Breaking the Sinner - Ember Leigh - E-Book
SONDERANGEBOT

Breaking the Sinner E-Book

Ember Leigh

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seine einzige Schwäche: Ihre Unschuld.

Genevieve ist aus ihrer religiösen Gemeinschaft geflohen, ohne zu wissen, was sie von ihrem künftigen Leben erwarten kann. Sie weiß nur eines: sie will ihre heimlich erstellte, sündige Bucket-List endlich umsetzen. Im Fitness Studio trifft sie den perfekten Mann dafür: Bad Boy Cobra, dessen Leben bislang alles andere als brav und behütet war. Doch je besser Cobra Gen kennenlernt, umso größer wird seine Angst sich entscheiden zu müssen -zwischen der einzigen Familie, die er je hatte und dem, was er nie wollte: der Liebe ...


Die große Breaking Serie von Ember Leigh für alle Fans von Penelope Ward and Vi Keeland. Die Titel können unabhängig voneinander gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 469

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover for EPUB

Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Seine einzige Schwäche: Ihre Unschuld.

Genevieve ist aus ihrer religiösen Gemeinschaft geflohen, ohne zu wissen, was sie von ihrem künftigen Leben erwarten kann. Sie weiß nur eines: sie will ihre heimlich erstellte, sündige Bucket-List endlich umsetzen. Im Fitness Studio trifft sie den perfekten Mann dafür: Bad Boy Cobra, dessen Leben bislang alles andere als brav und behütet war. Doch je besser Cobra Gen kennenlernt, umso größer wird seine Angst sich entscheiden zu müssen -zwischen der einzigen Familie, die er je hatte und dem, was er nie wollte: der Liebe ...

Die große Breaking Serie von Ember Leigh für alle Fans von Penelope Ward and Vi Keeland. Die Titel können unabhängig voneinander gelesen werden.

ABONNIEREN SIE DEN NEWSLETTERDER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

die besten Neuerscheinungen aus unserem vielfältigen ProgrammLesungen und Veranstaltungen rund um unsere BücherNeuigkeiten über unsere AutorenVideos, Lese- und Hörprobenattraktive Gewinnspiele, Aktionen und vieles mehr

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

http://www.aufbau-verlage.de/newsletter

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Ember Leigh

Breaking the Sinner

Aus dem Amerikanischen von Claudia Geng

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

Newsletter

Widmung

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

KAPITEL 31

KAPITEL 32

KAPITEL 33

KAPITEL 34

KAPITEL 35

KAPITEL 36

KAPITEL 37

KAPITEL 38

KAPITEL 39

KAPITEL 40

KAPITEL 41

KAPITEL 42

EPILOG

Anmerkung der Autorin

Impressum

Lust auf more?

Widmung

Diesen Roman widme ich meiner besten Freundin Kelly und ihrer Leidenschaft für Bücher, besonders was meine Eigenen betrifft.

KAPITEL 1

Es ist eine Art Praktikantenstelle, hieß es.

Genevieve zupfte an dem Streifen aus Latexstoff, der ihre Brüste kaum bedeckte.

Es wird lustig und aufregend, hieß es.

Sie sah stirnrunzelnd in den Spiegel. Dieses trägerlose Bikinitop war für Körbchengröße B gemacht und viel zu knapp für ihren D-Cup. Aber darum ging es schließlich. Ihre Stirnfalte vertiefte sich, und ihr Blick glitt über all die Stellen, an denen ihre cremeweiße Haut entblößt war. Haut, die nur selten die Sonne zu sehen bekam, geschweige denn ein professionelles Fotoshooting an ihrem neuen Arbeitsplatz bei Holt Body Fitness.

Alles rund um dieses Shooting verursachte ihr ein tiefes Unbehagen. Man hatte sie dazu erzogen, genau solche Situationen, neben vielen anderen, zu meiden. Sich in einem erotischen Kalender zum Lustobjekt machen? Ein One-Way-Ticket in die Hölle!

Und trotzdem war sie im Begriff, in den Inferno-Express einzusteigen. Das hier war erst ihr dritter Tag im Gym. Was würde noch alles kommen?

Sie atmete tief durch. Es ist okay. Dafür hast du schließlich unterschrieben. Dafür bist du nach Los Angeles gegangen. Um Erfahrungen zu sammeln. Um das Leben kennenzulernen.

Sie hatte nur nicht gedacht, dass sie es halb nackt kennenlernen würde.

Eine Kollegin vom Empfang steckte ihren Kopf in den Umkleideraum. Melanie. Sie hatte ein leicht skeptisches, aber überwiegend freundliches Lächeln. »Bist du bereit? Travis trommelt gerade alle zusammen.«

Gen wappnete sich innerlich. Trommelt gerade alle für die sündhafte Fleischbeschau zusammen. Sie schüttelte den Gedanken wieder ab. So redete ihr Vater – was einer der Gründe für ihren Umzug nach L. A. war. Um diese Stimme in ihrem Kopf loszuwerden.

»Absolut, Melanie«, zwang sie sich zu sagen und löste ihren eisernen Griff um den Waschbeckenrand. Sie klang wie die zweitklassige Besetzung in einem schlechten Film aus den Neunzigern. Melanie hielt ihr die Tür auf, wirkte natürlich und ungezwungen in ihrem freizügigen Outfit. Logisch. Weil es den Frauen hier in L. A. nichts ausmachte, ihren Körper zur Schau zu stellen oder ihre gottgegebenen Vorzüge zu betonen. Körperteile waren hier einfach Teile des Körpers und nicht ein heiliges Geschenk, das man mit seiner ersten und letzten Liebe, Jesus Christus, teilte.

Gen hatte sich jahrelang vorgestellt, wie es sich wohl anfühlte, ihren Körper in der Öffentlichkeit zu präsentieren, begehrliche Blicke von schönen Männern und sogar Frauen auf sich zu ziehen. Nun hatte sie die Gelegenheit dazu und zitterte wie ein neugeborenes Fohlen. Auf hölzernen Beinen stakste sie aus dem hellen Umkleideraum und versuchte, das Selbstvertrauen auszustrahlen, das sie nicht spürte. Versuchte, ihren Schritten einen selbstbewussten Schwung zu verleihen. Die souveräne und verführerische Frau zu sein, die auf ihre Umgebung Eindruck machen wollte. Und nicht das unscheinbare kleine Mädchen aus der Provinz, das noch nie einen Fuß in eine Junggesellenbude gesetzt hatte und das noch immer nicht genau verstand, was mit der Stellung »69« gemeint war.

Die stand allerdings bereits auf ihrer To-do-Liste. Alles zu seiner Zeit.

Melanie führte sie durch den bogenförmigen Gang zur hinteren Trainingshalle, die Gen während ihrer Einführung vor zwei Tagen kurz besichtigt hatte. Drinnen empfingen sie reges Geplauder und helle Scheinwerfer, schwungvolle Frisuren und pralle Bizepse. Die unverkleidete Decke erstreckte sich unendlich hoch über ihr, der graue Schieferboden wirkte futuristisch und modern. Holt Body Fitness war jetzt schon der coolste Ort, an dem sie jemals gearbeitet hatte. Ganz zu schweigen davon, dass es der einzige Ort war, an dem sie jemals gearbeitet hatte.

Die gesamte Belegschaft war hier versammelt, in unterschiedlichen Vorbereitungsstufen. Seitlich am Rand standen ein paar Schminktische mit glänzenden Spiegeln, umrahmt von runden Glühbirnen, wo Stylisten Frisuren und Make-up perfektionierten. Melanie ging voran zu dem leeren Stuhl am dritten Tisch.

»Iliana wird sich gleich um dich kümmern«, sagte sie, aber Gen konnte ihre Beine nicht bewegen, um ihr zu folgen. Melanie sah über ihre Schulter zurück, und ihre perfekt geformten Augenbrauen bildeten eine gerade Linie. »Kommst du?«

»Ich hab was vergessen«, sagte sie und ging langsam rückwärts. Sie hatte ein formloses Gewand vergessen, um ihren Körper zu bedecken oder vielleicht ihre Würde, wie ihr Vater angedeutet hatte, als sie zum ersten Mal ihre Idee äußerte, auszuziehen und ein Jahr lang die Welt zu erkunden. Ihre ganze Familie hatte reagiert, als hätte sie vorgeschlagen, sich ihren kleinen Finger abzuschneiden und zum Abendessen zu braten. Abigail, ihre älteste Schwester, war sogar in Tränen ausgebrochen.

Gen stieß rückwärts gegen etwas Warmes und Festes. Ein tiefes Lachen erklang. Sie schnappte nach Luft und fuhr herum. Vor ihr stand Travis Holt, der Initiator dieser Gruppenorgie. Er drückte ihre Schulter und lächelte sie an. »Die Party findet dort drüben statt, Gen.«

Er ging weiter, und sein muskulöser Rücken war eine Karte zu einer Welt, von deren Existenz Gen nichts geahnt hatte. Sie starrte ihm nach, genau wie sie das an ihrem ersten Tag, als er sie einarbeitete, die ganze Zeit getan hatte. Dieser Mann verströmte Selbstbewusstsein und Erfolg, und das lag nicht nur an dem stylishen Gebäude, das sie umgab. Er stand für die mühsam errungenen Geheimnisse des Lebens. Die Art von Geheimnis, hinter die sie unbedingt kommen wollte.

Nachdem sie so viele Jahre in einer kleinen gottesfürchtigen Blase eingesperrt gewesen war, wurde es höchste Zeit.

Sie straffte sich und kehrte zu Melanie zurück. »Egal. Ist nicht so wichtig. Ich bin bereit.«

Melanie klopfte auf die Rückenlehne des Frisierstuhls vor dem Spiegel, und Gen ließ sich daraufgleiten, ihre Schenkel begrüßten freudig das kühle Leder. Sie senkte ihren Blick auf die Hotpants, in die sie sich hineingezwängt hatte, aus einem Stoff, der so dünn und dehnbar war, dass er praktisch nichts verhüllte. Ihre Beine schimmerten weiß in der hellen Beleuchtung, die die lange, gezackte Narbe an ihrem Knie hervorhob. Sie zog ihre Shorts am Bund hoch, aber es nutzte nichts. Zwischen ihrem Bauchnabel und dem Stretchstoff klaffte mindestens eine ganze Meile. Die Haut an ihrem Bauch warf Falten, als sie tiefer in den Ledersitz sank.

»Wow. Was für eine tolle Mähne.« Jemand kämmte mit den Fingern durch ihre Haare. Ihr Blick schnellte hoch zum Spiegel. Eine blonde Frau mit einer stufigen Bobfrisur hob kastanienbraune Strähnen in die Luft, wie um sie auf Reinheit zu prüfen.

»Danke.« Gen schob ihre Hände unter ihre Oberschenkel und krümmte ihren Rücken, straffte ihn jedoch sofort wieder, als sie sah, wie prall ihr Busen hervorquoll unter dem Brustgurt von einem Oberteil, den sie trug. Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Sie hatte nicht geahnt, dass es so schwierig sein würde, sich in die übrige Welt einzufügen. Sie war nicht nur neu hier, sie war eine vollkommen andere Spezies, die sich bemühte, auf einem Planeten zurechtzukommen, der einzig darauf ausgerichtet war einzuschüchtern.

Sie hätte sich jede beliebige Branche aussuchen können, um ihre einjährige Expedition zu beginnen. Warum musste es ausgerechnet mitten unter den schönsten und selbstsichersten Menschen sein, die sie jemals gesehen hatte?

»Ich bin Jas«, sagte die blonde Frau hinter ihr, als würde sie auf dem Markt beiläufig eine Obstsorte benennen. »Irgendwelche speziellen Vorstellungen, wie du deine Haare haben willst?«

Gen sah blinzelnd in den Spiegel und suchte gedanklich nach einer Alternative zu ihrer Nullachtfünfzehn-Frisur: offen, das Deckhaar mit einem peinlichen Scrunchie in Neonblau zurückgebunden. »Uh, so wie du denkst. Ich vertraue dir.« Sie schluckte hart. »Und ich bin Gen.«

»Jas und Gen. Das passt doch.« Jas’ Stimme klang fast monoton. Gen konnte nicht sagen, ob sie durch ihre Haare abgelenkt war oder ob das Ironie war oder vielleicht sogar ein Scherz auf ihre Kosten, den sie nicht verstand.

Sie richtete ihren Blick auf das faszinierende Hintergrundtreiben im Spiegel. Männer mit nacktem, durchtrainiertem Oberkörper, die sich gut in dem Liebesroman machen würden, den ihr Vater einmal in seiner Predigt verbrannt hatte. Frauen mit knackigen Pobacken, die aus Hotpants hervorschauten. Praktisch das Set für einen Softporno. Gen hatte letzte Woche zum ersten Mal einen gesehen, darum wusste sie Bescheid.

Es war schwer zu sagen, welcher Mann am heißesten war. Es war außerdem schwer, sie nicht alle anzustarren.

Zum Beispiel den dort. Die nächste muskulöse, Louvre-würdige Skulptur von einem Mann kam in ihre Richtung, mit einem Hals, so dick wie ein Baumstamm, und vielen Tätowierungen, die auf seiner rechten Körperseite einen Pfad bildeten, der sich über seine Brust bis zu seiner Schulter hochwand. Unter seinem linken Schlüsselbein prangte in fetten Großbuchstaben das Wort COBRA. Er hatte kurzes pechschwarzes Haar, das perfekt mit Gel gestylt war. Als er näher kam, wurde ihr bewusst, dass sie ihn noch nicht kennengelernt hatte. Sie würde sich sonst an ihn erinnern. Sie hätte für nichts anderes mehr Augen gehabt.

Er blieb ein paar Meter hinter ihr stehen. Seine Augen erinnerten an geschmolzene Schokolade.

Seine Augen.

Die direkt auf sie gerichtet waren.

Sie senkte ihren Blick rasch auf den Frisiertisch. Ein paar Sekunden hielt sie durch, bevor ihre Neugier siegte. Sie nahm Jas, die an ihren Haaren zupfte, nur entfernt wahr, als sie sah, dass Mr. Louvre, die Hände in die Hüften gestemmt, immer noch dastand und sie beobachtete wie eine Katze ihre Beute.

O ja. Das war er.

Der Heißeste von allen.

Er war unanständig heiß. Seine Lippen verzogen sich zu einem unerlaubt verführerischen Lächeln. Dunkle Schatten unter seinen Augen lösten Fragen und gleichzeitig Schnappatmung aus. Gens Pussy pulsierte vor jahrelangem unerfülltem Verlangen. Dieser Mann verkörperte alles, was sie an Männern, rein optisch, anziehend fand.

Im Gegensatz zu den würdigen Kandidaten in ihrer Gemeinde, die gestärkte Hemden und Khakihosen trugen und mit donnernder Stimme den Herrn priesen, erweckte dieser Mann hier irgendetwas tief in ihrem Innern zum Leben. Etwas Ursprüngliches. Angeborenes. Etwas seit Anbeginn der Zeit, der, wie sie vor Kurzem beschlossen hatte, nicht sechstausend Jahre zurücklag. Als hätte ihr Körper nur darauf gewartet, dass dieser Mann ihren Weg kreuzte.

»Hast du schon mal über einen Ombre nachgedacht?«, fragte Jas unvermittelt.

»Ich weiß nicht, was das ist«, brachte sie in einem trockenen Flüstern heraus. Sie sog ein letztes Mal Mr. Unwiderstehlich und die Art, wie er sie beobachtete, in sich auf. Als hätte er in seiner Vorstellung bereits begonnen, sie bei lebendigem Leib zu verschlingen. Sie löste widerwillig ihren Blick von ihm. Eine von Jas’ aufgemalten braunen Brauen war hochgezogen. Sehr hoch.

»Ernsthaft?« Jas toupierte mit kräftiger Hand das Deckhaar an Gens Hinterkopf. »Ein Ombre ist ein Farbeffekt, bei dem der Ansatz dunkel bleibt und die Haare ungefähr ab der Hälfte immer heller werden …« Sie zeigte mit der Hand die Höhe an Gens Kopf an. »Bis runter zu den Spitzen. Sieht supersüß aus.«

Gen nickte und leckte sich über die Lippen, während ihr Blick wieder zu dem Traummann im Spiegelhintergrund glitt. Er stand da, die Arme vor der Brust verschränkt, und unterhielt sich mit einem Trainer – als wären sie die Könige der Welt. »Sicher. Ja. Lass uns das machen.«

Jas schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Doch nicht jetzt. Ich mache heute nur Schnellstyling. Aber ein Ombre mit blondierten Spitzen würde dir definitiv super stehen.«

Gen verstand die Worte nicht richtig, aber sie merkte sie sich trotzdem für später. Der Ombre würde auch auf ihre Liste kommen. War das nicht spanisch für »Mann«? Falls ja, so stand einer ohnehin schon auf der Liste.

Vielleicht könnte es genau dieser Traummann hinter ihr sein.

»Danke«, sagte sie, aber sie war sich nicht sicher, ob es das Wort über ihre Lippen schaffte. Der Inbegriff von körperlicher Perfektion wandte sich nun nämlich direkt in ihre Richtung und kam auf sie zu, seine schmalen Hüften von Trainingsshorts umspannt, die enger als nötig waren und unter denen sich eine beachtliche Beule abzeichnete. Seine muskulösen Oberschenkel wirkten hart wie Granit und hatten die Farbe von frisch aufgeschäumter Milch. Er war in Verführung gehüllter Alabaster. Gleich darauf blieb er neben ihr stehen und stützte sich mit seiner Hand auf die Tischkante. Sein Spiegelbild kam ihr vor wie eine Illusion oder etwas aus einem Fiebertraum.

»Also, würdest du mich nach links oder nach rechts wischen? Sei ehrlich.«

Seine Stimme ging durch sie hindurch wie Finger, die durch Haare kämmten. Bloß dass Jas gerade so schmerzhaft an ihren Haaren zerrte, dass ihre Kopfhaut aufschrie. Sie schenkte dem schönen Besucher ein eigenartiges Lächeln. Und plötzlich überfiel Gen Panik, traf sie wie eine Wand aus Wasser von einer perfekt ausgeführten Arschbombe.

Was meinte er mit »nach links oder nach rechts wischen«?

»Du …«, begann sie. … sprichst mit mir?, vervollständigte sie in ihrem Kopf.

Jas stieß ein Räuspern aus. »Auf deinem Handy, Süße.«

»Ich, äh … Ich weiß nicht, was du meinst.«

Beide, sowohl Jas als auch Mr. Perfect, starrten sie im Spiegel an, mit verdutzten Gesichtern. Gens Magen sackte herunter.

»Ich meine, auf Tinder«, sagte der schöne Unbekannte und stieß sich vom Frisiertisch ab, um sich zu ihr zu drehen, als würde seine Erklärung irgendwie weiterhelfen.

»Ich habe ein Klapphandy«, erwiderte Gen.

Jas prustete.

»Scheiße«, sagte er. In Gens Ohren klang es wie göttlicher Wohlklang. Etwas Seidenes und Raues zugleich lag in diesem einen Wort. »Verdammt oldschool.«

Er befeuchtete seine Unterlippe und ließ seinen Blick langsam über ihren Körper wandern, als würde er jede einzelne Zelle von ihr genau unter die Lupe nehmen. Sie welkte in ihrem Sitz, gelähmt von einer Unentschlossenheit irgendwo zwischen »Ich liebe dich« und »Ich muss sofort gehen«.

»Ich kann grundsätzlich jede Zahl von null bis neun eingeben.« Sie spürte, dass ihre Wangen heiß wurden, aber sie musste versuchen, sich zu retten.

Er summte anerkennend, und sein schiefes Lächeln beschleunigte ihren Atem. »Zum Beispiel eine Telefonnummer?«

In diesem Moment ertönte von der anderen Seite der Halle eine schroffe Stimme: »Cobra!«

Der Traummann starrte mit schmalen Augen über Gens Kopf hinweg, dann nickte er jemandem zu. Sein Blick glitt zurück zu ihr. »Das bin ich.«

Sie öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, aber es kam nichts heraus.

Cobra eilte davon und ließ sie atemlos zurück. Sie beobachtete im Spiegel, wie er sich entfernte, und ihr Blick heftete sich auf die beiden Kobra-Tattoos, die sich von seinen Schulterblättern seitlich über seinen Rücken schlängelten. Dieser Mann hatte ein Thema. Jas beugte sich vor. »Du hast schon kapiert, dass das ein Anmachversuch war, oder?«

Gen stöhnte und schloss die Augen, während Jas sie zum Schluss in einen Nebel aus Haarspray hüllte. Als die Luft sich wieder klärte, betrachtete Gen stirnrunzelnd ihr Spiegelbild.

»Er ist total heiß«, murmelte sie. »Ich konnte nicht klar denken.«

»Das ist das Problem an diesem Ort hier«, sagte Jas und griff nach einer weiteren Haarklammer. »Zu viele perfekte Exemplare.«

»Du meinst, hier im Gym?«

»In ganz Südkalifornien, Süße.« Jas drückte die letzte Haarklammer an ihren Platz, um die Frisur zu sichern, und trat dann einen Schritt zurück. »Du bist neu hier, richtig?«

Gen schnaubte. Neu war zu schwach ausgedrückt. Sie war irgendwas anderes. »Sozusagen.«

»Was denkst du?« Jas deutete mit ihrem Kinn auf Gens Kopf. Aus Gens dicken und normalerweise langweiligen kastanienbraunen Haaren hatte sie eine herrliche, kunstvolle, Oscar-würdige Frisur gezaubert. Nicht dass Gen jemals die Oscar-Verleihung gesehen hätte, aber hier in L. A. sprach natürlich jede und jeder darüber. Eine elegante Locke hing neben ihrem Gesicht, während ihr Deckhaar auftoupiert war und der Rest in einem langen, spiralförmigen Zopf gipfelte, der über ihrer Schulter lag. Work-out-Eleganz oder so was Ähnliches.

»Das sieht toll aus«, sagte Gen und betastete das eigenartige Muster des Zopfs. »Kannst du mir nicht jeden Tag die Haare machen?«

Jas lachte und drückte Gens Schulter, dann scheuchte sie sie hoch. »Das kannst du dir nicht leisten, Süße.«

Gen stemmte sich aus ihrem Stuhl, und die Unterseiten ihrer Oberschenkel sogen das Leder ein Stück mit. »Soll ich dir Trinkgeld geben, oder …?«

Jas winkte ab. »Geh einfach rüber und stell dich vor die Kamera, Schatz. Und besorg dir die Nummer von diesem Typen, okay?«

Gen nickte und schaute zu dem mobilen Fotoatelier, das auf einer Seite aufgebaut worden war. Die Nummer von einem Mann besorgen. Das stand auch auf ihrer Liste. Und verdammt, darum ging es doch bei dieser Heimatflucht.

Um die Abarbeitung der Liste, koste es, was es wolle.

Es gab drei verschiedene Hintergrundkulissen in gedämpften Farben zwischen Cremeweiß und Grau sowie einen Fotografen mit einem bleistiftdünnen Oberlippenbart, der Anweisungen bellte. Gen überprüfte ihre Brüste – sie waren noch bedeckt, größtenteils.

Auf der anderen Seite der Halle stand Cobra und unterhielt sich mit Travis und ein paar Leuten aus dem Team, die ihr vorgestellt worden waren. Aber ihre Namen? Gen konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Sie sollten alle Namensschilder tragen, aber wo sollten sie sie befestigen? An ihren Brustwarzen?

»Genevieve.« Amara kam auf sie zugeschlendert, ihre karamellbraune Haut glänzte, als wäre sie mit Vaseline eingerieben worden. Endlich ein vertrautes Gesicht. Gens erste Bekanntschaft ohne Heimatbezug, die sie in L. A. gemacht hatte. Sie hatte Amara kennengelernt, als sie sich auf eine Stelle in einem Frauenhaus bewarb, einer von vielen Aushilfsjobs, die sie nicht bekommen hatte. Aber beim Vorstellungsgespräch hatten Amara und sie sich auf Anhieb so gut verstanden, dass Amara ihr helfen wollte, etwas anderes zu finden.

Und hier war sie nun.

Halb nackt und sich im Kreis drehend.

»Wo muss ich jetzt hin?« Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, um ihre entblößte Haut etwas zu bedecken.

»Zuerst kommen die Gruppenfotos, dann die Einzelporträts«, erklärte Amara.

»Oh.« Gen wollte gerade mit ihrer Hand durch ihre Haare streifen, als ihr noch rechtzeitig das Kunstwerk auf ihrem Kopf einfiel. »Ich habe gehofft, du würdest mich in die Umkleide schicken, damit ich mir etwas überziehen kann.«

Amaras Lachen perlte durch sie hindurch. »Du spielst wohl nicht gerne Verkleiden?«

»Das ist kein Verkleiden. Das ist Entkleiden.«

Amara tätschelte ihren Arm. »Aber du wolltest dich doch aus deiner Komfortzone herauswagen.«

»Tja, das hab ich nun wohl.« Sie holte tief Luft und ließ ihren Blick erneut durch die Halle kreisen. Das Licht war irgendwie heller geworden, seit sie vom Frisiertisch aufgestanden war. Haare und Make-up luden dazu ein, ganz genau hinzuschauen, hier in diesem Raum, in dem es von unentdeckten Models nur so wimmelte. »Fünf Millionen Meilen weit außerhalb meiner Komfortzone.«

»Du siehst phantastisch aus. Ehrenwort.« Amara drückte ihren Arm. »Und vergiss nicht … es ist für einen guten Zweck!«

Gen nickte und straffte ihren Rücken. Das zumindest war ein erfreulicher Nebeneffekt ihrer schamlosen Nabelschau. Sämtliche Erlöse aus dem Verkauf dieses erotischen Kalenders gingen direkt an verschiedene gemeinnützige Einrichtungen in der Stadt.

Der Softporno-Regisseur mit dem dünnen Oberlippenbart beugte sich zurück, legte seine Hand seitlich an den Mund und rief: »Jetzt das Gruppenbild!«

Gen ging zu ihm hinüber, bevor sie es sich anders überlegen konnte, ihr Blick auf Cobra geheftet, während sie im Geiste die wichtigsten neuen Punkte auf ihrer Liste wiederholte.

Die Nummer von einem Mann klarmachen. Einen Ombre klarmachen. Diesen hombre klarmachen.

KAPITEL 2

Die gehört mir.

Cobra befeuchtete seine Unterlippe und stemmte seine Hände in die Hüften. Er konnte – und wollte – nicht seinen Blick von diesem Prachtweib losreißen. Er war schon lange genug bei Holt Body Fitness, um fast alle Berühmtheiten gesehen zu haben, aber irgendwie war ihm der echte Star entgangen.

Das schüchterne Reh, das ein Klapphandy benutzte. Das war auch schon alles, was er über sie wusste, abgesehen von dem Umstand, dass sie einen Körper hatte, für den er morden würde, um ihn berühren zu dürfen. Sie kam auf die versammelte Mannschaft zu, und ihre vollen Brüste wippten unter diesem skandalös winzigen Schlauchtop. Der Anblick ihrer Sanduhrfigur war zu viel für ihn in seinen hautengen Fotoshooting-Shorts. Außer er wollte mit einem Ständer abgelichtet werden.

»Cobra. Hier rüber.« Travis zeigte auf einen Platz in der hinteren Reihe der Gruppenaufstellung. Seit etwas über zwei Monaten arbeitete Cobra nun für Travis. Nachdem Lex sich von seiner schweren Stichverletzung einigermaßen erholt hatte, hatte er sein Versprechen eingelöst und Cobra im Gym untergebracht. Und obwohl Cobra das Gefühl hatte, dass Travis irgendwann so etwas wie ein Freund sein könnte, verhielt er sich erst einmal vorsichtig.

Es lag nicht in seiner Natur, auf Autoritätspersonen zu hören. Pünktlich zur Arbeit zu erscheinen, sich länger als ein paar Wochen zu bemühen – dieses Verhalten war ihm so fremd wie der vietnamesische Imbiss in der Nähe seiner Wohnung. Ein Ort, den er erst gar nicht betreten wollte, selbst dann nicht, wenn er am Ende Gefallen daran fände.

»Stellt diesen Kerl an meine Seite.« Lex schlang seinen Arm um Cobras Hals und nahm ihn auf eine freundschaftliche Art in den Schwitzkasten. Cobra musste lachen. Lex war definitiv ein Freund. Wenn man einem Mann das Leben rettete, machte einen das wohl automatisch zu Freunden. Außerdem verstand Lex ihn auf eine Art, die er nicht einmal selbst in Worte fassen konnte.

Es fühlte sich an, als wären sie Brüder … aber so einen sentimentalen Mist würde Cobra niemals laut sagen.

Seit jener Nacht, in der er Lex nach dessen Niederlage in einem illegalen Boxkampf das Leben gerettet hatte, indem er den Notarzt rief und die Sanitäter zu dem Schwerverletzten führte, bevor dieser auf dem Zementboden verblutete, hatte sein Leben richtig Fahrt aufgenommen. Ein echtes Jobangebot. Eine Vollzeitstelle. Aufstiegsmöglichkeiten. Ein regelmäßiges Gehalt.

Der letzte Punkt änderte alles. Er brauchte sich nun nicht mehr mit anderen zu prügeln. Zumindest nicht in den heruntergekommenen Seitenstraßen von Koreatown, um sich etwas dazuzuverdienen wie früher.

»Du willst mich ja nur in deiner Nähe haben für den Fall, dass jemand versucht, dir an den Kragen zu gehen«, spottete Cobra und wand sich halb aus dem Schwitzkasten, um Lex huckepack zu nehmen. Lex jaulte auf und boxte mit seiner freien Hand in Cobras Rippen.

»Vorsicht mit meinem Körper-Make-up, Hulk. Ich seh so was von geil aus. Wehe, du verschmierst meinen Sexappeal!«

Cobra schubste ihn zur Seite und nahm den Platz ein, den Travis ihm zugewiesen hatte. Dabei fiel sein Blick auf die gezackte Narbe unter der Körperschminke auf Lex’ Bauch. Sie diente als eine stumme Erinnerung an jene krasse Nacht, als sich ihrer beider Leben für immer verändert hatte.

Und dann, als wäre er von einer Macht geleitet, die größer war als er, fand sein Blick das schüchterne Reh.

Ihre smaragdgrünen Augen wirkten neugierig, wie bei einem Kätzchen, das unbedingt mit dem Löwen spielen wollte. Er hielt ihren Blick fest, bis sie wegschaute. Die Spitze ihres Haarzopfes zuckte über ihre cremeweiße Schulter.

Sein Schwanz zuckte auch. Ein Warnsignal. Schon beim ersten Blick auf dieses Mädchen hatte Cobra eine Liste von hundert Dingen erstellt, die er mit ihr machen wollte. Wenn sie hier arbeitete, war sie bestimmt der Typ, der sich bereitwillig darauf einließ. Travis hatte ein klares Verbot von Beziehungen jeglicher Art ausgesprochen. Obwohl es sich in erster Linie auf den Umgang mit Kunden bezog, vermutete Cobra, dass es sich auch auf die Kolleginnen erstreckte.

Für ihn war das okay. Er wollte nur eine einmalige Ausnahme von der Regel machen. Niemand brauchte davon zu erfahren. Niemand außer ihm und dem schüchternen Reh.

Die Schüchternen waren immer die Wildesten. Seine Oberschenkel spannten sich, als sein Reh sich einen Weg durch das allgemeine Getümmel in seine Richtung bahnte. Sie positionierte sich in der Reihe vor ihm, einen Platz weiter rechts als er. Er zog kurz an ihrer Zopfspitze. Sie keuchte auf und fuhr zu ihm herum. Ihre Überraschung war echt, was ihn zum Schmunzeln brachte.

»Warum tust du das?«, zischte sie mit glühenden Wangen.

Er dachte, das wäre offensichtlich. Weil du höllisch scharf bist. »Für die Aufnahmen. Dein Zopf war verrutscht.«

Sie schenkte ihm einen skeptischen Blick. »Bist du auch ein Haarstylist?«

Der Fotograf forderte in schroffem Ton allgemeine Aufmerksamkeit, und sie drehte sich wieder nach vorn. Cobra grinste sich durch eine Serie von Gruppenporträts. Seit er bei Holt Body Fitness arbeitete, hatte er zu viel um die Ohren, um sich um all seine körperlichen Bedürfnisse zu kümmern. Und diese scharfe Braut vor ihm erinnerte ihn an ein ganz besonders großes, ernstes, pulsierendes Bedürfnis, das er zu lange ignoriert hatte.

Shit, er verdiente es, da er sich neuerdings so erwachsen verhielt. Mit fünfundzwanzig hatte er es letzten Monat zum ersten Mal geschafft, seine Miete pünktlich zu bezahlen. Das erste Mal in seinem ganzen Leben.

Aber er war schlau genug, um zu wissen, dass dieser Zustand nicht von Dauer sein würde. Nicht wie für andere Leute, die nicht aus seiner Welt kamen. Also konnte er genauso gut das Beste daraus machen und auf dieser Welle reiten, bis sie zu einem enttäuschenden Plätschern auslief.

Die Kamera klickte, während der Fotograf ihnen immer neue Anweisungen gab. »Und nun stellt euch alle vor, ihr würdet zur Premiere des neuen Jolie-Films über den roten Teppich schreiten. Gebt mir stoisch-sinnliche Gesichter. Denkt an Parfümwerbung in der Vogue. Die Rothaarige mit dem Zopf: Kinn runter. Tiefer. Tiefer. Komm schon, Schätzchen, ich weiß, du kannst das.«

Gemeint war sein schüchternes Reh.

Cobra lächelte während der restlichen Aufnahmen und driftete gedanklich in wilde Phantasien ab. Wie er die scharfe Neue in diesen Hotpants über die Seitenlehne einer Couch beugte. Wie er jeden Zentimeter dieser porzellanweißen Oberschenkel von hinten erkundete. Vielleicht konnte er sie überreden, heute Abend mit ihm was trinken zu gehen. Und ihn danach mit zu sich zu nehmen. Denn er nahm nie Frauen mit in seine Wohnung. Eine persönliche Regel. Niemand sollte sehen, wo er wohnte. Niemand.

Die Gruppenbilder waren im Kasten. Bevor Cobra sich das schüchterne Reh schnappen konnte, ergriff sie die Flucht. Verdammt. Seine Oberschenkel zuckten von dem Bedürfnis, ihr hinterherzujagen, aber Amara fing sie am Ausgang ab. Die beiden unterhielten sich, und Amara legte ihren Arm um die Schulter seines Rehs.

Auf seiner eigenen Schulter landete eine kräftige Hand. Sie gehörte Travis und war im Begriff, sein Schultergelenk zu Brei zu zerquetschen. Der Kerl hatte offenbar eine Schwäche dafür, mit freundschaftlichen Klapsen und Klammergriffen die Kraft seiner Angestellten zu testen. »Du bist dran.«

»Für was?«

»Für die Einzelaufnahmen. Die Neuen zuerst, danach könnt ihr für heute Schluss machen.« Er deutete mit dem Kopf auf eine Kulisse, wo der Fotograf stand, seine Kamera launisch in die Hüfte gestemmt. »Abgesehen von dem Treffen heute Abend natürlich. Wir sehen uns doch dort?«

Das Treffen. Halb Kennenlernparty, halb Kalenderfeier, hatte Travis in ihrem Personalmeeting Anfang der Woche erklärt. Im Grunde ein Vorwand, um sich mit den Kollegen und Kolleginnen zu besaufen. Zuerst hatte Cobra die Idee abgelehnt; die meisten Leute aus dem Team lagen ihm nicht wirklich. Zu viele auf Hochglanz polierte Gute-Laune-Menschen, die wahrscheinlich all die Chancen hatten, von denen er nicht einmal träumen konnte. Aber jetzt, da das schüchterne Reh auf der Bildfläche erschienen war …

»Kommt sie?« Er deutete mit dem Kopf auf die Neue.

Travis drehte sich um und folgte seinem Blick. Ein bedächtiges Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus. »Das kannst du selbst rausfinden.« Er wölbte seine Hände um seinen Mund. »Hey, Gen! Du bist dran!«

Zu Cobra sagte er: »Sie ist dein Co-Modell.« Er drückte wieder Cobras Schulter, was ihn das Gesicht verziehen ließ, dann schlenderte er davon.

Gen. Reh gefiel ihm besser. Sie bewegte sich in seine Richtung, mit einem Gesicht, als hätte sie im Umkleideraum einen stinkenden Kadaver entdeckt.

»Keine Angst«, sagte er, als sie in Hörweite kam. Er reckte seine Brust vor, ließ seine Bauchmuskeln spielen und seinen Bizeps hervortreten. »Ich beiße nicht. Außer du willst von mir gebissen werden.«

Sie sah ihn blinzelnd an, und ihr Mund stand offen, als hätte Gott höchstpersönlich zu ihr gesprochen. Als sie nicht antwortete, kniff er sie in die Taille. Sie schnappte so scharf nach Luft, dass es ihn praktisch in zwei Hälften zerschnitt.

»Lass mich bloß nicht hängen«, sagte er, aber sie schwieg beharrlich bei jedem seiner Anmachsprüche. Fuck.

»Macht schon. Nehmt eure Position ein.« Der Fotograf schnippte mit den Fingern. Seine Assistentin, die gelangweilt und unterernährt wirkte, kam auf sie zugeschlurft. Sie brachte beide in Position, drapierte Cobras Arm über Gens Schulter.

»Und jetzt bitte so schauen, als wärt ihr gerne hier«, sagte der Fotograf und hob die Kamera vor sein Gesicht. Der Geruch von Beeren drang Cobra in die Nase. Er drückte seine Lippen seitlich an Gens Kopf, während der Auslöser klickte.

Gen versteifte sich neben ihm, aber sie neigte ihren Kopf zur Seite und bot ihm ein herrliches Stück Haut. Er starrte grinsend auf ihren Hals und überlegte, ob er reinbeißen sollte.

»Genau so. Als wärst du der hungrigste Mann auf diesem Planeten, und sie wäre eine besondere Käseplatte«, murmelte der Fotograf und schlich mit der Kamera um sie herum. Gen stieß ein Prusten aus. Cobra ließ seinen Arm von ihrer Schulter zu ihrer Taille gleiten und streifte mit seinen Fingerspitzen über diese cremefarbene Haut.

»Ich kann es nicht glauben«, murmelte sie, so leise, dass er dachte, er hätte es sich eingebildet. Dieses verführerische Schnurren würde später auf eine hübsche Art Einzug in seine Phantasien halten.

»Und jetzt heb sie hoch«, befahl der Fotograf mit einem Fingerschnipsen. Cobra ließ sich das kein zweites Mal sagen.

»Bereit?«, fragte er Gen, zum Teil aus Höflichkeit, als er ihren erschrockenen Blick sah.

Sie bewegte ihren Kopf auf eine Art, die weder Ja noch Nein ausdrückte. Seine Hand glitt mühelos in die Vertiefung ihrer Taille. Er konnte nicht verhindern, dass ihm ein leises Brummen entwich. Sie bestand nur aus Samt und Kurven. Sein Arm passte locker um ihre schmale Taille.

Als er sie hochhob, keuchte sie auf.

Und dann … pfffut.

Jau. Das war ein Furz.

»O mein Gott«, stöhnte sie und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen.

Der Fotograf grinste, sein dünnes Bärtchen bog sich aufwärts zu einem liegenden C. »Schaut in die Kamera.«

Cobra verkniff sich ein Lachen. Ein unbeabsichtigter Furz tat niemandem weh. Trotz aller Anstrengungen musste er dann doch lachen. Als er Gen wieder absetzte, stöhnte sie in ihre Hände.

»Ich muss gehen.«

Und schon stürmte sie davon. Lief in Richtung Ausgang wie ein Waschbär, der an der Mülltonne erwischt worden war. Cobra sah ihr mit offenem Mund nach, dann richtete er seinen Blick auf den Fotografen.

»Tja, das war’s dann wohl«, sagte dieser. »Ich weiß nicht, was da gerade passiert ist, aber das Ergebnis dürfte interessant sein.«

Er scheuchte Cobra davon, der sich in Richtung Tür wandte, durch die Gen verschwunden war. Jede Faser seines Körpers drängte ihn, dieser unbeholfenen Elfe zu folgen, wohin auch immer sie davongeflattert war … Aber er hatte sie offensichtlich völlig falsch eingeschätzt.

Irgendwie tickte sie nicht richtig.

Also warum ließ sie ihm keine Ruhe?

Er trieb sich noch für eine Weile im Gym herum, während die Fotosession weiterlief. Strahlend schöne Gesichter lenkten ihn vorübergehend ab, genau wie die perfekten Körper, die keine Korrekturen oder Photoshop benötigten.

Die Leute hier sahen alle aus, als würden sie direkt vom Set einer kalifornischen Erfolgsserie kommen.

Aber je länger er ohne Ziel und Zweck zwischen ihnen herumlungerte, umso stärker wurde ihm die Wahrheit bewusst. Das hier war nicht seine Welt. Das hier waren nicht seine Leute. Niemand hier brauchte ihn oder scherte sich einen Dreck um ihn. Er checkte sein Handy – fast siebzehn Uhr. Zeit, nach Hause zu gehen. Oder irgendwohin. Die After-Party kam ihm in den Sinn, erinnerte ihn an seine Entscheidung.

Noch vor wenigen Jahren hätte er sich ums Verrecken nicht mit so einem Volk abgegeben.

Aber vielleicht gehörte das zu dem neuen Cobra. Nein, Quatsch – nicht neu. Nur ein kleines bisschen stabiler. Der Cobra, der diesen Monat tatsächlich fünfzig Dollar übrig hatte, um … was auch immer damit zu tun.

Seine Mitbewohner waren neidisch auf ihn. Nannten ihn einen Streber. Als würde es die Scheiße in seinem bisherigen Leben zunichtemachen, wenn er sich ausnahmsweise einmal Lebensmittel leisten konnte.

Er durchstreifte die Flure des Gyms. Noch immer fühlte sich der ganze Ort seltsam an, wie ein verlängerter Traum, aus dem er erst noch aufwachen musste. Es stank nicht nach Pisse. Wenn Patrick, sein Stiefvater, noch hier wäre, würde er aus dem Staunen nicht herauskommen. Genau zu so etwas hatte er ihn immer motiviert.

Seine Mutter hingegen hatte es nie interessiert. Sie war noch am Leben und würde ihn wegen seines neuen Jobs wahrscheinlich auslachen. Gerätepfleger im Fitnesscenter? Warum suchst du dir nicht einen richtigen Job? Er konnte ihre Stimme förmlich hören, als würde sie direkt vor ihm stehen und so laut keifen, dass ihre Spucke flog, obwohl das Miststück seit über zehn Jahren hinter Gittern saß.

Wahrscheinlich würde er es niemals schaffen, über ihre Beschimpfungen und Beleidigungen hinwegzukommen. Über ihr Talent, ihn schneller runterzuziehen als jeder andere.

Er verschwand im Umkleideraum und tauschte seine kurze, enge Hose gegen weite schwarze Surfer-Bermudas. Dann wischte er so viel wie möglich von der Körperfarbe ab und schlüpfte in sein schwarzes T-Shirt. Seine Haare würde er vorerst so lassen. Denn irgendwo zwischen dem Fotoshooting und der Umkleidekabine hatte er einen Entschluss gefasst.

Er würde zu dieser verdammten After-Party gehen. Schließlich war das der Sinn und Zweck dieses neuen Jobs. Um mal was anderes anzutesten. Um alles Mögliche auszuprobieren.

Er würde dann schon sehen, ob es nach seinem Geschmack war oder nicht.

KAPITEL 3

Cobra hielt sich an seinem zweiten Bier fest. Alle anderen um ihn herum waren bei ihrem vierten oder fünften Shot angelangt, aber er wollte heute Abend nicht auf diese Art feiern.

Das hier war nicht seine Gegend, und es waren nicht seine Leute. Er musste einen kühlen Kopf bewahren für den Fall, dass irgendwas schieflief.

Seine bescheuerten Kollegen und Kolleginnen verhielten sich, als wären sie noch nie betrunken gewesen. Oder vielleicht traf das auch nur auf die Neue zu. Ihr schrilles Kichern hallte über die ganze Theke. Er hatte sich einen Platz in ihrer Nähe gesucht, ohne ihr direkt auf die Pelle zu rücken.

Sie war wie ein Magnet, dabei legte sie es gar nicht darauf an. Das verwirrte ihn. Sie wirkte wie aus einer anderen Welt. Im Prinzip brauchte sie einen Dolmetscher.

Lex näherte sich von hinten und packte Cobra im Nacken. Als er den Mund aufmachte, roch Cobra eine Whiskyfahne. »Amüsierst du dich?«

»Ja, Mann.« Cobra schüttelte Lex’ Hand ab. Zwei Plätze weiter prustete Gen laut und schlug mit ihrer flachen Hand auf die Theke. Ihr Lachen war ansteckend. Vielleicht war das der Grund, warum er seinen Blick nicht von ihr abwenden konnte.

»Okay. Wollte nur sichergehen.«

Cobra musterte das Kondenswasser auf seiner Bierflasche. »Ich wär fast nicht gekommen.«

»Warum?«

Cobra zuckte mit den Achseln. Lex war der Einzige, dem er sich öffnen konnte. Der wusste, woher er kam. Was für ihn normal war. Sie hatten beide in der Unterwelt gekämpft, das verband sie. All die Knochenbrüche und blutigen Gesichter. Sie wussten, wie schmerzhafter Splitt aussah. »Bin noch dabei, mich an alles zu gewöhnen, weißt du?«

Lex nickte und drückte seine Schulter. »Kann ich nachvollziehen. Aber Alter, auf dieser Seite ist es einfacher. Vergiss das nicht.«

Cobra trank einen Schluck von seinem Bier. Er zweifelte stark an Lex’ Behauptung. Trotzdem, ein kleiner Rest Neugier blieb, er fragte sich, ob in Lex’ Worten nicht doch eine Wahrheit steckte.

»Ich muss los. Lila wartet auf mich.« Lex schenkte ihm ein spitzbübisches Grinsen. Wenn es ein Paar gab, von dem Cobra absolut überzeugt war, dann Lex und Lila. Wahrscheinlich waren sie das einzige Beispiel für eine funktionierende und glückliche Beziehung, das er jemals in seinem Leben gesehen hatte. Gemeinsam hatten sie die Kurve gekriegt, trotz ihrer verkorksten Vergangenheit. Was irgendwie die Hoffnung in ihm weckte, dass ihm das eines Tages auch gelingen könnte, aber … na ja, er war nicht so blöd, um wirklich daran zu glauben. Nicht mit dem, was in seiner DNA herumschwamm. »Du weißt, wie du nach Hause kommst?«

»Ja, Alter. Ich bin mit meinem Wagen hier.«

Lex nickte und deutete dann auf Cobras Bierflasche. »Kein Alkohol am Steuer. Ich bin ein Vater, ich muss das sagen, richtig?« Er klopfte Cobra auf den Rücken und schlenderte dann davon.

Cobra lächelte in sich hinein und musterte den funkelnden Hintergrund der Bar. Halb volle – oder halb leere? – Flaschen säumten die Regale. Auf seiner linken Seite beugte sich Amara zu ihm herüber.

»So langsam ist hier Schicht im Schacht«, sagte sie und lachte dann. »Das ist ein Zungenbrecher.«

Cobra lachte stumm mit.

»Du sprichst nicht viel.« Amara stupste ihn mit ihrem Ellenbogen in die Seite. Der Alkohol hatte ihre Zunge gelockert. Im Gym, bei Tageslicht, würde sie niemals so mit ihm reden. »Hast du nichts zu erzählen?«

Er versteifte sich und nahm wieder einen Schluck von seinem Bier. »Nicht wirklich.«

Sie musterte ihn, bis ein lautes Poltern neben ihnen sie beide aufschrecken ließ. Gen war von ihrem Barhocker gefallen. Cobra schoss von seinem hoch, um ihr zu helfen, aber Amara war schneller als er – genau wie irgendein Kerl, der nicht zum Gym gehörte.

»Hey, Pfoten weg, wir kümmern uns um sie.« Cobra stieß den Typen zur Seite.

Sofort wich der Kerl zurück und hob beschwichtigend seine Hände. Cobra beobachtete ihn drohend, bis er sich verzogen hatte.

Amara war es zwischenzeitlich gelungen, Gen wieder auf ihren Barhocker zu hieven, und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Klassischer Fall von Beschützerinstinkt, was?«

»Sie hat zu viel getankt.« Er ließ sich wieder auf seinen Hocker gleiten. Er hatte Gen im Auge behalten, seit sie in diesen albernen Klamotten durch die Tür gekommen war. Er konnte nicht sagen, ob ihr Outfit ein Scherz sein sollte oder nicht: Khakishorts mit einer hohen Taille, in die ein Tanktop mit Batikmuster gesteckt war. Wie die Mitarbeiteruniform in einem Freizeitpark aus den Neunzigern.

»Ja. Gut zu wissen, dass du auf sie aufpasst.« Amara schenkte ihm ein rätselhaftes Lächeln. »Sie braucht nämlich jede Hilfe, die sie kriegen kann.«

»Wie meinst du das?«

Amara biss sich auf die Unterlippe, während sie wieder zu Gen sah, die gerade im Begriff war, sich den nächsten Shot zu bestellen – dieses Mal Tequila. Cobra hatte beobachtet, dass sie bereits Rum und Wodka in sich hineingekippt hatte und noch dazu Wein.

»Das kann nicht ihr Ernst sein«, murmelte er. Der Barkeeper griff nach einer Flasche Tequila.

Amara schritt taktvoll ein und cancelte die Tequila-Bestellung, ohne dass Gen es mitbekam. Sie sah Cobra an. »Das kann ich nicht zulassen. Sie ist ein bisschen … neu.«

»Neu?«

»Ja. Neu in …« Amara wedelte unschlüssig mit ihrer Hand in der Luft. »In allem hier.«

Gen knallte ihre Faust auf die Theke. »Hey, wo bleibt mein Teckillaaa?« Sie streifte sich fahrig die Haare, die ihr über die Augen gefallen waren, aus dem Gesicht.

»Sie muss nach Hause«, beschloss Cobra und trank seine Flasche leer. Amaras Worte hallten in seinem Kopf wider. Neu. Was zum Teufel sollte das heißen? Vielleicht war Gen tatsächlich nicht von dieser Welt.

»Ja. Ich werde ihr ein Taxi bestellen.«

Er nickte und machte sich ebenfalls zum Aufbruch bereit. Im Prinzip konnte er Gen direkt hinausbegleiten. Sicherstellen, dass sie noch gehen konnte. Sehen, ob wirklich ein Raumschiff landen würde, um sie abzuholen.

Amara führte Gen zum Ausgang und wedelte Travis fort, als er ihr helfen wollte. Gen humpelte leicht beim Gehen. Wahrscheinlich vom Alkohol. Bloß dass sie ihr linkes Bein nachzog. Draußen stöhnte sie auf und schnappte übertrieben gierig nach Luft.

»Gott, riecht das gut«, schwärmte sie.

»Es riecht nach Stadt«, erwiderte Amara lachend.

»Ja, aber du verstehst das nicht.« Gen winkte betrunken ab. »Du verstehst es nicht.«

Amara zog ihre Augenbraue hoch. »Muss ich auch nicht.«

»Es riecht dreckig«, erklärte sie lallend. »Und das ist der springende Punkt. So wie Parfüm gut riecht.«

»Parfüm riecht in der Tat angenehm«, sagte Amara zustimmend.

»Sogar noch angenehmer, wenn man noch nie zuvor in seinem Leben welches gerochen hat«, sagte Gen.

Cobra schob die Hände in seine Hosentaschen, in seinem Kopf schwirrten lauter Fragen. Gen taumelte mit ihrer Schulter gegen Amara. »Er mag mich nicht«, flüsterte sie laut und sah ihn dabei an.

Er unterdrückte ein Schmunzeln. Das hier versprach, lustig zu werden.

»Ach, komm. Er mag dich wohl. Er ist bloß ein bisschen … still.« Amara lächelte ihn über Gens Kopf hinweg an.

»Er mag mich nicht, weil ich ihn angefurzt habe«, flüsterte Gen wieder gut hörbar.

Amaras Augen wurden groß, und Cobra lachte in seine Faust hinein.

»Ist schon okay, ich mag ihn auch nicht«, schob Gen hinterher und kehrte ihm den Rücken zu. »Eigentlich ist das gelogen. Ich mag ihn nämlich total.«

Cobra bewegte seinen Kiefer vor und zurück. Das warme Gefühl, das ihn bei diesen Worten durchströmte, gefiel ihm nicht. Gen wusste einen verdammten Scheißdreck über ihn, noch dazu war sie sturzbetrunken. Die Sehnsucht, dass diese Worte wahr waren, machte einen Riss in seinem Panzer sichtbar. Einen, den er sofort verschließen musste.

Aber vielleicht hatte das auch bis morgen Zeit.

»Ich bringe sie nach Hause«, platzte er heraus.

»Nein, schon gut«, sagte Amara. »Wir nehmen sie mit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Travis noch fahrtüchtig ist.«

»Ich bin definitiv noch fahrtüchtig«, erwiderte Cobra. »Aber ich hab gesehen, dass Travis sich ein paar Shots genehmigt hat. Ihr beide braucht selbst eine Mitfahrgelegenheit.«

Amara nagte an ihrer Unterlippe und stieß schließlich ein leises Seufzen aus. »Du hast wahrscheinlich recht.«

Cobra biss seine Zähne zusammen und wandte sich im nächsten Augenblick um, als die Eingangstür aufknallte und ein paar Typen herauskamen, um sich eine Zigarette anzustecken. Sie musterten Amara und Gen auf eine Art, die Cobra nur allzu gut kannte. Er straffte sich und starrte die Kerle eindringlich an, damit sie verstanden.

Diese Frauen waren tabu.

Er wandte sich zu Gen und umklammerte ihre Schulter, drehte sie zu sich. Sie blinzelte ihn schläfrig an. Im gelben Schein der Außenbeleuchtung konnte er die Sommersprossen sehen, die ihre Wangen sprenkelten. Heute Nachmittag waren sie offenbar von ihrem Make-up verdeckt gewesen.

»Hey, Gen. Wo wohnst du?«

Sie verlor sich in seinem Blick, und ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Definitiv nicht bei meinen Eltern.«

Amara prustete leise. Cobra befeuchtete seine Unterlippe, unsicher, ob das gerade ein Flirtversuch war oder nicht. »Gen. Ich bringe dich jetzt nach Hause«, sagte er und richtete sie an den Schultern auf. Sie schnaubte und wedelte ihn weg.

»Er kann dich fahren, Schätzchen«, sagte Amara und streichelte Gens Schulter. »Und du musst nach Hause in dein Bett.« Zu Cobra murmelte sie: »Gott sei Dank hat sie diesen letzten Shot nicht bekommen.«

»Ich kümmere mich um sie«, sagte er und legte sich Gens Arm um die Schultern, während er ihre Taille umschlang. Er deutete mit dem Kopf in Richtung Kneipe. »Geh Travis suchen. Nehmt das Taxi, das du für Gen bestellt hast. Ich werde sie nach Hause bringen.«

Amara nickte und wandte sich langsam zurück in Richtung Eingang. »Sorg dafür, dass sie eine Aspirin nimmt. Stell ihr Wasser ans Bett. Und ich sorge dafür, dass Travis weiß, dass er morgen nicht allzu früh mit ihr rechnen kann.«

Cobra nickte und führte Gen zu dem dunklen Parkplatz seitlich der Kneipe. Sie bewegte sich unkoordiniert, während er versuchte, sie zu stützen. In diesem Zustand waren ihre Glieder wie Wackelpudding, führten ein unkontrollierbares Eigenleben.

»Wo fahren wir hin?«, fragte sie ihn, nachdem er sie auf den Beifahrersitz seines alten schwarzen Toyota Corolla verfrachtet hatte. Der Wagen war der Inbegriff einer Schrottlaube, die von mehr als nur einem miesen Drogendealer benutzt worden war. Aber der Motor lief noch anständig. Meistens jedenfalls.

»Zu dir«, antwortete er, bevor er die Tür schloss. Er ging eilig auf die andere Seite und stieg ein. Im Wagen roch es bereits nach Alkohol von Gens Ausdünstungen. Ihr Kopf war zur Seite gerollt, ihre Augen waren fest geschlossen.

»Hmmm«, murmelte sie.

»Noch nicht einschlafen.« Der Wagen sprang nicht an. »Wie ist deine Adresse?«

Sie murmelte die Straße und Hausnummer. Ungefähr zwanzig Minuten von seiner Wohnung entfernt. Beim zweiten Versuch erwachte der Motor brummend zum Leben, Cobra parkte aus und fädelte sich in den nächtlichen Verkehr ein.

Kaum waren sie auf dem Highway, nickte Gen ein. Cobra bemühte sich, nicht ständig zu ihr hinüberzuschauen. In der hellen Straßenbeleuchtung schimmerte ihre Haut wie Porzellan. Als könnte sie unter dem leichtesten Druck zerbrechen.

Sie hatte mit niemandem Ähnlichkeit, der jemals in diesem Wagen gesessen hatte.

Er klopfte mit den Fingern auf das Lenkrad, als er nach ihrer Straße Ausschau hielt. Was zum Teufel machte er hier? Er hätte einfach aus der Kneipe verschwinden sollen. Dann hätte Gen ihren Rausch in einem Sammeltaxi ausschlafen können.

Aber etwas an ihr machte es ihm unmöglich wegzuschauen. Sie wirkte unschuldig auf eine Art, die er unbedingt beschützen wollte – und schön auf eine Art, die er ohne Weiteres zerstören konnte.

Er rieb seine feuchte Hand an seinen Shorts ab und hielt schließlich vor einer weißen Standard-Wohnanlage. Als er den Motor abstellte, rührte sein Fahrgast sich.

»Gen. Wir sind da.« Er stieg aus und ging auf die Beifahrerseite, um ihr aus dem Wagen zu helfen. Als er ihren Gurt löste, stemmte sie sich schwach gegen ihn, beide Augen fest geschlossen.

»Ich bin noch nicht bereit fürs Bett«, murmelte sie.

Cobra lachte und hievte sie aus dem Wagen. »Das sehe ich anders. Welche Wohnung ist deine?«

»Alle.«

Er schnaubte. Sie hing wie eine Stoffpuppe in seinen Armen. Er wuchtete sie kurzerhand auf seine Schulter, so dass ihr Hintern neben seinem Kopf in die Luft ragte. Er gab ihr einen Klaps auf die Rückseite ihres Oberschenkels. »Reiß dich mal zusammen. Welche Nummer hat dein Apartment?«

Ein Kichern flatterte aus ihr heraus, und sie zappelte leicht. Ihr Gewicht passte ihm wie ein Gegengewicht, von dem er nicht gewusst hatte, dass er es brauchte.

»33A«, lallte sie.

Er trug sie mühelos den ganzen Weg bis vor die entsprechende Tür und setzte sie dann vorsichtig ab. Sie schwankte für einen Moment, und ihre Augen glänzten, als sie ihn ansah.

»Danke für den tollen Abend«, flüsterte sie.

Er musste lachen. »Die Einladung kam nicht von mir, Gen. Ich hab dich nur nach Hause gebracht.«

»Es war trotzdem toll«, beharrte sie und kramte in ihrer Handtasche. Einen Moment später zog sie einen Schlüssel heraus. »Aha!«

Es klang wie ein schriller Aufschrei, der durch den ganzen Flur hallte. Cobra bedeutete ihr, leise zu sein.

»Ich bin so laut, wie ich will«, sagte sie und mühte sich mit dem Türschloss ab. Ohne Erfolg. »Werden wir miteinander schlafen?«

Er rieb sich über sein Gesicht, und seine Wangen schmerzten vom Grinsen. Dieses Mädchen war nicht einfach nur sexy oder unbeholfen oder anders. Sie gehörte in eine Kategorie, von deren Existenz er bisher nichts geahnt hatte. »Nein. Ich werde dich direkt in dein Bett verfrachten.«

Obwohl er am liebsten über sie herfallen würde, war das angesichts ihres Zustands nicht angebracht.

»Nun, das ist nicht mehr weit.« Sie verfehlte das Schloss auch beim fünften Versuch, so dass er ihr den Schlüssel aus der Hand nahm und die Tür aufsperrte.

»Geh rein.« Er schob die Tür auf, und sie stolzierte in die Wohnung wie eine Komikerin, die einen verführerischen Gang imitierte. Er musste lachen. »Bist du immer so?«

»Das könnte ich dich auch fragen.« Sie reckte ihr Kinn in die Höhe und machte eine schwungvolle Drehung, die sie prompt das Gleichgewicht verlieren ließ. Sie klatschte mit dem Gesicht voraus auf die Couch.

»Herrgott noch mal, Gen.« Er schloss rasch die Wohnungstür und eilte zu ihr, um ihr zu helfen, sich aufzusetzen.

»Missbrauche nicht den Namen des Herrn«, flüsterte sie. Der süße Geruch von Alkohol umnebelte seine Sinne. Aus dieser Nähe konnte er die erstaunliche Klarheit ihrer grünen Augen sehen. Wie Juwelen, so funkelnd und tief, dass er bei ihrem Anblick das Gefühl hatte, durchbohrt zu werden.

Sein Magen zog sich zusammen. »Wo ist dein Schlafzimmer?«

»Das sage ich dir nicht«, erwiderte sie, verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und drehte stur den Kopf weg. Ihr Widerstand brachte ihn zum Schmunzeln.

»Das lasst sich bestimmt leicht herausfinden«, sagte er. Die Wohnung schien nicht besonders groß zu sein, eine kompakte Küche umarmte das überfüllte Wohnzimmer. Links davon ging ein dunkler Flur ab. »Soll ich deine Mitbewohner wecken und sie fragen?«

»Wehe«, zischte sie und stemmte sich von der Couch hoch. Ihr Batiktop war verrutscht und enthüllte ein Stück BH aus beiger Spitze. Sein Unterbauch spannte sich. Obwohl weder der Zeitpunkt noch der Ort stimmte, war er plötzlich hungrig auf sie. Wollte diese glatte Schulter kosten, wollte sie an die Wand drücken.

Wollte sie in Stücke brechen und sich an den Scherben berauschen.

»Du musst ins Bett«, sagte er. Sie taumelte in Richtung Flur, und er fing sie auf, bevor sie wieder vornüberkippte.

»In Wirklichkeit musst du ins Bett«, erwiderte sie lallend. »Sag mir nicht, wer ins Bett muss. Ich weiß, wer ins Bett muss. Ich muss ins Bett.«

Die Logik von Betrunkenen. Cobra biss sich auf die Unterlippe, um ein Lachen zu unterdrücken, und geleitete Gen durch den Flur. Sie steuerte auf eine Tür zu. Wahrscheinlich ihre. Sie schob die Tür auf, und er schaltete das Licht ein und wartete gespannt auf das Ergebnis: ihr Zimmer oder das eines Mitbewohners?

Er starrte auf ein Schlafzimmer wie aus einem Puppenhaus. Ein ordentlich gemachtes Bett, eine Eichenkommode, eine Blümchenlampe, akkurat platziert auf einem ansonsten leeren Nachttisch. Neben der Tür stand hochkant ein verschlossener Koffer.

»Leg dich hin.« Er blieb in der Nähe der Tür stehen. Vielleicht mehr zu seinem Besten als zu ihrem. Sie plumpste bäuchlings ins Bett, murmelte etwas in die Decke, dann fielen ihr die Augen zu.

Einen Moment später schlief sie ein.

Die Stille in der Wohnung senkte sich über ihn und erinnerte ihn daran, dass er in einem fremden Apartment war, in einem Teil der Stadt, wo er nicht hingehörte. Er spürte ein nervöses Kribbeln. Als er sich zur Tür wandte, trat er beinahe auf ein Blatt Papier, das auf dem Boden lag. Er hielt inne und starrte darauf. Nicht von ihm.

Er versuchte blinzelnd, von oben die Handschrift zu entziffern. Es schien die Schrift einer Frau zu sein. Wahrscheinlich die von Gen. Ihn überkam der Drang, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Was hatte sie geschrieben, allein in diesem seltsamen, leeren Zimmer? Er hob das Blatt vom Boden auf.

Dinge, die ich unbedingt ausprobieren muss, bevor ich gehe!

Miete und Strom pünktlich und mit einem Lächeln bezahlen!

Wild und leidenschaftlich mit jemandem herumknutschen

Mit einem Mann ausgehen

Cobra blinzelte und heftete seinen Blick auf Gen. Heilige Scheiße, hatte sie etwa Krebs im Endstadium oder so? Sie schnarchte leise vor sich hin.

4.

An einem dieser Kunstkurse teilnehmen, in denen Wein getrunken wird und alle das gleiche Bild malen, und die meisten davon sehen schrecklich aus, aber hey, wenigstens hast du es versucht

5.

Von einer Anhöhe laut »Scheiße!« brüllen

6.

Mit jemandem irgendwo eine neumodische Kaffeespezialität trinken

7.

Mein Bein in Ordnung bringen

8.

Die Nummer von einem Mann besorgen

9.

Sex haben

10.

GUTEN Sex haben

11.

Mit einem Mann einen wilden und leidenschaftlichen Orgasmus erleben

Cobras Kinnlade fiel herunter, erneut sah er zu Gen. Bedeutete das etwa …?

Er blinzelte wieder. Plötzlich wurde ihm alles klar.

Sie war noch Jungfrau.

12.

Bei einem Mann die Nacht verbringen, OHNE dass er will, dass ich am nächsten Morgen verschwinde!

13.

Blumen bekommen von grundsätzlich jeder Person, aber es wäre nett, wenn sie auch von diesem Mann kämen

14.

Die Familie schockieren und einen Mann mit nach Hause bringen?

15.

Die britische Stimme auf dem Navi benutzen

16.

Mit den Kollegen nach der Arbeit einen trinken gehen, wie das überall auf der Welt so üblich ist

17.

Einen hombre besorgen, sobald du im Internet nachgeschaut hast, was das noch mal ist

18.

Poposex??

19.

Sex vor anderen???

20.

Anfangen, Französisch zu lernen

21.

HÜBSCHE neue Sachen kaufen, statt die alten von Amaras Tante Vicky aufzutragen

22.

Einen SÜSSEN Hund besitzen!!! Leine auf das jeweilige Outfit abstimmen. Eventuell saisonales Fotoshooting

23.

Zwei Hunde besitzen

24.

Drei Hunde besitzen

25.

Einen Fotokalender von meinen Hunden machen

Die Liste füllte ein ganzes DIN-A4-Blatt samt der Rückseite. Cobras Hand wanderte sofort in seine Hosentasche. Was für eine abgefahrene Scheiße. Er musste die Liste fotografieren … um sie später in Ruhe zu studieren.

Vielleicht konnte er Gen bei ein paar Punkten helfen.

Ein raschelndes Geräusch alarmierte ihn, und er fotografierte rasch die beiden Seiten, bevor er es sich anders überlegen konnte, und legte das Blatt wieder auf den Boden. Dann verließ er leise das Zimmer. Sein Kopf schwirrte vor Fragen und vor Neugier, während jede Faser seines Körpers unter Strom stand, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Auf dem Weg zur Wohnungstür fielen ihm Amaras Worte wieder ein.

Für die Aspirin war es zu spät, aber er konnte Gen zumindest ein Glas Wasser neben das Bett stellen.

Er sparte sich die Mühe, in der Küche Licht zu machen, und suchte im Halbdunkel die Schränke ab, bis er ein Glas fand. Er klopfte nervös mit seinem Fuß, während er es unter den Wasserhahn hielt, und widerstand dem Bedürfnis, sich hier umzusehen. Die Umgebung auszuloten. Zu schauen, wie es bei normalen Leuten aussah. Gen teilte sich die Wohnung wahrscheinlich mit jemandem, vielleicht mit ihrer Schwester, falls sie eine hatte. Es stank nach Komfort, Stabilität. Verursachte ihm eine Gänsehaut.

Hier wohnten stinknormale Spießer.

Aber Gen …

Vielleicht war sie gar nicht so normal und spießig, wie er dachte.

»Was tust du hier?«

Das wütende Zischen ließ ihn erstarren. Das war nicht Gens Stimme. Er stellte das Glas ab und hob seine Hände, als könnte die Unterwerfungsgeste etwas bewirken. Eine Frau mit schulterlangen schwarzen Haaren starrte ihn aus dem Flur an. Ihr Blick hätte ihn glatt in Stein verwandeln können.

»Ich habe Gen nach Hause gebracht.«

»Ach ja?« Er konnte das unsichtbare Messer praktisch sehen, das sie gegen ihn erhob. »Nun, wenn das so ist, kannst du jetzt wieder verschwinden.«

»Ich wollte ihr noch ein Glas Wasser bringen«, sagte er. Würde diese Wohnung sich in seinem Viertel befinden, hätte er jetzt schon eine Kugel im Bauch.

»Ich kümmere mich darum. Verschwinde einfach.«

Cobra brauchte keine dritte Aufforderung. Er stürmte aus der Wohnung, seine Schritte hämmerten durch den Flur und das Treppenhaus.

Mit weiß hervortretenden Fingerknöcheln umklammerte er das Lenkrad und machte sich auf den Weg zu seiner schäbigen Behausung in seinem nicht gerade berauschenden Viertel. Er konnte sich vorstellen, wie der heutige Eintrag auf seiner Liste lauten würde: einer Frau behilflich sein, die in einer völlig anderen Liga spielt.

Er nagte an seiner Unterlippe, während er durch die Nacht fuhr, und wusste nicht, ob das Kribbeln in seinem Bauch von Bedauern herrührte … oder von Begeisterung.

KAPITEL 4

Einen halben Arbeitstag verpassen.