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Dieser Ratgeber zur Biografiearbeit hilft, das eigene Leben aus verschiedenen Perspektiven vollständig zu erfassen und die Ereignisse einzuordnen und zielführend (neu) zu bewerten. Somit wird ein solides Fundament geschaffen, von dem aus eine berufliche Orientierung für die Zukunft möglich wird. Es richtet sich an Menschen, die sich neu auf dem Weg machen wollen oder durch äußere Umstände dazu angehalten sind.
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Seitenzahl: 80
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Erste Worte zur Biografiearbeit
Was ist eine Biografie?
Wer schreibt die Biografie?
Anlässe zur Biografiearbeit
Der „Zweck der Übung“
Menschliche Entwicklung
Verschiedene Ansätze
Die Lebenskarte
Der anthroposophische Blick
9.1. Das erste Jahrsiebt
9.2. Das zweite Jahrsiebt
9.3. Das dritte Jahrsiebt
9.4. Das vierte Jahrsiebt
9.5. Das fünfte Jahrsiebt
9.6. Leitfragen zur Elternschaft
9.7. Die Lebensmitte
9.8. Das sechste Jahrsiebt
9.9. Das siebte Jahrsiebt
9.10. Das achte Jahrsiebt
9.11. Das neunte Jahrsiebt
9.12. Arbeitsmethoden zur anthroposophischen Biografiearbeit
Der spirituell-religiöse Blick
Der sozialwissenschaftliche Blick
Alltagsübungen zur Biografiearbeit
Ein weiterer hilfreicher Fragenkatalog
Der psychologische Blick
14.1. Entwicklung nach C.G. Jung
14.2. Entwicklung nach Erik H. Erikson
Abschließende Worte
Anlagen
Literaturverzeichnis
Was können Sie vom Leben, von Ihrem Leben, lernen? Und wer genau sind Sie? Diese Fragen zu beantworten ist das Ziel der Biografiearbeit. Sich mit der eigenen Lebensgeschichte zu beschäftigen, lässt uns das Leben annehmen und weiterentwickeln. In Ihren Lebenserfahrungen sind vielfältige Kräfte und Möglichkeiten enthalten. Es soll einerseits die Grundlage zum Erkennen des berühmten „roten Fadens“ gelegt werden und andererseits herausgearbeitet werden, welche Möglichkeiten Sie aufgrund Ihrer Erlebnisse, Erfahrungen, Prägungen, Kompetenzen und Interessen in Zukunft im Beruf haben – oder zumindest haben könnten, je nach Wille und Rahmenbedingungen. Dieses Buch kann Ihnen allerdings, genau so wenig wie ein Berater aus Fleisch und Blut, den roten Faden oder mehrere rote Fäden zeigen; Ihre Aufgabe wird es immer sein, sich Ihr Verständnis selbst zu erschließen.
Biografiearbeit wird dort nötig, wo es keinen sich von selbst erschließenden Zusammenhang im Leben gibt oder sich Unübersichtlichkeit eingestellt hat – z.B. bei beruflicher Neuorientierung. Der Mensch benötigt eine Selbstvergewisserung, die ihm seine Vergangenheit erklärt und ihm eine Grundlage für seine Zukunft gibt. Es ist gut, ihm zu zeigen, dass seine Erfahrungen von Wert sind und er selbst als Person wichtig ist. Manchmal sind hierzu „Geburtshelfer“ notwendig… ein solcher soll dieses Arbeitsbuch sein.
Grundsätzlich gilt: der Mensch reagiert auf seine Erlebnisse und kann die eigene Weiterentwicklung aktiv betreiben. Er ist prinzipiell immer unfertig und daher auch gezwungen im Sinne einer Entwicklung zu handeln. Wenn er nun mit sich selbst und mit seinen Möglichkeiten ringt, dabei Hindernisse überwindet, so finden biografische Entwicklung und ein individuelles Leben statt. Hindernisse, Grenzen und Misserfolge sind für die eigene Entwicklung zwingend erforderlich – wo kein Ringen stattfindet, kommt es nicht zu Entwicklung. Biografien sind also gekennzeichnet durch Krisen und Brüche und auch durch innere Widerstände. Arbeit an deren Überwindung schafft Lebendigkeit, Wachheit und Bewusstsein für Entwicklung. Biografie ist also kein zusammenzählen von Ereignissen und daraus eine Summe bilden, denn dann wäre sie bereits abgeschlossen. Die Biografie geht weiter und sie liegt im inneren Zusammenhang der Ereignisse verborgen. Es geht darum, den inneren Gestaltungswillen zu erkennen und herauszufinden, welche Gestalt in diesem Prozess entstehen soll.
Wer schreibt denn überhaupt diese Biografie? Ist alles eine Verkettung von Zufällen, wurde etwas in die Wiege gelegt, ist es das Ergebnis von Beeinflussungen oder lenken spirituelle Kräfte? Nun, SIE selbst schreiben IHRE Biografie. Und diese kommt immer dann in Bewegung, wenn Sie aus bisherigen Denkmustern, Gewohnheiten und Sicherheiten herausgerissen werde und wenn Sie über den Horizont hinausschauen. Dies hat dann überhaupt nichts mehr mit Alltag zu tun und somit kann eine Biografie nicht eine kontinuierliche Fortschreibung von Vergangenheit sein. Immer kommt etwas Neues von außen dazu, wirkt auf das Alte ein und lässt ganz Neues entstehen. Daher muss man sich auf den Weg begeben, das Bisherige hinterfragen, auf Liebgewonnenes verzichten und so den Weg für neue Impulse und Fragestellungen freimachen.
In Ihnen liegt eine gewaltige Gestaltungskraft, welche die Dynamik Ihres Lebens prägt. Sie führt Sie auch in Krisen hinein und hält für Sie Chancen, bereichernde Begegnungen und auch Hindernisse bereit. Diese enthalten immer einen entscheidenden Impuls für die Entwicklung der Zukunft, Ihrer Zukunft. Biografiearbeit zielt immer in die Zukunft, obwohl sie sich sehr mit der Vergangenheit beschäftigt. Es geht vom Blick auf die Vergangenheit zum Blick in die Zukunft.
Im Übrigen schreiben Sie nicht nur im bildlichen Sinne Ihre Geschichte – Sie werden im Verlauf dieses Ratgebers zum „richtigen“ Schreiben angehalten. Schreiben ist ein Mittel der Kommunikation und dient dazu, zwischen Ihnen und Ihrer Umwelt zu vermitteln.
Schreibenhilft, sich zu erinnern unterstützt dabei, das Denken und die Gefühle zu ordnen
hilft, Ängste zu besiegen
gibt Distanz, mit der Sie sich von sich selbst trennen und „von außen“ betrachten können
kann helfen, eine gewisse Sprachlosigkeit zu überwinden
verändert vielleicht die Wahrnehmung von sich selbst
ist produktiv und somit eine sehr befriedigende Tätigkeit – vor allem wenn sich Seite um Seite füllt
Ideal ist es, wenn Sie sich vor dem Schreiben noch entspannen können: spazieren gehen, Musik hören, Entspannungsübungen machen und sich erst dann der Arbeit widmen.
Anlässe für eine intensive Arbeit an der eigenen Biografie können eine berufliche Neuorientierung oder auch eine Krankheitsphase oder Erwerbslosigkeit sein – also Situationen, in den Sie „so nicht mehr klar kommen“ und einen hohen inneren Leidensdruck verspüren. Situationen, in denen Sie auf sich selbst und ihr ICH verwiesen werden. Der sich beschleunigende Wandel in unserer Gesellschaft erfordert zunehmend häufiger Neuorientierungen. Das Bisherige genau unter die Lupe zu nehmen und sich über den zurückgelegten Weg und die persönlichen Einstellungen, auch zur Arbeit, vertieft Gedanken zu machen, ist dann Ihre Aufgabe. Aber auch darüber hinaus kann eine intensive biographische Selbstreflexion für einen Menschen sinnvoll sein. Es wird immer eine Erkenntnis dazu geben, warum Sie sind wie Sie sind und warum Sie sich verhalten wie Sie sich verhalten. Was Sie heute tun, wird für Sie klarer vor dem Hintergrund Ihrer Lebensgeschichte, der Interpretation Ihrer Erfahrungen und des Erkennens von Mustern und Zusammenhängen.
Es geht um „den Sinn des Lebens“ – welchen Sinn hatte das Bisherige und welchen Sinn hätten die verbleibenden Möglichkeiten? Eine Antwort auf diese Fragen zu finden, hilft Ihnen sehr dabei, sich in der Welt bequem einzurichten und einen Platz innezuhaben. Einen Platz, der einen Sinn ergibt.
Wenn es Ihnen gelingt, sich selbst zu verstehen, so können Sie sich bei Bedarf auch mit sich selbst versöhnen. Dies ist eine wichtige Grundlage für Ihre Weiterentwicklung, denn die Kräfte in Ihnen sind nun für Ihr persönliches Wachstum frei. Neue Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten sind nun zu entdecken und zu entwickeln. Scheuen Sie sich nicht, bei Bedarf auch auf professionelle Unterstützung zurück zu greifen.
Wo liegt denn nun der Sinn Ihrer individuellen Biografie? Dieser Frage kann man sich mit Konzepten der Philosophie oder einer Weltanschauung nähern und am Ende immer noch ratlos zurückbleiben. Dies sollte auch nicht unser Ansatz sein – wir wollen uns am täglichen Leben orientieren. Und hier entwickelt sich die Antwort auf diese Fragestellung erst im Fortgang des Daseins. Dies kann, je nachdem wie intensiv und wie oft sie gestellt wurde, durchaus auch Jahre oder Jahrzehnte dauern. Dieses Arbeitsbuch hilft Ihnen, diese Zeitspanne abzukürzen!
Das Niederschreiben persönlicher Ereignisse ist auch eine Art Therapie. Sie sind aufgefordert, Ihre Gedanken zu fassen, zu formen und zu ordnen. Viele Dinge lassen sich auch erst aus einer gewissen Distanz klar erkennen und lohnen sich daher, wieder einmal betrachtet zu werden. Aber nicht nur Krisenzeiten sollten die Biografiearbeit wichtig erscheinen lassen. Sie dient auch dazu, sich selbst besser zu verstehen, Licht- und Schattenseiten zu erkennen und bewusst zu machen. Und sie hilft auch, andere Menschen zu verstehen. Durch sie können Sie erkennen, wie Sie mit anderen Menschen in Wechselbeziehungen stehen oder standen und was Sie Ihnen auch zu verdanken haben. Auch andere haben dazu beigetragen, dass Sie heute sind, wer und was Sie sind.
Es ist also das Ziel, das Leben auch unter Berücksichtigung von allen beteiligten Menschen zu rekonstruieren und zu werten. Je mehr man dabei über sich lernt, je besser man sich selbst kennt, desto weniger interessant wird andererseits ein dauerndes und lähmendes Kreisen um sich selbst. Man kann loslassen und dadurch Abstand gewinnen; dies hilft, leichter durch das Leben zu gehen. Das nochmalige Durchleben und schriftliche Festhalten der Biografie hilft, nicht alles zwanghaft in der Erinnerung präsent haben zu müssen und so Freiheit zu gewinnen.
Auf jeden Fall sind sie nicht mehr auf die oberflächliche Erscheinung der Gegenwart reduziert. Auch die Vergangenheit wird wahrgenommen und so kann Respekt für Sie als Person entstehen (zumindest können Sie sich selbst respektieren). Sie können sich auch als Wesen mit Geschichte begreifen lernen, da Sie in bestimmten historischen Momenten gelebt haben und von Eltern erzogen worden sind, die ebenfalls Geschichte miterlebt haben; vielleicht erkennen Sie dabei, wie die Entwicklungen der Welt Sie durchdringen und mit Ihnen verbunden sind, wie Sie aber auch Verantwortung für Entwicklungen (zumeist unbewusst) mittragen.
Wie bereits erwähnt, geht es im Idealfall darum Konstanten zu entdecken und über die Darstellung des eigenen Werdegangs den berühmten „roten Faden“ zu finden. Dabei richtet sich der Blick nicht nur auf das Gelungene, sondern auch auf das Misslungene – und in dieser Gesamtschau zeigt sich die Reichhaltigkeit eines Lebens.