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Jahrelang saß er im Gefängnis von Yuma - jetzt ist er auf einem blutigen Rache-Trail... Knochenharter Western von Top-Autor Pete Hackett, dessen Western ungezählte Leser schon begeisterten und der als "William Scott" die Serie "Der Texas-Marshal" prägte.
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Seitenzahl: 162
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Blut an Sallys Händen
von Pete Hackett
Ein CassiopeiaPress E-Book
© 2012 Peter Haberl
© 2012 der Digitalausgabe AlfredBekker/CassiopeiaPress
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH
ISBN 9783956173165
Cover
Titel
Impressum
Blut an Sallys Händen
Jackson Baker war voll Hass. Nach zwei Jahren öffnete sich ihm das Tor in die Freiheit. Zwei Jahre Yuma - zwei Jahre Hölle lagen hinter ihm. Ein Mann war in Yuma regelrecht lebendig begraben. Die glühende Hitze, die Arbeit in den Steinbrüchen und die Peitschen der Aufseher ließen fast jeden zerbrechen. Wer nicht hart genug war, verschwand in einem namenlosen Grab.
Jackson Baker hatte der Hass am Leben erhalten.
Mit Jack Baker wurde Matt Brady entlassen. Brady war ein dunkelgesichtiger, indianerhafter Bandit, der vor drei Jahren nach Yuma gekommen war und seine Strafe bis auf den letzten Tag abgesessen hatte. Die beiden Männer beschlossen, zusammenzubleiben. Zwei Freunde Bradys erwarteten sie vor dem Zuchthaus. Ihre Namen waren Jim Thompson und James Swanton. Sie hatten Pferde und Waffen für die beiden ehemaligen Sträflinge mitgebracht.
„Reiten wir nach Stoval zu meiner Farm!“ sagte Jack Baker. Tiefe Linien und Furchen zerschnitten sein hohlwangiges Gesicht. Sein kurzes Haar war grau, der Blick seiner Augen stechend. „Sally wartet darauf, dass ich nach Hause komme. Wir werden uns ein paar Tage erholen.“
„Vorwärts!“ rief Brady und ruckte im Sattel.
Der Pulk setzte sich in Bewegung. Rötlicher Staub wogte. Hass und Tod zogen nach Osten, wo am Rande des San Cristobal Valleys die Farm Jackson Bakers lag.
*
Zwei Tage später.
Sally Baker entging es nicht, dass sich vier Reiter der Farm näherten. Sie kam gerade aus dem Stall, wo sie die beiden Ziegen gefüttert hatte. Ein halbes Dutzend Hühner badeten im heißen Staub. In der Fence neben dem Stall weidete eine Milchkuh.
Es war später Nachmittag. Die Sonne stand schon weit im Westen. Schnell wanderten die Schatten der Gebäude über den Hof. Sally musste in das grelle Sonnenlicht blicken, denn die Reiter näherten sich von Südwesten. Sie beschattete ihre Augen mit der flachen Hand. Groß, schwarz und drohend erschienen ihr Pferde und Reiter im flirrenden Glast. Die Hufe rissen Staubfahnen in die flimmernde Luft.
Sally hatte zwei Jahre lang diese Farm bewirtschaftet. Sie war zweiundzwanzig und ein hübsches Mädchen; mittelgroß, schlank, dunkelhaarig, mit braunen Rehaugen. Um ihren schönen Mund lag allerdings ein herber Ausdruck, ihr Blick war der einer reifen Frau, der das Leben nichts geschenkt hatte, ihre Art, zu handeln, wurde von den Erfahrungen eines ständigen Daseinskampfes dirigiert. Auch heute handelte sie danach, wo sich vier Reiter der Farm näherten und sie noch nicht erkennen konnte, um wen es sich handelte. Sie lief in das flache Farmhaus aus Baumstämmen und Brettern und holte ihr Gewehr.
Unter der Tür, die schussbereite Waffe an der Hüfte im Anschlag, erwartete sie den Pulk. Einer der Reiter winkte. Noch erkannte sie ihn nicht. Dann wehte seine Stimme heran: „Sally, Mädchen, ich bin zurück. Dein Dad ist wieder da!“
In Sallys Augen blitzte es auf. Sie ließ das Gewehr sinken und sicherte es. Sie konnte mit dieser Waffe umgehen wie kaum ein Mann. In den zwei Jahren, in denen sie alleine auf der Farm gewesen war, musste sie lernen, sich durchzusetzen.
Die Reiter trabten in den Farmhof. Gackernd, mit vorgestreckten Hälsen und schlagenden Flügeln, flohen die Hühner. Die Kuh in der Fence glotzte dem kleinen Rudel entgegen. Sally sah ihren Vater. Sie wusste, dass er entlassen worden war, aber sie hatte nicht erwartet, dass er Begleitung mitbrachte.
Sie hatte ihn anders in Erinnerung. Alles an ihm wirkte irgendwie grau. Er war hagerer, sehniger geworden. Tiefe Linien zerfurchten sein Gesicht. Grauer, ungepflegter Bart wucherte in seinem Gesicht. Als er breit grinste sah sie, dass ihm die beiden vorderen Schneidezähne fehlten.
Die drei Kerle, die ihn begleiteten und die sie neugierig und unverhohlen und mit einer gewissen Gier anstarrten, waren jung. Noch keiner von ihnen hatte das 30. Lebensjahr erreicht. Sie sahen verwegen und draufgängerisch aus. Jetzt, als sie Sallys abschätzenden, forschenden Blick auf sich ruhen sahen, tippten sie mit lässigen Gesten an die Krempen ihrer Hüte, grinsten blitzend, und Matt Brady sagte: „Hallo, Sally, dein Vater hat mir viel von dir erzählt. Er kam regelrecht ins Schwärmen, wenn er von dir sprach. Und jetzt muss ich feststellen, dass er nicht übertrieb, als er dich als das schönste Mädchen weit und breit bezeichnete.“
Diese drei Kerle gefielen Sally nicht sonderlich. Das waren Typen, die keine Ruhe kannten, denen es nie gelang, an einem Platz Fuß zu fassen, die immer wissen wollten, was sich ihnen hinter dem nächsten Hügel bot. Sie gab zur Antwort: „Dann waren Sie also zusammen mit Dad in Yuma, Mister. Wie sonst sollte er mit Ihnen über mich sprechen?“
„So ist es. Aber sei nicht so förmlich, Kleine. Nenn mich Matt. Das hier sind meine Freunde Jim und James.“
Jackson Baker saß ab. Er führte sein Pferd zum Brunnen. Sally ging auf ihn zu. Als sie aufeinander trafen, legte Baker den Arm um die schmalen Schultern des Mädchens. „Wie ist es dir ergangen während ich fort war, Sally? Haben dich die Schufte von der Circle-R in Ruhe gelassen?“
Das Gesicht des ehemaligen Sträflings verzerrte sich vor Hass.
„Hin und wieder tauchte einer der Cowboys auf und schlich ums Haus herum wie der Fuchs um den Hühnerstall. Sie wollen es einfach nicht begreifen, diese Narren, dass ich für sie kein Freiwild bin. Aber ich habe den Kerlen mit meinem Gewehr schon die Waden eingerenkt. Ihre Besuche wurden seltener.“
Sally lächelte.
Baker sagte: „Wenn du lächelst siehst du aus wie deine Mutter. Sie war schön, Sally. Du bist ihr Ebenbild.“
Die drei jüngeren Männer folgten ihnen zum Brunnen.
„Was hast du vor, Dad?“ fragte Sally mit einem viel sagenden Blick auf die drei Burschen, als sie die abgetriebenen Pferde tränkten.
Eine steile Falte bildete sich über Bakers Nasenwurzel. In seine Augen trat ein frostiges Glitzern, seine Stimme klang aggressiv und gehässig, als er hervorstieß: „Wegen drei Longhorns hat mich Owen Richards angezeigt, und Richter Gaines schickte mich für zwei Jahre nach Yuma. Zwei Jahre, Sally. Ich wurde gedemütigt, man hat versucht, mich zu zerbrechen, mit ihren Peitschen haben sie alles darangesetzt, Stolz und Ehre in mir zu zerschlagen. Das schreit nach Rache. Ich habe geschworen, Richards und Gaines umzubringen dafür. Und diesen Schwur halte ich. Wenn die beiden der Teufel geholt hat besorgen wir uns Geld und gehen nach Mexiko. Im Greaserland werden wir dann in Ruhe leben, Sally.“
Wie besessen war es aus Bakers Mund gequollen. Seine Augen leuchteten. Die triebhafte Mordgier in seinen glitzernden Augen traf Sally wie ein eisiger Guss. Sie prallte zurück.
„Dad!“ entrang es sich ihr entsetzt. „Als du Richards die Rinder stahlst und er dich auf frischer Tat ertappte, hätte er dich nach dem Gesetz der freien Weide aufhängen können. Willst du ihn dafür büßen lassen, dass er dich am Leben ließ? Und der Richter - er konnte nicht anders. Wir haben Gesetze, die es zu befolgen gilt, Dad, und die Strafen vorsehen für jedwedes Vergehen oder Verbrechen. Das hat Richter Gaines nicht erfunden. Aber es ist sein Job, dem Recht Geltung zu verschaffen.“
„Ich hasse Richards und Gaines“, knirschte Baker, und in seinen Zügen wütete die tödliche Leidenschaft. „Du bist meine Tochter, Sally, und du wirst tun, was ich dir befehle. Wir geben diese Farm auf. Es bringt nichts, sich den Rücken krumm zu schuften und am Ende mit der Gewissheit in die Grube zu sausen, sein Leben vergeudet zu haben. Hast du was zum Trinken im Haus? Ich meine etwas Richtiges zum Trinken, Sally. Whisky oder so was.“
„Ja“, murmelte sie niedergeschlagen und geistesabwesend. „Brandy. Ich habe ihn in Stoval gekauft, weil ich ahnte, dass du danach verlangen würdest, wenn du aus Yuma heimkehrst. Du findest ihn im Küchenschrank.“
„Bist ein prima Mädchen. Du und die drei Jungs, die ich mitgebracht habe, ihr werdet sicher Freunde werden. Es sind drei prächtige Burschen, Sally, Burschen, die dem Teufel ins Maul spucken. Du wirst es sehen. Zwei, drei Monate, dann haben wir genug Geld, und wir setzen uns nach Mexiko ab. Da drüben werden dir die Senores zu Füßen liegen. Glaub es mir.“
„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Dad“, murmelte Sally und fuhr sich über die Augen. Was ihr Vater soeben von sich gegeben hatte, überstieg ihr Begriffsvermögen. Ihre Gedanken drifteten auseinander. Da war die Vergangenheit, in der sich ihr Vater gelegentlich als Viehdieb betätigte, weswegen er verurteilt und eingesperrt worden war. Da war die Gegenwart. Ihr Vater war heimgekehrt, sie hatte sich auf diesen Tag gefreut, denn ein Teil der Verantwortung und der knochenbrechenden Arbeit würde dann von ihr genommen. So dachte sie. Ihre Hoffnung, dass die beiden Jahre im Zuchthaus ihren Vater geläutert und auf den richtigen Weg geführt hatten, fielen zusammen wie ein Kartenhaus. Übrig blieb nur die Aussicht auf eine trübe Zukunft.
Denn eines hatte Sally mit untrüglichem Instinkt gespürt: Worten war ihr Vater nicht zugänglich. Er würde seine verbrecherischen Vorsätze in die Tat umsetzen, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Der Hass zeigte bei ihm sein wahres Gesicht. Zwei Jahre Yuma hatten ihn nicht gezähmt - sie hatten seinen vernichtenden, unversöhnlichen Hass geschürt, und jeder Peitschenschlag, jede Demütigung, hatte ihm neue Nahrung gegeben.
Baker winkte den drei Kerlen. Sie staksten hinüber zum Wohnhaus. „Feiern wir meine Heimkehr, Jungs“, hörte Sally ihren Vater sagen. Er rief: „Schlag uns ein paar Eier in die Pfanne, mein Mädchen. Und dann setz ein freundlicheres Gesicht auf. Du willst deinem alten Vater und seinen drei Freunden doch nicht mit deinem sauertöpfischen Gesichtsausdruck die Freude verderben.“
Die vier Kerle lachten.
„Er ist noch schlimmer geworden“, flüsterte das Mädchen und erschauerte. „Sein Hass hat ihn um den Verstand gebracht.“
*
Palo Verde! 120 Meilen nordöstlich von Yuma, 14 Stunden, nachdem Jackson Baker und seine Kumpane die Farm am Rand des San Cristobal Valley erreicht hatten. Es war kurz nach acht Uhr morgens. Auf den Gräsern außerhalb des kleinen Ortes vier Meilen nördlich des Gila River lag noch der Tau. Die Gipfel der Berge in rauchiger Ferne lagen im bläulichen Dunst, die Sonne stand über den Zinnen und Graten der Sierra Estrella im Osten.
Zwei Reiter passierten die ersten Häuser von Palo Verde. Es waren bärtige Kerle mit verwegenen Gesichtszügen, hager wie Wüstenwölfe, narbig, abgerissen und wenig vertrauenerweckend. Das einzige gepflegte an ihnen waren die Colts, die in offenen Holstern steckten, und die Gewehre, deren polierte Kolben aus den Scabbards ragten.
Die beiden Männer kamen von Norden. Sie sahen sich um. Palo Verde war eine kleine, saubere Town. Es gab eine Kirche, einen Saloon, ein Hotel, den General Store, den Barber Shop und natürlich Wohnhäuser mit falschen Fassaden. Und es gab das Depot der Wells & Fargo Company, das in einem Gebäude mit der Telegraphenstation untergebracht war. Die Postkutschen, die von Phönix herüber kamen, wechselten hier zum ersten Mal die Pferde.
Die beiden Fremden wechselten einen bedeutungsvollen Blick, einer von ihnen nickte, dann lenkten sie ihre Pferde zum Saloon hinüber. Am Tränketrog vor dem Inn tränkten sie die Tiere, sie füllten ihre Wasserflaschen und knüpften sie wieder an die Sättel. Ein streunender Hund strich um sie herum, beschnupperte sie, dann trollte er wieder davon. Neugierige Blicke beobachteten die beiden Fremden.
Sie betraten den Saloon. Die Türpendel knarrten. Die Luft im Schankraum war stickig. Es roch penetrant nach verschüttetem Bier und kaltem Tabakrauch. Außer einem glatzköpfigen Oldtimer, der den Fußboden kehrte, war niemand anwesend. Die beiden näherten sich auf sattelsteifen Beinen dem Tresen. Staub rieselte von ihren Hutkrempen und ihren Schultern. Der Glatzköpfige runzelte missmutig die Stirn. Sein Organ grollte: „Eigentlich hat der Saloon um diese Zeit noch geschlossen, Gents.“
Sie bauten sich am Tresen auf. Der größere der beiden zeigte die Zähne und rief rau: „Wir haben Durst, Hombre. Das ist ein Saloon. Die Tür war offen. Willst du uns etwa wieder hinauswerfen?“
Seine Frage klang drohend. Der Oldtimer zog den Kopf zwischen die Schultern und lehnte den Besen zur Seite. „Möchten Sie Kaffee, Bier oder Limonade?“ fragte er. Er spürte, dass er diese beiden Kerle besser nicht herausforderte oder in anderer Art und Weise reizte.
„Mach uns Kaffee. Vorher aber eine Frage, Oldman. Wo kann man in diesem Nest Geld deponieren? Wir sahen keine Bank.“
Der Glatzköpfige hatte sich hinter den Tresen begeben. Unter der Tür, die in die Küche führte, verhielt er. Misstrauisch musterte er die beiden. Sie sahen nicht aus, als verfügten sie über große Reichtümer. Aus seiner Sicht waren es Sattelstrolche, Kerle, denen man besser aus dem Weg ging. „Habt ihr denn soviel Geld?“ fragte er.
Der Kleinere der beiden Fremden grinste fast freundlich. „Wir sind Geschäftsleute, Oldman, und auf dem Weg nach Mexiko. Zu beiden Seite der Grenze wimmelt es nur so von Banditen. Da es uns zu gefährlich erscheint, unser Geld mit uns herumzuschleppen, würden wir es gerne an einem sicheren Ort hinterlegen. Und was ist sicherer als eine Bank?“
Er lachte meckernd nach diesen Worten.
Der Oldtimer musterte die beiden Kerle noch kurze Zeit schweigend und abschätzend, dann murmelte er: „Wir bringen unser Geld hinüber zu Wells Fargo. Da gibt es einen Safe. Und einmal oder zweimal im Monat wird es nach Phönix zur Bank geschafft.“
„Und wenn ihr Geld braucht? Ihr könnt doch nicht jedes Mal bis Phönix reiten, um Geld abzuheben.“
Wieder durchflutete eine Woge des Misstrauens den Salooner. Wieder zögerte er mit der Antwort. Aber die beiden Fremden verströmten etwas, das ihn warnte und ihn mahnte, ihre Fragen zu beantworten. Er sagte: „Im Wells Fargo-Office befindet sich immer ein gewisser Barbestand. Wenn wir Geld brauchen, lassen wir es uns auszahlen und ermächtigen Wells Fargo, den Betrag mit unserem Guthaben bei der Bank of Arizona in Phönix zu verrechnen.“
„Eine gute Einführung“, lobte der Kleinere der beiden am Tresen, spitzte die Lippen und fügte hinzu: „Sie denken also, unser Geld ist bei Wells & Fargo gut aufgehoben?“
„Es hat noch nie ein Problem gegeben“, versetzte der Salooner und verschwand in der Küche.
Die beiden grinsten sich viel sagend an. Draußen rumpelte ein Pferdefuhrwerk vorbei. Durch das Frontfenster konnte sie ihre Pferde am Holm stehen sehen. Die Tiere ließen die Köpfe hängen und peitschten mit den Schweifen nach den blutsaugenden Bremsen an ihren Flanken. Schräg gegenüber war die Postkutschenstation zu sehen. Ein junger, hochgewachsener Mann mit hellen Haaren und gebräuntem Gesicht stand in der Tür, hielt die Arme vor der Brust verschränkt, und beobachtete, wie die Town zum Leben erwachte.
Dann kam der Kaffee. Der Salooner stellte große Porzellantassen vor die beiden hin und goss ihnen ein. Die dunkle Flüssigkeit dampfte. Die beiden Männer tranken. Dann zahlten sie, gingen hinaus, führten ihre Pferde über die Fahrbahn und stellten sie beim Wells & Fargo-Gebäude ab. Der Salooner stand hinter der Pendeltür und beobachtete alles über die Ränder der grüngestrichenen Batwings. Sie wechselten mit dem Officer ein paar Worte, dann verschwanden sie alle in dem Bau.
Der Salooner kratzte sich am Kopf. Das gefiel ihm irgendwie nicht. Eine innere Stimme, die er nicht zum Schweigen zu bringen vermochte, hämmerte ihm ins Bewusstsein, dass die beiden Fremden nichts Gutes planten.
„Also, Gentleman“, sagte in diesem Moment drüben im Wells Fargo-Office Milton Lockhardt, der blondhaarige Mann mit dem gebräunten Gesicht, „wie viel möchten Sie einzahlen und auf welchen Namen soll ich das Konto einrichten.“
Er zog ein Formular aus einer Schublade. Als er sich den beiden zuwandte, blickte er in die Mündungen ihrer Colts. Sie fixierten ihn kalt und drohend, und der große, dunkelhaarige Bursche zischte: „Wir haben es uns anders überlegt, Amigo. Ganz so sicher scheint es uns doch nicht zu sein, dir unser Geld zu überlassen, vorausgesetzt, wir hätten welches. Spiel jetzt nicht den Helden, mein Freund. Sei vernünftig und sperr den Safe auf.“
Milton Lockhardt war einen Moment lang ziemlich perplex, Unverständnis und Verwirrung prägten seine Mimik und lagen in seinen Augen, aber dann setzte sich das Begreifen schlagartig durch, er duckte sich und knirschte: „Es rentiert sich kaum, Leute. Im Safe befinden sich nicht einmal tausend Dollar. Ein Betrag, der es nicht wert ist, dafür lange Jahre ins Zuchthaus zu gehen.“
„Für zwei, die blank sind wie wir, sind tausend Bucks ein Haufen Geld, Amigo“, höhnte der kleinere der beiden Banditen. „Also, stell dich nicht an, und versuch nicht, uns über Sinn und Unsinn dieses Überfalls aufzuklären. Wir können nämlich auch höllisch ungemütlich werden. Und für tausend Dollar sind wir sogar fähig, dir ein Stück Blei in die Figur zu jagen.“
Er sprach es in einer Art, die keinen Zweifel am Ernst seiner Drohung aufkommen ließ. Er winkte mit dem Sechsschüsser. Sein Daumen lag auf dem Hahn.
Milton Lockhardt hatte keine Chance. Er war unbewaffnet und kein Selbstmörder. Selbstmord hätte es aber bedeutet, den beiden Banditen die Stirn zu bieten, selbst wenn er eine Waffe gehabt hätte. Denn sie brauchten nur abzudrücken. Dazu benötigten sie die Spanne eines Augenzwinkerns.
„Ihr werdet nicht weit kommen“, versprach er.
Die beiden grinsten. Ihre Zähne blitzten.
Milton schloss den Safe auf. Die Schufte bekamen große Augen. Der Große zischte: „Das sind mehr als tausend Bucks! Verdammt, du kleiner Bastard hast uns angelogen!“
Er schlug mit dem Colt zu. Vor Miltons Augen schien der Raum zu explodieren. Schwärze schlug über ihm zusammen, den Aufschlag am Boden merkte er schon nicht mehr.
*
Als die beiden Banditen mit einem prallgefüllten Leinenbeutel voll Geld aus dem Wells & Fargo-Gebäude stürmten, stand auf dem Vorbau des Saloons der glatzköpfige Oldtimer mit einem Gewehr.
Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Er sah den Beutel mit der Aufschrift ‚Wells & Fargo Co.‘, ihm entging nicht die Unrast der beiden, ihre unsteten Blicke, mit denen sie die Umgebung abtasteten, er legte an und schrie: „Ich dachte es mir doch! Stehen bleiben, ihr Schufte, hands up! Ich …“
Weiter kam er nicht. Sie rissen die Colts heraus und schossen ohne zu zögern. Ihre Geschosse nagelten den Oldtimer regelrecht gegen die Saloonwand, und als er langsam an ihr niederrutschte, war er schon tot.
Die beiden Mörder sprangen in die Sättel, rissen die Pferde herum und droschen ihnen die Sporen in die Weichen. Als man in der Stadt begriff, was sich zugetragen hatte, waren sie schon am südlichen Ortsrand. Über eine Bodenwelle verschwanden sie.
Das Peitschen der Schüsse hatte Milton Lockhardt aus der Besinnungslosigkeit gerissen. Er schaute sich mit dem Ausdruck der Verständnislosigkeit und des Nichtbegreifens um. Er lag am Boden. Die Tür des Safe stand offen. Die Erinnerung setzte ein, und es riss Milton in die Höhe. Stöhnend griff er sich an den Kopf. Wo ihn der Outlaw mit dem Colt getroffen hatte, fühlte er eine Beule und Blut, das aus einer kleinen Platzwunde sickerte. Sekundenlanges Schwindelgefühl veranlasste Milton, sich am Tisch aufzustützen. Als der Schwächeanfall vorüber war, taumelte er zur Tür. Das Sonnenlicht blendete ihn. Menschen liefen zum Saloon, ihre erregten Stimmen hingen in der Luft und erfüllten die Main Street von Palo Verde.
Einige Männer näherten sich der Postkutschenstation. Sie hielten Waffen, auf der Brust des einen blitzte der Stern eines Deputys. Der Distriktsheriff hatte seinen Sitz in Buckeye. Die Gesichter der Männer verrieten, dass sie voll und ganz im Banne des blutigen Überfalls standen.
„Bist du verletzt, Milt?“ entrang es sich dem Deputy.
„Nur eine Beule“, erwiderte der Gefragte und verzog das Gesicht. „Diese elenden Banditen! Sie haben das ganze Geld geraubt. Über dreitausend Dollar. Ich versuchte, die Höhe der Summe, die bei mir deponiert war, ihnen gegenüber herunterzuspielen und sie so zu bewegen, von ihrem Vorhaben abzulassen. Es war sinnlos. Sie hätten den hold up wahrscheinlich wegen einer Handvoll Dollars durchgezogen.“