flüsterte Bille.

„Was der wohl dort will?“

„Vielleicht ein Liebespärchen?“

„Mit Anhänger? Und hier auf freiem Feld?“

„Dann eben ein Besoffener, der seinen Rausch ausschläft. Vielleicht kommt er vom Viehmarkt.“

„Pssst, hör doch mal!“

Jetzt waren Stimmen zu hören. Ein Mann und eine Frau, die aufgeregt flüsterten. Offenbar stritten sie sich.

„Also doch ein Liebespaar“, brummte Karlchen.

„Jetzt halt doch die Klappe! – Nein, aus dem Dorf sind die nicht.“

Bille starrte angestrengt in Richtung des Wagens. Undeutlich sah man zwei Gestalten hin und her huschen. Dann drang ein scharfer, metallischer Laut durch die Stille und ein Scharnier quietschte in den Angeln. Der Mann fluchte leise.

„Viehdiebe!“, raunte Bille atemlos. „Glaubst du auch, dass es Viehdiebe sind?“

„Hansen lässt doch seine Tiere nachts nicht draußen. – Still!“

Jetzt war das Getrappel von Hufen zu hören.

„Ein Schaf oder ein Kalb – auf jeden Fall was Kleines“, flüsterte Bille aufgeregt. „Es sind doch Viehdiebe – wir müssen jemanden zu Hilfe holen!“

„Und inzwischen sind sie weg.“

„Lass uns wenigstens näher ranschleichen. Vielleicht können wir die Autonummer erkennen. Hast du eine Taschenlampe?“

„Nein, aber Streichhölzer.“

„Die werden uns nicht viel nützen.“

„Komm, hier am Wall entlang, da sind wir in Deckung!“

Karlchen nahm Bille bei der Hand und zog sie hinter eine dichte Hecke aus Schlehdornen und Weidengestrüpp. Im Schatten des Buschwerks schlichen sie vorwärts.

Klick! Bille war in der Dunkelheit abgerutscht und hatte einen Stein gelöst, der hart auf einen anderen prallte.

„War da nicht was? Komm, bloß weg von hier!“, hörten sie die Frauenstimme.