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Dieser Band enthält Goethes Briefe aus den Jahren 1813 - 1815. Goethe war ein sehr produktiver Briefeschreiber, was sich in diesem Werk ebenfalls widerspiegelt.
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Seitenzahl: 992
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Briefe 1813 – 1815
Johann Wolfgang von Goethe
Inhalt:
1813
1814
1815
Briefe 1813 - 1815, J. W. Goethe
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849616410
www.jazzybee-verlag.de
23/6467.
An die Herzogin Louise
[Concept.]
Die sowohl meinen Jahren als der Jahreszeit zugetheilten Übel würde ich mit Geduld ertragen, wenn sie nicht täglich von dem schmerzlichen Gefühl begleitet wären, daß ich dadurch gehindert werde, Ew. Durchl. wie ich wünschte aufzuwarten. Heute besonders empfinde ich es peinlich, wenn ich Ew. Durchl. nicht meine heißesten und aufrichtigsten Wünsche für Ihr höchstes Wohl persönlich abstatten kann.
Indem ich mich nun aber besinne, ob ich nicht durch einen Stellvertreter höchst Denenselben ein augenblickliches gnädiges Lächeln abgewinnen könnte, so fallen mir beykommende Blätter in die Augen, die ich als eine erborgte Gabe Ew. Durchl. heute zu Füßen lege. Möchten diese wenigen aber bedeutenden Bogen Ew. Durchl. bisher unbekannt geblieben seyn ! damit ich mir das Verdienst zueignen könnte, sie zuerst vorgelegt zu haben. Sie enthalten schätzbare Bemerkungen, aber erlaubt sey mir, zu sagen, daß sie zwar sehr artig aber doch kalt und unzugänglich einiges auszusprechen, das wir besser zu fühlen glauben und wohl entschiedener zu sagen wüßten.
Weimar den 1. Januar 1813.
23/6468.
An Johann Heinrich Meyer
[2. Januar 1813.]
Hierbey sende ich, mein Lieber, was ich dem Herrn Friedländer zu antworten denke. Ich glaube nicht, daß man genauer den Werth der kleinen Büste aussprechen, kann. Sie bringen es ja wohl diesen Abend mit und bleiben bey mir; denn ich habe keine Absicht auf den standhaften Prinzen.
Hat etwa Lieber von Dresden an Sie geschrieben? Der Vater ist wieder mit seinen alten Lamenten und seinem immer fertigen Schreiben ad Serenissimum in der Tasche bey mir gewesen. Friedrich soll sich mit dem jungen Menschen verzürnt haben. Der Vater wußte nicht genau zu sagen warum.
Soviel ich verstehen konnte war es um eine Nebelkrähe und beschneyte Tannenbäume. Vielleicht können Sie ihm noch eine Zeitlang überhelfen. Doch dieß alles heute Abend!
Recht wohl zu leben wünschend.
G.
23/6469.
An den Prinzen Friedrich von Sachsen-Gotha
[Concept.]
Den trefflichen und bewundernswürdigen Iffland habe ich wirklich abreisen lassen, ehe ich Ew. Durchl. für das neuerliche gnädige Andenken durch Herrn v. Hornstein geziemenden Dank sage. Noch bis auf die letzte Vorstellung hoffte ich Ew. Durchl. hier zu verehren. Allein das Vergnügen, das uns der unübertreffliche Schauspieler gewährt, ward leider besonders in meinem Hause durch Ew. Durchl. Außenbleiben sehr verkümmert, die Frauenzimmer wollte sich gar nicht zufrieden geben. Rapuschekarten waren rießweise über einander gethürmt, Picalillo und Gurken und was zu einer leichten Abendcollation, wie Ew. Durchl. sie lieben, sonst noch gehören mag, häuslich bereit, und nun die erst verzögerte, sodann aber völlig vereitelte Hoffnung höchlich beklagt und bedauert. Damit aber die Haushälterinnen nicht ganz umsonst gearbeitet haben, auch ihre Sorgfalt aus der Ferne beweisen mögen, tragen sie mir auf, zwey Fäßchen an Ew. Durchl. zu spediren, welches hiermit unter den angelegentlichsten Empfehlungen geschieht, und damit der Postwagen nicht versäumt werde, nur mit eiliger und herzlicher Versicherung begleitet, daß wir Ew. Durchl. alle wie immer und für immer ergeben sind.
Ihrem Durchlauchstigsten Herrn Bruder, welcher mich mit gnädigem erheiternden und belehrenden Besuche zweymal erfreut, bitte mich zu fernern Gnaden unterthänig zu empfehlen.
Weimar den 3. Januar 1813.
23/6470.
An David Friedländer
Ew. Wohlgeb.
angenehme Sendung habe ich gerade zu Ende des Jahrs erhalten und ich bin Ihnen abermals vielen Dank schuldig, daß Sie mir und meinen Freunden zu manchen Betrachtungen Anlaß gegeben haben.
Der rothe Marmor, woraus das Kunstwerk verfertigt ist, so wie die Arbeit selbst deutet auf die Zeit Hadrians. Es hat freylich, bis es zu uns gelangen können, von seiner ersten Schönheit gar viel verloren.
Die Herme wie sie vor uns steht, giebt sich als bärtiger Bacchus zu erkennen, der im Alterthum öfters vorkommt. Sie ist ohne Hinterhaupt und war ursprünglich eine Doppelherme, die man durchgesägt hat, weil entweder das zweyte Angesicht sehr beschädigt war, oder weil man für die Kabinette gleich ein paar Gegenbilder erhielt; ein Fall, der in Museen nicht einzig ist. An den Haaren und dem Bart kann man einige Gewaltsamkeit, so wie die Einwirkung der Zeit und gelinder Säuren bemerken, und es wäre zu wünschen, daß es mit den freyen Theilendes Gesichts der gleiche Fall wäre. Dieses ist zwar frey von aller gewaltsamen Beschädigung geblieben; allein gewiß war es wo nicht von kleinen Pockengruben angegriffen, doch wenigstens mit einiger Rauheit überzogen worden.
Als man nun diese Halbherme in den gegenwärtigen Stand versetzte, das Haar der rechten Seite restaurirte und sie auf den Sockel von moderner Lumachelle (Muschelmarmor) beseitigte, so glaubte man dieses Bildchen besser zu empfehlen, wenn man die nackten Theile des Gesichts glättete. Diese Operation ist aber demselben zu großem Unheil gerathen: denn durch Wegnahme der ersten Epiderme ist der zarte Kunsthauch zugleich mit weggenommen, der Ansatz der Barthaare gegen die Wange ist zu einem Theaterbart geworden, das Profil hat sich verstumpft, und ob man gleich die Intention der ersten Formen durchaus noch recht gut erkennen kann, so sind sie doch vergröbert, gewissermaßen geistlos und maskenhaften geworden und es braucht erst Zeit und Nachdenken, sich damit zu befreunden und das mir der Seele zu ergreifen, was den Augen versagt ist. Dergleichen Reste des Alterthums sind echt zur Verzweiflung der Liebhaber da, das äußere Anschaun setzt sich in Widerspruch mit dem innern Sinn, man kann ihnen die Verdienste nicht wieder geben, die sie verloren haben, und die übriggebliebenen nicht ableugnen.
Aus allem diesen werden Ew. Wohlgeb. ersehn, daß ich mir den Besitz dieses schätzbaren Restes mit Vergnügen zueigne; ich wünsche nur, daß meine Gegensendung Sie und Ihren Herrn Sohn einigermaßen befriedigen möge. Hiezu erbitte ich mir einige Wochen Frist: denn ich möchte meine Sammlungen gern durchgehn und etwas Ausgesuchtes übersenden.
Der ich mit nochmaligem Dank für die baldige Gewährung meines Wunsches mich zu geneigtem Andenken empfehle.
Ew. Wohlgeb.
ergebenster Diener
J. W. v. Goethe.
Weimar den 4. Januar 1813.
23/6471.
An Friedrich Heinrich Jacobi
Auf deinem freundlichen Brief, den ich zu Anfang des Jahrs, als ein gutes Omen erhielt, will ich sogleich dankbar einige allgemeine Betrachtungen erwidern.
Die Menschen werden durch Gesinnungen vereinigt, durch Meynungen getrennt. Jene sind ein Einfaches, in dem wir uns zusammenfinden, diese ein Mannigfaltiges, in das wir uns zerstreun. Die Freundschaften der Jugend gründen sich auf's Erste, an den Spaltungen des Alters haben die letztern Schuld. Würde man dieses früher gewahr, verschaffte man sich bald, indem man seine eigne Denkweise ausbildet, eine liberale Ansicht der übrigen, ja der entgegengesetzten, so würde man viel verträglicher seyn, und würde durch Gesinnung das wieder zu sammeln suchen, was die Meynung zersplittert hat.
Ich für mich kann, bey den mannigfaltigen Richtungen meines Wesens, nicht an einer Denkweise genug haben; als Dichter und Künstler bin ich Polytheist, Pantheist hingegen als Naturforscher, und eins so entschieden als das andre. Bedarf ich eines Gottes für meine Persönlichkeit, als sittlicher Mensch, so ist dafür auch schon gesorgt. Die himmlischen und irdischen Dinge sind ein so weites Reich, daß die Organe aller Wesen zusammen es nur erfassen mögen.
Siehst du so steht es mit mir, und so wirke ich nach Innen und Außen immer im Stillen fort, mag auch gern, daß ein jeder das Gleiche thue. Nur wenn dasjenige, was mir zu meinem Daseyn und Wirken unentbehrlich ist, von andern als untergeordnet, unnütz oder schädlich behandelt wird, dann erlaube ich mir, einige Augenblicke verdrießlich zu seyn und auch dieß vor meinen Freunden und Nächsten nicht zu verbergen. Das geht aber gleich vorüber, und wenn ich auch eigensinnig auf meine Weise fortwirke, so hüte ich mich doch vor aller Gegenwirkung, wie sonst, so auch jetzt.
Daß du deine Werke als historische Documente ansiehst, ist sehr wohl gethan in mehr als einem Sinn: denn bey Verbesserung früheren Schriften macht man es niemand recht; dem Leser nimmt man was ihm auf seiner Bildungsstufe am gemäßesten war, und sich selbst befriedigt man nicht: denn man müßte nicht verbessern und umarbeiten, sondern völlig umgießen. Ein frischer Gehalt geht nicht in die alte Form.
Daß es dir und den Deinigen wohl gehe, ist mein herzlicher Wunsch. Grüße Sie alle! Ich freue mich, daß du bey dem Rouge et noir, das du in Absicht auf die Localität des Wohnorts spielen mußtest, so gut gefahren bist. Mich hat mein Genius auf eine ähnliche Weise geleitet.
Ich lege hier das erste Verzeichniß der Handschriften bey, wie es vor einem Jahr aussah; den Zuwachs kann ich nicht melden, aber er ist sehr ansehnlich; doch war die Masse bedeutender Menschen im vorigen Jahrhundert so groß, daß wenn man auch nicht über diese Epoche hinausgehn will, doch immer eine große Erndte zu gewinnen ist. Mir fehlen z.B. Voltaire, Rousseau, Buffon, Helvetius, Montesquieu, und wer nicht alles! Wie viel lebende Correspondenten hat nicht Eure Academie der Wissenschaften! Sollte von bedeutenden Bayern und Oberdeutschen aus der frühern Zeit nicht ein Blättchen zu finden seyn? z.B. von Aventinus; Keppler fehlt mir auch. Die bedeutendsten Personen der Reformation und des dreyßigjährigen Kriegs habe ich vor kurzem erhalten. Ich habe die Blätter alle in der schönsten Ordnung und sie machen, besonders verbunden mit einem Medaillen-Kabinett vom 15. Jahrhundert an, gar oft eine angenehme und die Vorzeit vergegenwärtigende Unterhaltung.
Daß du meinem zweyten Theil gewogen bist, macht mit Muth zum dritten, dem ich diesen Sommer widmen werde.
Iffland hat uns vor kurzem durch sein meisterhaftes Spiel höchlich ergetzt. Die Meinigen sind wohl, und so lebe denn auch so gut als es uns noch vergönnt ist! denn der Grieche hat wohl recht, wenn er sagt.
»Das Alter bringt des Alternden gar viel herbey«.
Das Beste und Liebste!
Weimar den 6. Januar 1813.
G.
23/6472.
An Dietrich Georg Kieser
[Concept.]
Ew. Wohlgeb.
habe hiedurch anzuzeigen, daß Durchl. der Herzog in kurzem nach Berka zu gehn gedenken um daselbst die Natur nochmals in höchsten Augenschein zu nehmen und zugleich was allenfalls vorläufig zu thun nöthig wäre zu bedenken. Höchstdieselben wünschen, daß Ew. Wohlgeb. bey dieser Expedition seyn mögen und ich ersuche Diesselben, Montags den 11. Abends hier einzutreffen, damit Dienstag früh das Geschäft vorgenommen werden könne. Sollte es möglich seyn, daß Sie zugleich das Modell zum Schlammbad mitbrächten, so wär es sehr erwünscht. Serenissimus haben schon einige Male danach gefragt.
Da nach den letzten Erfahrungen des Herrn Prof. Döbereiner eigentlich alles darauf anzukommen scheint, daß ein recht reichhaltiges Gypswasser erzeugt werde, damit sich dasselbe am Licht in Schwefelwasser umwandle, so würde ich den Vorschlag thun, die sämmtlichen, auf das Reservoir loszuführenden Canäle, sowie das Terrain, wodurch sie geführt werden, mit gepulverten Gyps fleißig zu bestreun, da denn die Auslaugung des Gypses durch den Einfluß des Wassers und der Jahrszeit geschehn, ja zu dieser Operation selbst Regen und Schnee günstig seyn könnte. Ersuchen Sie Herrn Prof. Döbereiner um seine Gedanken hierüber.
Der ich in Hoffnung baldigen Zusammentreffens die Ehre habe, mich zu unterzeichnen.
Weimar den 6. Januar 1813.
23/6473.
An August Eberhard Müller
Da einige unserer Sänger mir den morgenden Abend zu erheitern gedenken, so habe ich Ew. Wohlgeb. hiedurch ersuchen wollen die Stunden der Nachmittags Probe dergestalt einzurichten daß gedachte Personen sich zu rechter Zeit bey mir einfinden können.
W. d. 6. Jan. 1813.
J. W. v. Goethe.
23/6474.
An Luise Seidler
[ 6. Januar 1813.]
Da wir unsrer lieben Freundinn zum neuen Jahre nichts erfreuliches erwiesen, so spiegle sie zu Epiphanias sich an ihren eignen Tugenden und denke der Liebenden und Theilnehmenden.
G.
23/6475.
An Charlotte von Stein
Hierbey den Aufsatz mit Dank zurück. Besitzen Sie nicht die Seckendorfischen Lieder? Besonders Ännchen von Tharau. Ich wünschte mir sie auf kurze zeit. Bald warte ich auf.
d. 6. Jan. 1813.
G.
23/6476.
An Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra
Die Berkaischen Mineralwasser nennt der alte kurze Ausdruck hepatisch; sie enthalten nach der neuern genauern und folglich weitläufigeren Terminologie stickgashaltiges Schwefelwasserstoffgas und kohlensaures Gas, und zwar ersteres in solcher Quantität, daß sie dem berühmten Wasser in Eylfen nahe kommen. Die fixen Bestandtheile sind verschiedentlich gesäuerter Kalk, Glaubersalz und Bittersalz. Das quantitative Verhältniß dieser letzteren ist noch nicht ausgemittelt.
Diese Schwefelwasser kommen stellenweise in einem Teiche vor. Schon seit zweyhundert Jahren hat man Nachricht, daß sie sich von Zeit zu zeit stärker oder schwächer gezeigt, sie wurden meist bey abgelassenem Teiche vor Beendigung der Fischerey den Fischen gefährlich und tödlich, manchmal sogar bey angelassenem Wasser.
Die Lage von Berka an der Ilm in geologischem Sinne ist mit vielen andern thüringischen übereinstimmend. Der Sandstein, der sich vom Waldgebürge her erstreckt, endigt hier sein Reich und wird abwechselnd von Gyps und Thon, diese aber sodann einfür allemal vom Flötzkalk bedeckt.
Der Kessel, worin Berka liegt, ist in der Urzeit bey höher stehendem Wasserniveau durch die aus der Münchener Enge herströmenden, von dem vorragenden Schloßberg aufgehaltenen und wirbelweise in sich zurückkehrenden Fluthen gebildet, und zwar indem sich die Gewalt derselben am nordöstischen Rücken herwälzte, die ganze Fläche des Ilmlaufs und der Teiche von einer Seite ausspülte und auf der andern das schöne, fruchtbare Feld, gegenwärtig die Schmelzgrube genannt, aufschwemmte. Betrachtet man die sämmtlichen Umgebungen aufmerksam, so liegt jener ganzen Fläche, besonders aber den künstlich angelegten Teichen wahrscheinlich Thon und Gyps zum Grunde, welcher letztere dann wohl seinen Schwefelgehalt zu unserm Wasser hergeben mag.
Dieses Gyps- und Thonlager geht am Fuße des Schloßbergs zu Tage aus, wo sowohl reiner Strahlgyps und Fraueneis, als auch mit Thon vermischter Gyps sich findet. Und so wären denn nach der anerkannten Natur dieser Gebürgsgegend die Ingredenzien dieses Wassers gar wohl abzuleiten.
Über die Art jedoch, wie diese Wasser entspringen, sind die Meynungen getheilt. Ein Theil der Personen, die über diese Sache gedacht haben, nimmt eine Schwefelquelle an, die an einem höheren Orte irgendwo entspringt, sich alsdann in Sumpf, Moor und Teichschlamm ramificirt und zuletzt an verschiedenen Stellen zu Tage bringt.
Die andere Meinung, der auch ich zugethan bin, steht die hier vorkommende chemische Wirkung nur als oberflächlich an. Es werden nämlich auf einer großen quellenreichen Fläche beständig sehr gesättigte Gypswasser erzeugt, die durch Einwirkung des Lichts und der Luft sich decomponirten Wassers abgeben. Diese Meinung wird dadurch um so mehr bestärkt, als man bey'm Bohren durch eine unterliegende Kiesschicht wieder frisches Wasser gefunden.
Ferner haben einige aus einer weiter unter liegenden eisen- und gypshaltigen Quelle geschöpfte Flaschen sich in hepatisches Wasser verwandelt, nachdem sie einige Zeit dem Licht ausgesetzt gewesen.
Doch dem sey wie ihm wolle, so können diese verschiedenen Meynungen keinen sonderlichen Einfluß auf die Anstalten haben, die man zu Benutzung dieses Wassers treffen könnte. Bis jetzt hat sich keine entschiedene, eine bedeutende Masse Wasser abgebende Quelle gezeigt; nur stellenweise findet sich mehr oder weniger geschwelltes Wasser auf der Oberfläche des seit einiger Zeit abgelassenen Teichs. Die Sumpfpflanze Chara, welche besonders solche Schwefelwasser liebt. ist jedoch weit ausgebreitet, und man erkennt daraus recht gut, daß auch jene chemische Naturwirkung, es sey nun auf eine oder andere Art, sich über eine große Fläche verbreitet.
Hierauf bleibt also nichts weiter zu thun, als an einer schicklichen Stelle ein Reservoir anzulegen, damit man irgendwo einen Fonds von reinem Wasser habe.
Die Schicklichkeit dieser Anlage wird blos durch den Platz bestimmt werden, wo man das Badehaus anzulegen gedenkt. Das Reservoir wird in die Nähe desselben zu liegen kommen. Man würde sodann von allen Seiten des Teichs her Canäle, die sich durchkreuzen, mit dem Reservoir in Communication setzen, und es kommt darauf an, wie viel Wasser man auf diese Weise auf einen Punct hinziehen kann. Ob dieses hernach etwas stärker oder schwächer ist, dieß wäre von keiner großen Bedeutung, doch ließe sich nach meiner Meynung der Schwefelgehalt jener Wasser sehr vermehren, wenn man über die Canäle und über den zwischen ihren gelegenen Sumpf von Zeit zu Zeit gemahlenen Gyps ausstreute. Dieser, nach und nach aufgelöst, würde ein reichhaltiges Gypswasser hervorbringen und dieses sich wieder am Licht in Schwefelwasser verwandeln, und man hätte die Einwirkung von Regen, Schnee und dergleichen um desto weniger zu fürchten, weil sie nur dienen würden, das Gyps aufzulösen und sich zuletzt selbst in Schwefelwasser umändern müßten.
Sollte zum Angriff geschritten werden, so würde man zuerst den Ort des Badehauses bestimmen. Vorläufig wäre alsdann das Reservoir anzulegen und die Gräben auf dasselbe los zu ziehen, wie deshalb ein flüchtiger Riß zu den Acten gegeben worden.
Indem ich auf Befehl Serenissimi vorstehendes Resumé über die Berkaischen Mineralwasser verfasste, so gedenke ich meines liebwerthen Freundes zum allertreulichsten und danke schönstens für die neuerlich übersendeten höchst interessanten Kupferstufen. Auch diese kugel- und traubenförmigen Bildungen haben sich innerhalb einer lockern Geistenart erzeugt; wie ich in der Champagne mit Händen greifen konnte, daß Schwefelkiese sich in dem Humus, in der Ackererde erzeugen. Auch diese waren ringsum crystallisirt, es zeigte sich kein Punct, wo sie angesessen hatten, die Christallisation war scharf und frisch und keins der Stücke gescheuert. Diese Erscheinungen werden uns bey näherer Kenntniß der chemisch-elektrischen Operationen, durch welche die Natur bis in's Innerste belebt und thätig ist, nicht allein erklärbar, sondern sie machen sich nothwendig und unentbehrlich. Seit wenigen Abenden lese ich wieder deine Erfahrungen von dem Innern der Gebirge und sehe mit Freude und Erstaunen, wie du vor dreyßig Jahre diese Dinge vorausgeschaut, angedeutet und geweissagt hast. – Und so ein fröhliches thätiges Leben in's neue Jahr hinein!
Weimar den 6. Januar 1813.
G.
23/6477.
An Christian Gottlob Voigt
Auf Ew. Excellenz gütige Mittheilung nehme mir die Freyheit, sogleich einiges zu erwidern, da ich über etwas Ähnliches schon früher nachgedacht. Hierbey folgt die Skizze eines Vorschlags. Das Motto hätte einen Doppelsinn: denn eigentlich ist es die Devise unsers gnädigsten Herrn und hier stünde sie, auch ganz recht, um zu allem Guten aufzumuntern. die Kränze bleiben immer eine artige Allegorie und die Franzosen machen solche Dinge allerliebst, wie beyliegende Medaille ausweist. In gegenwärtigem Falle wäre hauptsächlich darauf zu sehn, daß der mittlere Lorbeerkranz leicht und wie aus Reisern geflochten, der zweyte, Eichenkranz, schon etwas derber, der dritte aber, ein Erndtekranz, so reich als man ihn machen könnte. Dadurch würde eine hübsche Abstufung nach innen erzweckt und alles könnte deutlich genug werden, wenn man jedem seinen entschiedenen Charakter gäbe. Wollte man auch halbe schlagen lassen, so nähme man allein den Eichenkranz, behielt aber sowohl Motto als Umschrift bey.
Für die Viertelsmünze wähle man blos den Erndtekranz mit dem Motto aber ohne Umschrift, da diese nur zu einem artigen aber gleichsam schmerzhaften Andenken dienen könnte – Und welche Dame würde sich nicht geehrt finden, wenn Se Durchl. ihr vier solche Stücke in einem Futteral als Whistmarquen verehrte, um so mehr, da sie ja auch in Gold geschlagen werden können.
Alles dieß nur als vorläufige Äußerung und flüchtigen Vorschlag. Hat der Gedanke im Ganzen Ew. Excell. Beyfall so bitte ich mir die übereilten Skizzen zurück, um eine productible Zeichnung fertigen zu lassen. Was das Bild betrifft, so ist noch eine wichtige Frage, ob es der bloße Kopf seyn soll oder zugleich eine Büste? Ich würde aus mehr als einer Ursache für das Letztre seyn.
Doch davon wenn wir mit dem Geschäft weiter gelangen.
Die oben erwähnte Münze folgt auf einer Tafel mit andern; Prix de la Société Royale d'àgriculture, der Meister Dupré ist zwar todt, aber seine Schüler haben diese Ausführlichkeit geerbt.
Mich bestens und schönstens empfehlend
Weimar den 10. Januar 1813.
G.
23/6478.
An Franz Kirms
Ew. Wohlgeb.
nehme mir die Freyheit, hiedurch um ein paar Fläschchen guten Malaga zu bitte. Da mir der Arzt ihn verordnet, nachdem ich gestern Nacht einen sehr unangenehmen Anfall ausgehalten, so wird mir dieses starke Getränke, welches ich sonst nicht zu erhalten weiß und dessen Betrag ich sehr gern erstatten will, aus dem Keller können verabreicht werden.
Mich zu geneigtem Andenken empfehlend
Weimar den 10.Januar 1813.
Goethe.
23/6479.
An Christian Gottlob Voigt
Hier sende ich, mein lieber Freund, einige Papiere, die ich in der Folge zu lesen bitte, wie sie in einander gesteckt sind. Haben Sie die Güte, die Sache zu überdenken und mir heut Abend Ihre Meynung zu sagen. Ich gehe nicht in die Comödie.
Weimar den 11. Januar 1813.
G.
23/6480.
An Carl Ludwig von Knebel
Es war ein sehr glücklicher Gedanke, den dir die Freundschaft eingab, daß du dich meiner bey Gelegenheit der Griesbachischen Nachlassenschaft erinnern wolltest. Die heutige Sendung ist mir besonders merkwürdig. Sie enthält die Handschriften sehr bedeutender Männer aus dem philologischen Fache, von denen ich wenig besaß. Sie sollen sogleich einrangirt werden. Es sind sehr merkwürdige und bedeutende Hände darunter, und weil diese Männer doch an allen Enden Deutschlands gebildet waren, eine sehr große Abwechselung.
Dagegen will ich dir aber auch sogleich eine kleine Gegengabe senden, wie ich dir auch noch den Dank für das Japanische Neujahrspräsent schuldig bin. Du erhältst nämlich hierbey die Staëlischen Blätter, wobey ich dich nur um die Pietät bitte, sie in Jena nicht aus den Händen zu geben noch auch abschreiben zu lassen. Du kannst sie aber wohl im Original unserer lieben Prinzeß nach Mecklenburg schicken mit dem herzlichsten Dank für ihr letztes freundliches Schreiben.
Ich bedaure, daß auch du von der Jahreszeit angegriffen worden bist. Mir ging es nicht besser: denn kaum wagte ich mich aus meiner langen Verborgenheit hervor, ging einige Male nach Hofe und in die Stadt, so meldeten sich schon wieder allerley Mängel und ich muß wieder das Zimmer hüten; doch muß man mit jedem Zustand zufrieden seyn, in Betrachtung, daß so viele Menschen in diesem Augenblick leiden und fernerhin auf das unsäglichste leiden werden.
Der arme Lenz hat mich sehr gedauert; man muß sehn, daß man ihm mit etwas zu Hülfe kommt. Wieland hat auch einen Anfall gehabt, erholt sich aber wieder.
Habe ich dir schon geschrieben, daß mir zum Neuenjahre eine merkwürdigen Antike in's Haus gekommen. Es ist eine Halbherme von Rosso antico, ein bärtiger Bacchus, ohne Zweifel aus den Zeiten Hadrians, bis auf weniges sehr gut erhalten. Ein köstlicher alter Götze, der mich über alle modernen Legenden-Götter tröstet.
Die beykommende römische Calender-Heilige unterhält dich auch wohl einen Augenblick. Wenn die Böttigerische Ader, die durch das Ganze geht, einen auch ein bischen unwillig macht, so versöhnt man sich doch bald wieder mit dem Ganzen, da auf diese Weise das Alterthum doch an die Gegenwart und an's Leben angeknüpft wird. Bedenkt man hingegen die trostlose Behandlungsweise mancher Philologen, wodurch das der Vergangenheit inwohnende Leben immer mehr ertödtet, das Zusammenhängende zersplittert, dem Gefühl entrissen und blos in die Studirstuben gezogen wird, so möchte man solche dinge, wie gegenwärtiges, gar für heilsam und vortrefflich erklären.
Und somit lebe froh unter den Deinigen. Ertrage die nothwendigen Übel, und laß mich hoffen, in erneuter Jahrszeit wieder einige gute Wochen unter euch zuzubringen.
Weimar den 13. Januar 1813.
G.
23/6481.
An Johann Georg Lenz
Mit Bedauern und schmerzlicher Theilnahme habe ich Nachricht erhalten von dem Unfall, der Ew. Wohlgeb. betroffen hat. Ich wünsche durch Färbern so oft als möglich Dero Befinden unterrichtet zu werden, und sehe erfreulicheren Nachrichten erwartungsvoll entgegen.
Weimar den 13. Januar 1813.
Goethe.
23/6492.
An Johann Heinrich Meyer
Hier sende, mein lieber Freund, was ich an die Berliner erlassen will. Ich glaube sie können zufrieden seyn. Mögen Sie das Schreiben durchsehn und dabey bedenken, was vielleicht noch hinzuzufügen ist. Besuchen Sie mich gefällig heute Abend, so sprechen wir darüber und ich suche auch diese Sache loszuwerden. Das Manuscript kommt mit Dank zurück.
Weimar den 14. Januar 1813.
G.
23/6483.
An Friedrich Wilhelm Riemer
Da ich wahrscheinlich Sonntag früh den französischen gesandten bey mir sehen werde, so wünschte ich, daß wir in der Zwischenzeit eine kleine Session von ein paar Stunden hielten, um unsre kritischen Betrachtungen über das bekannte Manuscript fortzusetzen. Man darf sich nur ein wenig lässig finden lassen und die Zeit rutscht weg, man weiß nicht wo sie hinkömmt.
Weimar den 14. Januar 1813.
G.
23/6484.
An Carl Friedrich Zelter
Einer Sendung an Herrn Friedländer muß ich ein Blatt beylegen, welches, wenn es auch etwas später an dich gelangt, doch liebevoll von dir aufzunehmen ist. Es soll dir von allen Dingen Dank sagen, daß du meinen Wunsch sobald an diese Kunstfreunde bringen wollen, und dich zugleich ersuchen, diesen wackern Männern zu danken, daß sie mich mit ihrer Sendung sogleich und gerade zum Neuenjahr erfreut. Es ist abermals ein problematisches Werk und dient uns andern, die wir in Norden, leider mehr in der Kritik als im Anschauen leben, zu gar mannigfacher Unterhaltung. Du läßt dir ja wohl gelegentlich den Brief zeigen, in welchem ich mich darüber erklärt. Da ich denn doch zur Identitätsschule gehöre, ja zu ihr geboren bin, so ist mir freylich auch hier die schwere Aufgabe auferlegt, unbarmherzige Kritik und unsinnigen Enthusiasmus zu verbinden.
Ifflands Gegenwart hat mir sehr große Freude gegeben. Ich habe mich ganz rein an seinem Talent ergetzt, alles aufzufassen gesucht, wie er es gab, und mich um's Was gar nicht bekümmert. Nimm folgende Bemerkung geduldig auf: Wenn man es mit der Kunst von Innen heraus redlich meynt, so muß man wünschen daß sie würdige und bedeutende Gegenstände behandle: denn nach der letzten künstlerischen Vollendung tritt uns, sittlich genommen, der Gehalt immer als höchste Einheit wieder entgegen, deswegen werden wir W. K. F. auch in den Propyläen, da wir noch in dem Wahn stunden, es sey auf die Menschen genetisch zu wirken, uns über die Gegenstände so treulich äußerten und unsre Preisaufgaben dahin richteten; dieß ist aber alles vergebens gewesen, da gerade seit der Zeit das Legenden- und Heiligenfieber um sich gegriffen und alles wahre Lebenslustige aus der bildenden Kunst verdrängt hat. Doch hierüber klage ich nur im Vorbeygehn: denn in Gefolg meiner ersten Rede wollte ich nur sagen, daß die Kunst, wie sie sich im höchsten Künstler darstellt, eine so gewaltsam lebendige Form erschafft, daß sie jeden Stoff veredelt und verwandelt.
Ja es ist daher dem vortrefflichen Künstler ein würdiges Substrat gewissermaßen im Wege, weil es ihm die Hände bindet und ihm die Freyheit verkümmert, in der er sich als Bildner und als Individuum zu ergehen Lust hat. Man hat den Musikern wiederholt vorgeworfen, daß sie schlechte Texte lieben, man erzählt zum Scherz, daß einer sich offerirt, den Thorzeddel zu componiren, und wäre der Gesang nicht von dem Texte unabhängig, wie hätte denn die Charfreytagsmusik in der Sixtinischen Capelle mit Vitulos endigen können? und was dergleichen mehr ist. Mancher Comödienzeddel gäb eine bessere Oper als das Büchelchen selbst, wenn man es recht darauf anlegte; und so hab ich die Belebung todter Stücke, ja die Schöpfung aus nichts an Ifflanden höchlich bewundern müssen. Die Menge jedoch, welche immer stoffartig gesinnt ist, betrübte sich über den großen, nach ihrer Meynung verschwendeten Aufwand.
Merkwürdig war die Wirkung des Don Ranudo. Die Grundnichtswürdigkeit des Stücks, die unsittliche Forderung, daß der Geburtsadel auf seinen Schatz unwürdig Verzicht thun solle, trat wie ein Gespenst hervor und beynah tausend Menschen in einem kleinen Hause wurden verstimmt: denn selbst der gemeine Menschenverstand muß fühlen, daß Jemand nicht verdient, erniedrigt zu werden, der sich seiner Natur nach nicht erniedrigen kann und will; vor Mitleiden konnte kein Mensch zum Lachen kommen.
Dieses Phänomen war mir um deswegen merkwürdig, weil ich als ein Symptom ansah, daß der Sansculottism schon veraltet sey und die verschiedenen Stände gegenwärtig ganz andere Sorgen und Leidenschaften haben, als daß sie sich unter einander necken, bekriegen und aufreiben möchten.
Merkwürdig war mir es außerdem, daß Iffland, der in seinen geschriebenen Stücken die ausführlichste Breite sucht, in seinem Spiel das Concise, Knappe der extemporirten Stücke wieder heranfordert. Wie anders sähe unter Theater aus, wenn er nicht diesen Umweg hätte machen müssen, wie anders sähe es mit uns allen aus, wenn die directen Wege zum Heil nicht jedem Menschen ein Geheimniß blieben!
Kaum war Iffland abgereist und Epiphanias erschienen, so machte ich Ernst, die heiligen drey Könige bey mir einkehren zu lassen, und durch deine lieben Gesänge sowohl diesen Tag zu feyern, als uns die Aussicht auf Ostern und Pfingsten heiter zu eröffnen. Es war ein schöner und vergnügter Abend, den wir dir durch öftere Wiederholung dieser und anderer deiner Dinge schuldig geworden. Ich hoffe dieser Anfang und Eingang soll gesegnete Folgen haben.
Von mir wüßte ich weiter nichts zu sagen, als daß ich in allem meinen Wesen abwechselnd fortfahre und daß manches gedeiht, obgleich mein Befinden nicht durchgängig das beste ist. Aufregend und höchst erheiternd bleibt mir die Bemühung, Gegenstände alter Kunst aus übriggebliebenen historischen Nachrichten, Trümmern, Anlässen und Ähnlichkeiten wieder herzustellen. Mit Myron's Kuh, glaub ich, ist mir's gelungen.
Herrn Pfund hab ich gern und freundlich, obgleich nur kurze Zeit gesehn. Er empfahl sich mir besonders durch seine Anhänglichkeit an dich. Seine Braut fing ich an als Kind von acht Jahren zu lieben und in ihrem sechzehnten liebte ich sie mehr wie billig. Du kannst ihr auch deshalb etwas freundlicher seyn, wenn sie zu Euch kommt.
Und nun das herzlichste Lebewohl!
Weimar den 15. Januar 1813.
G.
23/6485.
An Thomas Johann Seebeck
[Concept.]
[Weimar, 15. Januar 1813.]
Da zwischen uns einmal wieder eine bewegte Epoche Statt findet, so lassen Sie mich sogleich für das Überschriebene danken!
Die Stelle, die mir einzeln so sehr zuwider war, wird durch den Zusammenhang neutralisirt. Man sieht wohl was der Verfasser will, aber man sieht es nur durch und wenn es beliebt, der kann ihn mißverstehn. Hätte er das auf die Metamorphose der Pflanzen sich beziehende Gleichniß in Conjunctiv ausgesprochen, so sähe man gleich, daß er es zu seinem Zweck nur bedingungsweise annimmt, welches jedem Redner gar wohl erlaubt ist. Allein er spricht es positiv aus, und begünstigt dadurch den leidigen Irrthum, daß wir unsern Vorfahren nichts schuldig sind, ob er gleich, wie man im Zusammenhang sieht, das Entgegengesetzte sagen will! Haben Sie vielen Dank für die Mittheilung dieser Stelle, Hegel ist bey mir entsühnt; aber die Schuld fällt auf Troxlern und dieser begeht den so oft wiederholten und fast unvermeidlichen Fehler, daß man bedeutende Stellen der Dichter und Philosophen einzeln aufführt, um etwas zu sagen, woran im Zusammenhange nicht zu denken ist.
Rizzetti und das Steinsalz werden angekommen seyn, für die übrigen Desiderata werde ich auch sorgen. Dank für alle Notizen, für den wiedergefundenen Entenmann und für alles Gute, woran Sie mich Theil nehmen lassen.
Beyliegendes über die Dopelbilder rhombischen Kalkspathes ruhte lange bey mir und ist durch Ihr schönes Prisma wieder belebt und bekräftiget worden. Es soll mich freuen, wenn das darin Gesagte mit Ihren genauern und schärfern Forschungen übereintrifft. Ich bin überzeugt, daß die genauere Betrachtung der reflectirten Bilder uns über die Doppelbilder und über die prismatischen Farbensäume, welches auch nur Schattenbilder sind, den besten Aufschluß geben wird.
Der Hoffnung, den Magnetismus an die elektrisch-chemischen und folglich auch an die Farbenwirkungen anzuschließen, kann ich nicht ganz entsagen. Ich sehne mich nach einem hellen Tage um gewisse Versuche durchzuführen. Wenden Sie doch ja Ihre Aufmerksamkeit von diesem Puncte nicht weg. Nach meiner Überzeugung wär die ganze Naturforschung für immer geborgen, wenn dieß gelänge.
23/6486.
An Johann Friedrich Heinrich Schlosser
Ew. Wohlgeb.
empfangen meinen freundlichen Gegengruß bey'm Anfange des neuen Jahrs. Setzen Sie Ihre Gewogenheit und thätige Freundschaft gegen mich und die Meinigen auch in dieser neuen Zeit gütig fort. Ich bitte um so mehr darum, weil es die nächste Epoche bedenklich genug zu werden droht.
Die Quittung liegt unterschrieben hier bey, mit der dankbarsten Anerkennung Ihrer treulichen und genauen Bemühungen. Haben Sie die Güte, mir zu Ostern anzuzeigen, worauf ich etwa assigniren könnte. Es hat Zeit bis dorthin.
Darf ich bitten, mich den liebwerthen Ihrigen bestens zu empfehlen und dem beyliegenden Blättchen einige Aufmerksamkeit zu schenken.
Es ist in der letzten Zeit etwas tumultuarisch um mich her zugegangen, so daß ich mich nicht einmal besinne, ob ich Ihnen den zweyten Theil meiner Biographie zugeschickt habe. Seyn Sie so gütig, mich darüber aufzuklären.
Ich wünsche Ihnen auf's beste empfohlen zu seyn.
Weimar den 15. Januar 1813.
Goethe.
Nachschrift.
Ich bin in früherer Zeit auf einen Congreß der Brüdergemeine zu Marienborn gewesen, entsinne mich aber nicht genau des Jahrs. In der Brüdergeschichte von Kranz finde ich einen Congreß von 1769, diesem aber kann ich nicht wohl beygewohnt haben. Wahrscheinlich ist einige Jahre darauf noch ein zweyter gehalten worden; vielleicht nicht so solenn als jener. Daß ich den nachherigen Bischof Spangenberg dort gesehn, erinnere ich mich noch recht gut. Vielleicht sind Ew. Wohlgeb. in dem Falle, mir hierüber eine nähere Nachricht zu ertheilen.
23/6487.
An Carl Bertuch
Ew. Wohlgeb.
haben die Gefälligkeit, mir einen Probedruck von dem Umrisse der bewußten Berghöhencharte gefälligst zukommen zu lassen, ehe die Aqua tinta drauf getragen wird, um noch vorher einiges bedenken zu können.
Mich bestens empfehlend
Weimar den 15. Januar 1813.
Goethe.
23/6488.
An David Friedländer
Ew. Wohlgeb.
erhalten hiebey die Sendung von einem Dutzend Münzen, deren keine ohne Bedeutung ist. Es sind die vorzüglichsten von meinen Doubletten, ja einige nicht einmal Doubletten, weil auf dem Exemplar, das ich zurückhalte, Abänderungen Statt gefunden. Hiezu einige Nachricht.
Von Martin V. an bis auf Pius II. besitze ich zwar die meisten Medaillen, welche Benuti angiebt, allein ich halte sie nicht für ächt; sie mögen vielmehr spätere Nachbildung seyn, wenn sie anders, wie ich zweifle, jemals Originale gehabt haben.
1) Von Pius II. lege ich einen sehr schönen Originalguß der größern Medaille bey, die wegen des Pelicans, der seine Jungen mit dem eignen Blute nährt, berühmt ist.
2) Folgt eine Medaille von Paul II. Sie ist sehr großem Sinn und Styl gearbeitet; wie denn Überhaupt dieser Pabst es nicht an Mühe und Sorgfalt fehlen lassen. Man kann glauben, daß sie von Belano gearbeitet ist.
3) Pius III., wahrscheinlich erst später zu irgend einer Suite der Päbste gearbeitet; ich besitze aber selbst keine bessere, habe auch nie eine andre gesehn.
4) Clemens VII., von Cellini. Er gedenkt derselben mit Künstlerstolz in seiner Lebensbeschreibung und sie drückt ganz der Charakter seiner Zeit und seiner Werke aus. Sie ist verguldet und ob sie gleich dadurch etwas an ihrer Schärfe verloren, so giebt sie doch noch genugsam das Verdienst des Künstlers zu erkennen.
5) Julius II., eine Nachbildung aus späterer Zeit aber vortrefflich. Sie drückt den Charakter des Originals, das ich besitze und welches um ein Drittheil kleiner ist, vollkommen aus, so daß ich mir nur, um meinen werthen Kunstfreunden einigermaßen genug zu thun, von diesem Exemplar mit einigem Widerstreben trenne.
6) Augustinus Mazantus von Verona, ein höchst naives Bildchen, voll Geschmack und Anmuth, obgleich der etwas stumpfe Guß den Werth des Kunstwerks einigermaßen verschleyert. Maffei in seiner Verona Illustrata giebt einen Umriß davon, weiß aber von dem Manne selbst nicht zu sagen, welches um so wunderbarer ist, als der Triumph auf der Rückseite und die Umschrift »Omnibus his solus« auf eine merkwürdige Person hindeutet. Außer dem Kunstwerth ist mir diese Medaille immer schätzbar gewesen, weil sie die einzige ist, die ich von allen denen, welche Maffei darstellt und beschreibt, habe erhalten können.
7) Julianus Medicis. Eins der herrlichsten Werke, welche die neuere Kunst aufzuweisen hat. Es erhält doppelten Werth weil es uns einen so bedeutendem Mann vergegenwärtigt.
8) Ludwig Ariost, ein köstliches Bild eines unschätzbaren Mannes. Die Rückseite ist durch einen Doppelschlag, weil der Stempel rückte, etwas unscheinbar geworden. Sie stellt einen Bienenkasten vor unter den man Feuer angemacht hat, um sich des Honigs zu bemächtigen. Die Unterschrift Pro bono malum deutet auf das Schicksal Ariosts, mit dem er freylich nicht Ursache hatte ganz zufrieden zu seyn.
9) Hieronymus Fuchs, Domherr zu Bamberg und Würzburg, seines Alters 52 Jahr 1533. Auf der Kehrseite ist sein Wappen abgebildet.
Ich sende von dieser Medaille, welche man als eins der trefflichsten Werke deutlicher Kunst ansehen kann, einen Schwefelguß: denn Abdrücke von vorzüglichen Werken verdienen wohl als Vorläufer künstig einkommender Originale in Sammlungen verwahrt zu werden.
10) Galeazius Caracciolus, ein nicht ganz geglückter späterer Abguß. Der Mann ist bedeutend, weil er, aus einer angesehenen Familie, von der Reformation ergriffen, zu den Protestanten übergegangen ist. Der Physiognomist könnte merkwürdig finden, daß dieser Mann, der um der Religion willen seine äußere Existenz aufgegeben, dem unglücklichen Churfürst von Sachsen, Johann Friedrich, etwas ähnlich sieht.
11. Bourbon Condé (Heinrich II.) in Silber. Die Medaille ist 1632 geprägt, zur Zeit, wo dieser Fürst sich von Hofe entfernt hatte. Sie hat etwas Eignes in der Behandlung und es sieht eher aus, als wenn sie in Wachs bossirt und gegossen wäre. Von dem Künstler Papillon wüßte ich nicht sogleich Nachricht zu geben, vielleicht ist es der Ahnherr jener Formschneider, die sich später beliebt und berühmt gemacht haben.
12) Wieland, eine kleine Medaille, welche die hiesige Freymäurerloge zur Ehren seines 80sten Geburtstages prägen lassen.
Mehr sage ich nicht, da ich zu Kennern dieses Fachs rede. Ich wünsche durch diese Sendung Ihnen soviel Vergnügen und Unterhaltung zu verschaffen, als die Ihrige meinem Kreise gewährt hat: denn gerade das Problematische jener Herme hat zu manchen Discussionen Anlaß gegeben und ich melde mit Vergnügen, daß eine nähere Untersuchung dem Werke nichts geschadet hat.
Ob ich beygebogenen Kupferstich schon früher gesendet, erinnere ich mich kaum; doch ist auch eine Wiederholung angenehm. Hofrath Meyer rückt mit seiner Bearbeitung immer vor, leider aber ist die jetzige Zeit keineswegs der Herausgabe solcher Schriften günstig.
Lassen Sie uns Ihnen geneigten Andenken empfohlen seyn! Sollte ich irgend etwas anzubieten haben, wovon ich glauben könnte, daß Ihnen Freude machte, so werde ich nicht verfehlen, es zu thun. Ich erbitte mir von Ihnen eines Gleiches.
Weimar den 15. Januar 1813.
ergebenstGoethe.
23/6489.
An Franz Kirms
Hier sende den Uhlichischen Entwurf des kleinen mit Ballett untermischten Stücks zurück. Es ist so Übel nicht und ich könnte, gut ausgeführt, wohl gefallen. Ich habe auch gar nichts dagegen, daß dieser Mann sein Talent zeigt und die Talente seiner Kinder verbessert; allein wir haben von solchen Dingen wenig Dank: denn nicht Jedermann ist so billig, zu überlegen, daß wir unser Theater von jeher las ein Seminarium ansehen mußten.
Wollten daher Ew. Wohlgeb. sondiren, wie man von oben herein gegen solche Dinge gesinnt ist und was die bedeutenden Glieder unseres Publicums deshalb für eine Meynung hegen? Was mich betrifft, ich habe nicht gegen die Sache.
Weimar den 15. Januar 1813.
G.
23/6490.
An Johann Heinrich Meyer
Hier sende ich, mein lieber Freund, eine Seedeckische Nachricht über den Nürnberger Enten- und Gänsemann, die interessant genug ist. Sind nur erst die Apostel da, so läßt man vielleicht auch einmal einen Abguß von diesem Werke kommen, das uns die deutsche Kunst des sechzehnten Jahrhunderts gewiß auf eine erfreuliche Weise vergegenwärtigt.
Den 15. Jan. 1813.
G.
23/6491.
An Friedrich Hildebrand von Einsiedel
Es thut mir sehr leid zu vernehmen, daß du dich diese Tage übel befunden; ich habe mich auch nicht sonderlich gehalten. Es scheint denn doch, daß die abwechselnde Witterung mehr Einfluß auf uns hat als billig.
Die Übersetzung der Stanzen von Gries ist in diesen trüben Tagen eine wahrhaft sonnige Erscheinung. Es wäre recht schön, wenn er bey Lesung des Stücks gereizt würde fortzufahren und deine Übersetzungsbemühungen mit rhytmischen Zierden bekrönte. Wir würden alsdann wohl hoffen können, das Stück zu produciren. Knebeln will ich deshalb auch ein freundlich Wort sagen. Die beyden Manuscripte, des wundervollen Magus und der Zenobia, folgen hierbey.
Möchten wir uns bald frisch und wohl wiedersehn!
Weimar den 18. Januar 1813.
Goethe.
23/6492.
An Christian Gottlob Voigt
Ew. Excellenz
erhalten hiebey eine ausführliche Zeichnung zu der Medaille, deren ersten Entwurf Sie Ihren Beyfall nicht versagt haben. Ich wünsche Serenissimi höchste Approbation. Kränze waren immer ein angenehmes Symbol der Belohnung. Hier ist einer aus Lorbeerzweigen geflochten für das ideelle Verdienst, einer aus Eichenlaub gewunden, dem reale Verdienste gewidmet, und daß es ja Niemanden an Belohnung fehle, so ist durch einen Erndtekranz, der aus Ähren, Mohn und Kornblumen besteht, alles Nützliche und Erfreuliche angedeutet.
Die Inschrift: den Würdigen spricht das bildlich symbolisirte mit Worten aus, die Umschrift nichts unversucht, steht hier im doppeltem Sinne. Es ist dieß der ganz eigentliche Wahlsspruch unsers gnädigsten Herrn und kann auch hier als Aufmunterung und Anregung für alle gelten. Die Ameise war von je das Sinnbild des anhaltenden, rührigen Fleißes und ich dächte, der industriose Kranz, von diesen Insecten gebildet, nähme ich zwischen den übrigen Kränzen ganz artig aus.
Wird diese Medaille in Paris verfertigt, so kann sie sehr gut gerathen: denn die Franzosen machen solche Dinge ganz vortrefflich, wie ich Zeugnisse in meiner Sammlung aufzuweisen habe. Nur würde ich rathen, sie auch dort prägen zu lassen, weil darauf gewissermaßen alles ankommt und man nicht die Gefahr wegen des Stempelspringens übernimmt. Sobald der Stempel fertig ist, und gehärtet, so prägt sich der Künstler einen erhabenen Ausdruck in weichen Stahl und härtet diesen. Springt sein erster Stempel, so prägt er sich den zweyten und das immer so fort. Bey dem Reichthum der Composition dieser Medaille, wäre zu wünschen, daß sie etwas größer als ein Conventionsthaler gehalten würde. Eine Medaille zu drey Loth hat schon eine hübsche Größe und ist immer ein würdiges fürstliches Präsent. Wollte man auch kleinere prägen, so würde ich rathen, einzelne Kränze zu nehmen. Auf die mittlere den Eichenkranz, auf die kleinsten den Erndtekranz; da denn die letzen gar wohl als jettons angesehn werden können. Ich erbitte mir die Zeichnung des Portraits, um auch einen Entwurf für die Hauptseite besorgen zu können.
Mich zu gewogenem Andenken empfehlend
Weimar den 20. Januar 1813.
Goethe.
23/6493.
An Carl Ludwig von Knebel
Indem ich dir, mein lieber Freund, für deine Mittheilungen schönstens danke, sende ich das Journalstück wieder, welches einen auch mir sehr bedeutenden Aufsatz enthält. Ich leugne nicht, daß die Verbindung des Erd- und Eisenmagnetismus mit den übrigen Polaritäten der physisch-chemischen Natur, welche bisher noch nicht hat glücken wollen, ein wissenschaftliches Ereigniß wäre, welches ich zu erleben wünsche, da ich an der Möglichkeit gar nicht zweifle. Am allererfreulichsten müßte es für mich seyn, wenn eben jener Magnetismus unmittelbar mit der Farbe in Rapport gesetzt werden könnte. Ich habe auch auf Veranlassung der italiänischen Nachricht einige Versuche gemacht, die aber ohne Resultate geblieben sind. Da die angegebenen Versuche jedoch sehr einfach sind, so hoff ich, man wird sie an mehreren Orten wiederholen, und vielleicht ist jemand glücklich genug den wahren Punct zu treffen. Ich wünsche, daß sich Seebeck dafür interessirt, um so mehr, da er die Gebrüder Burukes in Nürnberg neben sich hat, welche in magnetischen Angelegenheiten sehr gewandt und erfahren sind.
Die Nachricht, daß unsere liebe Prinzeß nicht ganz wohl ist, betrübt mich. ich wollte ihr und uns wohl gönnen, daß sie in guter Jahrszeit ihr altes Bergland wieder beträte und die frische Luft desselben einathmete.
Prinz Bernhard wird in Paris sehr fetirt und man hört nichts als vergnügliches von ihm.
Herrn Doctor Gries danke vielmals für die außerordentlich schönen Stanzen. Es wäre ein großer Gewinn, wenn er die ganze Einsiedelsche Vorarbeit gleichmäßig beachten und sie dem herrlichen Rhythmus des Originals und jener glücklichen Diction näher führen wollte. Ich würde alsdann die theatralische Aufführung möglich zu machen suchen und ich sollte mir viel Wirkung von dem Stücke versprechen.
Was Herrn Baum betrifft, so rathe ich dir im Vertrauen, auf ihn etwas acht zu haben. Ich habe Ursache, ihn nicht ganz für das zu halten, wofür er sich giebt; doch sey dieses nur zu deiner eigensten Notiz gesagt.
Die Nachricht vor dem Tode des Prinzen von Oldenburg hat sich zu dem Heer von Übeln hinzugestellt, die uns befallen haben und bedrohen.
Indessen gehn wir muthig auf vier Geburtstäge los, die wir sämmtlich innerhab vierzehn Tagen zu feyern haben. Neue Theaterstücke, Concerte, Tänze werden sich hervorthun. Ist das alles geleistet, so hoff ich gegen Ende Februar wieder einige gute Tage bei euch zuzubringen.
Wie geht es Lenzen? Ich habe nur die allgemeinsten Nachrichten von seinem Unfall und seiner Heilung.
Und so lebe denn recht wohl und laß von Zeit zu Zeit etwas von dir hören und grüße die Deinigen schönstens!
Weimar den 20. Januar 1813.
G.
23/6494.
An Gräfin Josephine O'Donell
Da sich die liebe Excellenz abermals als ernsthafte Dame Ihrem demüthigen Freunde nähert und denselben wo nicht mit bedencklichen doch mit bedeutenden Worten anredet; so erfordert die Schuldigkeit daß derselbe sich ungesäumt mit gebührender Erwiederung einfinde, welches auch hiermit geziemend, und zwar vorerst eigenhändig geschieht.
Es ist nicht zu läugnen daß wir andern Poeten einigermaßen verwandt sind mit dem Cammerdiener des Königs Midas, nur unterschreiben wir uns von diesem Herrn Vetter darin gar merklich daß wenn derselbe die Mängel seines Prinzipals ohnmöglich verschweigen konnte, wir dagegen es sehr peinlich finden von den Vollkommenheiten unserer Herrinnen zu schweigen.
Sie haben daher meine scharfsichtige Freundinn, mich irgend eines Vorhabens in gegründetem Verdacht, nur muß ich zu meiner Rettung und Rechfertigung versichern, daß ich dergleichen Anmasungen niemals aus eigner, uns vom Urvater Helios verliehenem Macht und Gewalt würde gewagt haben, vielmehr sollte ein gewißer stiller Wunsch im Laufe dieses Jahrs gegen die Freundinn verlauten und in Form einer gnädig weiter zu befördernden Bitte vor derselben erscheinen.
Da aber Ihr letztes vertrauliches Schreiben, ahndungsvoll schon eine abschlägige Antwort auf ein nicht angebrachtes Gesuch enthält, so ergebe ich mich um so mehr darein und verschließe, auf diesen himmlischen Fingerzeig, meine Gesinnungen und Vorhaben in einem stillen treuergebenen Herzen, wo sie auf jede Art zu wuchern nicht ermangeln werden. Bekennend oder schweigend
W. d. 22. Jan. 1813.
immer derselbeGoethe.
Zunächst aber sollen Sie, verehrteste Freundinn, höchlichst gepriesen seyn daß Sie mir über meine biographische Masquerade ein freundliches Wort haben sagen wollen. Sie bemerken sehr richtig, daß ich eigentlich nur mein späteres Leben hinter das frühere verstecken kann.
Ein aufmunternder Beyfall ist mir sehr viel werth, weil das Unternehmen viele Schwierigkeiten hat, die mit dem Fortschritt immer wachsen und in jedem Band auf eine eigne Weise überwunden seyn wollen. Ich empfehle Ihnen auch die Fortsetzung dieses Büchleins, denn es ist eigentlich, wie meine meisten Arbeiten, eine Ausgeburt des Schattens und der Kühle, denen die heiße Zone der hellen Lichtwelt nicht recht gemäß ist.
Herr Abt Bondi hat mir gegen das Sonett einen musterhaft schönen Brief geschrieben, wie er vielleicht auch nur in der italiänischen Sprache zu schreiben ist. Begegnen Sie ihm irgendwo und mögen ihm etwas Verbindliches sagen so werd ich es dankbar erkennen.
Zum neuen Jahre hätt ich Ihnen gern gegen die allerliebsten Wünsche etwas gesendet. Allein diese Art Erfindung und Ausführung gehört nur Ihrem großen und heitren Wien. Es scheint, daß die Künstler nun erst recht in das Genre kommen und alle Jahre bessere Einfälle haben.
Die Hafnerischen Werke sind glücklich angekommen und haben mich unmittelbar in Ihre Nähe versetzt. Sie stellen die große, sinnliche Masse der Hauptstadt recht lebhaft dar, aber zugleich von einem solchen Wuste begleitet, daß es mir angst und bange darin wird. Dem Herausgeber muß man das verdiente Lob zollen, daß er diese seltsamen Productionen der Vergessenheit entrissen und sie als Denkmal einer bedeutenden zeit und Localität aufgestellt hat.
Darf ich nun aber auch einmal wieder nach Ihrem lieben Sohn fragen. Jenen Aufsatz des Pensionsunternehmers hab ich mit Sorgfalt gelesen und ob man gleich dadurch nur von der äußern Form des Instituts unterrichtet wird, so glaubte ich doch daraus zu sehn, daß der Mann die Sache versteht und in guter Übung hat. Sagen Sie mir doch etwas von dem lieben Kinde, das Ihnen so werth seyn muß.
Und nun will ich noch hinzufügen, daß ich jenes Blatt, an das Sie mich erinnern, mit andern kostbaren Töplitzer Documenten sorgfältig aufhebe; aber ich muß versichern, daß ich jetzto noch weniger als damals wüßte, wie ich Ihren Wünschen entgegen kommen sollte. Wem bey solchem Gefühl, Tact und Urtheil, die lebendige Welt so gut als die Bücherwelt, das Gegenwärtige sowie das Historische ganz eigentlich angehört, was bedürfte es da noch einer Anleitung, einer Weisung, einer Deutung; und so kann ich Ihrem Verlangen nur einen liebenswürdigen Irrthum entdecken, der das von außen erwartet, was die Natur schon innerlich lange zugetheilt hat. Weiter hab ich mit meinen Betrachtungen über diese Angelegenheit nicht gelangen können.
Ich schließe mit der Bitte um günstige Nachricht von dem Befinden unsrer allerhöchsten Gebieterinn.
W. d. 22tn Jan. 1813.
Goethe.
23/6495.
An Johann Georg Lenz
Ew. Wohlgeb.
haben mich durch Ihr gefälliges Schreiben sehr beruhigt, indem ich daraus ersehe, daß Ihr Zustand leidlich und Ihr Muth auch bey diesem Unfalle sich immer gleich ist. An der Theilnahme eines jeden Wohldenkenden dürften sie nicht zweifeln; auch hier wünscht man zu vernehmen, daß es Ihnen täglich besser gehe. Unsere gnädigsten Herrschaften haben sich mehrmals nach Ihren erkundigt und ich ersuche Sie deshalb, wo nicht unmittelbar, doch wenigstens durch Färbern alle Botentage Nachricht geben zu lassen.
Für die ungarischen Mineralien bin ich sehr dankbar, sie haben mir viel Vergnügen gemacht und zur Belehrung bedient. Die Übergänge von Hornstein in Perlstein sind vorzüglich schön. Auch habe ich bey dieser Gelegenheit bemerken können, wie großen Werth Ihre Erkenntnißlehre habe und wie sehr Sie bemüht gewesen sind, die Liebhaber in den Sand zu setzen, aller anderen Bücher dadurch entbehren zu können.
Die mitgetheilten Briefe sende zurück und freue mich auf die bevorstehenden Acquisitionen. Geben Sie doch dem Correspondenten zu Aussig die Adresse an den Herrn Hauptmann von Verlohren in Dresden und benachrichtigen Sie diesen sehr gefälligen Geschäftsmann davon. Er wird jene Sendungen gewiß sehr gern vermitteln.
Der ich baldige völlige Genesung wünsche, in der Hoffnung, Sie in der zweyten Hälfte des Februar in Jena zu besuchen.
das Beste wünschend
Weimar den 23.Januar 1813.
Goethe.
23/6496.
An Christian Gottlob Voigt
E. E. haben ja wohl die Güte, mir einen Braunschweiger Conventions-Thaler zukommen zu lassen, damit man sich bey einem Zeichnungs-Vorschlage darnach richten könne. Man thut in solchen Fällen freylich besser, wenn man etwas Bekanntes und schon Gebilligtes zum Muster nimmt, anstatt daß man mit Originalität das Publicum effarouchirt. Die Menschen wollen immer etwas Neues und wenn es ihnen geboten wird, wissen sie sich nicht darein zu finden. mit der Medaille konnte man's vielleicht eben so machen. Die Römischen Medaillen haben gar schöne Rückseiten, die E. E. bekannter sind, als mir. Sollte sich nicht darunter etwas Anwendbares finden? E. E. erwähnten neulich einer Spes, der eben so liebenswürdigen, als trügerischen Göttinn. ihre Attribute nehmen sich dargestellt recht hübsch aus.
Weimar d. 24. Januar 1813.
G.
23/6497.
An Carl Friedrich von Reinhard
Ihren freundlichen Brief vom 16. und 26. December will ich nicht gleich nur wenig zu sagen wüßte, so bin ich doch über die Angelegenheit jenes jungen Freundes einiges zu sagen schuldig. Ich habe solche sogleich nach Empfang Ihres werthen Briefes zur Kenntniß solcher Personen gebracht, welche auf akademische Berufungen den meisten Einfluß haben und den hohen Ernährern (Nutritoren) unserer vielfürstigen Universität überlegte Vorschläge zu thun berufen sind: denn daß gegenwärtig keine Stelle offen sey, war mir wohl bewußt; auch haben wir seit kurzer Zeit mehrere junge Männer zu diesem Fache, nach Abgang des jüngeren Hufelands, berufen, welche zunächst auf Beförderung Anspruch machen.
Sonst, da die Akademie in vollem Flor war, haben es wohl junge Männer zu Dutzenden gewagt, in Jena, mit und ohne Titel, und ganz ohne Besoldung und Unterstützung sich niederzulassen und haben insofern ihre Rechnung dabey gefunden, daß sie sich ausbilden, eine Zeit lang sich einen mäßigen Lebensunterhalt verschaffen und so gar wohl erwarten konnten, entweder angestellt, oder nach außen berufen zu werden, welches denn auch den meisten gelungen ist. Jetzt ist aber hierzu keine Zeit und würde auch einem Manne von gereister Bildung nicht einmal anstehn, versuchsweise anzutreten. Für den Augenblick also wüßt' ich keine Aussicht; ich habe jedoch die Herren, welche meine Freunde sind, gebeten, gedachten jungen Mann, der uns doch so nahe verwandt ist, nicht aus den Augen zu lassen.
Es freut mich sehr, daß auch Sie von meinem zweyten Theil Gutes gehört haben: denn ich bedarf Muth und Lust zum dritten. Jeder Theil, ja ein jedes Buch dieses Werkleins muß einen andern Charakter haben und so diesen und jenen Leser verschieden ansprechen. Ich habe dafür zu sorgen, daß ich diesen verschiedenen Eintheilungen jeder das Gehörige zutheile. Dabey schon kommt vieles auf gut Glück an; die Effecte hingegen auf den Leser sind noch zufälliger.
Daß ich Boisserée etwas Freundliches erzeigen konnte, war mir sehr angenehm; ich habe es von Herzen und mit ganzer Überzeugung gethan. Sobald ich ihn und seine Bemühungen durch Ihre Vermittelung kennen lernte, hatte ich mir vorgesetzt was ich nun ausführte. Ein Enthusiasmus für einen specialen Gegenstand, wie doch auch dieser ist, findet sich sehr selten ohne Zuthat von etwas fratzenhaftem, wovor jedoch Sulpiz durch einen reinen frommen Sinn, eine wacker Weltkenntniß und überhaupt eine höhere Cultur geschützt wird. Ich erhielt in diesen Tagen einen allerliebsten Brief von ihm, der so recht von Grund aus gediegen ist.
In manchen anderen Dingen, für die Sie meine Neigung kennen, arbeite ich im Stillen fort und habe das Glück, in jedem Fache mich ebenfalls stiller Mitarbeiter zu freuen und ich hoffe noch auf manche schöne Resultate der Erfahrung wie der Theorie. Aber man muß dergleichen Dinge heimlich und heilig halten und, wenn man nicht massenhaft damit hervortreten kann, lieber davon schweigen. Es ist unglaublich was die Deutschen sich durch das Journal- und Tageblatts verzeddeln für Schaden thun: denn das Gute was dadurch gefördert wird, muß gleich vom Mittelmäßigen und Schlechten verschlungen werden. Das edelste Ganggestein das, wenn es vom Gebirge sich ablöst, gleich in Bächen und Flüssen fortgeschwemmt wird, muß wie das schlechteste abgerundet und zuletzt unter Sand und Schutt vergraben werden. Ich halte mir in denen Dingen, die mich interessiren, lichte Puncte und lichte Menschenfest, das Übrige mag quirlen wie es will und kann.
Unser guter Wieland hat uns in diesen Tagen verlassen, nachdem es nur kurze Zeit sich mehr matt und schwach als krank befunden. Am dritten September ward sein achtziger Geburstag noch feyerlich begangen. Geistesruhe und Thätigkeit hielten sich bey ihm so schön das Gleichgewicht, und so hat er, mit der größten Gelassenheit und ohne das mindeste leidenschaftliche Streben, unendlich viel auf geistige Bildung der Nation gewirkt. Ich habe mir in diesen tagen sein Wesen und Thun recapitulirt; es ist höchst merkwürdig und in Deutschland einzig in seiner Art. Die Franzosen haben eher ähnliche Männer aufzuweisen.
Und nun sehn Sie mir herzlich gegrüßt unter den Lebendigen.
Weimar den 25. Januar 1813.
Goethe.
23/6498.
An Friedrich Wilhelm Riemer
Wollten Sie, lieber Herr Professor, beyliegendem Aufsatz einen Blick gönnen und mir ihn bald wieder senden. Er soll auf die Rückseite der Affiche gedruckt werden, die die benannte Oper ankündigt.
Weimar den 26. Jan. 1813.
G.
23/6499.
An Franz Kirms
Ew. Wohlgeb.
sende hierbey das Programm des Uhlichischen Balletts nebst seinen wiederholten Ansuchen. Wahrscheinlich ist hier die Russinn in eine Zigeunerinn verwandelt. ich habe nichts gegen die Aufführung und überlasse es daher Ew. Wohlgeb. völlig. Wollten Sie die Güte haben, mir von allen Opernbüchelchen welche vorräthig sind, ein Exemplar zukommen zu lassen. Ich wünschte sie einmal im Ganzen zu übersehen.
Weimar den 29 Jan. 1813.
G.
23/6500.
An Carl Friedrich von Reinhard
Nur ein Wort des Dancks für Ihr liebes Andencken, das mich noch im Bette überrascht.
In diesen Tagen ist ein Brief von Sie abgegangen der manches meldet. Der gute Loder dauert mich. Doch ist wohl in diesen Augenblicken jemand zu bedauern der hinweggehoben wird? Wielands Abscheiden ließ mich diese Betrachtung machen. Es freut mich sehr durch Ihren Diener zu hören daß Sie Sich mit den lieben Ihrigen wohl befinden. Sollte also mein Commentar der Apostelgeschichte noch eines Commentar bedürfen? Nächstens mehr, ein herzliches Lebewohl.
W. d. 29. Jan. 1813.
G.
23/6501.
An Christian Gottlob Voigt
Meiner gestrigen Zusage gemäß, übersende hierbey die mitgetheilten Münzen. Ich würde es früher gethan haben, wenn ich in dieser Angelegenheit etwas Positives zu sagen wüßte. Das Braunschweigische Schild und dessen Decoration ist nicht übel erfunden, es setzt aber ein höchst reiches und mannigfaltiges Wappen voraus. Das Gothaische ist recht hübsch, nur will mir die Verbindung der Kränze mit dem Hut nicht gefallen. Vielleicht ahmte man die Chursächsischen vom Anfang des Jahrhunderts nach, wo über dem Schilde ein Feston liegt und der Fürstenhut auf diesem, die Zweige aber in einiger Entfernung das Schild accompagniren.
In der Behandlung der Münzen, so wie der Wappen, herrscht auch eine Mode, die der jedesmalige Stempelschneider und Petschirstecher am besten im Sinne und in der Hand hat. Ein Mann, wie Döll, würde sich gar leicht aus der Sache ziehen.
Wegen der Medaille bin ich eben so unschlüssig. Die Worte Virtus, Honor, auf der Familienmünze beziehen sich auf die daselbst abgebildeten Profile des Apoll und des Pallas. So ein Paar Köpfe hinter einander machen sich freylich sehr gut, da aber das Profil Serenissimi auf die Hauptseite kommen soll, so würden diese beyden Halbgesichter auf der Rückseite nicht wohl räthlich seyn.
ich befinde mich daher in der traurigen Lage, in der man sich sieht, wenn man ein Rath geben soll und zweifeln muß.
Verzeihen E. E. und setzen Ihre vorsorgliche Güte, an de ich niemals zweifeln durfte, gegen mich und die Meinigen fort.
Weimar den 2. Februar 1813.
Goethe.
23/6502.
An Carl von Pirch
[Concept.]
Ew. Hochwohlgeb.
sende mit einigen Widerstreben die mir mitgetheilten Stücke zurück; doch muß ich diese Entschließung wohl fassen, da ich nach wiederholter Überlegung, mich nicht im Stande fühle, dieselbe auf dem Weimarischen Theater aufzuführen. Die Maximen welche Ew. Hochwohlgeb. bey Verfertigung derselben geleitet, mußte ich allerdings billigen, allein mich hat die Erfahrung schon öfters gelehrt, daß die theoretische Einsicht in das, was bey einem Kunstwerke gefordert wird, uns im practischen Fall nicht immer zu Statten komme; und so scheint es mir auch hier der Fall zu seyn, daß Sie das Gute, wovon Sie innig überzeugt sind, nicht zu äußern Erscheinung bringen können. Wahrscheinlich liegt hievon die Ursache darin, daß Sie sich nicht in der Nähe eines bedeutenden, rasch fortschreitenden Theaters befinden: denn da die dramatischen Dichtwerke durch Umstände, ja durch Zeit und Mode sehr bedingt werden, so bedarf vielleicht kein anderes so entschiedenen äußern Anstoß und so fortgesetzten Einfluß.
Mehr wüßte ich für dießmall nicht zu sagen, ohne mich in Betrachtungen einzulassen, welche mich allzu weit führen würden. Verzeihen Sie, wenn ich Ihren Wünschen und Hoffnungen nicht entspreche, auch mir ist es sehr unangenehm, wenn ich einer neuen Acquisition für das Theater entsagen muß.
Der ich recht wohl zu leben wünsche und mich zu geneigtem Andenken empfehle.
Weimar den 5. Februar 1813.
23/6503.
An Carl Ludwig Woltmann
[Concept.]
Damit es mir mit Ew. Hochwohlgeb. Briefe nicht ergehe wie mit so manchen werthen Zuschriften, die ich so lange wiederholt im Kopfe beantworte, bis endlich nichts von allem dem was ich sagen wollte, auf's Papier kommt; so will ich lieber gleich für das Übersendete meinen schuldigen Dank abtragen und Ihr gütiges Vertrauen aufrichtig erwidern. Zu Ihrer Monatsschrift Beyträge zu liefern bin ich leider durch mancherley gehindert, ich muß mich möglichst concentriren und darf keine neuen Obliegenheiten eingehn, wenn ich dasjenige nur einigermaßen leisten will, was ich mir vorgenommen habe, wenn so manches dichterisch und wissenschaftlich Vorgearbeitete nicht unbrauchbar bleiben und verloren gehen soll. Die unausweichlichen Forderungen, die der Tag an uns macht, sind ohnehin dringend und störend genug.