Bringen wir das Klima aus dem Takt? - Mojib Latif - E-Book

Bringen wir das Klima aus dem Takt? E-Book

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Beschreibung

Es besteht kein Zweifel, dass der Mensch einen Einfluss auf das weltweite Klima ausübt. Der Ausstoß klimarelevanter Spurengase wie zum Beispiel Kohlendioxid in die Atmosphäre führt zu einer zusätzlichen Erwärmung der Erdoberfläche und der unteren Luftschichten - man spricht vom "anthropogenen Treibhauseffekt". Infolge dieses Einflusses wird sich das Weltklima in den nächsten Jahrzehnten noch weiter erwärmen.

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Mojib Latif

Bringen wir das Klima aus dem Takt?

Hintergründe und Prognosen

Fischer e-books

Herausgegeben von Klaus Wiegandt

Unsere Adressen im Internet: www.fischerverlage.de www.hochschule.fischerverlage.de

Vorwort des Herausgebers

Handeln – aus Einsicht und Verantwortung

»Wir waren im Begriff, Götter zu werden, mächtige Wesen, die eine zweite Welt erschaffen konnten, wobei uns die Natur nur die Bausteine für unsere neue Schöpfung zu liefern brauchte.«

Dieser mahnende Satz des Psychoanalytikers und Sozialphilosophen Erich Fromm findet sich in Haben oder Sein – die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft (1976). Das Zitat drückt treffend aus, in welches Dilemma wir durch unsere wissenschaftlich-technische Orientierung geraten sind.

Aus dem ursprünglichen Vorhaben, sich der Natur zu unterwerfen, um sie nutzen zu können (»Wissen ist Macht«), erwuchs die Möglichkeit, die Natur zu unterwerfen, um sie auszubeuten. Wir sind vom frühen Weg des Erfolges mit vielen Fortschritten abgekommen und befinden uns auf einem Irrweg der Gefährdung mit unübersehbaren Risiken. Die gröβte Gefahr geht dabei von dem unerschütterlichen Glauben der überwiegenden Mehrheit der Politiker und Wirtschaftsführer an ein unbegrenztes Wirtschaftswachstum aus, das im Zusammenspiel mit grenzenlosen technologischen Innovationen Antworten auf alle Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft geben werde.

Schon seit Jahrzehnten werden die Menschen aus Kreisen der Wissenschaft vor diesem Kollisionskurs mit der Natur gewarnt. Bereits 1983 gründeten die Vereinten Nationen eine Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, die sich 1987 mit dem so genannten Brundtland-Bericht zu Wort meldete. Unter dem Titel »Our Common Future« wurde ein Konzept vorgestellt, das die Menschen vor Katastrophen bewahren will und zu einem verantwortbaren Leben zurückfinden lassen soll. Gemeint ist das Konzept einer »langfristig umweltverträglichen Ressourcennutzung« – in der deutschen Sprache als Nachhaltigkeit bezeichnet. Nachhaltigkeit meint – im Sinne des Brundtland-Berichts – »eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstandard zu wählen«.

Leider ist dieses Leitbild für ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiges Handeln trotz zahlreicher Bemühungen noch nicht zu der Realität geworden, zu der es werden kann, ja werden muss. Dies liegt meines Erachtens darin begründet, dass die Zivilgesellschaften bisher nicht ausreichend informiert und mobilisiert wurden.

Forum für Verantwortung

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf zunehmend warnende Stimmen und wissenschaftliche Ergebnisse habe ich mich entschlossen, mit meiner Stiftung gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Ich möchte zur Verbreitung und Vertiefung des öffentlichen Diskurses über die unabdingbar notwendige nachhaltige Entwicklung beitragen. Mein Anliegen ist es, mit dieser Initiative einer groβen Zahl von Menschen Sach- und Orientierungswissen zum Thema Nachhaltigkeit zu vermitteln sowie alternative Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Denn das Leitbild »nachhaltige Entwicklung« allein reicht nicht aus, um die derzeitigen Lebens- und Wirtschaftsweisen zu verändern. Es bietet zwar eine Orientierungshilfe, muss jedoch in der Gesellschaft konkret ausgehandelt und dann in Handlungsmuster umgesetzt werden. Eine demokratische Gesellschaft, die sich ernsthaft in Richtung Zukunftsfähigkeit umorientieren will, ist auf kritische, kreative, diskussionsund handlungsfähige Individuen als gesellschaftliche Akteure angewiesen. Daher ist lebenslanges Lernen, vom Kindesalter bis ins hohe Alter, an unterschiedlichen Lernorten und unter Einbezug verschiedener Lernformen (formelles und informelles Lernen), eine unerlässliche Voraussetzung für die Realisierung einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung. Die praktische Umsetzung ökologischer, ökonomischer und sozialer Ziele einer wirtschaftspolitischen Nachhaltigkeitsstrategie verlangt nach reflexions- und innovationsfähigen Menschen, die in der Lage sind, im Strukturwandel Potenziale zu erkennen und diese für die Gesellschaft nutzen zu lernen.

Es reicht für den Einzelnen nicht aus, lediglich »betroffen« zu sein. Vielmehr ist es notwendig, die wissenschaftlichen Hintergründe und Zusammenhänge zu verstehen, um sie für sich verfügbar zu machen und mit anderen in einer zielführenden Diskussion vertiefen zu können. Nur so entsteht Urteilsfähigkeit, und Urteilsfähigkeit ist die Voraussetzung für verantwortungsvolles Handeln.

Die unablässige Bedingung hierfür ist eine zugleich sachgerechte und verständliche Aufbereitung sowohl der Fakten als auch der Denkmodelle, in deren Rahmen sich mögliche Handlungsalternativen aufzeigen lassen und an denen sich jeder orientieren und sein persönliches Verhalten ausrichten kann.

Um diesem Ziel näher zu kommen, habe ich ausgewiesene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gebeten, in der Reihe »Forum für Verantwortung« zu zwölf wichtigen Themen aus dem Bereich der nachhaltigen Entwicklung den Stand der Forschung und die möglichen Optionen allgemeinverständlich darzustellen. Die ersten vier Bände zu folgenden Themen sind erschienen:

Was verträgt unsere Erde noch? Wege in die Nachhaltigkeit (Jill Jäger)

Kann unsere Erde die Menschen noch ernähren? Bevölkerungsexplosion – Umwelt – Gentechnik (Klaus Hahlbrock)

Nutzen wir die Erde richtig? Die Leistungen der Natur und die Arbeit des Menschen (Friedrich Schmidt-Bleek)

Bringen wir das Klima aus dem Takt? Hintergründe und Prognosen (Mojib Latif)

 

Vier Folgebände sind in Vorbereitung und werden Mitte 2007 erscheinen. Sie behandeln die Themen »Ressource Wasser« (Wolfram Mauser), »Energien des 21. Jahrhunderts« (Hermann-Josef Wagner), »Entwicklung der Weltbevölkerung« (Rainer Münz und Albert F. Reiterer) und »Die Bedeutung der Ozeane für das Leben« (Katherine Richardson und Stefan Rahmstorf).

Die letzten vier Bände der Reihe werden Ende 2007 erscheinen. Sie stellen Fragen nach dem möglichen Umbau der Wirtschaft (Bernd Meyer), nach der Bedrohung durch Infektionskrankheiten (Stefan H. E. Kaufmann), nach der Gefährdung der Artenvielfalt (Josef H. Reichholf) und nach einem möglichen Weg zu einer neuen Weltordnung im Zeichen der Nachhaltigkeit (Harald Müller).

Zwölf Bände – es wird niemanden überraschen, wenn im Hinblick auf die Bedeutung von wissenschaftlichen Methoden oder die Interpretationsbreite aktueller Messdaten unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Unabhängig davon sind sich aber alle an diesem Projekt Beteiligten darüber einig, dass es keine Alternative zu einem Weg aller Gesellschaften in die Nachhaltigkeit gibt.

Öffentlicher Diskurs

Was verleiht mir den Mut zu diesem Projekt und was die Zuversicht, mit ihm die deutschsprachigen Zivilgesellschaften zu erreichen und vielleicht einen Anstoβ zu bewirken?

Zum einen sehe ich, dass die Menschen durch die Häufung und das Ausmaβ der Naturkatastrophen der letzten Jahre sensibler für Fragen unseres Umgangs mit der Erde geworden sind. Zum anderen gibt es im deutschsprachigen Raum bisher nur wenige allgemeinverständliche Veröffentlichungen wie Die neuen Grenzen des Wachstums (Donella und Dennis Meadows), Erdpolitik (Ernst-Ulrich von Weizsäcker), Balance oder Zerstörung (Franz Josef Radermacher), Fair Future (Wuppertal Institut) und Kollaps (Jared Diamond). Insbesondere liegen keine Schriften vor, die zusammenhängend das breite Spektrum einer umfassend nachhaltigen Entwicklung abdecken.

Das vierte Kolloquium meiner Stiftung, das im März 2005 in der Europäischen Akademie Otzenhausen (Saarland) zu dem Thema »Die Zukunft der Erde – was verträgt unser Planet noch?« stattfand, zeigte deutlich, wie nachdenklich eine sachgerechte und allgemeinverständliche Darstellung der Thematik die groβe Mehrheit der Teilnehmer machte.

Darüber hinaus stimmt mich persönlich zuversichtlich, dass die mir eng verbundene ASKO EUROPA-STIFTUNG alle zwölf Bände vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie didaktisieren lässt, um qualifizierten Lehrstoff für langfristige Bildungsprogramme zum Thema Nachhaltigkeit sowohl im Rahmen der Stiftungsarbeit als auch im Rahmen der Bildungsangebote der Europäischen Akademie Otzenhausen zu erhalten. Das Thema Nachhaltigkeit wird in den nächsten Jahren zu dem zentralen Thema der ASKO EUROPA-STIFTUNG und der Europäischen Akademie Otzenhausen.

Schlieβlich gibt es ermutigende Zeichen in unserer Zivilgesellschaft, dass die Bedeutung der Nachhaltigkeit erkannt und auf breiter Basis diskutiert wird. So zum Beispiel auf dem 96. Deutschen Katholikentag 2006 in Saarbrücken unter dem Motto »Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht«. Die Bedeutung einer zukunftsfähigen Entwicklung wird inzwischen durch mehrere Institutionen der Wirtschaft und der Politik auch in Deutschland anerkannt und gefordert, beispielsweise durch den Rat für Nachhaltige Entwicklung, die Bund-Länder-Kommission, durch Stiftungen, Nicht-Regierungs-Organisationen und Kirchen.

Auf globaler Ebene mehren sich die Aktivitäten, die den Menschen die Bedeutung und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung ins Bewusstsein rufen wollen: Ich möchte an dieser Stelle unter anderem auf den »Marrakesch-Prozess« (eine Initiative der UN zur Förderung nachhaltigen Produzierens und Konsumierens), auf die UN-Weltdekade »Bildung für nachhaltige Entwicklung« 2005–2014 sowie auf den Film des ehemaligen US Vizepräsidenten Al Gore An Inconvenient Truth (2006) verweisen.

Wege in die Nachhaltigkeit

Eine wesentliche Aufgabe unserer auf zwölf Bände angelegten Reihe bestand für die Autorinnen und Autoren darin, in dem jeweils beschriebenen Bereich die geeigneten Schritte zu benennen, die in eine nachhaltige Entwicklung führen können. Dabei müssen wir uns immer vergegenwärtigen, dass der erfolgreiche Übergang zu einer derartigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklung auf unserem Planeten nicht sofort gelingen kann, sondern viele Jahrzehnte dauern wird. Es gibt heute noch keine Patentrezepte für den langfristig erfolgreichsten Weg. Sehr viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und noch mehr innovationsfreudige Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Managerinnen und Manager werden weltweit ihre Kreativität und Dynamik zur Lösung der groβen Herausforderungen aufbieten müssen. Dennoch sind bereits heute erste klare Ziele erkennbar, die wir erreichen müssen, um eine sich abzeichnende Katastrophe abzuwenden. Dabei können weltweit Milliarden Konsumenten mit ihren täglichen Entscheidungen beim Einkauf helfen, der Wirtschaft den Übergang in eine nachhaltige Entwicklung zu erleichtern und ganz erheblich zu beschleunigen – wenn die politischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen sind. Global gesehen haben zudem Milliarden von Bürgern die Möglichkeit, in demokratischer Art und Weise über ihre Parlamente die politischen »Leitplanken« zu setzen.

Die wichtigste Erkenntnis, die von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft gegenwärtig geteilt wird, lautet, dass unser ressourcenschweres westliches Wohlstandsmodell (heute gültig für eine Milliarde Menschen) nicht auf weitere fünf oder bis zum Jahr 2050 sogar auf acht Milliarden Menschen übertragbar ist. Das würde alle biophysikalischen Grenzen unseres Systems Erde sprengen. Diese Erkenntnis ist unbestritten. Strittig sind jedoch die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind.

Wenn wir ernsthafte Konflikte zwischen den Völkern vermeiden wollen, müssen die Industrieländer ihren Ressourcenverbrauch stärker reduzieren als die Entwicklungs- und Schwellenländer ihren Verbrauch erhöhen. In Zukunft müssen sich alle Länder auf gleichem Ressourcenverbrauchsniveau treffen. Nur so lässt sich der notwendige ökologische Spielraum schaffen, um den Entwicklungs- und Schwellenländern einen angemessenen Wohlstand zu sichern.

Um in diesem langfristigen Anpassungsprozess einen dramatischen Wohlstandsverlust des Westens zu vermeiden, muss der Übergang von einer ressourcenschweren zu einer ressourcenleichten und ökologischen Marktwirtschaft zügig in Angriff genommen werden.

Die Europäische Union als stärkste Wirtschaftskraft der Welt bringt alle Voraussetzungen mit, in diesem Innovationsprozess die Führungsrolle zu übernehmen. Sie kann einen entscheidenden Beitrag leisten, Entwicklungsspielräume für die Schwellen- und Entwicklungsländer im Sinn der Nachhaltigkeit zu schaffen. Gleichzeitig bieten sich der europäischen Wirtschaft auf Jahrzehnte Felder für qualitatives Wachstum mit zusätzlichen Arbeitsplätzen. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang auch die Rückgewinnung von Tausenden von begabten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Europa nicht nur aus materiellen Gründen, sondern oft auch wegen fehlender Arbeitsmöglichkeiten oder unsicheren -bedingungen verlassen haben.

Auf der anderen Seite müssen die Schwellen- und Entwicklungsländer sich verpflichten, ihre Bevölkerungsentwicklung in überschaubarer Zeit in den Griff zu bekommen. Mit stärkerer Unterstützung der Industrienationen muss das von der Weltbevölkerungskonferenz der UNO1994 in Kairo verabschiedete 20-Jahres-Aktionsprogramm umgesetzt werden.

Wenn es der Menschheit nicht gelingt, die Ressourcen- und Energieeffizienz drastisch zu steigern und die Bevölkerungsentwicklung nachhaltig einzudämmen – man denke nur an die Prognose der UNO, nach der die Bevölkerungsentwicklung erst bei elf bis zwölf Milliarden Menschen am Ende dieses Jahrhunderts zum Stillstand kommt –, dann laufen wir ganz konkret Gefahr, Ökodiktaturen auszubilden. In den Worten von Ernst Ulrich von Weizsäcker: »Die Versuchung für den Staat wird groβ sein, die begrenzten Ressourcen zu rationieren, das Wirtschaftsgeschehen im Detail zu lenken und von oben festzulegen, was Bürger um der Umwelt willen tun und lassen müssen. Experten für ›Lebensqualität‹ könnten von oben definieren, was für Bedürfnisse befriedigt werden dürften« (Erdpolitik, 1989).

Es ist an der Zeit

Es ist an der Zeit, dass wir zu einer grundsätzlichen, kritischen Bestandsaufnahme in unseren Köpfen bereit sind. Wir – die Zivilgesellschaften – müssen entscheiden, welche Zukunft wir wollen. Fortschritt und Lebensqualität sind nicht allein abhängig vom jährlichen Zuwachs des Pro-Kopf-Einkommens. Zur Befriedigung unserer Bedürfnisse brauchen wir auch keineswegs unaufhaltsam wachsende Gütermengen. Die kurzfristigen Zielsetzungen in unserer Wirtschaft wie Gewinnmaximierung und Kapitalakkumulierung sind eines der Haupthindernisse für eine nachhaltige Entwicklung. Wir sollten unsere Wirtschaft wieder stärker dezentralisieren und den Welthandel im Hinblick auf die mit ihm verbundene Energieverschwendung gezielt zurückfahren. Wenn Ressourcen und Energie die »wahren« Preise widerspiegeln, wird der weltweite Prozess der Rationalisierung und Freisetzung von Arbeitskräften sich umkehren, weil der Kostendruck sich auf die Bereiche Material und Energie verlagert.

Der Weg in die Nachhaltigkeit erfordert gewaltige technologische Innovationen. Aber nicht alles, was technologisch machbar ist, muss auch verwirklicht werden. Die totale Ökonomisierung unserer gesamten Lebensbereiche ist nicht erstrebenswert. Die Verwirklichung von Gerechtigkeit und Fairness für alle Menschen auf unserer Erde ist nicht nur aus moralisch-ethischen Prinzipien erforderlich, sondern auch der wichtigste Beitrag zur langfristigen Friedenssicherung. Daher ist es auch unvermeidlich, das politische Verhältnis zwischen Staaten und Völkern der Erde auf eine neue Basis zu stellen, in der sich alle, nicht nur die Mächtigsten, wieder finden können. Ohne einvernehmliche Grundsätze »globalen Regierens« lässt sich Nachhaltigkeit in keinem einzigen der in dieser Reihe diskutierten Themenbereiche verwirklichen.

Und letztendlich müssen wir die Frage stellen, ob wir Menschen das Recht haben, uns so stark zu vermehren, dass wir zum Ende dieses Jahrhunderts womöglich eine Bevölkerung von 11 bis 12 Milliarden Menschen erreichen, jeden Quadratzentimeter unserer Erde in Beschlag nehmen und den Lebensraum und die Lebensmöglichkeiten aller übrigen Arten immer mehr einengen und zerstören.

Unsere Zukunft ist nicht determiniert. Wir selbst gestalten sie durch unser Handeln und Tun: Wir können so weitermachen wie bisher, doch dann begeben wir uns schon Mitte dieses Jahrhunderts in die biophysikalische Zwangsjacke der Natur mit möglicherweise katastrophalen politischen Verwicklungen. Wir haben aber auch die Chance, eine gerechtere und lebenswerte Zukunft für uns und die zukünftigen Generationen zu gestalten. Dies erfordert das Engagement aller Menschen auf unserem Planeten.

Danksagung

Mein ganz besonderer Dank gilt den Autorinnen und Autoren dieser zwölfbändigen Reihe, die sich neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit der Mühe unterzogen haben, nicht für wissenschaftliche Kreise, sondern für eine interessierte Zivilgesellschaft das Thema Nachhaltigkeit allgemeinverständlich aufzubereiten. Für meine Hartnäckigkeit, an dieser Vorgabe weitestgehend festzuhalten, bitte ich an dieser Stelle nochmals um Nachsicht. Dankbar bin ich für die vielfältigen und anregenden Diskussionen über Wege in die Nachhaltigkeit.

Bei der umfangreichen Koordinationsarbeit hat mich von Anfang an ganz maβgeblich Ernst Peter Fischer unterstützt – dafür meinen ganz herzlichen Dank, ebenso Wolfram Huncke, der mich in Sachen Öffentlichkeitsarbeit beraten hat. Für die umfangreichen organisatorischen Arbeiten möchte ich mich ganz herzlich bei Annette Maas bedanken, ebenso bei Ulrike Holler vom S. Fischer Verlag für die nicht einfache Lektoratsarbeit.

Auch den finanziellen Förderern dieses Groβprojektes gebührt mein Dank: allen voran der ASKO EUROPA-STIFTUNG (Saarbrücken) und meiner Familie sowie der Stiftung Europrofession (Saarbrücken), Erwin V. Conradi, Wolfgang Hirsch, Wolf-Dietrich und Sabine Loose.

Seeheim-Jugenheim

Stiftung Forum für Verantwortung

Sommer 2006

Klaus Wiegandt

Vorwort

Der Mensch beeinflusst in zunehmendem Maße das Klima. Dieser von uns angestoßene globale Klimawandel hat seine Ursache darin, dass wir durch unsere vielfältigen Aktivitäten bestimmte, das Klima beeinflussende, Spurengase, wie beispielsweise Kohlendioxid, Methan oder Lachgas, in die Atmosphäre entlassen. Dabei spielen vor allem der Energiesektor, die Landwirtschaft und die Industrie als Emittenten eine herausragende Rolle. Hinzu kommt die Vernichtung der Wälder. Die Anreicherung dieser so genannten Treibhausgase in der Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung führt zu einer globalen Erwärmung, welche weit reichende Veränderungen im System Erde nach sich zieht. Dies ist der Kern des Klimaproblems. Dabei ist der Zusammenhang zwischen dem Gehalt von Spurengasen in der Atmosphäre und dem Weltklima schon seit über 100 Jahren bekannt.

Das Klimaproblem steht nicht allein, vielmehr muss man es auch im Zusammenhang mit den anderen großen Problemen der Menschheit sehen. So ist beispielsweise das Klimaproblem untrennbar mit der Bevölkerungsentwicklung oder mit der Energiefrage verbunden. Die Verfügbarkeit von Wasser hängt ganz entscheidend vom Klima ab, wie auch die Artenvielfalt. Die Klimaproblematik hat aber offensichtlich auch sozioökonomische Aspekte, und reicht weit in die Gesellschaft, in die Wirtschaft und in die Politik hinein. Insofern habe ich keine Sekunde gezögert, mich an der Buchreihe des Forums für Verantwortung als Autor zu beteiligen. Sie befasst sich mit etwa einem Dutzend zentraler Zukunftsthemen, die in vielfältiger Art und Weise miteinander verwoben sind. Der übergeordnete Gedanke ist das Prinzip der Nachhaltigkeit. Nur wenn sich die nationalstaatliche und die Weltpolitik dem Gedanken der Nachhaltigkeit verpflichten, können die enormen Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, in unserer globalisierten Welt gelöst werden. Hinsichtlich des Klimaproblems ist langfristig insbesondere die verstärkte Nutzung der erneuerbaren Energien zu nennen, da eine weitere Energieversorgung unter Nutzung der fossilen Energien in den kommenden Jahrzehnten zu dramatischen Klimaänderungen führen wird. Der komplette Umbau zu einer kohlenstofffreien Weltwirtschaft kann wegen der großen Trägheit des Klimas allmählich erfolgen, innerhalb dieses Jahrhunderts, ohne große wirtschaftliche Verwerfungen zu hinterlassen. Wir haben es also noch in der Hand, unser Klima auf einem halbwegs akzeptablen Niveau zu stabilisieren. Ein Anliegen des Autors ist es, diese Möglichkeit in die Zivilgesellschaft zu kommunizieren.

Ich möchte dem Forum für Verantwortung, insbesondere Herrn Klaus Wiegandt, danken, der dieses Buchprojekt vorgeschlagen und großzügig unterstützt hat. Weiterhin gilt mein Dank meinen Autorenkolleginnen und -kollegen für die sehr inspirierenden Diskussionen auf den Autorentreffen, sowie meinen Kolleginnen und Kollegen am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel und am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Meiner Frau Elisabeth danke ich für ihre grenzenlose Geduld, als ich in meiner Freizeit an dem Buch gearbeitet habe.

 

Kiel, den 7.Juli 2006

Wissenschaftliche Grundlagen

1Das Klima und das Erdsystem

1.1Wetter und Klima

Der Unterschied zwischen Wetter und Klima lässt sich durch einen Satz verdeutlichen, den einer der Pioniere der Klimaforschung, der Amerikaner Larry Gates, Anfang der 1980er Jahre anlässlich einer Veranstaltung der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gesagt hat: »Klima ist dass, was man erwartet, Wetter ist dass, was man bekommt.« Danach gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen Wetter und Klima. Die Wetterforschung befasst sich mit der Entstehung, Verlagerung und der Vorhersage einzelner Wetterelemente, etwa eines bestimmten Tiefdruckgebietes oder eines Hurrikans, während die Klimaforschung an der Gesamtheit der Tiefs und Hurrikane interessiert ist und sich beispielsweise der Frage widmet, wie viele Tiefs oder Hurrikane es nächstes Jahr geben wird oder ob sie sich infolge der globalen Erwärmung in den kommenden Jahrzehnten häufen oder intensivieren werden. Mit dem Begriff »Wetter« bezeichnen wir also die kurzfristigen Geschehnisse in der Atmosphäre, während sich der Begriff »Klima« auf längere Zeiträume bezieht. Die Weltorganisation für Meteorologie definiert das Klima als die Statistik des Wetters über einen Zeitraum, der lang genug ist, um diese statistischen Eigenschaften auch bestimmen zu können. Während das Wetter den physikalischen Zustand der Atmosphäre zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort beschreibt, ist Klima erst dann vollständig beschrieben, wenn auch die Wahrscheinlichkeit für Abweichungen vom Mittelwert angegeben werden kann, also auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von extremen Wetterereignissen, wie beispielsweise der Elbeflut des Jahres 2002 oder der Dürre in Deutschland im Jahr darauf. Zur Beschreibung des Klimas wird in der Regel eine Zeitspanne von 30 Jahren als Bezugszeitraum herangezogen.

Der Begriff »Klima« ist von klinein, dem griechische Wort für »neigen«, abgeleitet, denn Sommer und Winter sind Folge der Neigung der Erdachse relativ zur Bahnebene der Erde um die Sonne, der so genannten Ekliptik. Gegenwärtig beträgt die Neigung 23,5°, wodurch während des Nordsommers die Nordhalbkugel und während des Südsommers die Südhalbkugel stärker von der Sonne bestrahlt wird. Die übliche geographische Einteilung in Klimazonen folgt überwiegend dem daraus resultierenden Jahresgang meteorologischer Größen wie etwa der Temperatur und des Niederschlags. Die Neigung der Erdachse wie auch andere Erdbahnparameter schwanken im Laufe der Jahrtausende und sind mit dafür verantwortlich, dass es in der Erdgeschichte immer wieder starke Klimaumschwünge gegeben hat (s. Kap. 3.5).

Die im Jahresgang und im Mittel unterschiedliche Einstrahlung der Sonne am Äquator und am Pol sorgt für starke räumliche Unterschiede in der Oberflächentemperatur der Erde. Die daraus resultierenden horizontalen Temperaturunterschiede in der unteren Atmosphäre führen zu Luftdruckunterschieden. Unter dem Einfluss der Schwerkraft und der Rotation der Erde entstehen schließlich die Winde. Die mittleren dreidimensionalen Windverhältnisse bezeichnet man als »allgemeine Zirkulation« der Atmosphäre. Die Atmosphäre ist aber kein isoliertes System, sondern steht mit anderen Komponenten des Erdsystems in Wechselwirkung: mit der Hydrosphäre (Ozeane und Wasserkreislauf auf Kontinenten und in der Atmosphäre), der Kryosphäre (Eis und Schnee), der Biosphäre (Tiere und Pflanzen), der Pedosphäre (Boden) und der Lithosphäre (Gestein). Diese Bestandteile definieren das Klimasystem (s. Abb. 1) und sie bewegen sich mit völlig unterschiedlichen Geschwindigkeiten und haben drastisch unterschiedliche Wärmeleitfähigkeiten und Wärmekapazitäten.

Abb. 1

Schematische Darstellung des Klimasystems der Erde

Die Dynamik des Klimasystems und die daraus folgende Statistik des Klimas werden daher durch die stark unterschiedlichen Zeitskalen der individuellen Komponenten geprägt (s. Abb. 2). Die untere Atmosphäre passt sich in Stunden den Bedingungen an der Oberfläche an, die Tiefenzirkulation der Ozeane reagiert erst in vielen Jahrhunderten voll auf veränderte Randbedingungen wie etwa eine veränderte Zusammensetzung der Atmosphäre, und ein großes Inlandeisgebiet wie die Antarktis braucht dazu viele Jahrtausende. Änderungen des Klimas können einerseits aus Wechselwirkungen innerhalb einer Klimakomponente entstehen oder aus Wechselwirkungen zwischen den individuellen Komponenten, beispielsweise zwischen Ozean und Atmosphäre, resultieren oder extern angeregt werden, beispielsweise durch eine Veränderung der solaren Einstrahlung, durch Vulkanausbrüche oder eine Veränderung der Zusammensetzung der Erdatmosphäre. In den letzten hundert Jahren hat der Mensch immer mehr Bedeutung für das Klima gewonnen, indem er klimarelevante Spurengase in die Atmosphäre emittiert, dadurch die Strahlungsbilanz der Atmosphäre verändert und so zu einer globalen Erwärmung der Erde beiträgt.

Abb. 2

Die charakteristischen Zeitskalen der individuellen Komponenten des Klimasystems

1.2Die Ozeane

Abb. 2 zeigt schematisch die im Klimasystem aktiven Komponenten. Sie verdeutlicht den zugehörigen Zeitskalenbereich von Stunden bis zu Jahrmillionen. Die »schnellste« Komponente ist die Atmosphäre, in der die energetisch wesentlichen Vorgänge (wie beispielsweise die Abfolge von Hoch- und Tiefdruckgebieten in unseren Breiten) eine typische Zeitskala von einigen Tagen aufweisen. Auch die Kreislaufdauer des Wassers, das über die mit Verdunstung und Niederschlag umgesetzten Wärmemengen entscheidend zur atmosphärischen Energetik beiträgt, berechnet sich mit etwa zehn Tagen. Auf der Gegenseite der Skala in Abb. 2 stehen die Eisschilde Grönlands und der Antarktis, deren charakteristische Zeitskalen im Bereich von vielen Jahrtausenden liegen. Derartige Schwankungen entsprechen den Rhythmen der globalen Warm- und Kaltzeiten (Eiszeiten) und erfolgen mit Perioden zwischen 10 000 und mehreren 100 000 Jahren.

Zwischen den beiden Extremen der Abb. 2 liegt der Ozean, unterteilt in die oberflächennahen Schichten und die Tiefsee. Während Erstere wegen der unmittelbaren Kopplung an die veränderlichen atmosphärischen Wind-, Strahlungs- und Niederschlagsfelder mit Schwankungen der Strömungs- und Schichtungsfelder in Zeiträumen von Wochen und Monaten reagieren, sind Veränderungen der Tiefsee auf Schwankungen der Oberflächenbedingungen in begrenzten Gebieten der polaren und subpolaren Breiten angewiesen und spielen sich wegen der großen beteiligten Wassermassen in Zeitbereichen von Jahrzehnten bis zu mehreren Jahrhunderten ab. Da sich der globale Klimawandel genau auf diesen Zeitskalenbereich bezieht, spielen die Ozeane im Hinblick auf die anthropogene Klimabeeinflussung eine sehr wichtige Rolle.

Zu unterschiedlichen Zeitskalen gehören in kontinuierlichen Medien auch unterschiedliche Raumskalen. Als energetisch wesentliche Raumskala tritt die Größenordnung von 1000 km in der Atmosphäre auf. Dies entspricht der typischen Ausdehnung der bereits erwähnten Hoch- und Tiefdruckgebiete. Im Ozean liegt die Ausdehnung der energiereichsten Strömungs- und Schichtungsänderungen bei 10–100 km. Dabei handelt es sich um »mesoskalige« Wirbel, dem ozeanischen Analogon der atmosphärischen Hochs und Tiefs. Die »schnellen« (einige Tage einnehmenden) atmosphärischen Vorgänge haben eine relativ größere Ausdehnung (1000 km) als die »langsamen« (Monate dauernden) Vorgänge der ozeanischen Deckschicht (als Deckschicht bezeichnet man die oberste gut durchmischte Schicht). Dieses macht die Beobachtung der energiereichsten ozeanischen Bewegungen viel schwieriger als die der atmosphärischen. Beobachtungen zeigen die Existenz von mesoskaligen Wirbeln sogar in großen Tiefen von einigen tausend Metern. Auch diese spielen für das langfristige Klimageschehen eine wichtige Rolle und müssen daher kontinuierlich beobachtet und auch in Modellen simuliert werden.

Die zentrale Rolle des Wassers im Klimasystem beruht auf dem asymmetrischen Aufbau des Wassermoleküls, der es zu einem elektrischen Dipol macht und die temperaturabhängige Aggregatbildung von Wassermolekülen fördert. Daraus resultiert die anomale Eigenschaft, dass Wasser seine größte Dichte bei 4°C besitzt und damit seine feste Phase, das Eis, schwimmt. Wir finden große Mengen schwimmenden Eises, das so genannte Packeis (Meereis) in der Arktis und um die Antarktis herum. Wegen des Zusammenhaltes der Moleküle reagiert Wasser träge auf Erwärmung bzw. Abkühlung, d. h. es besitzt die höchste Wärmekapazität unter den flüssigen und festen Stoffen (Ausnahme: Ammoniak), und Siede- bzw. Gefrierpunkte liegen bei 100°C und 0°C anstatt bei –80°C bzw. – 110 ° C, wie es beim symmetrischen Aufbau des Wassermoleküls der Fall wäre.

Weiterhin ist Wasser ein extrem gutes Lösungsmittel. Der relative Gewichtsanteil der gelösten Substanzen wird als Salzgehalt bezeichnet und beträgt im Weltmeer durchschnittlich 3,47 % (in der Ozeanographie wird der Salzgehalt meistens in Promille angegeben). Der Salzgehalt verändert die zuvor genannten Eigenschaften des Wassers erheblich. So verschiebt sich die Temperatur des Dichtemaximums auf –3,8°C bei einem Salzgehalt von 3,47 % und gerät damit bei diesem Salzgehalt unter den Gefrierpunkt von –1,9°C. Damit kann im Meer bei Abkühlung bis zum Einsetzen der Eisbildung das Phänomen der »Konvektion« ablaufen: Abgekühltes Wasser sinkt ab, wärmeres Wasser aus der Tiefe steigt auf, gibt seinen Wärmeinhalt an die Atmosphäre ab und sinkt nach Aufnahme atmosphärischer Gase erneut in die Tiefe. Konvektion spielt auch in der Atmosphäre, und zwar bei der Wolkenbildung, eine große Rolle. Sie findet aber auch im Innern der Erde statt und ist daher einer der wichtigsten Prozesse, der Bewegungen im gesamten Erdsystem antreibt.

Hinsichtlich Zirkulation und Schichtung (vertikale Dichteverteilung) kann das Meer primär nur von der Oberfläche her angeregt werden. Im Fall der Windanregung führt das durch das Zusammenspiel von Reibung, ablenkender Kraft der Erdrotation (Corioliskraft) und Form der Meeresbecken zu dem aus jedem Atlas bekannten System von Oberflächenströmungen, deren Intensität mit der Tiefe abnimmt. Sehr bekannte Beispiele sind der Golfstrom im Atlantischen und der Kuroshio im Pazifischen Ozean. Da die Windfelder räumlich und zeitlich inhomogen sind, verursacht der mit der Strömung einhergehende Massentransport regionale Massenüberschüsse bzw. -defizite. Die damit verbundene Anhebung bzw. Absenkung der Meeresoberfläche regt neben langperiodischen Wellen und horizontalen Strömungen im Innern des Ozeans auch vertikale Auftriebs- bzw. Absinkbewegungen an. Auftriebsgebiete sind häufig nährstoffreiche Gebiete und daher durch eine starke biologische Produktion gekennzeichnet.

Bei der Erwärmung oder Abkühlung der Meeresoberfläche bzw. der Salzgehaltsveränderung aufgrund von Verdunstung, Niederschlag oder Eisbildung entstehen Wassermassen unterschiedlicher Dichte. In den Tropen und Subtropen findet im Jahresmittel eine ständige Erwärmung der Oberflächenschichten statt. Das entsprechend leichte Oberflächenwasser schwimmt als warme Deckschicht – die Temperatur beträgt mehr als 10°C – auf den tiefer liegenden Wassermassen. Der starke Temperatursprung (Dichtesprung) verhindert ein Tieferdringen der Erwärmung sehr effektiv, die Deckschicht bleibt mit einer Mächtigkeit zwischen 100 und 800 m relativ dünn. In den subpolaren und polaren Gebieten führt das mittlere Wärmedefizit, regional unterstützt durch das beim Gefrieren von Meerwasser freigesetzte Salz, zur Dichteerhöhung und damit im Mittel zur Konvektion bis in große Tiefen.

Entsprechend zeichnen sich die Meere der höheren Breiten durch geringe Schichtung aus, Signale von der Oberfläche können sehr effektiv in das Innere des Meeres gelangen und umgekehrt. Das kalte Wasser – mit einer Temperatur von weniger als 10°C– dringt von dort in das Innere des übrigen Weltmeeres unterhalb der warmen Deckschicht vor: Eine thermisch und halin (durch Temperatur und Salz) getriebene Zirkulation (thermohaline Zirkulation) kommt in Gang, denn die äquatorwärtige Ausbreitung kalten Wassers in der Tiefe wird kompensiert durch polwärtigen Transport warmen Wassers in der Deckschicht. Der resultierende ozeanische Wärmetransport auf der Nordhalbkugel weist im Maximum 3,0 ·1015 Watt auf und teilt sich damit mit der Atmosphäre den zum Ausgleich des nordhemisphärischen Strahlungshaushaltes notwendigen nordwärtigen Wärmetransport von 5,5·1015 Watt. Bezogen auf den Atlantik wird im Zusammenhang mit der thermohalinen Zirkulation in der Öffentlichkeit auch von der »Golfstromzirkulation« oder auch nur vom »Golfstrom« gesprochen.

Die thermohaline Zirkulation bezieht ihren Antrieb aus den Konvektionsprozessen der höheren Breiten. Je nach den aktuellen Oberflächenbedingungen entstehen kalte Wassermassen unterschiedlicher Charakteristika, die sich anhand ihrer Temperatur-, Salzgehalt- und Dichtewerte dem Sauerstoffgehalt oder dem Gehalt an anthropogenen Spurengasen vom Entstehungsgebiet entlang ihrer Ausbreitungsrouten in der Tiefsee verfolgen lassen. Die tiefsten Wassermassen sind weitgehend antarktischen Ursprungs (so genanntes Antarktisches Bodenwasser). Von etwas geringerer Dichte sind die Wassermassen arktischen Ursprungs, die sich über dem Bodenwasser einschichten. Da auf der Nordhemisphäre nur der Atlantische Ozean bis in die hohen Breiten reicht, beginnt dieses Wasser seinen Kreislauf in der Grönlandsee und der Labradorsee (Nordatlantisches Tiefenwasser). Abb. 3 zeigt schematisch den globalen Verlauf seiner Ausbreitung und den kompensatorischen Rückstrom in der Deckschicht. Dieser Kreislauf, auch als »globales Förderband« oder als »globale Umwälzbewegung« bezeichnet, hat eine Zykluszeit von einigen hundert bis zu tausend Jahren, wie aus Datierungen von Tiefenwasser anhand radioaktiver Kohlenstoffisotope abgeschätzt wurde.

Abb. 3

Schematische Darstellung der thermohalinen Zirkulation

Der längste Teil dieser Zykluszeit entfällt aufgrund der geringen Ausbreitungsgeschwindigkeit in der Tiefe von ca. 1–3 km pro Tag auf den kalten Bereich des Förderbandes. Wegen der an diesem Kreislauf beteiligten Wassermenge von ca. 0,4 Mrd. km3 Wasser (etwa ein Drittel der Gesamtmenge des Ozeanwassers) bei einer Transportrate von ca. 20 Mio. m3/s stellt dies in Kombination mit der Wärmespeicherkapazität und dem hohen Lösungsvermögen des Wassers einen der bedeutendsten Langzeitspeicher im Klimasystem dar. In diesem Speicher wird u.a. ein Teil des vom Menschen emittierten Treibhausgases Kohlendioxyd aufgenommen. Bis heute kann die Kapazität des ozeanischen Speichers wegen der recht unbekannten beteiligten biogeochemischen Prozesse nicht genau angegeben werden, und es ist damit unsicher, wie lange der Ozean den atmosphärischen Anstieg von anthropogenem CO2 weiterhin dämpft und damit die globale Erwärmung durch einen verstärkten Treibhauseffekt abmildert (s. Kap. 2.4).

Eine entscheidende Frage zur Klimarolle des globalen Förderbandes ist die nach der Stabilität der thermohalinen Zirkulation. Sie zielt auf die Veränderlichkeit der Konvektion in den höheren Breiten. Diese kann einerseits durch die Erwärmung infolge des anthropogenen Treibhauseffektes abgeschwächt werden. Von besonderer Bedeutung sind aber andererseits in Niedrigtemperaturbereichen die Salzgehaltsveränderungen, wie sie in der Natur durch Vergrößerung und Verkleinerung polarer Eismengen bzw. im nördlichen Nordatlantik durch veränderte Niederschläge und Zuflüsse von den Kontinenten hervorgerufen werden, also durch Prozesse, welche auch durch den anthropogenen Klimawandel beeinflusst werden können. Diese in den Medien als »Golfstromproblematik« bekannte Thematik wird nicht nur intensiv in der Wissenschaft, sondern auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Selbst Hollywood hat sich mit dem Film The day after tomorrow dieser Frage angenommen (s. Kap. 4.5). An dieser Stelle sei nur erwähnt, dass es infolge des Zusammenbruchs der thermohalinen Zirkulation nicht zu einer Eiszeit kommen kann.

1.3Das Meereis

Das Meereis (in der Umgangssprache auch als Packeis bezeichnet) ist ein Teil der Kryosphäre. Diese umfasst alle Formen von Schnee und Eis und stellt gemäß ihrer Masse und Wärmekapazität nach dem Ozean die zweitgrößte Komponente des Klimasystems dar. Die wesentlichen Bestandteile der Kryosphäre sind Schnee, Meereis, Gebirgsgletscher, Schelfeis und Inlandeis. Eis bedeckt heute 10 % der Landoberfläche (14,8 Millionen km2) und im Jahresmittel etwa 6,5 % der Ozeane (22,5 Millionen km2). Das vorwiegend antarktische Schelfeis bedeckt mit 1,5 Millionen km2 eine wesentlich geringere Ozeanfläche als das Meereis. Sein Volumen beträgt mit etwa 0,66 Millionen km3 aber etwas mehr als das Zehnfache des Meereises. Alle Gebirgsgletscher und kleineren Eiskappen besitzen zusammen etwa ein Volumen von 0,18 Millionen km3.

Variationen von Ausdehnung, Bedeckungsgrad, Dicke und Drift des Meereises werden durch dynamische und thermodynamische Prozesse erzeugt. Die Thermodynamik des Meereises, d. h. Gefrieren und Schmelzen, wird durch Strahlungsprozesse sowie die turbulenten Flüsse latenter und sensibler Wärme beeinflusst. Die Meereisdrift wird durch Windschub, Ozeanströmung, Corioliskraft und durch innere Spannungen im Meereis (Deformation) hervorgerufen. Die inneren Spannungen werden mit Hilfe rheologischer Gesetze bestimmt. Die Rheologie ist Teil der Festkörperphysik bzw. Kontinuumsmechanik, die sich mit dem Fließen und der Verformung von Materialien befasst.