Black-Gunner - Frank Wells - E-Book

Black-Gunner E-Book

Frank Wells

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Zwei Stunden schon ritten sie in unverändertem Tempo dahin. Guy Lefrant hing immer drei bis vier Längen vor dem Sheriff, und er schaute auf dem ganzen Weg nicht einmal zurück. Seit Lefrant, der Vormann der Hammer-Ranch, vor wenig mehr als zwei Stunden in Bob Steins Office geplatzt war, hatten sie nicht mehr als zehn Worte miteinander gewechselt. Und noch immer wusste der Sheriff nicht, was in der letzten Nacht nun eigentlich geschehen war. Die Hochprärie hatten sie im Galopp durchmessen, dann die Hügel, Canyons und Schluchten der Vorberge, und nun jagten sie schon lange auf den steinigen Pfaden der Steen-Mounts dahin. Die Sonne stand hoch und schickte grelle Lichtbahnen durch die Bäume. Höher und höher führten die Serpentinen des Rinderpfades bergwärts. Nur noch Fettholzsträucher und bedürfnislose Sagebüsche sprenkelten die kahlen Hänge. Am Ende der langen Steigung hielt Guy Lefrant. Eine verkrüppelte Birke neigte ihre Zweige traurig über den Pfad. Bob Stein parierte seinen Wallach neben Emery Albens Vormann durch und folgte mit den Augen der weisenden Hand. Lefrants Lippen bewegten sich kaum, als er heiser murmelte: »Dort haben wir ihn gefunden.« Und schon trieb er den Mustang wieder an. Er hielt auf die Gruppe von Männern zu, die neben ihren grasenden Pferden standen, vor einer kleinen, aus grob zugehauenen Stämmen gefügten Blockhütte. Bob Stein hätte so hoch oben in den Bergen nie eine Weidehütte erwartet, aber anscheinend hielt dieses Land dauernd Überraschungen für ihn bereit. Er ritt bis auf drei Schritte an die Männer heran. Die wuchtige Gestalt des alten Emery Alben ragte über die drei anderen hinaus. Der zottige Graukopf mit den harten Augen ruckte zu Bob herum – dann schnarrte Albens grollender Bass: »Sind Sie schon jemals bei irgendeiner Arbeit in Schweiß geraten, Sheriff? Wenn das der Fall wäre, will ich auf der Stelle tot umfallen!« Bob Stein blieb reglos im Sattel – ein großer Mann mit schmalem Gesicht, nachdenklichen und fast verträumten blauen Augen.

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Die großen Western – 371 –

Black-Gunner

Frank Wells

Zwei Stunden schon ritten sie in unverändertem Tempo dahin. Guy Lefrant hing immer drei bis vier Längen vor dem Sheriff, und er schaute auf dem ganzen Weg nicht einmal zurück.

Seit Lefrant, der Vormann der Hammer-Ranch, vor wenig mehr als zwei Stunden in Bob Steins Office geplatzt war, hatten sie nicht mehr als zehn Worte miteinander gewechselt. Und noch immer wusste der Sheriff nicht, was in der letzten Nacht nun eigentlich geschehen war.

Die Hochprärie hatten sie im Galopp durchmessen, dann die Hügel, Canyons und Schluchten der Vorberge, und nun jagten sie schon lange auf den steinigen Pfaden der Steen-Mounts dahin.

Die Sonne stand hoch und schickte grelle Lichtbahnen durch die Bäume.

Höher und höher führten die Serpentinen des Rinderpfades bergwärts. Nur noch Fettholzsträucher und bedürfnislose Sagebüsche sprenkelten die kahlen Hänge.

Am Ende der langen Steigung hielt Guy Lefrant.

Eine verkrüppelte Birke neigte ihre Zweige traurig über den Pfad. Bob Stein parierte seinen Wallach neben Emery Albens Vormann durch und folgte mit den Augen der weisenden Hand.

Lefrants Lippen bewegten sich kaum, als er heiser murmelte: »Dort haben wir ihn gefunden.«

Und schon trieb er den Mustang wieder an. Er hielt auf die Gruppe von Männern zu, die neben ihren grasenden Pferden standen, vor einer kleinen, aus grob zugehauenen Stämmen gefügten Blockhütte. Bob Stein hätte so hoch oben in den Bergen nie eine Weidehütte erwartet, aber anscheinend hielt dieses Land dauernd Überraschungen für ihn bereit.

Er ritt bis auf drei Schritte an die Männer heran. Die wuchtige Gestalt des alten Emery Alben ragte über die drei anderen hinaus. Der zottige Graukopf mit den harten Augen ruckte zu Bob herum – dann schnarrte Albens grollender Bass: »Sind Sie schon jemals bei irgendeiner Arbeit in Schweiß geraten, Sheriff? Wenn das der Fall wäre, will ich auf der Stelle tot umfallen!«

Bob Stein blieb reglos im Sattel – ein großer Mann mit schmalem Gesicht, nachdenklichen und fast verträumten blauen Augen. Ein Mann mit leicht vorgebeugten Schultern, dem man nicht die Kraft ansah, die sich unter der lässigen Haltung verbarg.

Ganz ruhig und locker saß er, zog Tabak und Blättchen, drehte eine Zigarette, rauchte und sagte dann ruhig: »Wenn Sie mir das bitte erklären möchten, Alben?«

Der Rancher hieb zornig mit der Faust durch die Luft.

»Zur Hölle damit! Sie sind dazu da, dem Gesetz zum Recht zu verhelfen. Bisher hat dieses Land noch nichts von Ihren Fähigkeiten zu sehen bekommen.«

»Bis jetzt hat dieses Land noch keine Arbeit für einen Sheriff gehabt. Denn die Männer dieses Landes, so wurde mir gesagt, holen sich ihr Recht lieber selbst. Das ist zwar ein merkwürdiger Standpunkt, aber ich kann und will ihn nicht ändern – solange jedenfalls nicht, wie die Gesetze unverletzt bleiben, deren Wahrung mir aufgetragen ist. Weshalb haben Sie mich rufen lassen?«

Albens hartes Gesicht mit den tiefen Kerben des Alters färbte sich dunkelrot. Er war nicht der Mann, der einen Widerspruch gelten ließ. Er war im ganzen Land als unduldsam und herrisch verschrien – als ein Mann ohne Freunde.

Hinter der harten Miene arbeitete es mächtig, dann schluckte er alle zornigen Worte herunter und sagte mürrisch: »Ja, ich habe Sie rufen lassen. Gehen Sie in die Hütte, Stein. Dort liegt er.«

Der Sheriff tat einen tiefen Zug, glitt aus dem Sattel und trat die Zigarette aus. Er ging steifbeinig durch die schweigende Gruppe der Männer, und Emery Albens wuchtige Schritte folgten ihm.

Vom Querbalken der Hütte hing ein Lasso herab. Es war, wie Bob Stein mit schnellem Blick feststellte, locker über den Balken geworfen, und die Schlinge begann schon unmittelbar unter dem Querbalken. Das Ende des Lassos war im Hintergrund der Hütte an einem Pfosten festgezurrt.

Es dauerte eine Weile, bis Bobs Augen sich an das dämmerige Licht in der Hütte gewöhnt hatten. Er sah einen Tisch, einen Schemel und eine Feuerstelle aus Feldsteinen. Dann erst erkannte er das Feldbett in der Ecke – und die stille Gestalt, die darauf lag.

Eine Weile stand er ganz still, mit halb zugekniffenen Augen. Unwillkürlich hielt er den Atem an. Dann zog er den Hut und trat langsam näher.

Jack Alben war tot. Man brauchte kein Arzt zu sein, um es auf den ersten Blick zu sehen.

Der Junge von kaum mehr als zwanzig Jahren lag auf dem Rücken, das Hemd über der Brust geöffnet, die Hände über dem Leib gefaltet. Die furchtbaren Striemen am Hals sagten aus, wie er gestorben war – und plötzlich bekam das Lasso in der Tür eine schreckliche Bedeutung.

Bob Stein wusste nicht viel über diesen Jungen – nicht viel mehr jedenfalls, als dass er ein wilder, ungestümer Bursche gewesen war, bei dem keine Woche ohne Raufhändel verging. Ein Kerl wie ein Baum, mit Fäusten wie Schmiedehämmer – und dann dieses Ende.

Bob Stein beugte sich tiefer und betrachtete düster die klaffende Wunde über der Schläfe Jacks. Ein harter Gegenstand hatte ihn dort getroffen. Ein Revolverlauf vielleicht oder der Kolben eines Gewehres.

Und dann hatten sie das Lasso genommen.

Die raue Stimme des alten Ranchers brach das Schweigen.

»Guy Lefrant hat ihn gefunden – dort in der Tür. Er ist mit unserem Pferdejungen heute Morgen heraufgekommen, um Jack abzulösen.«

»Jack war allein hier oben?«

»Nein. Das heißt – das geht Sie nichts an, Stein.«

»Moment, Alben. Sie wollen, dass ich Jacks Mörder fange – oder wollen Sie das nicht?«

»Zur Hölle mit Ihren Fragen. Wozu sind Sie Sheriff?«

»Gut! Sie erwarten von mir die Verfolgung der Täter – und ich muss von Ihnen erwarten, dass Sie mir rückhaltlos alles berichten, was mit dem Mord zusammenhängen könnte. Ihr Sohn war also nicht allein in der Hütte. Wer war bei ihm, und wo ist er?«

Emery Alben starrte düster in das gleißende Licht des Tages. Er hielt beide Hände zu Fäusten geballt vor sich. Es war ihm anzumerken, dass er mit sich rang, ob er alles sagen sollte.

»Sie sind noch zu kurze Zeit im Lande«, knurrte er endlich. »Was zum Teufel weiß ich denn von Ihnen, als dass Sie ein junger Kerl sind? Der Stern auf Ihrer Weste bedeutet für mich gar nichts, solange ich nicht weiß, ob der Kerl in der Weste etwas taugt.«

Bob Stein nickte nur. Da war es wieder, wogegen er seit einem Jahr ankämpfte – seit jenem Tage, da er das Amt des Sheriffs in Tolly Flat übernommen hatte.

Er zuckte die Achseln und sagte: »Für Sie und die anderen Rancher werde ich noch ein Fremder sein, wenn ich zwanzig Jahre Ihr Nachbar sein sollte – was Gott verhüten möge. Behalten Sie Ihre Weisheit für sich, Alben. Ich werde mein Glück ohne Ihre Hilfe versuchen.«

Er machte brüsk kehrt und ging langsam an der Rückwand der Hütte entlang. Er suchte den Boden ab, obwohl er sich nichts davon versprach.

Eine Weile starrte er auf den Herd. Das Feuer war längst erloschen. Eine Pfanne mit zwei erkalteten Fleischstücken stand auf dem hinteren Rand. Das sagte ihm nichts. Es zeigte höchstens, dass Jack Alben wirklich noch einen Begleiter gehabt hatte. Aber auf der anderen Seite war Alben durchaus der Kerl gewesen, eine doppelte Portion allein zu vertilgen.

Bob Stein wandte sich der Seitenwand zu. Durch ein kleines Fenster fiel ein schmaler Lichtstreifen auf den lehmgelben Tennenboden. Direkt neben dem Tischbein lag etwas.

Bob bückte sich und hob einen Knopf auf. Ein Hirschhornknopf, wie ihn mancher an seiner Jacke zu tragen pflegte.

Jack Albens Jacke hing an der Wand. Sie hatte Lederknöpfe, und sie waren alle noch vorhanden. Bob steckte den Hirschhornknopf ein und ging weiter.

Er trat über die Schwelle ins Freie. Plötzlich rührte Emery Alben sich. »He – Sheriff!«

Bob wandte nur flüchtig den Kopf: »Was gibts?«

»Kommen Sie rein, verdammt. Und nehmen Sie gefälligst nicht gleich jedes Wort krumm, das Ihnen gesagt wird!«

Bob blieb in der Tür. Er hatte eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, aber bei diesem Mann war es besser zu schweigen. Er sagte: »Ich höre.«

»Vielleicht sollte ich mir lieber die Zunge abreißen, als Ihnen dies alles auf die Nase zu binden – aber Sie haben Haare auf den Zähnen, und das imponiert mir verdammt! Hier – diesen Zettel haben die Halunken auf Jacks Brust geheftet.«

Bob nahm ein zerknittertes Stück Papier entgegen und las nur ein Wort: »Rinderdieb!«

Es war in großen Blockbuchstaben geschrieben, von einer Hand, die jeden Buchstaben sauber hingezirkelt hatte – von der Hand eines kundigen Schreibers. Das schien Bob bedeutsam, denn im Rinderland gab es nicht allzu viele, die den Stift so gut zu führen verstanden.

»Rinderdieb?« Er schüttelte den Kopf. »Ihr Sohn soll ein Rinderdieb gewesen sein? Das ist doch Verrücktheit.«

»Ah – Sie können’s nicht glauben, was? Das ist gut. Das ist sehr gut, Sheriff. Kommen Sie mit. Ich werde Ihnen noch etwas zeigen.«

Die wuchtige Gestalt Albens wurde plötzlich sehr beweglich. Er schritt weit aus, als er die Hütte verlassen hatte und sich einem Corral zuwandte, der in einer durch Büsche verdeckten Mulde lag.

Neben dem Tor war die Asche eines erloschenen Feuers, und daneben lagen zwei Brenneisen. Emery Alben nahm sie hoch und hielt sie dem Sheriff unter die Nase.

»Was sehen Sie da für ein Brandzeichen?«, fauchte er.

»Ihr Zeichen, Alben – den Hammer.«

»Aha, den Hammer. Gut, kommen Sie mit in den Corral.«

Er öffnete das Tor, marschierte hindurch und überließ es Bob, das Tor wieder zu schließen. Zehn Rinder drückten sich in die entlegenste Ecke des Corrals.

Emery Alben nahm ein Lasso vom Torpfosten, näherte sich den Tieren und ließ das Lasso fliegen. Das gefangene Rind stand sofort still. Es zitterte von Kopf bis Fuß, als die beiden Männer neben ihm standen.

»Betrachten Sie das Brandzeichen, Sheriff«, knurrte Alben. »Und dann sagen Sie mir, was die Geschichte bedeutet.«

Nichts war einfacher als das. Das Rind hatte ursprünglich den NC-Brand getragen. NC – das bedeutete, dass es Nick Cameron gehörte. Über diesen alten Brand war sehr ungeschickt das Hammer-Zeichen Emery Albens in das Fell des Tieres gebrannt worden. So ungeschickt, dass der ursprüngliche Brand ohne Schwierigkeiten zu lesen war.

Bob Stein trat kopfschüttelnd zurück.

»Ich nehme an, dass alle Rinder so umgebrändet worden sind, Alben?«

»Dazu braucht man kein Hellseher zu sein, was? Es ist also bewiesen, dass mein Sohn diese Rinder gestohlen hat, nicht wahr? Es ist bewiesen, und folglich ist er zu Recht aufgehängt worden, denn auch ich würde mit jedem Rinderdieb so verfahren. Oder was sagt das Auge des Gesetzes dazu?«

»Es gäbe eine Menge dazu zu sagen. Da man jedem Menschen nur vor den Kopf und nicht ins Herz schauen kann, wäre es durchaus möglich, dass Sie oder Ihr Sohn sich einen schönen Nebenverdienst verschafft hätten. Ich kenne Sie nicht gut genug, um das beurteilen zu können, aber …«

Emery Alben fauchte wütend wie ein Puma. »Sie gottverdammter, hinterhältiger Hund wollen doch nicht behaupten …«

»Moment, Alben. Immer ausreden lassen. Sie haben mir gerade eben gesagt, dass Sie mir nicht trauen können, weil ich ein Fremder bin. Nun, für mich sind Sie auch ein Fremder. Vertrauen gegen Vertrauen. Misstrauen gegen Misstrauen. Aber ich bin noch nicht fertig. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass Sie Rinder stehlen und das Brandzeichen dann auf so primitive Art fälschen. Das ist miserable Arbeit. Wer nur ein bisschen vom Fach versteht, kann ein besseres Brandzeichen schmieden als dieses. Ich möchte wetten, dass diese Rinder von Leuten gestohlen worden sind, die ein Interesse daran haben, Sie als Rinderdieb zu brandmarken. Verstehen Sie, was ich meine?«

»Okay. Sie trafen den Nagel ziemlich genau auf den Kopf. Nur weiter Sheriff.«

»Ich bin auf Vermutungen angewiesen. Wie die Dinge in Wirklichkeit liegen, müssen wir herausfinden. Haben Sie Feinde im Land, Alben?«

»Möglich. Ich habe zumindest keine Freunde. Mein einziger Freund, den ich im Leben hatte, ist vor mehr als einem Dutzend Jahren hinübergegangen – und selbst der war nicht mein Freund, sondern hat mich schändlich betrogen.«

»So?«

»Ja, so wars. Weiß Gott, ich hätte alles für ihn getan – ich hätte mich für Matt Brann vierteilen und rädern lassen. Und was hat er getan? Mir meine Rinder gestohlen. Es war meine bitterste Stunde, als wir ihm auf die Schliche gekommen sind. Und noch bitterer wars, als wir in einer stürmischen Novembernacht ausgezogen sind und – ah, das ist vorbei! Aus und vorbei. Zur Hölle damit!«

Bob Steins Gesicht verdüsterte sich. Das war wieder so eine Geschichte, wie er sie hasste – eine grausame Geschichte, die von hasserfüllter Selbstjustiz berichtete. Ein Mann hatte Rinder gestohlen, und seine Nachbarn, ja, seine Freunde waren ausgezogen und hatten ihn dafür gestraft.

Wie …? Das brauchte er nicht zu fragen. Er las es dem Alten vom Gesicht ab. Eine schreckliche Parallele zu diesem Fall? Vielleicht.

»Seitdem«, murmelte Emery Alben, »gebe ich keinem Menschen mehr die Hand. Es lohnt sich nicht, Freunde zu haben. Die Menschen sind schon eine höllische Brut.«

Der Sheriff überging diese bittere Weisheit mit Achselzucken. Er war nicht hier, um einen alten Mann zu belehren.

»Nehmen wir an«, sagte er, »der Diebstahl dieser Tiere wäre entdeckt worden. Glauben Sie, dass Nick Cameron sofort zur Lynchjustiz greifen würde? Oder halten Sie es nicht eher für wahrscheinlich, dass er zunächst einmal zu klären versuchte, ob der Diebstahl von Ihnen oder Ihrem Sohn oder Ihrer Mannschaft begangen worden sein könnte?«

In Albens Augen trat ein schwelendes Licht. »Sie bringen mich auf eine Idee, Mann. Wo habe ich bloß meinen Verstand gehabt? Natürlich hat Cameron es getan. Der Satan ist hinter seinen gestohlenen Biestern her, hat sie hier gefunden und sofort …«

»Stop! Das müsste zuerst untersucht und dann bewiesen werden. Nur keine Voreiligkeiten, Alben. Wenn Sie etwa an einen Rachefeldzug gegen Cameron denken …«

»Darauf können Sie Gift nehmen, Mann! Dem zieh ich den Skalp bei lebendigem Leib vom Schädel! Ich …«

»Nichts werden Sie tun, Alben!«, donnerte Bob Stein. »Wenn Cameron die Schuld trifft, werde ich ihn dem Henker überantworten. Und wenn Sie Ihre private Rache kühlen wollen, werde ich auch Sie mit der ganzen Schärfe des Gesetzes verfolgen. Ich bin Sheriff und suche den Mörder. Ich lasse mir von keinem ins Handwerk pfuschen!«

Alben schwoll die Zornesader.

»Es ist mein Sohn, der umgebracht wurde. Sie können mir nicht verbieten …«

Bob Stein schwang sich über den Zaun des Corrals und ließ den Alten einfach stehen.

Er ging auf die Gruppe der anderen zu und fragte Guy Lefrant: »Wo ist der Mann, der mit Jack Alben hier oben war?«

Der Vormann zuckte die Achseln.

»Sie meinen Red Drake, den Weidedetektiv? Keine Ahnung. Er hat nur die Nachricht hinterlassen, dass er eine Spur verfolgt. Wir haben den Zettel in Jacks Rocktasche gefunden.«

»An wen war die Nachricht gerichtet, und wen verfolgt er? Und wer, zum Teufel, ist dieser Red Drake überhaupt? Ich habe den Namen nie gehört.«

»Er ist ja auch erst seit drei Tagen im Lande – seit unser Boss ihn angestellt hat, um die Rinderdiebstähle aufzuklären. Wir haben im Sommer mehr als zweihundert Tiere verloren.«

»Und davon weiß ich nichts? Bin ich Sheriff oder ein Hampelmann?«

»Unser Boss meinte …«

Da kam Emery Alben angestampft. Er schäumte wie ein Stier, dem das rote Tuch vorgehalten wird.

»Verschwinden Sie, Sheriff! Ich brauche Sie nicht! Sie mit Ihren närrischen Ideen.«

Bob Stein wirbelte herum und zog den Colt. Er hielt ihn genau auf den Magen des Alten gerichtet. Seine Stimme war kalt wie Eis.

»Sie haben jetzt genug dummes Zeug geschwatzt, Alben! Ich respektiere Ihren Schmerz, aber ich dulde es nicht, dass Sie Gesetz und Recht mit Füßen treten wollen. Guy Lefrant und ihr anderen – ihr seid Zeugen dessen, was ich eurem Boss jetzt sage. Er möchte auf eigene Faust Rache üben, ohne überhaupt zu wissen, wer der Mörder seines Sohnes ist. Man kann nicht Mord mit Mord vergelten! Und deshalb …«

Mitten im Wort brach Bob Stein ab. Über Emery Albens Kopf hinweg sah er jenseits des Corrals einen Reiter auftauchen – dann eine ganze Gruppe.

Und der Mann an der Spitze des Trupps war Sam Tanner, Vormann auf der NC-Ranch.

Der Sheriff senkte die Waffe nur um einen Zoll. Er trat zwei, drei Schritte zurück, sodass er die ganze Gruppe der Männer Albens und den Rancher selbst im Auge behielt. Seine Stimme klang nun leise, fast tonlos.

»Okay – in einigen Minuten werden wir schlauer sein. Dort kommt Nick Camerons Mannschaft. Ich bin wahrhaftig neugierig, ob sie hier nur ihre Rinder suchen oder mehr. Alben, ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich völlig ruhig verhalten. Ich schieße jeden ohne Warnung nieder, der Dummheiten machen will. Ist das klar?«

Emery Alben starrte dem Reitertrupp entgegen. Er ließ die mächtigen Schultern hängen. Plötzlich schien ihm klar zu werden, dass sein Verdacht gegen Cameron auf schwachen Füßen stand. Denn würde Camerons Mannschaft wohl hier auftauchen, wenn sie schon in der vergangenen Nacht hier ihr blutiges Werk verrichtet hätte?

Er drehte den Kopf dem Sheriff zu, nickte und brummte: »Wir werden sehen, ob die Katze den Schwanz hat.«

Er ging los und ließ sich auf der Bank vor der Hütte nieder.

Bob winkte Camerons Reitern zu und rief: »Hierher, Leute! Ich habe etwas für euch!«

Das Poltern der Hufe näherte sich schnell. Sam Tanner hielt kurz neben dem Corral und starrte die Rinder an.

Sein hageres Gesicht über der zaundürren Gestalt war völlig ausdruckslos, als er kurz darauf in einem Abstand von zehn Yards vor dem Sheriff hielt. Hinter ihm formierten sich fächerförmig seine Männer – fünf ledergesichtige Cowboys.

»Hallo«, dehnte Tanner. »Komisches Zusammentreffen, was?«

Bob nickte nur. Er hakte die Daumen hinter den Waffengurt und musterte jeden der Männer mit kühlen Augen. Er lächelte. »Ich würde es nicht komisch nennen, Tanner. Sie suchen etwas, nicht wahr?«

»Nicht schwer zu raten, was? Und ich wette, wir haben’s auch gefunden, Sheriff. Mich wundert bloß, dass Sie schon so früh aus den Federn sind.«

»Ich schwärme für einen schönen Sonnenaufgang, Sam. Wann seid ihr von zu Hause fort?«

»Schätze, es war drei Uhr heute Morgen. Noch mehr Fragen?«

»Ganz recht. Noch mehr Fragen. Wann habt ihr gemerkt, dass euch Rinder gestohlen wurden?«