Gedichte - Hugo von Hofmannsthal - E-Book

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Hugo von Hofmannsthal

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Beschreibung

Gedichte Hugo von Hofmannsthal - Mit silbergrauem Dufte war das TalDer Dämmerung erfüllt, wie wenn der MondDurch Wolken sickert. Doch es war nicht Nacht.Mit silbergrauem Duft des dunklen TalesVerschwammen meine dämmernden Gedanken,Und still versank ich in dem webenden,Durchsichtgen Meere und verließ das Leben.Wie wunderbare Blumen waren da,Mit Kelchen dunkelglühend! Pflanzendickicht,Durch das ein gelbrot Licht wie von TopasenIn warmen Strömen drang und glomm. Das GanzeWar angefüllt mit einem tiefen SchwellenSchwermütiger Musik. Und dieses wußt ich,Obgleich ichs nicht begreife, doch ich wußt es:Das ist der Tod. Der ist Musik geworden,Gewaltig sehnend, süß und dunkelglühend,Verwandt der tiefsten Schwermut.Aber seltsam!Ein namenloses Heimweh weinte lautlosIn meiner Seele nach dem Leben, weinte,Wie einer weint, wenn er auf großem SeeschiffMit gelben Riesensegeln gegen AbendAuf dunkelblauem Wasser an der Stadt,

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Hugo von Hofmannsthal
Gedichte

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DIE GESAMMELTEN GEDICHTE

VORFRÜHLING

Es läuft der Frühlingswind Durch kahle Alleen, Seltsame Dinge sind In seinem Wehn.

Er hat sich gewiegt, Wo Weinen war, Und hat sich geschmiegt In zerrüttetes Haar.

Er schüttelte nieder Akazienblüten Und kühlte die Glieder, Die atmend glühten.

Lippen im Lachen Hat er berührt, Die weichen und wachen Fluren durchspürt.

Er glitt durch die Flöte Als schluchzender Schrei, An dämmernder Röte Flog er vorbei.

Er flog mit Schweigen Durch flüsternde Zimmer Und löschte im Neigen Der Ampel Schimmer.

Es läuft der Frühlingswind Durch kahle Alleen, Seltsame Dinge sind In seinem Wehn.

Durch die glatten Kahlen Alleen Treibt sein Wehn Blasse Schatten

Und den Duft, Den er gebracht, Von wo er gekommen Seit gestern nacht.

ERLEBNIS

Mit silbergrauem Dufte war das Tal Der Dämmerung erfüllt, wie wenn der Mond Durch Wolken sickert. Doch es war nicht Nacht. Mit silbergrauem Duft des dunklen Tales Verschwammen meine dämmernden Gedanken, Und still versank ich in dem webenden, Durchsichtgen Meere und verließ das Leben. Wie wunderbare Blumen waren da, Mit Kelchen dunkelglühend! Pflanzendickicht, Durch das ein gelbrot Licht wie von Topasen In warmen Strömen drang und glomm. Das Ganze War angefüllt mit einem tiefen Schwellen Schwermütiger Musik. Und dieses wußt ich, Obgleich ichs nicht begreife, doch ich wußt es: Das ist der Tod. Der ist Musik geworden, Gewaltig sehnend, süß und dunkelglühend, Verwandt der tiefsten Schwermut. Aber seltsam! Ein namenloses Heimweh weinte lautlos In meiner Seele nach dem Leben, weinte, Wie einer weint, wenn er auf großem Seeschiff Mit gelben Riesensegeln gegen Abend Auf dunkelblauem Wasser an der Stadt, Der Vaterstadt, vorüberfährt. Da sieht er Die Gassen, hört die Brunnen rauschen, riecht Den Duft der Fliederbüsche, sieht sich selber. Ein Kind, am Ufer stehn, mit Kindesaugen, Die ängstlich sind und weinen wollen, sieht Durchs offne Fenster Licht in seinem Zimmer –Das große Seeschiff aber trägt ihn weiter, Auf dunkelblauem Wasser lautlos gleitend Mit gelben, fremdgeformten Riesensegeln.

VOR TAG

Nun liegt und zuckt am fahlen Himmelsrand In sich zusammgesunken das Gewitter. Nun denkt der Kranke: ›Tag! jetzt werd ich schlafen!‹ Und drückt die heißen Lider zu. Nun streckt Die junge Kuh im Stall die starken Nüstern Nach kühlem Frühduft. Nun im stummen Wald Hebt der Landstreicher ungewaschen sich Aus weichem Bett vorjährigen Laubes auf Und wirft mit frecher Hand den nächsten Stein Nach einer Taube, die schlaftrunken fliegt, Und graust sich selber, wie der Stein so dumpf Und schwer zur Erde fällt. Nun rennt das Wasser, Als wollte es der Nacht, der fortgeschlichnen, nach Ins Dunkel stürzen, unteilnehmend, wild Und kalten Hauches hin, indessen droben Der Heiland und die Mutter leise, leise Sich unterreden auf dem Brücklein: leise. Und doch ist ihre kleine Rede ewig Und unzerstörbar wie die Sterne droben. Er trägt sein Kreuz und sagt nur: ›Meine Mutter!‹ Und sieht sie an, und: ›Ach, mein lieber Sohn!‹ Sagt sie. – Nun hat der Himmel mit der Erde Ein stumm beklemmend Zwiegespräch. Dann geht Ein Schauer durch den schweren, alten Leib: Sie rüstet sich, den neuen Tag zu leben. Nun steigt das geisterhafte Frühlicht. Nun Schleicht einer ohne Schuh von einem Frauenbett, Läuft wie ein Schatten, klettert wie ein Dieb Durchs Fenster in sein eigenes Zimmer, siehtSich im Wandspiegel und hat plötzlich Angst Vor diesem blassen, übernächtigen Fremden, Als hätte dieser selbe heute nacht Den guten Knaben, der er war, ermordet Und käme jetzt, die Hände sich zu waschen Im Krüglein seines Opfers wie zum Hohn, Und darum sei der Himmel so beklommen Und alles in der Luft so sonderbar. Nun geht die Stalltür. Und nun ist auch Tag.

REISELIED

Wasser stürzt, uns zu verschlingen, Rollt der Fels, uns zu erschlagen, Kommen schon auf starken Schwingen Vögel her, uns fortzutragen.

Aber unten liegt ein Land, Früchte spiegelnd ohne Ende In den alterslosen Seen.

Marmorstirn und Brunnenrand Steigt aus blumigem Gelände, Und die leichten Winde wehn.

DIE BEIDEN

Sie trug den Becher in der Hand – Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand –, So leicht und sicher war ihr Gang, Kein Tropfen aus dem Becher sprang.

So leicht und fest war seine Hand: Er ritt auf einem jungen Pferde, Und mit nachlässiger Gebärde Erzwang er, daß es zitternd stand.

Jedoch, wenn er aus ihrer Hand Den leichten Becher nehmen sollte, So war es beiden allzu schwer: Denn beide bebten sie so sehr, Daß keine Hand die andre fand Und dunkler Wein am Boden rollte.

LEBENSLIED

Den Erben laß verschwenden An Adler, Lamm und Pfau Das Salböl aus den Händen Der toten alten Frau! Die Toten, die entgleiten, Die Wipfel in dem Weiten – Ihm sind sie wie das Schreiten Der Tänzerinnen wert!

Er geht wie den kein Walten Vom Rücken her bedroht. Er lächelt, wenn die Falten Des Lebens flüstern: Tod! Ihm bietet jede Stelle Geheimnisvoll die Schwelle; Es gibt sich jeder Welle Der Heimatlose hin.

Der Schwarm von wilden Bienen Nimmt seine Seele mit; Das Singen von Delphinen Beflügelt seinen Schritt: Ihn tragen alle Erden Mit mächtigen Gebärden. Der Flüsse Dunkelwerden Begrenzt den Hirtentag!

Das Salböl aus den Händen Der toten alten Frau Laß lächelnd ihn verschwenden An Adler, Lamm und Pfau:Er lächelt der Gefährten. – Die schwebend unbeschwerten Abgründe und die Gärten Des Lebens tragen ihn.

GUTE STUNDE

Hier lieg ich, mich dünkt es der Gipfel der Welt, Hier hab ich kein Haus, und hier hab ich kein Zelt!

Die Wege der Menschen sind um mich her, Hinauf zu den Bergen und nieder zum Meer:

Sie tragen die Ware, die ihnen gefällt, Unwissend, daß jede mein Leben enthält.

Sie bringen in Schwingen aus Binsen und Gras Die Früchte, von denen ich lange nicht aß:

Die Feige erkenn ich, nun spür ich den Ort, Doch lebte der lange vergessene fort!

Und war mir das Leben, das schöne, entwandt, Es hielt sich im Meer, und es hielt sich im Land!

DEIN ANTLITZ …