Bobby Z - Don Winslow - E-Book
SONDERANGEBOT

Bobby Z E-Book

Don Winslow

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Kult-Thriller, der als Vorläufer von Don Winslows weltberühmten Kartell-Trilogie gilt   Wenn du für den Mord an einem Hell's Angel in einem Knast voller Mitglieder der Biker-Gang landest, hat das nur ein Gutes: Deine Haftstrafe wird kurz – endet dummerweise aber tödlich. Um diesem Schicksal zu entgehen, lässt sich der Kleinkriminelle Tim Kearny auf einen Deal mit der Drogen-Fahndung ein und schlüpft in die Rolle des legendären Surfers und Drogen-Schmugglers Bobby Z, der seit Jahren als verschollen gilt. Doch außer dessen 6-jährigem Sohn scheint niemand – wirklich niemand! – erfreut darüber zu sein, Bobby lebendig anzutreffen. Bald wird Tim von einem irren Killer-Kommando quer durch Kalifornien gejagt, an seiner Seite als einziger Verbündeter ein Kind, das ihn für seinen Vater hält …   Mit den Polit-Thrillern der Kartell-Trilogie um den Drogen-Krieg zwischen den USA und Mexiko (»Tage der Toten«, »Das Kartell«, »Jahre des Jägers«) hat Don Winslow drei Welt-Bestseller geschrieben. Der Thriller »Bobby Z« verbindet harte, schnelle Action mit coolen Dialogen und hat dem amerikanischen Bestseller-Autor zum internationalen Durchbruch verholfen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 370

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Don Winslow

Bobby Z

Kriminalroman

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Wenn du für den Mord an einem Hell’s Angel in einem Knast voller Biker landest, hat das nur ein Gutes: Deine Haft wird kurz – endet aber tödlich. Um diesem Schicksal zu entgehen, lässt sich Tim Kearny auf einen Deal mit der Drogenfahndung ein und schlüpft in die Rolle des legendären Surfers und Drogenschmugglers Bobby Z, der seit Jahren als verschollen gilt. Doch außer dessen 6-jährigem Sohn freut sich niemand, Bobby lebendig anzutreffen. Bald wird Tim von einem irren Killerkommando quer durch Kalifornien gejagt, an seiner Seite als einziger Verbündeter ein Kind, das ihn für seinen Vater hält …

Inhaltsübersicht

Widmung

01. Kapitel

02. Kapitel

03. Kapitel

04. Kapitel

05. Kapitel

06. Kapitel

07. Kapitel

08. Kapitel

09. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

60. Kapitel

61. Kapitel

62. Kapitel

63. Kapitel

64. Kapitel

65. Kapitel

66. Kapitel

67. Kapitel

68. Kapitel

69. Kapitel

70. Kapitel

71. Kapitel

72. Kapitel

73. Kapitel

74. Kapitel

75. Kapitel

76. Kapitel

77. Kapitel

78. Kapitel

79. Kapitel

80. Kapitel

Danksagung

Für Jimmy Vines,

den Agenten, der immer hält,

was er verspricht.

01

So wird aus Tim Kearney der legendäre Bobby Z.

Tim Kearney wird zu Bobby Z, indem er ein Autonummernschild so zufeilt, dass es scharf wie eine Rasierklinge ist und damit einem vierschrötigen Hells Angel namens Stinkdog die Kehle durchschneidet. Stinkdog ist auf der Stelle ein toter Mann, und Tad Gruzsa, ein Agent der Drogenbehörde, ist glücklich.

»Jetzt wird er wesentlich leichter zu überzeugen sein«, sagt Gruzsa, als er davon hört, und damit meint er natürlich Kearney, denn bei Stinkdog gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel zu überzeugen.

Gruzsa hat recht. Dass sie Tim jetzt wegen Mordes anklagen, weil er einen um die Ecke gebracht hat, ist schon Pech genug – aber dass es ausgerechnet ein Hells Angel war, ist gleichbedeutend mit seinem Todesurteil, das wahrscheinlich auf jedem x-beliebigen Gefängnishof in Kalifornien mit Freuden vollzogen werden wird. »Lebenslänglich ohne Aussicht auf Straferlass« heißt für ihn »lebenslänglich ohne Aussicht auf überleben«, sobald er wieder mit normalen Knastbrüdern zusammenkommt.

Nicht dass Tim Stinkdog unbedingt umbringen wollte. Im Gegenteil. Es war bloß so, dass Stinkdog ihn auf dem Gefängnishof beiseitenahm und aufforderte, Mitglied der Aryan Brotherhood zu werden, »sonst …«, und Tim sagte: »Okay, dann sonst.« Und in dem Moment wurde ihm klar, dass er besser gleich damit anfangen würde, aus diesem Autonummernschild ein nettes kleines Skalpell zu machen.

Die Gefängnisbehörde von Kalifornien ist davon weniger begeistert, obwohl einige der Beamten nicht gerade Tränen vergossen haben, als sie von Stinkdogs Abgang erfuhren. Wirklich sauer aber sind sie darüber, dass Tim ausgerechnet ein Mittel zu seiner Rehabilitation – ehrbare Arbeit, sprich, die Herstellung von Autonummernschildern – dazu benutzt hat, in der Strafanstalt von San Quentin einen vorsätzlichen Mord zu begehen.

»Es war kein Mord«, sagte Tim zu seinem Pflichtverteidiger. »Es war Notwehr.«

»Sie sind auf dem Gefängnishof auf ihn zugegangen, haben ein scharf zugefeiltes Nummernschild aus Ihrem Sweatshirt gezogen und ihm damit die Kehle durchgeschnitten«, erinnert ihn der Anwalt. »Und Sie haben das Ganze geplant.«

»Sogar sorgfältig geplant«, stimmt Tim zu. Stinkdog war ein ganzes Stück größer und hundertfünfzig Pfund schwerer gewesen als er. Mit Betonung auf war. Tot auf einer Bahre ist er nämlich um einiges kürzer als Tim. Und wesentlich langsamer.

»Folglich ist es Mord«, sagt der Anwalt.

»Notwehr«, beharrt Tim.

Er erwartet keineswegs, dass der junge Anwalt oder die Justiz einen Sinn für den feinen Unterschied zwischen einem Präventivschlag und vorsätzlichem Mord haben. Aber Stinkdog hat Tim nur eine Wahl gelassen: entweder Stinkdogs bescheuertem Klub beizutreten oder zu sterben. Tim wollte keines von beidem, somit war sein einziger Ausweg ein Präventivschlag.

»Die Israelis machen das andauernd«, sagt Tim zu dem Anwalt.

»Israel ist ein Staat«, antwortet der Anwalt. »Während Sie eine Verbrecherlaufbahn eingeschlagen haben.«

Dabei kann von Laufbahn wahrlich nicht die Rede sein. Drei Einbruchdiebstähle als Jugendlicher, ein kurzer Aufenthalt in einer kalifornischen Jugendstrafanstalt, ein vom Gericht abgesegneter Abstecher zu den Marines, der mit einer unehrenhaften Entlassung endet, ein Einbruch, Endstation Chino, und dann das, was Tims vorheriger Pflichtverteidiger immer »das Superding« genannt hat.

»Das ist ein echtes Superding«, hat er gesagt. »Lassen Sie mich das nur noch mal festhalten, damit ich in den nächsten drei Jahren weiß, wovon ich meine Restaurantrechnungen bezahle. Ihr Freund holt Sie nach Ihrer Entlassung in Chino ab, und auf dem Heimweg überfallen Sie eine Tankstelle mit Supermarkt.«

Von wegen Freund, denkt Tim. Es war das Arschloch Wayne LaPerriere.

»Er hat die Tankstelle ausgeraubt«, sagte Tim. »Meinte, ich solle im Wagen warten, er würde nur schnell ein paar Zigaretten besorgen.«

»Er hat behauptet, Sie hätten die Waffe gehabt.«

»Er hatte sie.«

»Ja, aber ihn haben sie als Ersten laufen lassen«, sagte der Anwalt. »Logischerweise müssen also Sie die Waffe gehabt haben.«

Der Prozess damals war ein Witz gewesen. Besonders an dem Punkt, wo der pakistanische Tankwart seine Aussage machte.

»Und was hat der Angeklagte zu Ihnen gesagt, als er die Waffe zog?«, hatte der Staatsanwalt gefragt.

»Was er genau gesagt hat?«

»Ja, was er genau gesagt hat.«

»Seine genauen Worte?«

»Ich bitte darum.«

»Er sagte: ›Ein Furz, du Arsch, und du bist dran.‹«

Die Geschworenen lachten, der Richter lachte, sogar Tim musste zugeben, dass es ziemlich komisch war. So verdammt komisch, dass es Tim zwei Jahre in San Quentin, Stinkdogs Bekanntschaft und einen Mordprozess eingebracht hat.

»Können Sie was rausschlagen?«, fragt Tim jetzt seinen Pflichtverteidiger. »Vielleicht fahrlässige Tötung?«

»Tim, ich könnte sogar eine Ordnungsstrafe wegen Pinkelns in einer Telefonzelle rausschlagen, und Sie würden trotzdem Ihres Lebens nicht mehr froh«, sagt der Anwalt. »Wenn die Sie erwischen, sind Sie dran. Sie sitzen bis zum Hals in der Scheiße, Sie Superniete.«

Ende einer vielversprechenden Laufbahn, denkt Tim. Dabei bin ich erst siebenundzwanzig.

An dieser Stelle erscheint Tad Gruzsa auf der Bildfläche.

Tim hockt in Einzelhaft und liest gerade einen Wolverine-Comic, als die Wärter ihn abholen, in einen schwarzen Lieferwagen mit abgedunkelten Scheiben schubsen und irgendwo in einer Tiefgarage absetzen, wo sie ihn dann per Fahrstuhl in ein fensterloses Zimmer bringen und mit Handschellen an einen billigen Plastikstuhl fesseln.

Einen blauen Stuhl.

Da sitzt Tim nun ungefähr eine halbe Stunde, bis ein quadratisches Muskelpaket mit gewehrkugelförmigem Kopf hereinkommt, gefolgt von einem großen, dünnen Hispano mit unreiner Haut.

Zuerst glaubt Tim, der Quadratische hätte eine Glatze, aber dann sieht er, dass die Haare millimeterkurz geschoren sind. Er hat kalte blaue Augen, trägt einen miesen blauen Anzug und ein ewiges Grinsen auf den Lippen. Er mustert Tim eine Weile wie ein Stück Müll, und dann sagt er zu dem anderen Typen: »Ich glaube, das ist er.«

»Ziemliche Ähnlichkeit, das stimmt«, sagt der Bohnenfresser.

Als Nächstes setzt sich der Quadratische neben Tim. Er lächelt, dann haut er Tim mit der Rechten eine aufs Ohr, dass es knallt. Es tut irrsinnig weh. Tim sackt vornüber, schafft es aber, seinen Hintern auf dem Stuhl zu behalten. Was nur ein kleiner Sieg ist, aber er weiß, dass ein kleiner Sieg so ziemlich das Einzige ist, was er momentan erwarten kann.

»Du bist ’ne Superniete«, sagt Tad Gruzsa, als Tim sich wieder aufrichtet.

»Danke.«

»Und ’ne tote Niete noch dazu, wenn du in den Knast zurückkommst«, sagt Gruzsa. »’ne mausetote Niete, meinst du nicht auch, Jorge?«

»Mausetot«, meint Jorge mit einem Grinsen.

»Ja, mausetot«, erwidert Tim und lächelt.

Gruzsa sagt: »Wir sind uns also alle einig, dass du ’ne mausetote Niete bist. Die Frage ist jetzt, was wir dagegen tun können, wenn überhaupt.«

»Das Ding ’nem anderen anhängen, das mach ich nicht, bloß dass das klar ist«, sagt Tim. »Höchstens, wenn’s LaPerriere ist – dann braucht ihr mir bloß zu zeigen, wo ich unterschreiben muss.«

»Du hast einen umgelegt, Kearney«, sagt Gruzsa.

Tim zuckt mit den Achseln. Im Golfkrieg hat er ’ne Menge Typen umgelegt, und niemand schien sich darüber besonders aufzuregen.

»Wir wollen nicht, dass du das Ding jemand anderem in die Schuhe schiebst«, sagt Gruzsa. »Wir wollen nur, dass du jemand anderer wirst.«

»Das will meine Mutter auch immer«, sagt Tim.

Diesmal schlägt Gruzsa ihn mit der linken Hand.

Der Typ zeigt, wie flexibel er ist, denkt Tim.

»Nur für eine bestimmte Zeit«, sagt Jorge. »Danach kannst du einfach abhauen.«

»Und für ’ne Weile wegbleiben«, sagt Gruzsa.

Tim weiß ums Verrecken nicht, wovon die beiden reden. Aber abhauen und wegbleiben klingt vielversprechend. »Wovon zum Henker redet ihr beiden?«, fragt er.

Gruzsa wirft einen Umschlag aus dünnem, braunem Papier auf den Tisch.

Tim öffnet ihn und zieht ein Foto heraus. Darauf ist ein gut aussehender Mann mit einem schmalen, tiefgebräunten Gesicht zu sehen; sein langes schwarzes Haar hat er straff zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

»Sieht mir ziemlich ähnlich«, bemerkt Tim.

»Sag bloß«, meint Gruzsa.

Gruzsa macht sich über ihn lustig, aber Tim ist das egal. Wenn du bis zum Hals in der Scheiße sitzt, machen sich die Leute ständig über dich lustig. Das ist einfach so.

»Jetzt pass mal ganz genau auf, du Holzkopf«, sagt Gruzsa. »Du musst bloß so tun, als wärst du jemand anderer, und dann kannst du abhauen. Alle werden denken, die Angels hätten dich auf dem Gefängnishof umgelegt. Du kriegst eine neue Identität, mit allen Finessen.«

»Und wer ist dieser andere?«

Tim findet, Gruzsas Augen funkeln wie bei einer alten Knasthof-Schwuchtel, die einen leckeren Neuzugang auf dem Hof entdeckt hat.

»Bobby Z«, antwortet Gruzsa.

»Wer ist Bobby Z?«, fragt Tim.

02

Hast du noch nie von Bobby Z gehört?«, fragt Escobar. Die Kinnlade ist ihm runtergefallen, als könne er einfach nicht glauben, was er da hört.

»Siehst du, der ist ein solcher Hornochse, dass er noch nie von Bobby Z gehört hat«, sagt Gruzsa.

Escobar sagt stolz: »Bobby Z ist eine Legende!«

Sie erzählen ihm die Legende von Bobby Z.

Robert James Zacharias wuchs in Laguna Beach auf, und wie die meisten anderen Kids in Laguna Beach war er absolut cool drauf und machte nur coole Sachen. Erst hatte er ein Skateboard, dann ein Wellenbrett für Kinder, dann ein Surfbrett, und im zweiten Jahr auf der Highschool, die passenderweise Laguna High hieß, war er bereits ein ausgefuchster Wellenreiter und ein noch ausgefuchsterer Drogendealer.

Bobby Z kannte sich mit Wellen aus wie kein Zweiter. Er wusste, wann sie in Dreier- oder Viererformation hereinkamen, er wusste, wann sie ihren höchsten Punkt erreicht hatten, ob sie rechts oder links brechen würden, ob sie zurückschlagen oder einen Tunnel bilden würden. Und es war genau dieser besondere Sinn für künftige Ereignisse, der ihn zu einem vielversprechenden Surfer wie auch zu einem erfolgreichen Kleinunternehmer machte.

Bobby Z hatte noch nicht einmal den Führerschein und war bereits eine Legende. Wobei zur Legende sicher beitrug, dass Z bei seinem ersten großen Marihuana-Deal per Anhalter hin- und auch wieder zurückgefahren war – er stand einfach an dem Pacific Coast Highway und hielt den Daumen raus, zwischen den Füßen zwei Nike-Sporttaschen, vollgestopft mit Maui Wowie.

»Bobby Z ist eiskalt«, psalmodiert One Way, der am öffentlichen Strand von Laguna Beach wohnhafte Spinner und selbst ernannte Homer von Bobbys Odyssee. One Way steht für One Way Trip, weil er der Legende nach eines Tages mit sechs Einheiten Acid auf Trip ging und nie mehr zurückkehrte. Jetzt wandert er durch die Straßen von Laguna Beach und nervt die Touristen mit seinen endlosen Monologen über die Legende von Bobby Z.

»Diese mageren russischen Mädels könnten auf Bobby Z Schlittschuh laufen«, palavert One Way vor sich hin. »So kalt ist er. Bobby Z ist wie die Antarktis, bloß dass keine Pinguine auf ihm herumscheißen. Er ist vollkommen. Absolut cool. Nichts bringt Bobby Z aus der Ruhe.«

Die Legende geht so weiter, dass Bobby Z den Gewinn aus diesen zwei Nike-Taschen in vier weitere Nike-Taschen umsetzte, dann sechzehn, dann zweiunddreißig. Und zu dem Zeitpunkt hat er bereits irgendeinem armen Würstchen mit Führerschein ein paar Hunderter in die Hand gedrückt, damit er einen 66er-Mustang kauft und ihn in der Gegend herumkutschiert.

Während sich andere Kids in dem Alter den Kopf zerbrechen, auf welches College sie gehen sollen, denkt Bobby Z, scheiß aufs College, weil er jetzt schon mehr verdient als ein Universitäts-Assi im dritten Jahr. Er will gerade richtig loslegen, als Washington den Drogen den Krieg erklärt, was für Bobby Z ein großer Vorteil ist, weil es nicht nur die Preise oben hält, sondern auch die ganzen halbprofessionellen Idioten in den Knast bringt, die ihm als Konkurrenten das Geschäft vermasseln.

Und noch bevor er seine Abschlussfeier an der Uni schwänzt, hat Z schon begriffen, scheiß auf den Einzelhandel, das endet bloß damit, dass du dich vor deinem Auto aufstellen und vor der Polizei die Beine breit machen musst. Großhandel, nur das bringt’s: Beliefere den Lieferanten, der den Lieferanten beliefert. Auf dieses Level musst du kommen und nur noch aus dem Hintergrund agieren, indem du dafür sorgst, dass Ware und Geld anständig fließen, ohne dass du selber jemals deinen Arsch in die Schusslinie halten musst. Kaufen – verkaufen, kaufen – verkaufen: Z ist ein Organisationsgenie und hat den Bogen raus.

Bobby Z hat den Bogen raus.

»Im Gegensatz zu dir, du Oberflasche«, sagt Gruzsa zu Tim. »Weißt du, wie Bobby Z die Nacht nach seiner Examensfeier verbracht hat? Er hat im Ritz-Carlton in Laguna Niguel eine Suite – eine Suite – gemietet und das ganze Wochenende mit seinen Freunden dort gefeiert.«

Tim erinnert sich, wie er damals gefeiert hat. Aber nicht sein Examen, weil er es nämlich nicht geschafft hatte. Während die meisten seiner Klassenkameraden auf ihrer Abschlussfeier waren, saßen Tim und ein Kumpel mit zwei ziemlich abgefuckten Bräuten, ein paar Sixpacks und einem miesen Joint in einer alten Karre, die sie in der Nähe der Müllhalde von Thousand Palms geparkt hatten. Tim kam noch nicht mal zum Vögeln – sein Mädchen kotzte bloß auf seinen Schoß und pennte weg.

»Dagegen warst du doch schon von Geburt an eine Witzfigur«, fügt Gruzsa hinzu.

Was soll ich dazu sagen?, denkt Tim. Er hat ja recht.

Aufgewachsen ist Tim – wenn man das aufwachsen nennen kann – in einem scheiß Kaff namens Desert Hot Springs, California, an der Interstate 10, direkt gegenüber dem Ferienparadies Palm Springs, wo die ganzen reichen Leute wohnen. Die Leute, die in Desert Hot Springs lebten, mussten in Palm Springs Klos putzen und Geschirr spülen und Golftaschen schleppen. Die meisten von ihnen waren Mexikaner bis auf ein paar heruntergekommene weiße Säufer wie Tim Kearney senior, der Tim bei seinen seltenen Besuchen zu Hause mit einem Gürtel grün und blau schlug, dabei auf die Lichter von Palm Springs deutete und lallte: »Siehst du das dort drüben? Dort isses, das große Geld.«

Tim fand, dass sein alter Herr damit verdammt recht hatte, und er war noch nicht einmal vierzehn, als er damit begann, in die Häuser von Palm Springs einzubrechen, Fernsehgeräte, Videorekorder, Kameras, Bargeld und Schmuck mitgehen zu lassen und die Alarmanlagen auszutricksen.

Nach Tims erstem Einbruch fragte ihn dann der Familienrichter, ob er ein Alkoholproblem hätte, und Tim, der zwar ein monumentaler Pechvogel, aber nicht auf den Kopf gefallen war, wusste eine Chance zu nutzen, wenn sie sich ihm bot. Also zerdrückte er ein paar Krokodilstränen und sagte, ja, leider sei er Alkoholiker. Am Ende bekam er Bewährung, ein paar Sitzungen bei den Anonymen Alkoholikern sowie eine saftige Tracht Prügel von seinem alten Herrn – statt einer Jugendstrafe und einer Tracht Prügel von seinem alten Herrn.

Tim ging zu den Treffen, und natürlich saß da der Richter, um zu überprüfen, ob er auch hinging, und lächelte ihn an, als wäre er sein eigener Sohn. Obwohl er dann doch etwas ungehalten wurde, als Tim nach seinem zweiten Einbruch wieder vor ihm stand und herauskam, dass er neben den üblichen Fernsehern, Videorekordern, Kameras, Bargeld und Schmuck auch den größten Teil der Hausbar hatte mitgehen lassen.

Doch der Richter konnte sich über diese persönliche Enttäuschung hinwegsetzen und schickte den jungen Tim in eine Entziehungsanstalt in der Nähe. Tim verbrachte einen Monat in Gruppentherapie, wo er lernte, wie man sich rücklings in die Arme von jemand anderem fallen lässt und dieser Person fortan vertraut. Außerdem lernte er all seine guten und schlechten Charaktereigenschaften kennen und noch verschiedene andere Dinge »fürs Leben«.

Die Therapeutin in der Klinik fragte Tim, ob er glaube, dass er ein geringes Selbstwertgefühl habe, und Tim gab dies bereitwillig zu.

»Warum glauben Sie denn, dass Sie ein geringes Selbstwertgefühl haben?«, fragte sie verständnisvoll.

Tim antwortete: »Weil ich immer noch in Häuser einbreche …«

»Ganz richtig, ja.«

»… und mich dabei immer noch schnappen lasse.«

Danach arbeitete die Therapeutin noch intensiver mit Tim.

Tim hatte schon fast das ganze Programm absolviert, als er einen kleinen Rückfall hatte, die Portokasse der Klinik mitgehen ließ und sich draußen dafür was Ordentliches zu rauchen kaufte. Die Therapeutin fragte Tim: »Wissen Sie, was Ihr eigentliches Problem ist?«

Tim antwortete, er wisse es nicht.

»Sie haben ein Problem mit Ihrer Impulskontrolle«, sagte sie. »Sie haben nämlich keine.«

Diesmal war der Richter wirklich sauer, murmelte mit zusammengebissenen Zähnen ewas von »harter Brocken« und schickte Tim nach Chino.

Wo Tim brav seine Strafe absaß und noch eine ganze Reihe weiterer Dinge fürs Leben lernte, bis ihm, gut einen Monat nach seiner Entlassung, wieder die glitzernden Lichter von Palm Springs zublinzelten. Diesmal suchte er nach Schmuck und war schon fast mit der Beute aus dem Haus, als er über einen Rasensprenger stolperte und sich den Knöchel verstauchte, worauf ihn die Wachleute von der WestTech Security schnappten.

»Das kann auch bloß dir passieren«, sagte sein Vater, »mitten in dieser verdammten Wüste über eine Wasserpumpe zu stolpern.«

An dieser Stelle holte der Alte seinen Gürtel heraus, aber Tim hatte in Chino tatsächlich eine ganze Menge Dinge fürs Leben gelernt. Ein paar Sekunden später kippte der Alte nach hinten um, und es war niemand da, der ihn daran gehindert hätte, der Länge nach am Boden aufzuschlagen.

Tim machte sich darauf gefasst, wieder nach Chino zu kommen, aber diesmal hatte er einen anderen Richter.

»Haben Sie eigentlich eine Erklärung für das alles?«, fragte der Richter Tim.

»Das Problem ist«, sagte Tim, »meine mangelnde Impulskontrolle.«

Der Richter war nicht dieser Meinung. »Ihr Problem ist, dass Sie einbrechen und stehlen.«

»Das Einbrechen und das Stehlen ist kein Problem«, sagte Tim. »Das Problem ist, wie man hinterher abhaut.«

Der Richter dachte, wenn Tim ein solcher Klugscheißer war, dann sollte er seine ungezügelten Energien vielleicht besser bei der Armee einsetzen, statt wieder nach Chino zurückzukehren und neue Dinge fürs Leben zu lernen.

»Du schaffst nicht mal die Grundausbildung«, sagte Tims alter Herr. »Dazu bist du ein viel zu großer Schlappschwanz.«

Das dachte Tim auch. Er hatte Probleme damit, Dinge zu Ende zu bringen (die Highschool, die Therapie, das Einbrechen), und konnte sich vorstellen, dass das bei den Marines nicht anders sein würde.

Es war aber doch anders.

Tim gefiel es nämlich bei der Armee. Ihm gefiel sogar die Grundausbildung.

»Ist alles ganz easy«, sagte er zu seinen ungläubigen Zimmergenossen. »Du machst einfach deinen Job, und sie lassen dich in Ruhe. Ganz anders als im richtigen Leben.«

Außerdem kam er durch das Militär endlich raus aus Desert Hot Springs. Raus aus dem verdammten Nest und raus aus der verdammten Wüste. In der Grundausbildung bei den Marines wachte Tim jeden Morgen auf und sah als Erstes das Meer, und das fand er total cool, weil er sich dann wie einer von diesen coolen Kaliforniern fühlte, die am Meer wohnen. Tim dachte, wenn er bei den Marines bleiben würde, müsste er niemals wieder eine verdammte Wüste sehen, denn die Marines gehörten zur Navy, und die hatte immer mit dem Meer zu tun.

Also hielt Tim durch. Er hielt die ganze Dienstzeit durch und meldete sich sogar noch für eine Ehrenrunde. Er bekam sein Diplom, Korporalsstreifen und eine Berufung in die Desert Warfare School in Twenty-Nine Palms, etwa achtzig Kilometer von seiner guten, alten Heimatstadt Desert Hot Springs entfernt.

Na klar doch, dachte Tim, na verdammt klar doch. Und schon hat sie mich wieder, diese scheiß Wüste. Fast hätte er die Fliege gemacht, aber dann dachte er, na, was soll’s, die Zeit kriege ich auch rum. Vielleicht geht’s ja nächstes Mal nach Hawaii.

Dann marschierte Saddam Hussein in Kuwait ein, um Tim persönlich eins auszuwischen. Tim kam per Schiff nach Saudi-Arabien, und das war sozusagen Wüste hoch drei.

»Ich kann’s kaum glauben, dass du bei den Marines warst«, meint Gruzsa.

»Semper fi«, antwortete Tim.

Natürlich weiß Gruzsa das schon – Tim weiß, dass er es weiß, weil seine verdammte Akte da auf dem Tisch liegt. Gruzsa weiß alles über Tims Karriere bei den Marines.

Bloß eins weiß Gruzsa nicht über Tim, und er käme auch gar nicht drauf, weil es nicht ins Bild passt. Da sitzt er vor dieser hochgradigen Niete, dem ewigen Verlierer und Holzkopf, der nicht mal einen anständigen Einbruchdiebstahl hinkriegt, und dieser Typ hat im Golfkrieg ein Verdienstkreuz der Navy bekommen.

Bei der Schlacht von Khafji, vor dem großen amerikanischen Gegenschlag. Mitten in der Nacht fahren Einheiten irakischer Artillerie über die Grenze, und Kearneys Reserveeinheit ist das Einzige, was ihnen den Weg versperrt. Die Einheit hängt mutterseelenallein an der Grenze herum und wird einfach überrollt. Corporal Tim Kearney zieht vier verwundete Marines unter irakischen Panzern hervor. In der Begründung für die Ordensverleihung heißt es, er sei da draußen in der nächtlichen Wüste herumgerannt, als wäre er John Wayne persönlich – er habe herumgeballert, Handgranaten geworfen und seine Kumpel in Sicherheit gebracht.

Um dann zum Gegenangriff überzugehen.

Gegen Panzer.

Eine Ein-Mann-Abrissbirne, sagt ein Augenzeuge.

Natürlich kann er nicht gewinnen, aber immerhin zieht er ein paar Panzer aus dem Verkehr, und seine Einheit ist noch intakt, als am nächsten Morgen Verstärkung eintrifft.

Kearney bekommt das Verdienstkreuz, und dann folgt – nach klassischer Kearney-Manier – die unehrenhafte Entlassung. Weil er einen saudischen Offizier zusammengeschlagen hat.

Scheiße, denkt Gruzsa, dafür hätten sie ihm gleich noch einen Orden geben sollen.

»Sie haben dich rausgeschmissen, was? Stell dir vor«, sagt Gruzsa, »ich war nämlich auch bei den Marines.«

»Und was ist passiert?«

»Was passiert ist?«, fragt Gruzsa. »Dieses scheiß Vietnam, das ist passiert. Mein Bein haben sie kaputtgeschossen. Das war damals ein richtiger Krieg, verstehst du, nicht dieses schlappe CNN-Videospiel, bei dem du dabei warst.«

Tim zuckt mit den Achseln. »Ich bin halt ein Schlappschwanz.«

Jorge grinst. »Ein Superschlappschwanz.«

Gruzsa beugt sich vor und hält sein Gesicht ganz nah an das von Tim. Sein Atem riecht nach italienischer Wurst.

»Aber du bist mein kleiner Schlappschwanz, oder?«, flüstert Gruzsa. »Stimmt’s oder hab ich recht?«

»Kommt drauf an.«

»Worauf?«

»Darauf, was Sie von mir wollen.«

»Ich hab’s dir doch gesagt«, antwortet Gruzsa. »Ich will, dass du Bobby Z bist.«

»Warum?«, fragt Tim.

»Du weißt wahrscheinlich auch noch nicht mal, wer Don Huertero ist«, sagt Gruzsa.

Tim zuckt mit den Achseln.

Escobar schnaubt verächtlich.

»Don Huertero ist der größte Drogenboss in Nordmexiko«, erklärt Gruzsa.

»Ach ja?«, sagt Tim.

»Und er hält da unten einen Kumpel von mir gefangen«, fügt Gruzsa hinzu. »Einen verdammt guten Agenten namens Arthur Moreno.«

»Carnal«, sagt Jorge. »Das ist Spanisch und heißt: ›Blut von meinem Blut‹.«

»Ich will Art zurückhaben«, sagt Gruzsa.

»Aha.«

»Und Huertero will ihn austauschen gegen …«

»Bobby Z«, ergänzt Tim.

»Sie sind ziemlich dick im Geschäft miteinander, und Huertero will, dass er freikommt und wieder Kohle macht«, erklärt Gruzsa.

»Habt ihr ihn denn?«

»Wir haben ihn.«

Gekriegt haben sie ihn unten in Thailand, im Austausch für eine Schiffsladung Heroin, die sie dem eigentlichen Besitzer zurückgebracht haben. Die Thais hatten Z total auf dem Kieker.

»Ist glatt über die Bühne gegangen, das Ganze«, sagt Gruzsa.

»Wozu braucht ihr dann noch mich?«, fragt Tim.

»Er ist abgekratzt«, sagt Gruzsa.

»Wer ist abgekratzt?«

»Bobby Z.«

Escobar sieht fast traurig aus, als er das sagt.

»Herzinfarkt«, sagt Gruzsa. »Ratzfatz, aus die Maus. Da lag er, mit dem Gesicht nach unten im Badezimmer.«

»War noch jung, der Mann«, fügt Escobar hinzu.

Gruzsa sagt: »Don Huertero versteht in diesen Dingen keinen Spaß. Er wird’s uns mit gleicher Münze heimzahlen.«

Mit gleicher Münze heimzahlen?, denkt Tim. Und ich mittendrin? Kann das sein, dass hier was absolut oberfaul ist?

Er fragt: »Wird Huertero nicht merken, dass ich der Falsche bin?«

»Nein«, sagt Gruzsa.

»Nein?«

»Nein. Und zwar deshalb nicht, weil er Bobby Z nie gesehen hat.«

»Sie haben doch gesagt, die beiden würden Geschäfte miteinander machen.«

»Schon mal was von Telefon, Fax, Computer gehört?«, fragt Gruzsa, als rede er mit einem Vollidioten, und dafür scheint er Tim auch zu halten. »Er hat Z nie gesehen.«

»Niemand hat ihn gesehen«, sagt Jorge. »Seit der Highschool nicht mehr.«

»Bis wir diesen ziemlich abgefuckten Typen da unten im Dschungel aufgelesen haben«, fügt Gruzsa hinzu, »konnte eigentlich überhaupt niemand behaupten, dass er den echten Bobby Z gesehen hat.«

»Eine Legende«, wiederholt Jorge.

03

Escobar labert und labert, während Tim auf einer Pritsche liegt, ein steriles Tuch über dem Gesicht, und irgendein Doktor seine Kokainstrafe abarbeitet, indem er Tim eine kleine Narbe verpasst. Sie soll haargenau so aussehen wie die von Z, nachdem er sich beim Surfen in der Three Arch Bay den Kopf an einem Felsen aufgeschlagen hatte.

»Z hatte aber keine Tattoos, oder?«, fragt Tim, weil diese Scheiße trotz örtlicher Betäubung sauweh tut, und er sowieso langsam die Schnauze voll davon hat, hier auf dieser Pritsche zu liegen, mit einem Stück Gaze im Gesicht.

»Nein«, antwortet Gruzsa, und dann kommt ihm ein beunruhigender Gedanke: »Aber du hoffentlich auch nicht, oder?«

»Nein.«

Was auch besser so ist, denkt Tim, denn Gruzsa würde sie ihm wahrscheinlich gleich wegätzen. Aber dann fällt ihm ein, dass die einzige Alternative die Angels auf dem Gefängnishof sind – was macht da schon eine Narbe mehr oder weniger?

Also liegt er da, und Gruzsa begutachtet die Prozedur, während Escobar über Bobby Z labert und labert.

Dass Z, als er von der Highschool abgeht, schon ein richtiger reicher Stinker ist und eine Reihe seiner Freunde beschäftigt, die ganz Südkalifornien mit Drogen beliefern. Und wie dann irgendwann jemand blöderweise auf ihn aufmerksam wird, nicht etwa die Bullen, sondern die Konkurrenz. Das ist in der Zeit, als die mexikanischen Gangs kaum mehr sind als ein schlechter Scherz. Die Vietnamesen sind überhaupt noch nicht organisiert, es gibt vielleicht gerade einen Chinesen in ganz Orange County, und die Italiener haben den Markt noch fest im Griff. Und von denen steckt wahrscheinlich auch einer dahinter, obwohl Z es nie beweisen kann. Jedenfalls gehen zwei von seinen Kurieren in der Nähe von Riverside hoch, was Z für ein ziemlich schlechtes Omen hält.

Da liegen dann zwei ziemlich toughe Kids mit dem Gesicht nach unten in einem Entwässerungskanal, und Bobby weiß, wer in Wirklichkeit gemeint ist. Er denkt an den alten Spruch: »Frage nie, wem die Totenglocke schlägt; sie schlägt dir.«

Aber was soll er bloß tun? Da sitzt Z in seiner Mietwohnung, die ein Erwachsener für ihn angemietet hat, in der Hand seine 66er-Stang, die er auf die gleiche Weise erworben hat, und überlegt: Weißt du was? Auf dem Papier existiere ich gar nicht. Nirgendwo.

Also macht er die Fliege. Verschwindet.

»Wie Morgendunst«, beschreibt One Way es mit ehrfürchtiger Stimme, und seine Synapsen knacken wie Rice Krispies. Er verfolgt vier ziemlich nervöse deutsche Touristen wie ein treuer Hund, die ganze Forest Avenue in Laguna hinunter, und schwadroniert: »Es ist so, als würde Z sich einfach über dem Meer in Luft auflösen. Wer weiß, wo er wieder auftaucht? Manche sagen, in China, manche in Japan, manche behaupten sogar, sie hätten ihn in Indonesien am Strand gesehen, ganz so wie Lord Jim, dieser verdammte Teufelskerl. Vielleicht aber segelt er auch auf einem Boot übers Meer, oder ist es ein U-Boot, Z als Captain Nemo, wie dieser James Mason oder wie er hieß. Aber eigentlich ist er einen Tag am Strand und am nächsten nicht mehr, da ist er einfach weg, Mann. Weg. Paddelt vielleicht einfach auf seinem Brett raus aufs Meer, und dann verschwindet er hinter den Brechern und … sayonara.«

Aber das Geschäft läuft und läuft. Z hat ein Verteilersystem aufgebaut mit Zwischenhändlern und Vertretern und Rabatten und Gewinnbeteiligungen. Z schafft das beste Gras an der ganzen Westküste heran. Nur erstklassigen Stoff. Bündelweise. Bringt es einfach auf kleinen Schiffen herein wie die alten Schmuggler früher, und ab und zu, wenn er eins verliert, geht ein Zwischenhändler hoch. Aber an Z kommt die Drogenbehörde nie ran.

»Fünfmal dachten wir schon, wir hätten ihn«, sagt Gruzsa. »Und dann stellte sich raus, es war ein ganz anderer.«

»Nach Z zu greifen ist so, als wollte man nach dem Nebel greifen«, echot Escobar. Zur Untermalung grapscht er in die Luft.

Z wird eine richtig große Nummer. Z beliefert die ganze Westküste, den ganzen Westen. Wenn du fünf Yuppies vor dir hast, die nach ihrem pochierten Lachs eine extradicke Tüte rauchen, kannst du sicher sein, dass sie aus Zs Dope gerollt ist.

»Er ist einfach unheimlich clever«, erklärt Gruzsa. »Kein Koks, kein Smack, kein Speed, kein Acid. Nur erstklassiges Gras. Opium. Thai-Sticks. Und er verkauft nur an Leute, die bar bezahlen. So kriegst du als Zwischenhändler erst gar keinen pickeligen Bubi oder Heavy-Metal-Fan oder Möchtegernrocker, der dich bei jeder Gelegenheit hochgehen lassen kann. Wenn du als Bulle jemanden mit Zs Dope erwischst, kommt er auf Bewährung frei und ist schneller in der Entziehungsanstalt, als du wieder zurück auf deinem Revier bist. Zs Kundenkreis ist nur vom Feinsten.«

»So ’ne Art Edelkaufhaus für Dope«, sagt Escobar.

Z liefert Ware von Alaska bis Costa Rica.

»Wer weiß, wann am Strand ein Boot ankommt?«, fragt One Way die Touristen in Laguna, neben denen er immer noch herläuft. »Seht mal, Z schaut auf eine Karte, und er weiß ganz genau, die Küstenwache kann einfach nicht alles sehen, hier ein kleines Boot, dort ein kleines Boot, und die Küste ist so lang. Tausende von Kilometern für Zs Dope, Mann. Schau mal, da draußen, das ist der Pazifik, verdammt noch mal, und das, Kumpels, ist Zs Revier. Z kennt den Rhythmus des Wassers, Mann. Er kennt ihn, und er reitet auf den Wellen. Z ist wie Poseidon. Oder wie Neptun, scheißegal. Pazifik bedeutet friedlich, Mann. Und Z lebt in absolutem Frieden mit ihm.«

»Also, was ist passiert?«, fragt Tim. Immerhin ist der Wunderknabe in Polizeigewahrsam gestorben.

»Keinen blassen Schimmer«, sagt Gruzsa. »Lässt sich in Thailand einfach festnehmen. Ist sterbenskrank, hat sich irgendwas geholt. Geht einfach zur Botschaft und fragt, ob er jemanden von der DEA sprechen könne. Sagt, sein Name sei Robert Zacharias. Innerhalb der nächsten Viertelstunde saß ich im Flugzeug.«

»Und dann stirbt er unter der Dusche«, sagt Tim.

»Ja, nicht?«, antwortet Gruzsa. Als wollte er sagen: Ist doch ganz schön ätzend, das Leben, oder?

Der Doktor ist endlich fertig und sagt zu Tim, er solle nicht dran herumpopeln. Hält einen Spiegel hoch und zeigt Tim die kleine Wunde auf der linken Stirnhälfte. Sieht aus wie ein kleines Z.

Na klar doch. Na verdammt klar doch, denkt Tim.

»Was soll ich denn nun machen«, fragt Tim, »wenn Huertero mich über die Grenze mitnimmt, weil er denkt, ich bin sein Partner Z?«

Gruzsa sieht genervt aus.

»Was geht mich das an?«, fragt er.

Tim bleibt hartnäckig. »Und was mache ich, wenn er rauskriegt, dass ich es nicht bin?«

»Das ist dein Problem«, sagt Gruzsa.

Da haben wir den Salat, denkt Tim. Entweder ich gehe zurück in den Knast und werde todsicher umgelegt, oder ich übernehme die Rolle des großartigen Bobby Z und werde höchstwahrscheinlich auch umgelegt.

Ich nehme Tür zwei, beschließt Tim.

04

Aber zuerst ein bisschen Training.

»Was für ein Training?«, fragt Tim. Niemand hat ihm etwas von irgendeinem scheiß Training gesagt. Das Tolle am Knast ist nämlich, dass du eigentlich nicht sonderlich viel zu tun hast. Wenn man die Herstellung von Nummernschildern nicht mitzählt.

»Du musst ein paar Sachen über Bobby Z lernen«, sagt Escobar. »Und ein bisschen Grundwortschatz.«

So wird Escobar für die nächsten zwei Wochen Tims Babysitter und Trainer, um ihm möglichst viel über Bobby Z einzutrichtern. Sie bringen ihn in irgendeinem Camp in der Nähe von San Clemente unter, damit die Wunde verheilen kann und eine schöne Narbe bildet, und Escobar – na ja, Tim hat den Eindruck, dass Escobar in den verstorbenen Bobby Z regelrecht verknallt ist, weil er einfach nicht aufhören kann, über ihn zu quatschen.

Er erzählt Tim alles, was die DEA jemals über Z erfahren hat. Was er gerne isst, was für Klamotten er anzieht. Alte Freunde, alte Stammkneipen, alte Freundinnen.

Er löchert Tim so lange, bis der das Gefühl hat, er ist wieder auf der Highschool und setzt eine Prüfung in den Sand. Escobar ist wie dieser nervige Jiminy Cricket bei Pinocchio: Ständig triezt er Tim mit seinen Fragen, und dabei interessiert sich Tim viel mehr für die Tussi auf MTV.

»Biersorte?«, fragt Escobar.

»Budweiser.«

»Corona«, stöhnt Escobar und ist ziemlich sauer.

Einmal steht Tim unter der Dusche, und Escobar schiebt die Tür beiseite und fragt: »Footballteam?«

»Keins«, antwortet Tim. »Er hasst Football.«

»Was für ein Sport dann?«, fragt Escobar.

»Surfen«, sagt Tim. Geschenkt. »Und Beachvolleyball.«

Oder Tim macht ein Nickerchen, streckt sich auf der Couch aus, aalt sich in der Nachmittagssonne, und da kommt Escobar, packt ihn am T-Shirt, zerrt ihn von der Couch und ruft: »Schulfarben?«

»Blau und Gold«, brummt Tim.

Escobar brüllt: »Braun und Weiß!«, und tritt Tim in den Bauch – fest. Mit einem von diesen spitzen Bohnenfresserstiefeln. Tim liegt zusammengekrümmt wie ein Embryo auf dem Teppich, und Escobar hockt sich neben ihn und sagt: »Du reißt dich besser ein bisschen zusammen, pendejo. Was glaubst du wohl, was Don Huertero mit dir macht, wenn er rauskriegt, dass du nicht echt bist? Dich in den Bauch treten, hä? Vielleicht kettet er dich an eine Wand und behandelt dich ein bisschen mit dem Lötkolben. Vielleicht fängt er auch damit an, dir die Finger einzeln abzusäbeln. Oder noch was Schlimmeres als die Finger. Don Huertero ist ein ziemliches Schwein, ese.«

Also reißt sich Tim zusammen, fängt an, diesen Scheiß wirklich auswendig zu lernen. Lernt all den Mist, den Don Huertero vielleicht oder vielleicht auch nicht über Bobby Z weiß. Er sieht auch immer mehr wie Bobby Z aus. Die Narbe wird immer blasser, und Tim lässt sich die Haare wachsen. Sie wollen allerdings nicht, dass er raus an die Sonne geht. Er soll bleich aussehen, wie einer, der gerade aus dem Knast kommt. Also sieht Tim eine Menge fern und macht seine Hausaufgaben.

Bobby-Z-Hausaufgaben. Was für Klamotten, was für Filme, was für Bücher? Im Highschool-Jahrbuch gibt es ein kleines Foto von Bobby Z, mit diesem typischen Grinsen im Gesicht, das heißen soll, ich weiß schon, dass das hier alles Scheiße ist, mir macht keiner was vor. Highschool-Freunde, Surferfreunde, Freundinnen. Jede Menge Freundinnen, findet Tim heraus, und das fuchst ihn. Noch nicht mal irgendwelche abgefuckten Bräute, sondern richtig erstklassige, coole Girls aus Südkalifornien. Da steht er, smart, gutaussehend, um ihn herum lauter Beachgirls. Girls mit diesem selbstbewussten Ausdruck im Gesicht, diesem Blick, der sagt, sie wissen, dass ihnen die Welt gehört, einfach weil sie da sind.

»Z mochte seine chucha, weißt du, Mann«, hechelt Escobar lüstern, als sie sich die Bilder gemeinsam ansehen und dabei überlegen, welche von den Mädchen Z nun tatsächlich gevögelt hat. Escobar zeigt auf die, von denen er weiß, dass sie Zs Freundinnen waren: eine Ashley, zwei Jennifers, eine Britanny, eine Elizabeth, eine Sky. »Und die chucha, sie mochten Z, da kannst du Gift drauf nehmen, Mann.«

Als wäre das ’ne große Offenbarung für Tim. Es ist so ’ne Art wissenschaftliche Erkenntnis, dass Mädels auf Typen stehen, die im Drogenbusiness sind. Sehen gut aus, sind cool, haben Geld und immer was zum Rauchen, denkt Tim. Aber wer hat denn auch je behauptet, dass das Leben fair ist?

Escobar informiert Tim auch über Zs männliche Kumpels. Surferkumpels, Dopekumpels, einige von ihnen – sogar Mädchen – haben irgendwann angefangen, für ihn zu arbeiten, als so ’ne Art Vertreter für Bobbys Stoff. Ein Jason, ein Chad, gleich zwei Shanes und ein Free, und der war – kaum zu glauben – der Bruder von Sky. Typen, die total hip aussehen, coole Typen, das hat Tim gleich begriffen. Typen, die ganz zu Recht davon ausgehen, dass die Welt ihnen gehört, weil ihnen der Strand gehört. Bobbys Freunde.

Es gab auch gute Freunde, sagt ihm Escobar. Bobbys carnal. So dermaßen carnal, denkt Tim, dass zwei von ihnen, einer der Shanes und Britanny, mit dem Gesicht nach unten in einem Entwässerungskanal enden.

Tim studiert ihre Bilder, ihre Namen. Er liest Bücher über das Surfen, er bekommt Lektionen von Escobar, wie Bobby Zs Imperium funktioniert. Alles, was sie darüber erfahren konnten, sagt Escobar traurig, bevor Zs Herz seinen letzten Schlag tat.

»Bobbys rechte Hand in den Staaten ist ein Typ, den sie ›den Mönch‹ nennen«, teilt ihm Escobar mit.

Der Mönch?, denkt Tim. Was zum Teufel ist das für einer? Der einzige Mönch, den Tim kennt, ist dieser fette Kerl bei Robin Hood.

Also fragt er: »Wer ist das?«

Escobar schüttelt traurig den Kopf angesichts von Kearneys Blödheit.

»Wenn wir das wüssten, würden wir ihn doch schnappen, oder?«, meint er.

»Was weiß ich«, sagt Tim. Bullen haben Bullenhirne, und wer weiß schon, was da drin vorgeht.

Es ist alles zu viel für Tim. Er klappt das Jahrbuch zu und schließt die Augen.

»Du lernst dieses Zeug besser auswendig«, warnt ihn Escobar. »Huerteros Männer werden dir Fragen stellen. Sie werden sich vergewissern, dass du der richtige Mann bist, bevor sie sich auf den Handel einlassen. Und das sollten sie wohl besser, sonst macht dir Gruzsa Feuer unterm Hintern. Da unten an der Grenze kann ’ne ganze Menge passieren bei Nacht, weißt du?«

Das kann sich Tim lebhaft vorstellen. Tim war nämlich an dieser beschissenen Grenze zwischen Kuwait und Irak, als die irakischen Panzer herüberdonnerten. O ja, Jorge, es können ein paar ganz schön unangenehme Dinge passieren an so ’ner Grenze bei Nacht, pendejo, ese?

Also büffelt Tim weiter. Nach ein paar Wochen weiß er alles, was es über den legendären Bobby Z zu wissen gibt. Und nicht etwa deshalb, weil Tim so wahnsinnig fasziniert von dem Wunderknaben ist, sondern weil Tim wenigstens eine winzige Chance haben will, bei diesem kleinen Deal an der Grenze mit dem Leben davonzukommen.

Trotzdem sind’s langweilige Wochen. Dabei wäre es nicht halb so schlimm, wenn sie ihm etwas Anständiges zu essen geben würden, aber das tun sie auch nicht. Bobby ist nämlich Vegetarier geworden, auch das noch, und Escobar möchte unter allen Umständen vermeiden, dass Huertero irgendwelches Fleisch in Tims Atem riecht.

»Das ist doch bescheuert«, protestiert Tim.

»Ist es nicht«, sagt Escobar. »Huertero hat da unten ein paar Indios, die für ihn arbeiten. Cahuilla. Die riechen so was, da kannst du Gift drauf nehmen, Mann. Die sind wie Kojoten.«

Also keine Cheeseburger, keine Hot Dogs, keine tacos al carne, von denen Tim die ganze Zeit geträumt hat. Escobar sagt ihm, er könne ein Fisch-Taco haben, wenn er will, und Tim sagt zu ihm, das könne er sich sonstwohin stecken, dieses Fisch-Taco. Woraufhin Escobar eingeschnappt ist und Tim drei Tage lang nichts anderes kriegt als Pitabrot und Reis und Gemüse, und Tim sagt, ich weiß den ganzen Scheiß jetzt auswendig, also bringen wir die Sache endlich hinter uns.

Da taucht Gruzsa auf und macht mit Tim einen kleinen Test. Escobar steht dabei wie ein nervöser Vater, raucht eine Zigarette nach der anderen und drückt seinem Jungen die Daumen, während Gruzsa eine ganze Wagenladung Fragen zu dem verblichenen Bobby Z über Tim auskippt.

Escobar strahlt wie ein Idiot, als Tim den Test mit Bravour besteht.

Gruzsas Reaktion ist nicht ganz so herzlich.

»Ich denke, dass du jetzt so weit bist«, ist alles, was er sagt.

Und so stecken sie ihn eines Abends wieder in den Lieferwagen und karren ihn woandershin.

05

Spätnachts in irgendeinem Canyon an der Grenze.

Tim schätzt, dass sie irgendwo östlich von San Diego sind. Der Mond ist aufgegangen, und der Himmel ist nicht schwarz, sondern silbern, als Escobar Tim den Abhang hinunter in den Canyon führt. Gruzsa bleibt oben in seinem Jeep sitzen und beobachtet durch das Zielfernrohr eines Gewehrs eine kleine Gruppe von DEA-Agenten mit M16 s, Gewehren und möglicherweise auch Minenwerfern – soweit Tim das erkennen kann –, die sie decken sollen.

Die Typen von der Immigrationsbehörde, der INS, müssen die Route vorher abgecheckt haben, weil keine Grenzer weit und breit zu sehen sind. Und Huertero hat offenbar die mexikanische Seite geräumt, weil dort nirgendwo illegale Grenzgänger hinter dem Stacheldraht hocken und auf ihre Chance warten, ins Land der Dollars zu fliehen. Das übliche Spiel findet heute Nacht nicht statt, bloß ein kurzes Austauschgeschäft unter Freunden, denkt Tim. Und jetzt kann er ein paar Typen erkennen, die von der mexikanischen Seite aus über den Canyon auf sie zukommen.

Tim spürt diese Schmetterlinge im Bauch so wie früher, kurz bevor er einen Bruch machte. Dasselbe Gefühl wie damals, als diese scheiß Iraker nach Khafji hereinströmten, bevor sie die Truppe zusammentrommeln konnten, bloß eine Handvoll Marines waren da und ein paar Saudis, und dann war die Hölle los. Und jetzt spürt er auch noch Gruzsas Knarre, die sich ihm in den Rücken bohrt.

Mittlerweile kann er zwei Mexikaner erkennen und zwischen ihnen einen Mann, den sie halb tragen und halb zerren müssen. Anscheinend ist das Art Moreno, und Tim hat den Eindruck, als hätte er einen ziemlich harten Weg hinter sich. Offenbar kann er seine Beine nicht mehr richtig gebrauchen. Als sie näher kommen, sieht Tim auch das Gesicht des Agenten, und es wirkt verdammt müde.

Tim freut sich für Moreno, weil der Typ endlich nach Hause darf, und er freut sich auch für sich selber, obwohl er sich eigentlich nicht allzu sehr freuen will, bevor das alles vorbei ist. Aber er muss auch zugeben, dass er ganz schön aufgeregt ist bei dem Gedanken, dass er bald endlich frei sein wird.

Er hat zwei Wochen hinter sich, in denen er nur darauf wartete, dass die Wunde heilte, Consumer’s Digest und andere nützliche Magazine las und sich überlegte, wohin er ziehen will, wenn das alles vorüber ist. Eines der Magazine bewertete Städte nach ihrer sogenannten Lebensqualität, und es waren hauptsächlich Städte im Mittelwesten, die ganz oben rangierten. Momentan tendiert er zu Eugene, Oregon, weil es dort viel regnet.

Er konzentriert sich also hauptsächlich auf diese Frage und überlegt sich, dass er zu Don Huerteros Jungs im Grunde nur Vaya con Dios sagen will. Weil es mir in Amerika gefällt, wisst ihr. Was für einen Job er wohl in Eugene bekommen kann? Jetzt sind sie nahe genug, dass er Art Morenos Augen erkennen kann, und die sehen ziemlich übel aus, ziemlich weggetreten, als hätten sie irgendwas Furchtbares gesehen, was sie auf gar keinen Fall noch mal sehen wollen.

Escobar sieht sie auch, diese Augen, weil Tim hört, wie er pendejos murmelt, und dann hört er eine Kugel pfeifen, und Escobars Hirnmasse spritzt Tim ins Gesicht, und Tim lässt sich auf den Boden fallen.

Das ist Khafji, alles genauso wie damals, denkt Tim, als er sich flach auf den Wüstenboden presst und nach Deckung Ausschau hält. Leuchtspurgeschosse ziehen über den Nachthimmel, der Lärm ist ohrenbetäubend, Typen schreien, Füße stampfen, und die beiden Mexikaner drehen sich um und laufen wieder auf die Grenze zu, Moreno immer noch zwischen sich herschleifend, bloß dass einer von ihnen am Rücken getroffen wird und irgendwie schmilzt, so wie die Hexe im Zauberer von Oz, vor der Tim bei jeder Osteraufführung so verdammten Schiss hatte. Der andere Typ flippt aus, er stößt Moreno zu Boden und wirft sich direkt hinter ihm in den Sand, als wäre er in einem Western und Moreno sein toter Gaul, und fängt an zu schießen.

Auf Tim.