Briefe des Zurückgekehrten - Hugo von Hofmannsthal - E-Book

Briefe des Zurückgekehrten E-Book

Hugo von Hofmannsthal

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Beschreibung

Eine Briefnovelle mit spannendem Einblick in die Gedankenwelt des Protagonisten!Es ist 1901 und ein Österreicher, der seit 18 Jahren in Übersee wohnt, reist wegen einer geschäftlichen Konferenz nach Deutschland. In seinen Briefen an einen anonymen Freund in London berichtet er von dem Unbehagen, das der Aufenthalt bei ihm auslöst. Er möchte eigentlich nur Oberösterreich besuchen und dann zurück nach Übersee reisen. Könnte seine innere Unruhe sich durch einen Besuch in einer Van Gogh-Ausstellung verbessern? -

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Seitenzahl: 30

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Hugo von Hofmannsthal

Briefe des Zurückgekehrten

 

Saga

Briefe des ZurückgekehrtenCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1907, 2020 Hugo von Hofmannsthal und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726684308

 

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

 

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Der erste

April 1901

So bin ich nach achtzehn jahren wieder in deutsch- land, bin auf dem Weg nach Österreich, und weiß selbst nicht, wie mir zumut ist. Auf dem Schiff machte ich mir Begriffe, ich machte mir Urteile im voraus. Meine Begriffe sind mir über dem wirklichen Ansehen in diesen vier Monaten verlorengegangen, und ich weiß nicht, was an ihre Stelle getreten ist: ein zerspaltenes Gefühl von der Gegenwart, eine zerstreute Benommenheit, eine innere Unordnung, die nahe an Unzufriedenheit ist – und fast zum erstenmal im Leben widerfährt mirs, daß ein Gefühl von mir selbst sich mir aufdrängt. Sind es die überschritttenen Vierzig, und ist auch in mir etwas schwerer und dumpfer geworden, so wie mein Körper, den ich in den Distrikten nie gespürt habe und nun – wenn das nicht eine angeflogene Hypochondrie ist – zu spüren anfange? Ich machte mir einen Begriff von den Deutschen, und noch als ich über Wesel der Grenze zufuhr, hatte ich ihn ganz rein in mir: es war nicht völlig der, den die Engländer vor 70 von uns hatten, nur mit den wenigen Büchern, die ich mit mir führte, dem »Werther« und »Wilhelm Meister«, floß mir mein Bild von den Deutschen auch nicht zusammen (was in diesen Romanen abgespiegelt war, erschien mir immer wie ein Spiegelbild, unendlich vertieft, verklärt, beruhigt), aber auch den unfreundlichen Begriff, den die Engländer unserer Zeit von uns in Umlauf setzen, hatte ich von mir abgewehrt: denn ein Volk verwandelt sich nicht bis zur Unkenntlichkeit, es regt sich nur wie im Schlaf und wirft sich herum, es stellt nur andere Seiten seines Wesens ins Licht. Und nun bin ich seit vier Monaten unter ihnen, habe in Düsseldorf mit ihren Minenleuten gehandelt und in Berlin mit ihren Bankleuten, habe Gerhart auf seinem Amt besucht, Charlie auf seinem Gut, habe um eines Gutachtens willen mich von einer Göttinger Kapazität an eine Gießener weisen lassen, mich in Bremen verhalten und in München umgetrieben, habe mit Ämtern und Behörden zu tun gehabt, Eure Eisen- und Maschinenleute, Eure kleinen und großen Herren gekostet – und weiß nicht, was ich sagen soll.