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Die Schöne Emmas Leben ist alles andere als ein Märchen. Nachdem sie ihre Mutter an den Krebs verlor, droht nun auch ihr Vater diesem Schicksal zu erliegen. Ihr Elternhaus und den Buchladen hat sie schon aufgeben müssen, das einzige, worüber sie noch selbst bestimmt, ist ihr Körper. Das Biest Nach einem schweren Autounfall kämpfte sich Nathan zurück ins Leben. Die Zeichen dieses Kampfes trägt er sichtbar auf seiner Haut und sein altes Leben im New Yorker Blitzlichtgewitter sieht er unwiederbringlich verloren. Umso stärker drängt es ihn danach, jeden Aspekt seines Lebens zu kontrollieren. Der Deal Ein Jahr lang wird Emma das letzte aufgeben, was ihr noch geblieben ist: Sich selbst. Sie gibt sich einem völlig Fremden hin, um das Leben ihres Vaters zu retten. Doch vielleicht ist gerade sie - , der es verboten ist, ihn zu sehen, zu berühren oder zu erfahren, wer er ist, - in der Lage, tiefer zu sehen, als seine Narben reichen.
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Seitenzahl: 260
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Sophia RudolphBlinde LeidenschaftenDie Schöne und das Biesterotischer Roman
www.Elysion-Books.com
Sophia Rudolph
Im Südwesten Deutschlands geboren, entwickelte Sophia Rudolph früh eine Leidenschaft für das Lesen und Schreiben. Noch größer als ihre Leidenschaft dafür, sich in geschriebenen Texten zu verlieren, ist die, sich auf Reisen quer durch Europa zu neuen Geschichten inspirieren zu lassen. Leidenschaft spielt auch in ihren Geschichten eine große Rolle.
»Die Schöne und das Biest« ist ihr erster Titel bei Elysion-Books, ein zweiter wird im Frühjahr 2016 folgen.
Sophia Rudolph
Die Schöne und das Biest
WWW.Elysion-Books.comELYSION-BOOKS TASCHENBUCHBAND 40721. Auflage: Februar 2015
VOLLSTÄNDIGE TASCHENBUCHAUSGABE
ORIGINALAUSGABE© 2014 BY ELYSION BOOKS, GELSENKIRCHENALL RIGHTS RESERVEDUMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinertwww.dreamaddiction.deFOTOS: © Fotolia/Knut Wiarda © Fotolia/Subbotina AnnaLAYOUT & WERKSATZ: Hanspeter Ludwigwww.imaginary-world.deKorrektorat und Lektorat: Inka-Gabriela Schmidt
PRINTED BY OPOLGRAF, POLANDISBN 978-3-945163-02-3Mehr himmlisch heißen Lesespaß finden Sie auf:www.Elysion-Books.com
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
»Es reicht.« Nathans Stimme war kalt. Vor einigen Jahren hätte er jetzt vermutlich losgeschrien. Doch zu solchen Gefühlsausbrüchen ließ er sich schon lange nicht mehr hinreißen.
Er warf der blonden Frau zu seinen Füßen nur einen kurzen Blick zu, ehe er an ihr vorbei ging. Für ihn war dieses Treffen beendet. Einmal zu oft hatte sie versucht, seine Regeln zu umgehen.
»Warte.« Ihre gefesselten Hände schossen hervor, versuchten, nach ihm zu greifen. Der nächste Fehler. Nathans Augen wurden schmal. Nicht, dass sie es sehen konnte. Die Maske über ihren Augen verhinderte dies, auch wenn sie versucht hatte, ihn dazu zu bringen, sie abnehmen zu dürfen. Fehler Nummer Eins.
Gelangweilt sah er zu ihr herab, beobachtete, wie ihre Zunge langsam über ihre Lippen glitt, ehe sie ein kleines Lächeln versuchte.
»Es muss doch noch nicht vorbei sein.«
Lächerlich. Nathan verspürte den Drang, laut loszulachen, widerstand ihm jedoch mit spielerischer Leichtigkeit.
»Doch, muss es«, widersprach er ihr und schob ihre suchenden Hände unwirsch zur Seite.
»Aber wieso denn?« Ihre Stimme sollte ihn locken. So, wie ihre Hände, die sie jetzt über ihren Hals streicheln ließ, über den Ansatz ihrer Brüste. Das Seufzen, das ihr entfuhr, klang einstudiert. Unecht. So wie sie.
»Weil ich es sage.« Er drehte sich nicht mehr zu ihr um, als er den Raum verließ und sie allein ließ. Er würde Theodore Bescheid sagen, dass die junge Dame aus dem Haus begleitet werden sollte. Ihr Geld sollte sie bekommen, auch wenn er es keine halbe Stunde mit ihr ausgehalten hatte. Es ihr nicht zu geben, würde ihm nur größeren Ärger einhandeln.
Das Klicken der Tür, als er sie ins Schloss zog, klang endgültig in seinen Ohren. Auf gewisse Weise stimmte das auch. Er war es leid. Er war sie leid. Jedes Mal das altbekannte Spiel von vorne. Eine neue Frau, die ihre Dienste für eine entsprechende Entlohnung anbot, sich aber in den wenigsten Fällen auch an die Vereinbarungen hielt. Immer wieder versuchte eine von ihnen, ihn zu berühren, einen Blick auf ihn zu erhaschen, seinen Namen zu erfahren.
Nathan hatte endgültig genug davon. Er zog sich in sein Büro zurück und nahm den Hörer vom Telefon, um Theodore auf der Hausleitung zu erreichen.
»Bring sie raus.«
»Sehr wohl, Mr. Blackbourne.«
Nathan legte den Hörer auf und ließ sich in den Ledersessel hinter seinem Schreibtisch fallen. Gedankenverloren kratzte er an seinem Kinn, während er über eine Lösung für dieses Problem nachdachte. Ein zölibatäres Leben kam erst gar nicht in Betracht, aber er wollte nicht mehr jedes Mal, wenn er Lust auf Sex hatte, darauf warten müssen, dass die Agenturen, die er bemühte, ihm eine angeblich passende Kandidatin schickten. Nur um dann herauszufinden, dass sie überaus unpassend war.
Seine Finger verkrampften sich, als ihm bewusst wurde, dass er dabei war, eine alte Narbe aufzukratzen. Er ballte die Hand zur Faust, um das unwillkommene Zittern zu überdecken.
»Es reicht«, flüsterte er und schlug mit der Faust auf den Tisch. Dies war sein Leben, sein Haus. Hier galten seine Regeln, verdammt noch mal. Kurzentschlossen öffnete er das Adressbuch seines Telefons und löschte mit einigen Klicks die Agenturen aus seinem Verzeichnis. Wer nicht zu seiner Zufriedenheit arbeiten konnte, sollte besser gar nicht erst für ihn arbeiten. An dieser Devise hatte sich nichts geändert. Wenigstens etwas, dachte er mit einem verächtlichen Schnauben.
Mit ruckartigen Bewegungen griff er zur Computermaus und öffnete seine Mails. Zehn Neueingänge, seit er vor beinahe einer Stunde zum letzten Mal danach gesehen hatte. Es schien ein ruhiger Tag zu werden. Nathan fuhr sich mit der Hand durchs kurze, schwarze Haar. Wenn ihn selbst seine Arbeit ihm Stich ließ, war das ein sehr schlechter Tag.
Theodore klopfte an der Tür und Nathan bat ihn herein. Der alte Mann trug ein Tablett in den Händen, eine Flasche flüssigen Golds und ein Glas darauf.
»Ich habe die junge Dame von Jennings zurück in die Stadt fahren lassen und ihr den vollen Preis ausgehändigt.«
Nathan nickte nur, als Theodore das Glas vor ihm auf den Tisch stellte und die Flasche daneben.
»Ich dachte mir, Sie könnten einen Whisky vertragen, Mr. Blackbourne.«
Nathan seufzte und goss sich ein Glas ein. Während er es an die Lippen führte, sah er über den Rand des Glases hinweg seinen ältesten Vertrauten an.
»Was mache ich nur, wenn Sie gehen, Theo?«
»Nun, ich gehe davon aus, Sie werden sich nach einem Ersatz umsehen, Mr. Blackbourne.«
Die selbstverständliche Antwort brachte Nathan zum Schmunzeln. Er ließ den Whisky über seine Zunge gleiten und den Hals hinabfließen. Das leichte Brennen in seiner Kehle wirkte angenehm belebend.
»Einen Monat, sagten Sie?«
»Einen Monat noch, Mr. Blackbourne«, bestätigte Theodore. »Ich bleibe natürlich noch ein paar Tage länger, wenn ich jemanden einarbeiten muss. Wenn Sie es wünschen, Mr. Blackbourne, kann ich mich auch gerne nach geeigneten Nachfolgern erkundigen.«
Nathan war bereits dabei, zu nicken, als er innehielt. Eine Idee kam ihm in den Sinn, die ihm zunächst zwar abwegig erschien, bei näherer Überlegung jedoch durchaus ihren Reiz hatte. Zum ersten Mal an diesem Tag stahl sich ein echtes Lächeln auf seine Lippen. Nathan ignorierte das Ziehen auf seiner Haut, das diese Geste verursachte und widerstand dem Drang, über sein verletztes Gesicht zu fahren.
»Danke, Theo, das wird nicht nötig sein. Ich kümmere mich selbst um einen Nachfolger. Ich werde Matt gleich darauf ansetzen.«
Sein Sekretär bemühte sich offenkundig, seine Überraschung über diese Aussage nicht zu zeigen und ließ Nathan allein. Dieser griff zum Hörer und wählte die Nummer seines besten Freundes.
»Es tut mir leid, dass wir keine besseren Neuigkeiten für Sie haben, Miss Sullivan.«
Sie spürte Dr. Miles’ mitleidigen Blick auf sich, auch wenn sie es nicht schaffte, zu ihm aufzusehen. Zwei Monate, vielleicht drei, eher weniger. Emma konnte die Maschinen, an denen ihr Vater angeschlossen war, selbst hier auf dem Flur piepsen hören. Die Maschinen, die sie so sehr hasste und die ihren Vater doch am Leben hielten.
»Aber gibt es denn wirklich nichts, was Sie noch tun können? Die Medizin hat in den letzten Jahren doch Fortschritte gemacht und …« Sie hielt inne, kämpfte gegen die Tränen an, die als dicker Kloß in ihrem Hals brannten und schluckte sie mühsam herunter.
»Irgendetwas, Dr. Miles?« Als Emma zu ihm aufsah, nickte der Mediziner langsam. Seine Augen wanderten über die weiße Wand hinter ihr.
»Es gibt neue Forschungsergebnisse und Methoden, die sich in den letzten Testphasen befinden. Bisher liefern sie sehr positive Resultate, wobei man nie sagen kann, wie jeder einzelne Patient auf sie anspricht.«
»Aber?« Es lag wie eine düstere Wolke über seinen Worten. Dieses kleine Wort, das alles zerstören konnte.
»Aber die Behandlungskosten belaufen sich geschätzt auf eine halbe Million Pfund.«
Eine halbe Million. Fünfhunderttausend. Emma wurde schwindelig. Der Boden schien ihr unter den Füßen weggezogen. Sie hatten bereits den Buchladen verkauft, den ihre Familie seit Generationen führte, um die bisherigen Behandlungen bezahlen zu können. Der Verkauf hatte die Kosten gedeckt und es war auch noch ein wenig davon übrig, aber noch nicht einmal mehr fünfzigtausend, geschweige denn fünfhunderttausend Pfund.
»Deswegen wollte ich es gar nicht erst erwähnen. Es ist eine sehr teure und dennoch unsichere Behandlungsmethode und …«
»Wie viel länger könnte er damit leben?« Die Frage kam automatisch. Denken konnte sie im Moment gar nicht mehr. Sie starrte auf das Namensschild an Dr. Miles weißem Kittel, während ihr Verstand auf Hochtouren lief, um zu rechnen, jeden Penny umzudrehen, den sie irgendwo vermutete.
»Miss Sullivan, wie gesagt, es gibt positive Ergebnisse, aber keine absolute Garantie …«
»Wie lange?«
Dr. Miles seufzte. »Die Probanden, die positiv auf die Behandlung reagierten, befinden sich derzeit auf dem Weg der Besserung. Die ersten Tests wurden vor etwa drei Jahren durchgeführt und diese Patienten zeigen eine Stärkung ihres Körpers, was ihre Ärzte dazu veranlasst, ihnen eine beinahe normale Lebenserwartung zu versichern.«
»Beinahe normal?«
»Nun, wir reden hier nicht über eine Erkältung. Die Organe dieser Patienten, allen voran das Herz, haben gelitten. Aber ihre Lebenserwartung beträgt derzeit etwa siebzig bis fünfundsiebzig Jahre, bei einem derzeitigen Alter von durchschnittlich sechzig.«
Ihr Vater war neunundfünfzig. Emma nickte langsam, rechnete erneut alles durch. Sie hatte das Geld nicht. Nicht einmal annähernd.
»Gut«, flüsterte sie. »Ich werde das Geld irgendwie beschaffen.«
»Miss Sullivan …«
Sie sah zu ihm auf, kümmerte sich nicht darum, dass die Tränen längst über den Kloß in ihrem Hals hinausgewachsen waren und in ihren Augen standen. »Tun Sie, was Sie können, um meinem Vater zu helfen. Ich werde es auf den letzten Penny bezahlen, das schwöre ich!«
Dr. Miles sah so aus, als wollte er ihr noch einmal widersprechen. Stattdessen schüttelte er langsam den Kopf.
»Ich suche die Unterlagen zusammen und gebe sie Ihnen und Ihrem Vater noch einmal zum genauen Durchlesen. Vorher sollten Sie keine Entscheidung treffen.«
Emma biss die Zähne aufeinander. Sie hatte ihre Entscheidung bereits getroffen. Ihr Vater würde nicht sterben, durfte nicht sterben. Reichte es denn nicht, dass ihre Mutter bereits diesem verdammten Krebs zum Opfer gefallen war? Sollte sie jetzt wirklich noch ihren Vater daran verlieren müssen? Nein, das würde sie nicht zulassen. Sie ballte die Hände zu Fäusten, vergrub sie jedoch in den Taschen ihrer Strickjacke. Sollte Dr. Miles noch ein wenig daran glauben, dass er sie umstimmen könnte.
Der Arzt verabschiedete sich fürs Erste von ihr und Emma kehrte ins Krankenzimmer ihres Vaters zurück. John lächelte sie müde an, als sie sich neben seinem Bett auf einen Stuhl setzte und seine Hand ergriff.
»Na, welche Hiobsbotschaften hat der Arzt dir heute verkündet?«
»Keine Hiobsbotschaften«, log Emma. John schüttelte leicht den Kopf und hob seine freie Hand, um sie über Emmas Wange streichen zu lassen.
»Du bist eine schlechte Lügnerin, meine Kleine. Seit man mich hier eingeliefert hat, behandelt man mich wie ein kleines Kind. Nicht einmal über meinen Zustand will man mich informieren. Ich weiß, was das bedeutet.«
»Das bedeutet, dass es nichts gibt, worüber du dir Sorgen machen musst, Dad. Es wird alles wieder gut. Dr. Miles hat mir von einer neuen Behandlungsmethode erzählt.«
Emma bemühte sich, ihre Stimme fröhlich klingen zu lassen und schwärmte ihrem Vater von den Erfolgen der Behandlung vor. John lächelte nur und hörte ihr zu, während sie ihre Luftschlösser baute. Als sie Luft holte, tätschelte er ihre Hand.
»Ich wünschte mir, wenigstens du würdest mich nicht wie ein Kind behandeln, meine Kleine. Sag mir ehrlich, wie schlimm es um mich steht.«
Dr. Miles klopfte an den Türrahmen und hielt eine weiße Mappe mit blauen Mustern in den Händen.
»Die Unterlagen, von denen ich Ihnen erzählte, Miss Sullivan. Wie gesagt, Sie sollten sich diese beide gründlich durchlesen, ehe Sie irgendeine Entscheidung treffen. Wir können nächste Woche noch einmal darüber reden.«
Emma stand hastig auf und ging auf Dr. Miles zu, um ihm die Unterlagen aus der Hand zu nehmen. Mit einem breiten Lächeln kehrte sie zu ihrem Vater zurück.
»Siehst du, Dad? Ich sagte doch, es gibt eine neue Behandlungsmethode. Ich nehme mir die Unterlagen heute mit und lese sie zuhause und bringe sie dir gleich morgen wieder mit.« Sobald sie alles, was auf den Preis der Behandlung hinwies, aus den Unterlagen vernichtet hatte. Ihr Vater brauchte seine Kraft, um gegen den Krebs zu kämpfen, er sollte sie nicht darauf verschwenden, wie sie das Geld auftreiben würde, das ihm sein Leben zurückgeben würde. Wenn sie mehr sparte, in eine kleinere Wohnung ziehen würde … und sie musste sich ohnehin einen Job suchen, nachdem sie den Buchladen verkauft hatten. Wieso dann nicht gleich zwei oder auch drei. Sie wäre nicht die erste, die sich in diesen Zeiten die Nächte mit einem Zweit- oder Drittjob um die Ohren schlug. Irgendwie würde sie das Geld zusammenbekommen. Sie musste Dr. Miles nur davon überzeugen, dass sie die Behandlungskosten abstottern durfte.
In ihrem Kopf formte sich langsam ein Plan. Ein Bild ihrer Zukunft und sie war überzeugt davon, es zu schaffen. Gleich heute Abend, wenn sie nach Hause kam, würde sie im Internet und in der Zeitung die Stellenanzeigen durchgehen.
Nathan presste Daumen und Zeigefinger der rechten Hand auf seine Nasenwurzel und atmete tief durch. Matthew war von seiner Idee alles andere als begeistert gewesen. Nur widerwillig hatte er sich darauf eingelassen, die Bewerbungsgespräche für Nathan zu führen. Dabei hatte Nathan erwartet, dass Matthew ihn verstehen würde. Oder zumindest seine Beweggründe. Doch stattdessen hatte er ihm versucht klar zu machen, dass sein Plan, nicht nur einen Ersatz für Theodore zu suchen, sondern diesen mit seinem in letzter Zeit viel zu kurz gekommenen Sexleben zu verbinden, Matthews Meinung nach an Wahnsinn grenzte.
»Was glaubst du, werden die Frauen sagen, sobald ich ihnen eröffne, was genau diese Stelle beinhaltet?«, hatte er ihn gefragt und Nathan hatte selbst durch das Telefon gehört, dass sein alter Freund unruhig hin und her lief.
»Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden, Matt. Und ich denke, du schätzt Frauen vollkommen falsch ein. Zwei Millionen Pfund für ein Jahr. Unter dieser Bedingung werden die meisten zustimmen.«
Nathan war noch immer davon überzeugt. Matthews Zweifel hatte er beiseitegeschoben und das Telefonat zügig beendet. Nun saß er mit einem zweiten Glas Whisky vor seinem Computer und stellte die Stellenanzeige online.
Warten war noch nie seine Stärke gewesen und die letzten Jahre hatten es nicht besser gemacht. Nein, korrigierte er sich im Stillen. Eigentlich war es im Krankenhaus noch schlimmer geworden. Es hatte ihn wahnsinnig gemacht, jeden Tag nur geringe Fortschritte an sich wahrzunehmen. Die Hand ein wenig höher heben, ein paar Schritte mehr gehen, ehe er erschöpft in einem Rollstuhl zusammenbrach.
Ein drittes Glas Whisky brannte seine Kehle hinab. Doch die Erinnerungen konnte der Alkohol nicht auslöschen. Die Schmerzen hatte er zwar überwunden, doch noch immer verging kein Augenblick in seinem Leben, an dem er nicht daran erinnert wurde, was er verloren hatte. Er hörte den Regen, die laute Musik im Radio, hörte das Quietschen seiner Reifen, als er die Kurve zu schnell nahm.
Nathan stand hastig auf und durchquerte sein Büro. Er würde sich diesen Tag nicht noch weiter ruinieren lassen.
Emma schaltete das Licht nicht ein, als sie am Abend die Wohnung betrat. Ihre Handtasche mit den Unterlagen für die Behandlung ihres Vaters fiel wie ein Stein zu Boden. Sie wollte nur noch unter die Bettdecke kriechen und darauf warten, aus diesem Albtraum zu erwachen. Doch die Erinnerung an ihren Vater, angeschlossen an diesen Maschinen, die in einer Tour piepsten, machten ihr noch einmal allzu deutlich, dass es aus diesem Albtraum kein Erwachen geben würde. Und sie schuldete es ihrem Vater, sich vor dieser Wahrheit nicht zu verstecken. Es würde ihm nicht helfen, wenn sie sich die Decke über den Kopf zog und sich vor der Welt versteckte. Sie musste kämpfen.
So erlaubte sie sich nur für ein paar Minuten die Grausamkeit der Welt auszusperren, während sie versuchte, sich mit einer heißen Dusche zu entspannen. Emma vermisste die Badewanne, die im Bad ihres Elternhauses gestanden hatte. Um ihrem Vater die nötige Behandlung zu finanzieren, wäre sie jedoch sogar bereit, gänzlich auf ein eigenes Badezimmer zu verzichten.
Die Unterlagen waren das erste, was sie sich griff, als sie aus dem Bad kam. Im Schlafanzug setzte sie sich auf die Couch in ihrem Wohnzimmer und zog die Broschüre aus der Mappe. Sie las sich die beschriebene Behandlungsmethode durch, die Ergebnisse der letzten Studien, Berichte von behandelnden Ärzten. Irgendwann schwirrte ihr der Kopf von Zahlen, Prognosen und Fachtermini. Als sie die Broschüre zur Seite legte, starrten ihr aus der Mappe die für die Behandlung zu erwartenden Kosten entgegen. Emmas Finger zitterten, als sie nach dem Blatt griff und es aus der Mappe nahm. Fünfhunderttausend Pfund. Wie lange würde sie arbeiten müssen, um diese Summe bezahlen zu können?
Sie ballte das Papier zusammen und warf es wütend gegen die Wand, stopfte die Broschüre zurück in die Mappe und legte sie auf den Tisch. Mit fahrigen Bewegungen strich sie sich durch das lange, braune Haar. Sie schloss für einen Moment die Augen und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
Auf einmal fühlte sie sich entsetzlich erschöpft. Als sie die Augen öffnete, fiel ihr Blick auf den Laptop. Sie hatte nach Stellen sehen wollen, doch sie war zu müde, um auch nur den Arm danach auszustrecken.
»Morgen«, versprach sie sich und streckte sich auf der Couch aus. Sie war sogar zu erschöpft, um ins Bett zu gehen. Sie zog sich die Wolldecke bis zu den Schultern hoch und versuchte, die Bilder aus dem Krankenhaus nicht mit in ihre Träume zu nehmen.
»Habe ich schon erwähnt, dass ich das Ganze für den größten Schwachsinn halte, der dir je eingefallen ist?«
»Nur ungefähr ein Dutzend Mal«, erwiderte Nathan ruhig. Durch das Telefon hörte er Matts Schnauben. Sein Freund hatte mehr als deutlich gemacht, wie wenig er davon hielt, diese Vorstellungsgespräche abzuhalten.
»Vertrau mir, Matt, es wird sich alles fügen. Sag einfach, was wir besprochen haben und sorg dafür, dass ich einen guten Blick auf die Bewerberinnen habe.«
»Ich denke immer noch, du solltest einfach endlich …«
»Nein«, unterbrach Nathan seinen alten Freund. Er war froh, dass sie nur über das Telefon miteinander sprachen. Seine Stimme war noch immer ruhig, doch seine freie Hand ballte sich zur Faust.
Er wusste genau, was Matt sagen wollte. Er sollte sich den Operationen unterziehen, die seine Narben auf ein kaum mehr wahrzunehmendes Minimum reduzieren würden. Noch einmal unter das Messer legen, noch einmal sein Leben und seinen Körper in die Hände der Ärzte begeben. Noch einmal wochenlang ohne Kontrolle über sich selbst, an ein Bett gefesselt, ständig auf Hilfe angewiesen. Niemals!
Er hatte die Narben als Teil seines neuen Lebens akzeptiert. Als Teil seines Gefängnisses. Die Ketten, die ihn hier festhielten und ihn täglich daran erinnerten, was er verloren hatte. Sie waren das Mahnmal an einen begangenen Fehler, das sich in seine Haut gebrannt hatte. Nathan hasste Fehler. Seine eigenen noch viel mehr als die, die andere verursachten. Und er wusste eines: Er konnte sich keine Fehler mehr leisten.
Emma wischte sich nun zum dritten Mal die Handflächen an ihrem Rock ab. Aus den Augenwinkeln sah sie das abschätzige Lächeln, dass ihr die Frau neben ihr zuwarf, als sie Emma musterte. Sie presste die Lippen zusammen und reckte das Kinn ein wenig höher. Ihr Kostüm entsprach vielleicht nicht der neuesten Mode, die Absätze ihrer High Heels waren nicht ganz so hoch wie die ihrer Nachbarin, ihr Rock bei weitem nicht so kurz – aber auch ihre Beine nicht ganz so lang. Emma biss sich auf die Innenseite ihrer Wangen.
Es ist schon ein Riesenglück, dass du hier bist, erinnerte sie sich immer wieder. Vor drei Tagen hatte sie online die Jobangebote durchstöbert und die Anzeige für diese Stelle gesehen. Persönliche Assistentin der Geschäftsleitung. Nicht, was sie gelernt hatte und sie konnte nur hoffen, dass man sie nach einem Blick in ihren Lebenslauf nicht sofort wieder wegschicken würde, aber sie musste es versuchen. Ihre Bewerbung war innerhalb einer Stunde abgeschickt gewesen und noch am gleichen Nachmittag hatte sie den heutigen Termin erhalten.
Ihre Hände zitterten und sie unterdrückte den Drang, sie erneut an dem Stoff ihres Rockes abzuwischen.
Die Tür auf der anderen Seite des Ganges öffnete sich und ein Mann trat heraus.
»Miss Dalton«, sagte er, ohne von seinem Klemmbrett aufzublicken. Emmas Nachbarin erhob sich und warf sich die langen, glänzenden Haare über die Schulter. Emma fragte sich nicht zum ersten Mal, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, ihr Haar zu einem Knoten zu binden. Wirkte sie dadurch zu streng? Sollte die Assistentin einer Geschäftsleitung streng wirken? Oder sollte sie besser kilometerlange Beine haben, die sie in zu kurzen Röcken und zu hohen Absätzen zur Schau trug?
Mit einem Seufzen verdrängte sie ihre negativen Gedanken. Sie brauchte diesen Job. Sie brauchte das Geld. Erneut wischte sie sich die Hände an ihrem schwarzen Rock ab.
Die Tür öffnete sich plötzlich und ihre ehemalige Sitznachbarin ging mit aufeinandergepressten Lippen und hochroten Wangen an ihr vorbei. Emma sah ihr überrascht nach. Der Mann erschien erneut in der Tür, sah wieder nur auf das Klemmbrett, während er Emmas Namen aufrief. Sie zwang sich ruhig zu bleiben und stand von ihrem Stuhl auf. Während sie dem Mann folgte, bemühte sie sich, ihren Herzschlag zu beruhigen.
Matthews gelangweilte Stimme drang über den Lautsprecher seines Laptops zu Nathan durch, als er die nächste Bewerberin hereinbat. Ihre Vorgängerin hatte es nicht einmal geschafft, auf dem Stuhl Platz zu nehmen, ehe Nathan Matthew mitgeteilt hatte, sie wegzuschicken. Er hatte sie nur ansehen müssen, um zu wissen, dass sie genau die Art von Frau war, die er nicht in seiner Nähe haben wollte. Sie würde alles daran setzen, seine Identität herauszufinden – und nicht zögern, sie meistbietend zu verkaufen, inklusive detaillierter Geschichten über seine sexuellen Vorlieben. Er hatte bereits zu viele ihresgleichen gesehen und sie war bei weitem nicht die erste, die er nach Hause schickte.
Doch Nathan gab noch nicht auf. Für diesen Tag hatte Matthew noch fünf Bewerbungsgespräche ausgemacht und weitere für die nächsten beiden Tage.
Nun warf er einen flüchtigen Blick auf die Bewerbungsunterlagen dieser Emma Sullivan. Matthew hatte darauf bestanden, ihm jede einzelne Bewerbung weiterzuleiten, obwohl Nathan ihn jede hatte einladen lassen, die auch nur ansatzweise etwas von der Bedienung eines Computers verstand.
Emma Sullivan war fünfundzwanzig Jahre alt und hatte bis vor kurzem den familieneigenen Buchladen mitgeführt. Zwar nicht die Büroarbeit, die man von einer Assistentin der Geschäftsführung eines internationalen Unternehmens erwarten würde, aber es würde ausreichen.
Als Nathan den Blick von den ausgedruckten Unterlagen zurück auf den Bildschirm hob, war er zum ersten Mal an diesem Tag wirklich interessiert an dem, was er sah. Miss Sullivan war das genaue Gegenteil ihrer Vorgängerinnen. Keine Kopfbewegung, die ihr Haar kunstvoll über die Schulter werfen sollte, kein verheißungsvolles Grinsen, kein wohlgeübter Augenaufschlag. Ihr Kostüm war nicht geschnitten, um jede Kurve zu betonen. Sie hatte nicht vor, irgendetwas anderes aus diesem Gespräch herauszuholen, als einen Job. Sie war perfekt.
»Bitte, setzen Sie sich, Miss Sullivan.«
Emma tat, wie ihr geheißen und nahm auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz. Erst, als er auf seinem eigenen Stuhl Platz genommen hatte, sah ihr Gegenüber sie an. Für einen kurzen Moment runzelte er die Stirn, ehe er sich räusperte und einen erneuten Blick auf die Unterlagen auf seinem Klemmbrett warf.
»Miss Sullivan, in Ihren Unterlagen steht, dass Sie einen Buchladen geführt haben?«
»Ich weiß, dass es nicht dasselbe ist, aber ich bin überzeugt, dass ich für den Job geeignet bin. Ich lerne Neues wirklich ausgesprochen schnell. Ich weiß, das wird jeder von sich behaupten aber …«
»Miss Sullivan, wieso suchen Sie sich nicht einen Job in Ihrem erlernten Beruf? Ich bin mir nicht sicher, dass Sie den Anforderungen …« Etwas piepste auf seinem Laptop und er warf einen kurzen Blick auf den Bildschirm. Er presste die Lippen zusammen und räusperte sich, ehe er fortfuhr. »Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob Sie den Anforderungen für diesen Job gewachsen sind.«
»Wie gesagt, ich begreife wirklich schnell und …«
»Ich denke dennoch, Sie sollten es sich noch einmal überlegen und …« Ein erneutes Piepsen unterbrach ihn. Sein Blick verfinsterte sich, als er auf den Bildschirm sah.
»Hören Sie, ich wäre nicht hier, wenn ich mir nicht sicher wäre, diesem Job gewachsen zu sein. Ich bin es gewohnt hart zu arbeiten, auch bis spät in den Abend, ich erfülle meine Aufgaben selbstständig und …«
»Miss Sullivan …«
»Bitte.« Emma biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte nicht betteln. Sie schluckte den Kloß, der sich in ihrer Kehle formte, herunter und straffte die Schultern. »Ich bin die beste, die Sie für diesen Job finden können, das kann ich Ihnen versichern.«
Was zum Teufel machte Matthew da eigentlich? Nathan sah finster auf den Monitor und tippte zum dritten Mal die Worte »Stell Sie ein!« auf der Tastatur. Doch statt dies zu tun, stellte Matt sich so an, als wolle er sie sofort wieder nach Hause schicken.
Dabei hatte er sich längst entschieden. Nathan wollte sie. Ihm war nicht entgangen, wie sie ihr Kinn kaum merklich gereckt hatte, als Matthew ihre Qualifikation in Frage gestellt hatte. Sie war stolz auf ihre Leistungen, ohne dabei die Arroganz ihrer Mitbewerberinnen an den Tag zu legen. Sie war unsicher und kämpfte dagegen an. Sie trug ihre Emotionen so offenkundig zur Schau, dass Nathan sich fragte, ob sie jemals gelogen hatte. Sie war perfekt. Nun musste sie nur noch zustimmen, den Job anzunehmen. Matthew sollte ihn ihr schmackhaft machen, nicht versuchen, sie schon im Vorfeld zu vergraulen.
Stell sie ein! Ich will sie!, tippte Nathan erneut ein und hörte, wie seine Nachricht mit einem Piepen bei Matthew ankam. Er hörte auch das Seufzen seines Freundes, als dieser die Nachricht las. Dann schwankte das Bild vor ihm, Emma Sullivans Gesicht verschwand, stattdessen sah er die Zimmerdecke und schließlich – nichts. Matthew hatte den Laptop geschlossen.
Nathan ballte die Hand zur Faust und bemühte sich, sie nicht auf den Tisch zu schlagen. Stattdessen griff er zum Hörer seines Telefons und drückte die Kurzwahltaste, hinter der sich Matthews Nummer verbarg. Besetzt.
»Matthew, du Mistkerl, versau mir das ja nicht!«, fluchte er und knallte den Hörer zurück aufs Telefon.
Emma sah ihr Gegenüber verwirrt an, als dieser nicht nur seinen Laptop beim nächsten Piepen schloss, sondern auch den Hörer des Telefons auf den Tisch legte.
»Miss Sullivan, Sie müssen mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass dieser Job nichts für Sie ist.« Er hob die Hand, als sie dazu ansetzte, ihm zu widersprechen. »Ich sage das nicht, weil Ihre Anforderungen für die Stelle ungeeignet wären, sondern weil Sie keine Ahnung haben, worum genau es bei dieser Stelle geht. Und wenn ich ehrlich bin, wäre es mir lieber, wenn es dabei bleibt. Vertrauen Sie mir einfach, Miss Sullivan: Sie wollen diesen Job nicht. Sie sind gut ausgebildet, Sie sagen selbst, dass Sie fleißig sind und eine schnelle Auffassungsgabe haben. Sie finden etwas Besseres, vertrauen Sie mir.«
Emmas Nackenhaare stellten sich auf. Sie verschränkte die Hände im Schoß, schüttelte jedoch den Kopf.
»Wenn Sie mir den Job nicht geben wollen, sagen Sie es, aber Sie werden es nicht schaffen, dass ich meine Bewerbung von mir aus zurückziehe«, erklärte sie mit fester Stimme. Ihr Gegenüber fuhr sich mit der Hand durch sein Haar und seufzte.
»Miss Sullivan, ich will nur Ihr Bestes, glauben Sie mir bitte. Dieser Job ist nichts für Sie. Sie wissen ja nicht, worum es hier geht.«
»Solange es nichts Illegales ist, gibt es nichts, was Sie mir sagen können, das meine Meinung ändern wird.« Sie presste die Hände so fest aneinander, dass ihre Knöchel weiß wurden. Das hier war ihre einzige Chance, die Behandlungskosten für ihren Vater auch nur ansatzweise zu verdienen. Sie konnte es sich nicht leisten, einen Rückzieher zu machen.
»Mr. …« Sie versuchte, sich an den Namen zu erinnern, an die sie die Bewerbung gerichtet hatte, doch sein Versuch, sie abzuwimmeln, hatte sie vollständig aus dem Konzept gebracht.
»Emerson. Matthew Emerson«, gab er mit einem Seufzen seinen Namen preis.
»Mr. Emerson, wieso sagen Sie mir nicht einfach, was Sie zu sagen haben und lassen mich dann selbst entscheiden? Ich bin kein Kind mehr und definitiv alt genug, als dass jemand meine Entscheidungen für mich fällen muss.« Sie war überrascht, dass ihre Stimme noch immer so ruhig klang, während sie innerlich zitterte wie Espenlaub. Sie brauchte diese Stelle und musste den Mann, der ihr gegenübersaß, davon überzeugen, dass sie genau die Richtige dafür war, worum auch immer es ging.
Er musterte sie einen Moment lang schweigend, ließ seinen Blick über sie gleiten. Schließlich schüttelte er den Kopf und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
»Sie wissen ja, wo es hinausgeht …«, murmelte er, während er einen Schluck Wasser aus einem Glas trank, das neben dem nun geschlossenen Laptop stand.
»Die Stelle habe ich für einen Mandanten ausgeschrieben, der anonym bleiben möchte. Zum einen geht es tatsächlich um die ausgeschriebene Tätigkeit als Assistentin, wenn auch weit eingeschränkter, als dies üblicherweise der Fall ist. Mein Mandant nimmt keine persönlichen Treffen wahr, keine Geschäftsreisen. Er arbeitet ausschließlich von zu Hause aus. Es fällt also tatsächlich nur die Arbeit am PC und am Telefon an.«
Er hielt inne und warf Emma einen geradezu flehenden Blick zu. Doch sie wollte mehr hören. Sie wollte wissen, wovon er glaubte, dass sie nicht bereit war, es zu tun.
Er richtete seine Krawatte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Mein Mandant verlangt außerdem, dass Sie ihm jederzeit zur Verfügung stehen«, er zögerte kurz, ehe er hinzufügte: »zu seiner sexuellen Verfügung.« Er sah Emma eindringlich an, wartete scheinbar auf ihre Reaktion.
Emma brauchte einen Augenblick, bis sie seine Worte wirklich verstand. Blut schoss ihr in die Wangen. Ein Teil von ihr wollte augenblicklich aufstehen und gehen. Doch sie blieb, wo sie war. Ihr Vater würde sterben, wenn er seine Behandlung nicht bekam. Wie konnte sie da über so etwas Lächerliches wie Sex seine Chance zum Überleben aufs Spiel setzen?
»Miss Sullivan?«
»Ich bin noch hier«, flüsterte sie und versuchte, ihre Unsicherheit nicht in ihrem Gesicht zu zeigen.
Mr. Emerson schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er sie fragend an.
»Wieso? Wieso wollen Sie so einen Job annehmen? Ich meine, Sie haben mir wirklich zugehört, ja? Sie müssen jederzeit dazu bereit sein, Sex mit einem Ihnen vollkommen fremden Mann zu haben. Wann, wo und wie er es von Ihnen verlangt.«
Emma nickte wie in Trance. Ja, sie hatte ihn verstanden, aber es änderte nichts. Sie brauchte trotzdem das Geld, brauchte den Job. Bei seinen letzten Worten jedoch zog sich ihr Magen angstvoll zusammen.
»Ist er … ein Sadist oder so etwas?«
»Nein … nein … nur«, Mr. Emerson seufzte. Emma hatte aufgehört zu zählen, wie oft er das während ihrer Unterhaltung bereits getan hatte. »Er verlangt absoluten Gehorsam, wenn Sie verstehen, was ich meine?«
Emma nickte. Ihr Kopf musste glühen, so heiß war ihr. Sie glaubte zumindest zu verstehen, was er meinte.
»Sie wollen die Stelle immer noch? Wieso?«
Emma ließ den Blick auf ihre Hände sinken. Sie zitterte. Sie hatte es nicht gemerkt, doch sie sah es an ihren Fingern.
»Mein Vater liegt im Sterben«, erklärte sie mit leiser Stimme. »Es gibt eine Behandlung, die ihm helfen kann, doch die ist sehr kostspielig. Arbeitslos kann ich sie mir auf keinen Fall leisten und selbst mit einem Gehalt als Buchhändlerin …« Sie schüttelte den Kopf.