Bille und Zottel Bd. 19 - Ein Pony mit Herz - Tina Caspari - E-Book

Bille und Zottel Bd. 19 - Ein Pony mit Herz E-Book

Tina Caspari

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Beschreibung

Zottel hebt witternd den Kopf, dann bleibt er regungslos stehen. Vom Weidezaun her scheint sein Zwillingspony zu ihm herüberzuschauen! Und die kleine Scheckstute Panja ähnelt Zottel nicht nur äußerlich. Sie ist ebenso übermütig und verfressen, so schlau und unternehmungslustig und fast so einfallsreich wie Zottel! Und vor allem: Panjas Geschicklichkeit widersteht kein Weiderzaun, keine Boxentür und kein Koppelgatter! Bald sind das rot-weiße und das schwarz-weiße Pony dicke Freunde. Und bald stecken sie mitten in den schönsten Abenteuern!

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Seitenzahl: 148

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TINACASPARI

Ein Pony mit Herz

Rosige Aussichten

„Stopp! Fahr da drüben rein! Bis an den Waldrand vor!“

„Warum?“ Simon warf seiner Freundin Bille einen besorgten Blick zu. „Ist dir schlecht?“

Bille lachte. „Im Gegenteil. Na los, mach schon!“

Simon lenkte den Pferdetransporter vorsichtig in den Sandweg hinein, der an beiden Seiten von dichten Schlehenbüschen gesäumt war. Im Schritttempo fuhr er bis an den Waldrand. Neben einem Hochsitz, von dem aus man einen weiten Blick über Koppeln und abgeerntete Felder hatte, brachte er den Wagen zum Stehen.

„Und nun?“ Simon sah Bille fragend an.

„Aussteigen! Und nimm die Decke mit!“, erklärte Bille. „Wir haben was zu feiern. Deshalb gibt’s jetzt ein Picknick!“

„Ein Picknick? Im November, und hier draußen? Du spinnst!“

Bille sprang aus dem Wagen und griff sich eine prall gefüllte Tasche, die sie unter dem Sitz verborgen hatte. „Ich weiß gar nicht, was du willst, die Sonne scheint, und es ist mild wie im September. Na, nun komm doch!“

„Und die Pferde lassen wir hier?“

„Die schlafen tief und fest. Blacky und Pietro sind so geschafft von ihren Glanzleistungen und dem Trubel in der Neukirchener Reithalle, dass es ihnen nichts ausmacht, eine halbe Stunde im Wagen zu schlafen.“

Bille hatte recht. Ein Blick auf die beiden Pferde überzeugte Simon davon, dass San Pietro auf seinem Platz schläfrig vor sich hin döste. Der Fuchs hob nicht einmal den Kopf. Billes schöner Rappe Black Arrow hing mit der Nase am Heunetz, als seien ihm mitten beim Kauen die Augen zugefallen.

Bille hatte ihrer Tasche inzwischen zwei Plastiktüten entnommen und war auf den Hochsitz geklettert. Auf dem äußeren Ende der schmalen Bank breitete sie eine Papierserviette aus, stellte zwei Plastikbecher darauf und ordnete auf einem Pappteller Kuchenstücke und belegte Brötchen zu einem appetitlichen Imbiss. Als Simon die Leiter erklommen hatte und sein Kopf über der Plattform erschien, zog Bille gerade eine Pikkoloflasche Sekt aus der Tüte. „Sir! Es ist angerichtet. Du darfst die Flasche öffnen.“

„He! Das war ja richtig geplant! Also deshalb hast du mich im Imbisszelt daran gehindert, etwas zu essen. Und ich wollte dich schon wegen seelischer Grausamkeit verklagen!“, sagte Simon grinsend. „Darf man erfahren, was wir heute feiern? Geburtstag hast du doch gerade erst gehabt!“

Bille nahm ihm die mitgebrachte Decke ab und breitete sie über Sitzfläche und Rückenlehne. Mit einem glücklichen Seufzer ließ sie sich auf die Bank sinken. „Wir feiern unser letztes Turnier der Saison. Außerdem, dass jetzt ein wunderbar langer ruhiger Winter beginnt, in dem wir zusammen sein werden, gemeinsam arbeiten, keinen Stress haben und unser Leben so richtig genießen können. Und vor allem, dass wir uns ein paar Monate lang nicht trennen müssen!“

„Ach ja!“ Auch Simon seufzte zufrieden. „Eine Zeit ohne Aufregungen, ohne Hektik, ohne allen Druck …“

„… mit vielen Stunden für uns allein. Reiten nur zum Vergnügen, viel schlafen, lesen, Musik hören, ausgehen, zu Weihnachten vielleicht eine kleine Ferienreise!“

Vergnügt ließ sich Simon neben seiner Freundin auf der Bank nieder, öffnete die Flasche und verteilte den Inhalt auf die zwei Becher. Mit feierlichem Ernst reichte er Bille einen davon.

„Das sind wirklich jede Menge Gründe zu feiern! Prost! Auf die ruhigste, erholsamste Wintersaison, die wir je hatten, frei von allen unangenehmen Überraschungen!“

„Angenehme dürfen jede Menge kommen“, bestätigte Bille und stieß mit ihrem Becher an den ihres Freundes. „Aber wie ich den Laden kenne, ohne Aufregungen geht’s bei uns doch nicht ab.“

Simon lachte. „Ja, im Zweifelsfall wird Zottel dafür sorgen.“

„Da hast du recht. Auf mein geliebtes kluges, verrücktes Zotteltier!“ Bille prostete ihrem abwesenden Pony zu, das vermutlich jetzt gerade seine Sonntagnachmittagsruhe auf der Koppel hinter der Reithalle in Wedenbruck genoss, und leerte ihren Becher.

Eigentlich schade, dachte sie, dass die Zeit kommt, in der man aufhören muss, sich stundenlang mit seinem Pony zu beschäftigen. Wie toll ist das gewesen, mit Zottel durch den Wald und die Felder zu streifen, mit ihm am Strand entlangzugaloppieren oder im Meer herumzuplanschen wie mit einem gleichaltrigen Spielkameraden. Jetzt schien das Leben nur noch aus Pflichten zu bestehen. Schule, pauken fürs Abitur, zwischendurch Pferde trainieren, Reitunterricht geben. Es waren meistens die Jüngeren, die gehbehinderte Lena vor allem, und die Mitglieder des Zottel-Fanclubs im Internat, die sich jetzt mit Zottel beschäftigten.

„Hast du keinen Appetit?“ Simon riss Bille aus ihren Gedanken. Er griff nach einem Schinken-Sandwich und machte sich heißhungrig darüber her. „Das ist vielleicht ein Angebot! Hart gekochte Eier, kalte Koteletts, Tomaten …“

„… und in der anderen Tüte ist ein großes Paket Apfelkuchen. Aus der Thermoskanne gibt’s Kaffee dazu.“ Auch Bille ließ es sich schmecken. „Natürlich ist das nicht die feine französische Küche, die du so schätzt!“, neckte sie Simon.

„Aber zehnmal besser!“, beteuerte er. „Und dazu der tolle Blick von hier oben! Die Balkons der großen Hotels in Nizza sind nichts dagegen.“

„Da hinter dem Wald am Horizont, liegt da schon Groß-Willmsdorf?“, überlegte Bille.

„Klar. Da feiert jetzt Carl-Anton mit den anderen aus eurer Klasse seinen Geburtstag. Das halbe Reiter-Internat hat er eingeladen. Er war enttäuscht, dass wir abgesagt haben. Nun wird er sich mit Bettina, Nico und Florian trösten müssen!“

„Irrtum. Die sitzen in Peershof beim Sonntagskaffee. Einladung deiner Mutter. Daniel und Joy, Bettina und Tom, Florian und Nico – die Riege der glücklichen Reiterpaare!“ Sie lachte.

„Verflixt. Mama hatte uns doch gebeten, dass wir auch dabei sein sollen!“, sagte Simon erschrocken.

„Keine Sorge“, beruhigte Bille ihn. „Ich habe deinen Eltern Bescheid gesagt. Deine Mutter meinte, das wäre ganz in Ordnung. Schon drei verliebte Pärchen, die über nichts als über sich und über ihre Pferde reden, wären mehr, als sie eigentlich verkraften könnte“, berichtete sie amüsiert.

„Versteh ich nicht“, antwortete Simon trocken. „Ich kann davon nie genug kriegen. Und vom Apfelkuchen deiner Mutter auch nicht. Gib mir noch ein Stück, ehe Zottel plötzlich aus dem Gebüsch auftaucht und ihn mir wegschnappt.“

Eine Weile genossen sie noch dieses ungewöhnliche Picknick im November. Doch die Sonne senkte sich schnell dem Horizont zu, und es wurde kühl. Außerdem wollten sie ihre Pferde nicht allzu lange im engen Transporter warten lassen, auch wenn die beiden immer noch friedlich vor sich hin dösten. So packten Bille und Simon die Reste des Mahles zusammen und machten sich auf den Heimweg.

Als sie den Hof von Groß-Willmsdorf erreichten und die Pferde aus dem Transporter führten, hatte Hubert gerade mit der Abendfütterung begonnen.

Black Arrow hatte es bei den vertrauten Geräuschen aus dem Stall so eilig, an sein Futter zu kommen, dass er Bille fast umrannte, als sie versuchte, ihm die Transportgamaschen abzunehmen.

„He! Stopp! Spinnst du, Blacky! Jetzt steh, verflixt noch mal!“, rief sie ärgerlich. Doch der schöne Rappwallach strebte energisch auf den Stall zu. Bille packte die linke hintere Gamasche an einem der Verschlüsse und versuchte, ihn am Weglaufen zu hindern, was dazu führte, dass sie wie ein Kaninchen hinter ihm her hüpfen musste.

„Stark, die Nummer!“, stellte Simon lachend fest, der ihnen mit San Pietro vorausging. „Das ist seine Rache für dein Picknick. Hättest du ihn eingeladen mitzufeiern …“

„Klar doch! Mit Milchkaffee und Apfelkuchen. Der Bursche hat sich einfach zu viel von Zottel abgeguckt. Oh, Mann! Wie spät ist es überhaupt?“, unterbrach sich Bille erschrocken.

„Gleich halb sechs durch!“, kam Huberts Stimme aus einer der hinteren Boxen, wo er die letzten Krippen mit Futter versorgt hatte. Schon tauchte der Pferdepfleger neben Bille auf. „Ich frage mich seit einer Stunde, wo ihr so lange gesteckt habt. Von Stau auf der Neukirchener Straße haben sie im Radio jedenfalls nichts gemeldet. Und eine Panne war’s doch wohl auch nicht.“

„Nein, eher so was wie ein Planungsgespräch“, gab Simon zurück. „Wir haben die Richtlinien für unsere nächste Zukunft festgelegt: weniger arbeiten und mehr Spaß!“

„Rosige Aussichten! Da mach ich mit“, verkündete Hubert. „Feierabend, Leute!“

„Ihr habt gut reden! Ich hab Lena noch eine Reitstunde versprochen. Sie wartet mit Zottel seit einer halben Stunde auf mich in der Wedenbrucker Reithalle! Ich hab das total verschwitzt.“

Hubert lachte und blickte augenzwinkernd zu Simon hinüber. „Wirst wohl deine Gründe gehabt haben.“

Simon nahm Bille liebevoll bei den Schultern und schob sie zur Stalltür. „Zisch ab zu deinem Liebling, ich versorge Black Arrow inzwischen und komme dann später nach. Ohne Zottel hältst du’s ja sowieso nicht mehr aus. Ich will vorher noch schnell zu Tiedjen und ihm Bericht erstatten, wie’s gelaufen ist. Der große Boss wird sich über Pietros Erfolg freuen.“

„Danke!“ Bille gab ihm einen Kuss und rannte zu ihrem betagten Golf hinüber. Mit einem Blitzstart fuhr sie vom Hof und bog zehn Minuten später in die Auffahrt des Reitstalls Wedenbruck ein.

Lena war mit Zottel schon in der Halle. Billes rot geschecktes Pony begrüßte seine Herrin nur mit einem flüchtigen Blick, als wollte es sagen: Stör uns jetzt nicht, wir müssen uns konzentrieren! Für einen Augenblick spürte Bille eine leichte Eifersucht, doch gleich darauf dachte sie beschämt: Wie egoistisch bin ich doch! Während ich nur daran denke, mit meinem Pony zur Begrüßung ausgiebig zu schmusen, ist seine ganze Aufmerksamkeit auf seine behinderte junge Reiterin gerichtet! Lieber, kluger Kerl! Mein Zottelchen!

Tatsächlich ging Zottel mit dem zierlichen, querschnittgelähmten Mädchen so vorsichtig um, als trüge er eine höchst kostbare, zerbrechliche Last auf dem Rücken. Dabei war das gar nicht nötig. Lena saß inzwischen so sicher im Sattel, dass, wer es nicht wusste, von ihrer Behinderung nichts bemerkte. Sie hatte richtig Muskeln bekommen und ihr Gleichgewichtsgefühl war viel besser geworden. In ruhigen Galoppsprüngen umrundete Zottel die Bahn, Lenas Körper fing seine Bewegungen auf und schwang in seinem Rhythmus mit. Hoffentlich hat der Haflinger, den Lena zum Geburtstag bekommen soll, wenigstens halbwegs das Einfühlungsvermögen und die Intelligenz von Zottel, dachte Bille.

„Großartig, ihr beiden!“, rief sie. „Entschuldigt, dass ich mich verspätet habe. Wir sind eben erst vom Turnier zurückgekommen, Simon und ich.“

„Macht doch nichts. Wir waren schon ganz fleißig“, Lena lachte glücklich, „und wir können dir auch was Neues zeigen!“

Sie parierte zum Schritt durch. Auf der kurzen Seite wendete sie, trabte an und führte auf der nächsten langen Seite eine perfekte doppelte Schlangenlinie aus.

„Bravo!“, lobte Bille ihre ehrgeizige Schülerin. „Ich bin richtig stolz auf euch!“

Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht allein waren. Auf der Zuschauertribüne saßen Lenas Eltern und folgten interessiert der Darbietung. Als Bille zu ihnen hinaufschaute, winkten sie ihr zu. Bille trat heran, um die beiden zu begrüßen, während Lena Zottel nun auf dem Zirkel ritt und neugierig zu ihnen hinüberblickte.

„Wir müssen Sie dringend sprechen, Bille!“, sagte Herr Krolle leise, als er Bille die Hand schüttelte. „Es ist etwas sehr Unangenehmes geschehen.“

„Warten Sie. Lena! Willst du es inzwischen wieder mit dem Rückwärtsrichten probieren? Ich schaue euch von hier aus zu.“

„Mach ich!“ Lena konzentrierte sich auf die Aufgabe und hatte sofort alles um sich herum vergessen.

Bille schwang sich über die Brüstung und setzte sich zu den Eltern des Mädchens. „Was ist passiert?“

„Sie wissen ja“, berichtete Vater Krolle, „dass wir für Lena das ideale Haflingerpferd gefunden hatten. Nun haben wir heute Nachricht von unserem Freund bekommen, dass bei ihm im Gestüt eine schwere, sehr ansteckende Pilzerkrankung ausgebrochen ist. Die Tiere müssen monatelang in Quarantäne bleiben. So wird es also vorerst nichts mit Lenas Traumpferd.“

„Ein Glück, dass wir ihr noch nichts von dem geplanten Geburtstagsgeschenk verraten haben, es wäre eine schreckliche Enttäuschung geworden“, sagte Frau Krolle. „Was machen wir nun, Bille? Sie als Pferdefachfrau haben da doch sicher eine Idee.“

„Danke für die Fachfrau!“, antwortete Bille lächelnd. „Ehrlich gesagt bin ich heilfroh, dass sich diese Krankheit rechtzeitig genug herausgestellt hat, bevor Lenas Pferd hierher überführt wurde. Nicht auszudenken, wenn er im Wedenbrucker Stall alle angesteckt hätte! Solche Pilzerkrankungen können sich lange hinziehen. Moment bitte, Lena!“, rief sie. „Setz dich da durch! Vor solchen Aufgaben drückt sich Zottel gern, wahrscheinlich sieht er nicht ein, wozu das gut sein soll.“

„Da hat er ja eigentlich recht“, bemerkte Lena kichernd und versuchte es von Neuem.

„Dann erklär dem Dicken mal, dass es für ihn ganz gut ist, wenn er mal wieder etwas geschmeidiger wird“, gab Bille zurück und wandte sich wieder Lenas Eltern zu. „Ja, wo wir nun für Lena das Traumpferd herbekommen, weiß ich auf Anhieb natürlich auch nicht. Aber das finden wir schon, keine Sorge. Ich werde mich darum kümmern.“

„Das haben wir gehofft. Danke, Bille!“ Vater Krolle stand auf und verabschiedete sich. „Rufen Sie uns sofort an, sobald Sie etwas wissen? Komm, Sigrid, jetzt wollen wir den Unterricht nicht mehr länger stören.“

„Stimmt, wir müssen auch noch zusammenpacken. Wir erwarten Lena in einer Stunde, spätestens um acht müssen wir nach Hamburg zurückfahren.“ Auch Sigrid Krolle stand auf und gab Bille die Hand.

„Leider. Noch geht Lena ja nicht hier aufs Internat“, bemerkte Vater Krolle und lächelte vielsagend.

Schau an, der Widerstand schmilzt dahin, dachte Bille zufrieden. Am Ende darf Lena nach den Weihnachtsferien doch hierbleiben und mit den anderen im Reiter-Internat zur Schule gehen?

Als die Krolles gegangen waren, ritt Lena auf dem kürzesten Weg zu Bille hinüber. „Was hattet ihr da zu flüstern?“

„Wir? Flüstern? Da musst du dich getäuscht haben. Wir haben dir nur aufmerksam zugesehen!“

„Hahaha.“ Lena hoffte, aus Bille noch etwas herauszubekommen, doch da hatte sie kein Glück.

Bille konzentrierte sich nun ganz auf den Unterricht und fand immer wieder etwas zu korrigieren. Als sie die ersten Anzeichen einer Ermüdung bei dem behinderten Mädchen wahrnahm, klatschte Bille in die Hände. „Schluss für heute, Lena. Du hast wirklich großartige Fortschritte gemacht. Und das Tollste: Unter dir zeigt sich Zottel in Bestform. So gut ist er seit seinen Zirkuszeiten nicht mehr gegangen! Viel besser als bei mir früher!“

Das stimmte natürlich nicht. Aber Lena wurde rot vor Stolz. Überschwänglich umarmte sie das Pony und vergrub das Gesicht in seiner Mähne.

„Ich hab ihn einfach unheimlich lieb, weißt du. Ich wünschte, ich bekäme eines Tages ein Pony wie ihn. Es ist egal, wie es aussieht. Hauptsache, es ist genauso klug, und man kann genauso gut mit ihm reden.“

Lena nahm die Zügel auf und ritt zur Hallentür, die Bille für sie öffnete. In der Gastbox, die Zottel bewohnte, wenn er hier im Wedenbrucker Stall blieb, lehnten die Krücken des Mädchens an der Wand. Zottel hatte schnell begriffen, wie er sich hinstellen musste, damit seine kleine Freundin aus dem Sattel gleiten und sich an ihm festhalten konnte, bis sie die Krücken unter ihre Arme geschoben hatte. So gestützt und mit dem Rücken an der Krippe lehnend, konnte Lena den Sattelgurt lösen, den Sattel herunterziehen und dem Pony die Trense abnehmen. Bille blieb draußen auf der Stallgasse und beobachtete sie aus den Augenwinkeln, mischte sich aber nur dann ein, wenn das Mädchen um ihre Hilfe bat. Je mehr Lena lernte, mit diesen Arbeiten allein zurechtzukommen, desto besser war es für sie, wenn sie sich eines Tages unter den gesunden Schülern des Reiter-Internats behaupten musste.

Am anderen Ende der Stallgasse wurde das Tor zum Hof aufgestoßen, Simon, in Begleitung von Hannes Horbach, dem Reitlehrer des Internats, kam herein und hielt nach Bille Ausschau. Wie immer waren die beiden jungen Männer in ein Gespräch über Methoden der sanften Pferde-Erziehung vertieft.

„Du weißt, im Prinzip stimme ich mit dir überein“, sagte Simon, „aber wenn du ein Grand-Prix-Pferd unter dem Sattel hast, musst du schon hin und wieder fester hinlangen. Da ist auch mal ein bisschen militärische Disziplin gefordert.“

„Ich glaube, das siehst du falsch“, antwortete Bille für Hannes. „Wenn du ein Pferd mit der Tellington-Jones-Methode so weit gebracht hast, auch schwierigere Aufgaben spielerisch und mit Freude zu lernen, kannst du dir die militärische Disziplin sparen, da bin ich sicher.“

„Den Beweis müsst ihr mir erst mal erbringen“, widersprach Simon. „Dann lasse ich mich gern überzeugen.“

„Machen wir. Stimmt’s, Hannes?“

„Ich kann es kaum erwarten!“

„He, ich hab eine Idee!“, rief Bille aus. „Was haltet ihr davon, wenn wir alle zusammen in die Pizzeria gehen und das Wochenende dort beschließen?“

Wie aus dem Boden gewachsen standen plötzlich Mirko, der Reitlehrer und Leiter des Wedenbrucker Reitclubs, und seine beiden Helferinnen Anke und Rita in der Stallgasse. Aus der hintersten Box, aus der Sattelkammer und der Futterkammer schoben sie sich heran.

„Hat da einer was von Pizzeria gesagt? Tolle Idee!“, lobte Rita. „Ich nehme an, du hast auch uns gemeint?“

„Na klar! Je mehr wir sind, desto gemütlicher wird es.“

„Pizzeria! Nun hör sich einer das an!“, neckte Simon seine Freundin. „Und vor drei Stunden hat sie geschworen, heute keinen Bissen mehr zu essen.“

„Reine Nächstenliebe! Hannes muss dringend was auf die Rippen kriegen. Wetten, du hast dich seit Tagen wieder nur von Kaffee und Kartoffelchips ernährt?“, wandte Bille sich an den jungen Mann.

Hannes grinste schuldbewusst. Es stimmte, dass er das Essen ganz einfach vergaß, wenn sich nicht jemand darum kümmerte und ihm etwas vor die Nase setzte. Dann allerdings konnte er futtern, als müsse er für eine Woche vorsorgen.

„Gut, ich begleite schnell Lena nach Hause. In einer halben Stunde treffen wir uns bei Mario“, verkündete Bille. „Zottel kann heute Nacht hierbleiben. Aber gib ihm nicht zu viel Kraftfutter, Anke. Er hat wieder zugenommen.“

Bille nahm Lena Zottels Sattel ab, sagte ihrem Pony Gute Nacht, indem sie ihm schnell noch einen Apfel zusteckte und ihm zärtlich durch die strubbelige Mähne fuhr, dann schloss sie sorgfältig die Boxentür des Ponys. Sie hatte wenig Lust, nach einem gemütlichen Essen mit den Freunden stundenlang nach dem listenreichen Ausreißer zu suchen. Das war schon oft genug passiert.

„Wir gehen schon mal zur Pizzeria vor. Komm, Hannes.“ Simon nahm den Reitlehrer am Arm. „Wenn schon, denn schon. Heute kommen wir aus dem Feiern sowieso nicht mehr heraus.“

„Das gehört zu unseren guten Vorsätzen für die nächsten Monate!“, verkündete Bille lachend. „Wir feiern die rosigen Aussichten.“

Eine sonderbare Dame