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Guntram Franz Ferstl ist das Kunststück gelungen, den schier grenzenlosen Ozean des Buddhismus aus seiner Mitte zu begreifen und in ein Buch zu gießen. Das Buch beleuchtet das Leben Buddhas und seine Lehre, wie sie im Palikanon dargestellt wird. Ferner werden die wesentlichen Elemente des Mahayana-Buddhismus gut verständlich erklärt und mit passenden Erfahrungsberichten untermauert. Die Eigentümlichkeiten des Zen finden durch die Lehren und Erzählungen der großen Meister genügend Raum. Die tibetische Tradition besticht durch die Tantra- und Dzogchen-Lehren. Neben den anderen wichtigsten Schulen Tibets beschreibt der Autor als Schüler eines Bön-Dzogchen-Meisters die antike und älteste buddhistische Schule Tibets, den Yungdrung Bön. All die verschiedenen Schulen und Lehren werden durch viele Erfahrungsberichte und Viten von den wichtigsten MystikerInnen lebendig. Die vielen Übereinstimmungen und Berührungspunkte von Buddhismus und Wissenschaft werden eigens in einem Kapitel behandelt, in dem insbesondere die Quantenphysik, Neurologie und Nah-Tod-Forschung zu Wort kommen.
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Seitenzahl: 702
Für meinen Sohn Nikos Khiran Ferstl
Das BuchDas Buch „Buddhismus aus der Mitte“ hat sich die Aufgabe gestellt, die Leserinnen und Leser aus dem scheinbar unüberschaubaren Labyrinth an Lehren und Schriften zu befreien, um stattdessen als Reiseführer für ein pyramidenähnliches Lehrgebäude zu fungieren. Als Basis werden die Lehren des Palikanon und das Leben Buddhas beschrieben. In dem nächsten Stockwerk werden Sie durch die Räume des großen Fahrzeuges, dem Mahayana, geführt und erfahren, dass Buddhismus im Wesentlichen von Weisheit und Mitgefühl geprägt ist. Ein Stockwerk höher begegnen wir den Eigentümlichkeiten der Zen-Lehre und lernen einige Zen-Meister kennen. Auf der vierten Ebene treffen wir auf das komplexe Lehrsystem des tibetischen Buddhismus, das mit seiner Licht-Lehre zur Spitze hinaufführt. Im fünften Teil des Buches wird das sakrale Gebäude verlassen und Arbeitsstätten der Wissenschaft aufgesucht, die sich mit einigen wenigen Räumen der Pyramide beschäftigt haben. Es werden die Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Neurologie, der Nah-Tod-Erfahrung und der Quantenphysik in Beziehung zu den Erfahrungen der buddhistischen Tradition vorgestellt.
Der AutorGuntram Franz Ferstl, geb. 1970 in Hohenems im Rheintal Vorarlbergs, ist Mittelschul- und Yogalehrer. 2010 veröffentlichte er das Buch „Die vier Elemente und ihre heilsame Quintessenz“, in dem er unter anderem seine lebenseinschneidende Initiation bei einer afrobrasilianischen Tradition beschreibt. 1997 beginnend, erlebte er dort eine tiefgreifende transformatorische spirituelle Arbeit und begegnete 2003 dem Dzogchen-Meister Tenzin Wangyal Rinpoche. Vorwiegend die Praxis der Dzogchen-Lehren ausübend, begann er sich wenige Jahre später mit den Lehren der Zen-Tradition und Theravadins zu befassen und auch in diesen essentielle Erfahrungen zu sammeln.
Detailliertes Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
Der Begriff Buddha - der Erwachte
Teil I – Buddhas Leben und sein Lehre
Teil II – Mahayana-Buddhismus
Teil III – Zen-Buddhismus
Teil IV – Tibetischer Buddhismus - Vajrayana
Teil V – Wissenschaftliche Bezüge zum Buddhismus
Schluss
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Glossar
Abbildungsverzeichnis
Danksagung
Inhaltsverzeichnis detailliert
Rein äußerlich scheint sich der Buddhismus im Westen einer großen Beliebtheit zu erfreuen. In den Baumärkten und Einrichtungshäusern darf kein Regal fehlen, das Buddhas unterschiedlichster Materialen, Größe und Gestaltung für Garten und Wohnraum feilbietet. Mittlererweile gibt es kaum mehr einen Film, in dem nicht irgendwann im Hintergrund eine Buddhastatue als Dekorationsgegenstand auftaucht. Weil die Sitzposition und der Gesichtsausdruck so harmonisch und friedlich wirken, wird eben auch gern eine Buddhafigur aufgestellt, um sozusagen das Fengshui des Raumes aufzubessern.
Im Westen scheint die Auffassung weit verbreitet, dass ein Buddhist vielleicht ein wenig weltfremd ist, aber dennoch als sehr freundlicher und zufriedener Zeitgenosse einzustufen ist.
Aber nicht nur die Buddhafiguren und die Klischees über Buddhisten sind anscheinend interessant, sondern etliche Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt zeugen vom großen Interesse am Buddhismus im Westen. Prominente aus Film und Kultur schreiben über ihre Begegnungen mit dem Buddhismus und ihre Erfahrungen mit irgendwelchen Meistern. Diese Entwicklung zum vermehrten Interesse hat mehrere Gründe. Zum einen sind eine recht erhebliche Anzahl Menschen der westlichen Gesellschaft von der traditionellen Kirche und deren Lehren enttäuscht worden, aber diese Menschen haben dennoch einen großen Hunger nach echter, lebendiger Spiritualität, die sich im Osten vor allem durch Yoga, Buddhismus und Daoismus äußerst, weil dort eine ununterbrochene Tradition mystischer Praktiken von Generation zu Generation weitergeben wurde. Zum anderen gibt es, mit der Hippie-Kultur beginnend, im Westen ein ausprägtes Interesse für die exotischen Kulturen des Ostens.
Bei der Fülle von Angeboten auf dem Markt von buddhistischen Büchern mag sich mancher fragen, wozu noch ein weiteres Buch zu diesem Thema? Was treibt diesen Autor an, eine solche Arbeit auf sich zu nehmen?
Damit die Leserin oder der Leser wenigstens ein bisschen weiß, mit wem er oder sie es mit mir zu tun hat und was mich motivierte, dieses Buch zu schreiben, möchte ich mich ein wenig vorstellen, was meinen Zugang zum Buddhismus betrifft. Für einen westlichen Menschen gibt es unterschiedliche Berührungspunkte je nach sozialem Umfeld, persönlichen Interessen und Möglichkeiten. Meine erste Faszination für den Buddhismus erlebte ich als Kind, als ich die Serie Kungfu sah. Der blinde Altmeister der Shaolin-Mönche beeindruckte mich einerseits mit seiner Weisheit und Ruhe, andererseits freilich auch wegen seiner Kungfu-Künste.
Mit Zwanzig las ich Fritjof Capras „Tao der Physik“, in dem er eine Beziehung zwischen östlicher Philosophie und moderner Physik herzustellen sucht. Ich verstand nur teilweise, war aber dennoch sehr fasziniert. Einige Jahre später las ich ein Buch von Zen-Meister Daisetz Teitaro Suzuki, von dem ich rein gar nichts verstand. Einige Jahre vergingen, in denen ich Vater wurde, als Lehrer arbeitete und handfeste Krisen durchzustehen hatte. Ich ließ mich bei einer afrobrasilianischen Schamanismus-Tradition initiieren, was mich in meiner transformatorischen Entwicklung durch den „Fleischwolf“ trieb.
Mit Dreißig war ich in Ladakh, Nordindien, und besuchte dort einige buddhistische Klöster, rein aus Schaulust und Tourist. Meine schamanische Initiation hatte jedoch meinen sechsten Sinn geöffnet und mein Gespür für echte Spiritualität geschärft. In Ladakh beeindruckten mich aber nicht so sehr die Klöster und die imposanten Buddhastatuen, als vielmehr die Bevölkerung, die nach dem tibetischen Buddhismus lebt. Die Freundlichkeit und die strahlende Klarheit, die von diesen Menschen ausging, hatte ich nirgendwo so erlebt und gespürt.
Immer mehr in die spirituellen Welten des Schamanismus eintauchend, wollte ich ein oder zwei Jahre später wirklich wissen, wie der Buddhismus zu verstehen ist und besorgte mir ein Buch vom Dalai Lama. Mir schien das Gelesene einleuchtend. Ausschlaggebend war jedoch Sogyal Rinpoches Buch „Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben“. Die Lehren, die dort dargelegt werden, schlugen bei mir wie ein Blitz ein. Ich wusste, dass das so für mich stimmt. Ich begann nach diesem Buch zu Hause zu meditieren und spürte sogleich die wohltuende Wirkung. Ich war so fasziniert und überzeugt von der Richtigkeit der im Buch dargelegten Weisheiten, dass ich eine Zusammenfassung von ca. zwanzig Seiten schrieb und diese meinen nahestehenden Freunden aushändigte, weil ich meinte, das müsse jeder wissen - so „eifrig“ war ich.
Einige Monate später besuchte ich das Kala-Chakra, das vom 14. Dalai Lama 2002 in Graz geleitet wurde. Ich war sehr neugierig und wollte wissen, wie dieser geachtete und weltberühmte Mann auf mich wirkt. Da ich mich nicht mit dem komplexen System des Kala-Chakra befasst hatte, verstand ich so gut wie gar nichts von den Ritualen und Meditationen, dennoch fühlte ich eine starke Verbindung in meinem Herzen zu dem Mönch auf der Bühne, der gemeinhin als der 14. Dalai Lama bekannt ist. Besonders gefiel mir aber auch ein sehr alter Mönch mit schneeweißen stoppeligen Haaren, von dem ich später erfuhr, dass er als Repräsentant der Yungdrung Bön-Tradition die fünfte tibetische Schule vertrat. Dieser war Lopön Tenzin Namdak Rinpoche. Als ich ihn später bei seinen Belehrungen kennen lernen durfte, brannte mir sanft das Herz, allein davon, wenn er den Raum betrat.
Beim Kala-Chakra boten viele Verkaufsstände buddhistische Gegenstände an. An einem dieser vielen Stände fand ich ein Buch besonders ansprechend. Es hieß „Der kurze Weg zur Erleuchtung“ von Tenzin Wangyal Rinpoche. Die Frau am Verkaufsstand schien sehr freundlich und einladend. Da das Buch vergriffen war, konnte ich es nicht sofort erwerben, war aber später im Bücherantiquariat erfolgreich. Das Buch fesselte mich und wie es der Zufall wollte, war der Autor in den nächsten Monaten im Mai 2003 in Zürich und gab dort ein Wochenendseminar. Als ich Tenzin Wangyal Rinpoche dort erlebte, war ich sehr glücklich, weil ich jemanden gefunden hatte, der ganz entspannt, fröhlich und dennoch unheimlich interessant und klug lehren konnte. Seither besuche ich seine Seminare und Retreats mehrmals im Jahr und versuche das Gelernte im Alltag umzusetzen. Bei ihm lernte ich so die verschiedenen Meditationspraktiken des Chöd, Phowa, Tummo, Traum-Yoga, die Elemente-Lehre, die Bardo-Belehrungen usw. kennen und etliche Lehrzyklen aus den Dzogchen-Lehren standen ebenfalls auf dem Programm. Ich verbrachte schon einige Male bis zu einer Woche in vollkommener Dunkelheit. Voller Dankbarkeit kann ich auf diese Belehrungen und die daraus erwachsenen Früchte zurückblicken. Viel Glück ist mir dadurch widerfahren. In meinem Wohnort versammeln wir uns ca. einmal im Monat und praktizieren nach diesen Lehren, dabei führe ich durch die Meditationen.
Neben meiner Auseinandersetzung mit den Lehren und Praktiken des Yungdrung Bön und anderen tibetisch-buddhistischen Lehren und Lamas begann ich mich immer mehr, mit den Grundlagen des Buddhismus zu befassen, besuchte einige Module der DBU – der deutsch-buddhistischen Union. Besonders die Bücher von Hellmuth Hecker, Jack Kornfield und anderen ausgezeichneten Theravadins halfen mir, immer mehr den Buddhismus von seinen Ursprüngen aus Indien besser zu verstehen. Vipassana Retreats und eine Naikan-Woche vertieften mein Verständnis und führten mich in tiefe Erfahrungen des Friedens und Glücks. Die Vipassana-Meditation wurde ein fester Begleiter in den belasteten Phasen meines Alltags. Ich begann mit Begeisterung Bücher über Zen zu lesen und Sesshins in der Jäger Willigis-Linie und bei Vanya Palmers zu absolvieren.
Da ich mich mit diesen unterschiedlichen Schulen in Theorie und Praxis auseinandersetzte, verstehen und spüren durfte, welche Tiefe und Kraft in den jeweiligen Schulen zu finden sind, trägt meine Begeisterung in diesem Buch möglicherweise zu noch mehr gegenseitiger Achtung und Respekt bei. Besonders die vielen Geschichten verwirklichter Meister sollen zeigen, dass jede Schule ihren Weg zum Erwachen gefunden hat.1
Meinen beruflichen Alltag gestalte ich mit Pflichtschülern, gebe einigen buddhistischen Religionsunterricht und halte Yogastunden. Privat versuche ich meinem bereits erwachsenen Sohn ein passabler Vater und meiner Lebensgefährtin ein guter Partner zu sein. Insgesamt hat sich mein Blick auf das Leben so stark gewandelt, dass ich in Momenten des Alltags manchmal spontan innehalten kann und das Leben perfekt finde, gerade so, wie es sich in dem Moment gerade zeigt. Früher genügte vieles nicht meinen Ansprüchen, sei das in der Beziehung, im Beruf oder in der Gesellschaft etc. Die alltägliche Praxis bringt so vieles noch mehr zum Leuchten und Schwieriges ist viel leichter zu nehmen. Tiefste Dankbarkeit erfüllt mich wegen der Lehren der großen Meister und deren Hilfe.
Aufgrund meiner umwälzenden Erfahrung und Faszination für die buddhistische Lehre möchte ich meine Begeisterung nicht für mich behalten und finde mit dem Schreiben eine passende Möglichkeit, mein Verständnis und meine Freude mit anderen zu teilen.
Für Fehler zeichne ich voll und ganz verantwortlich. Finden Sie Fehler und Ungereimtheiten und haben die Freundlichkeit, mir diese mitzuteilen, bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet. Wenn es in meinen Möglichkeiten steht, werde ich gerne die entsprechende Korrektur vornehmen.
Dennoch hoffe ich, meine Ausführungen sind Ihnen dienlich, das Wesentliche des Buddhismus zu erfassen und für Ihr Leben nutzbar zu machen.
Was ist aber das Wesentliche der buddhistischen Lehre? Das Wesentliche ist, einen Weg zu beschreiten, der ein mitfühlendes Herz wachsen lässt, dass man immer mehr das Leben mit seinen Mitmenschen so nehmen kann, wie es ist. Reifen wir zu dieser hohen Kunst, wirken wir zunehmend segensreich für unser Umfeld. Es geht dabei nicht darum, dass man Buddhist wird oder so tut, als wäre man einer. Vielmehr geht es darum, ein liebevoller Mensch zu werden und Weisheit zu mehren, die mit dem Leben fließt.2
Was können Sie von diesem Buch erwarten, wenn es schon so viele Bücher über Buddhismus gibt? Haben Sie es nur mit einer öden Wiederholung zu tun, oder darf Neues erwartet werden? Wenn Sie umfassend mit der Materie vertraut sind, dann wird dieses Buch wenig Neues zu bieten haben. Vielleicht können die wichtigen Ausführungen über die Yungdrung Bön-Tradition Ihren Wissensschatz erweitern.
Dieses Buch ist aber insofern einzigartig, weil es mehrere Aspekte in sich vereint und gemäß dem Titel den ozeangleichen Buddhismus aus der Mitte heraus zu fassen versucht. Denn ein Leben reicht nicht aus, sich mit all den Lehren und Schriften des Buddhismus zu befassen. Mit Mitte meine ich das Wesentliche, das einem hilft, einen gut verdaubaren Einstieg zu finden, der aber die wichtigen Aspekte nicht vermissen lässt.
Die meisten Bücher auf dem Markt beschreiben den Buddhismus aus der Sicht einer ganz spezifischen Schule. Die Autoren dieser Bücher reden zwar von Buddha, aber sie vertreten eigentlich die Lehren ihrer Schule und Tradition. Wenn nun ein Buch aber alle Traditionen behandelt, ausgehend von der Theravada-Tradition bis zu den jüngsten Schulen, geschieht das in vielen Fällen akademisch. In solchen Fällen ist das Herz wenig spürbar, wenn man nur die Fakten aufzählt. Werden in den Büchern nur die Lehren in den Vordergrund gestellt, fehlt oft das Lebendige. Die Erfahrungen und Geschichten, die den Buddhismus in seiner Lebendigkeit offenbart, dürfen nicht unterschlagen werden. Deshalb hab ich mit Freude viele Geschichten einfließen lassen, die zeigen, wie Buddhismus mitten im Leben bezaubernde Blüten treibt.
Viele Bücher über Buddhismus erreichen die Leser mit einem flüssig verfassten Prosa und geben die Lehre aus Sicht des Autors wieder, was sicher sinnvoll ist. Mir schien es aber wichtig die Stimme der Meister durch die Quellentexte widerhallen zu lassen, damit die Atmosphäre einstiger Heiligkeit ein wenig aufleuchtet.
Mit Mitte meine ich zudem, dass man zwar den Kreis des Ganzen im Blick behält, sich aber nicht zu sehr an Details verliert, sondern die wesentlichen Lehrpunkte des Buddhismus aufzeigt und verständlich macht. Dazu muss man sich mit Buddha Shakyamunis Lehre befassen, wie sie sich im Palikanon in den Lehrreden darstellt. Aber nicht nur seine Lehren sind wichtig, sondern auch welchen Ausdruck die Lehren in seinem Leben fand, weshalb ich der Biografie Buddhas entsprechend Platz einräume. Konzentriert man sich nur auf Buddhas Geschichte, verfällt man möglicherweise der Ansicht, dass diese Geschichten einer längst vergangenen Zeit angehören und wahrscheinlich viel Legendenhaftes eingeflossen ist, was manche veranlassen könnte, die Geschichten nicht ernst zu nehmen. Um die Lehren und Berichte Buddhas in die Gegenwart zu retten, habe ich öfters Erfahrungsberichte unserer Tage angeführt, sodass wir die „Kategorie Legende“ nicht ohne weiteres über alles drüberstülpen können.
Die Darstellung des Mahayana-Buddhismus mit seinen spezifischen Lehren und seinen Ausprägungen darf nicht fehlen, wobei die Chan- und die Zen-Traditionen stärker ausgearbeitet wurden. Die Lehren und Erfahrungsberichte der Meister und Meisterinnen sind sehr inspirierend. Für meine Begriffe wird bei ihnen die Würze des Lebens und der Humor deutlich spürbar.
Und da ich mich auf die tibetische Yungdrung Bön Tradition bisher am meisten eingelassen habe, ist eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser Tradition und mit dem tibetischen Buddhismus nur logisch. Diese Traditionen reichen verstärkt ins Mystische hinein, obschon es nicht an erdiger Sinnlichkeit mangelt.
Im Teil V stelle ich einige Bezüge zur Wissenschaft her, insbesondere mache ich kleine Ausflüge in die Neurologie und zur Quantenphysik. Einige Ausführungen aus der Forschung von Nah-Tod-Erfahrungen sind sehr erhellend.
Sind Sie grundsätzlich ein skeptischer Geist, dann sind Sie möglicherweise gut beraten, zuerst diesen Teil zu lesen.
Ferner möchte ich festhalten, dass gegenständliches Buch nur einen einführenden Charakter erfüllen kann und keine Vollständigkeit und Unfehlbarkeit für sich beansprucht.
Bleiben Sie also bitte offen und kritisch, vielleicht kann die eine oder andere Ausführung ein Sprungbrett für eine weitere Vertiefung darstellen.
Mit einigen Übungen, die zu den jeweils angeführten Lehren passend platziert sind, gebe ich der Leserin oder dem Leser die Gelegenheit, selbst Erfahrungen zu sammeln. Freilich ist es am besten, einen geeigneten Lehrer zu finden, der auf eine langjährige Praxis zurückblicken kann und einen hohen Grad der Verwirklichung erreicht hat. Ist einem diese Gunst nicht auf Anhieb gewährt, hilft man sich mit einem erfahrenen Schüler. Für einen tiefgehenden und umfassenden Prozess ist ein Meister nahezu unerlässlich.
Die Lektüre gegenständlichen Buches verschafft Ihnen einen Überblick von den wichtigen Schulen des Buddhismus. In manchen Fällen gehe ich tiefer. Mit diesem Überblick mag man vielleicht ein wenig mehr über andere Schulen erfahren haben und fühlt sich zu einer von diesen stärker hingezogen, was ganz natürlich wäre.
Schön fände ich aber, wenn die Leserin oder der Leser meine Auffassung teilt, dass es nicht eine einzig glückseligmachende Tradition gibt, sondern die unterschiedlichen Schulen den Bedürfnissen und Vorlieben der Individuen entgegenkommt. Manchen liegt der Weg der Theravadins, die anderen finden die „Reine Land Schule“ das Beste. Einige schätzen die Zen-Tradition sehr hoch, manche lieben die tibetische Tradition. Ich finde alle fabelhaft und interessant, aber viel wichtiger ist, wie der Einzelne seinen geeigneten Weg findet, um ein erfülltes und liebevolles Leben zu führen und den Weg anderer respektiert. Im Westen wird heutzutage zurecht einiges an Energie und Zeit darauf verwendet, die Ungerechtigkeit gegenüber den Frauen allmählich aufzuheben. In der buddhistischen Tradition ist eine Benachteiligung der Frau leider nicht ganz ausgeblieben. Vielleicht traf es sie nicht so hart, wie in anderen Religionen, aber leicht hatten es die Frauen bestimmt nicht. Ich habe es mir zu Aufgabe gemacht, an manchen Stellen das Augenmerk auf die Frauen zu lenken und habe einige Viten großer Meisterinnen beschrieben.
Manche Autoren legen großen Wert auf die korrekte Gender-Schreibweise. Ich nehme mir spielerisch die Freiheit heraus, gelegentlich die korrekte Gender-Schreibweise zu gebrauchen, weil mir die konsequente Durchführungen zwanghaft erscheint und der Lesefluss beeinträchtigt wird. Grundsätzlich möchte ich aber ausdrücken, dass ich das Potential und die Qualitäten der Frauen in keiner Weise geringer schätze als die der Männer. In der tibetischen Tradition verkörpern die Frauen die Weisheit. Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama erklärt, dass in den höchsten Yogatantras den Frauen die gleiche Befähigung zur Erlangung der Erleuchtung zugebilligt wird.3 Es gibt also aus dieser Sicht keine legitime Rechtfertigung, die Frau in irgendeiner Weise geringer zu schätzen.
Wollen wir uns also auf die Ursprünge des Buddhismus stürzen, doch zuvor ist der Begriff „Buddha“ zu klären.
Spricht man von Buddha, so kann vielerlei gemeint sein, denn Buddha ist kein Name im eigentlichen Sinne, sondern ein Titel, der eine außerordentliche Verfasstheit bezeichnet. Buddha ist ein Sanskritwort und bedeutet „wach sein“, „als Wacher wahrnehmen“, „ein Erwachter sein“.4 Was will aber mit Erwachter gemeint sein? Mit Erwachter ist jemand gemeint, der den schlaf- oder traumähnlichen Geisteszustand hinter sich gelassen hat und zum wahren Leben erwacht ist. Damit soll ein wenig angedeutet sein, was weiter unten noch deutlicher auszuführen ist. Nämlich: der „normale“ Mensch lebt vor seinem Erwachen in einem traumähnlichen Zustand.
Wenn man träumt, erlebt man die unterschiedlichsten Dinge, seien sie nun gut oder schlecht, angenehm oder plagenreich. Das Fatale am Traum ist aber, dass man einfach dem Traum unfrei ausgesetzt ist und erst nach dem Erwachen erkennt, dass man im Traum war und das Erlebte gar nicht wirklich passiert ist. Ferner ist das Traumgeschehen allein die unbewusste Konstruktion des Geistes. Nichts von dem, was der Träumer erlebt hat, ist Wirklichkeit, sondern nur Marke Eigenbau im Geist war am Werk - nichts kam von außen, sondern alles von innen.
Buddha hatte einen Weg gefunden, der den Menschen frei werden ließ von den traumähnlichen Kräften des Schicksals. Buddhas Erwachen war das Sehen der Wirklichkeit, das Verstehen der Mechanismen des Lebens. Dieses Erwachen und Wissen war aber nicht eine Ernüchterung, sondern ein echtes Leben mit wahrem und bleibendem Glück.
Buddhas Erwachen wird aber nicht wie bei anderen Religionen durch die Anbetung und Verehrung einer oder mehrerer Gottheiten bewerkstelligt, sondern durch eine Lebensphilosophie, die auf praktischen Beobachtungen fußt, und eine Lebensweise, die versucht, das selbstgeschaffene Leiden zu minimieren. Diese Beobachtungen sind nicht metaphysisch oder rein geistiger Art. Sie können von jedem vernünftigen Menschen nachvollzogen werden, der die Offenheit mitbringt, die Beobachtungen in all ihrer Intensität und Präzision selbst nach den Anweisungen Buddhas und seiner geschulten Schüler zu machen. In diesem Sinne ist Buddhismus, wie es der 14. Dalai Lama ausdrücken würde, eine Wissenschaft des Geistes. Doch hat dieses Wissen einen umfassend heilsamen Charakter, weil es den Geist des Beobachters heilt und folgedessen seine Umwelt davon profitiert.
Wenn Buddha aber eigentlich eher eine Bezeichnung für einen bestimmten Bewusstseinszustand oder ein Titel ist, wie hat denn nun Buddha wirklich geheißen und wie ist sein Leben verlaufen? Das Leben Buddhas kann auf unterschiedlichen Wegen nachvollzogen werden. Ein umständlicher Weg ist das Aufspüren von Lebensdaten und Geschichten in den Lehrreden Buddhas aus dem Palikanon. Weiter unten wird das umfassende Schriftwerk des Palikanon genauer erklärt. Als zweiter Weg sind fünf frühe Biografien zu nennen, die sich nach Inhalt und behandelter Zeiträume stark unterscheiden. Das Mahavastu z.B. hat seine Ursprünge im 2. Jhdt.v.Chr., die Nachbearbeitungen reichen bis ins 3. Jhdt. Als dritte Quelle gelten später entstandene Texte, die aber nicht viel Neues liefern.5
Um das Leben Buddhas grob darzulegen, bediene ich mich hauptsächlich Hellmuth Heckers ausgezeichneten Werks „Das Leben Buddhas“, das spirituelle Tiefe und Freude vermittelt.6 Jedem ernsthaft Interessierten möchte ich dieses Buch wärmstens ans Herz legen. Ferner ist das von Hans Wolfgang Schuhmann mehr wissenschaftlich ausgerichtete Werk „Der historische Buddha“ ergänzend eingesetzt worden.
Ob es je einen Menschen gegeben hat, der als großer Gelehrter einer großen Gefolgschaft vorstand und die Lehren zur Befreiung vom menschlichen Leid predigte, wird heute von Historikern nicht mehr bezweifelt.7 Für den Philosophen Karl Jaspers gehört Buddha neben Sokrates, Jesus und Konfuzius zu den maßgebenden Menschen8, obschon ihm klar ist, dass Buddha dem abendländischen Denken schwer zugänglich bleibt, weil es die Macht der Meditation in seiner Tiefe nicht wie der ferne Osten nutzte.9
Für den Nachweis Buddhas Historizität ist der buddhistische Kaiser Ashoka wichtig, der ein Großreich über Indien errichtete und viel für die Verbreitung und Bewahrung des Buddhismus unternahm. Aus den Chroniken geht hervor, dass zwischen der Königsweihe Ashokas und Buddhas Tod 218 Jahre liegen. Nach den japanischen Historikern Nakamura Hajime und Hirakawa Akira liegen nur 100 Jahre zwischen Buddhas Tod und Ashokas Krönung. 1896 wurde der Geburtsort Buddhas in Lumbini entdeckt, wo sich heute noch eine sechseinhalb Meter hohe Steinsäule befindet, die Ashoka mit einer eingravierten Inschrift errichten ließ. Mit dieser bezeugt er seine Verehrung für Buddha. Ferner erklärt Ashoka auf der Säule, dass er zwanzig Jahre nach seiner Krönung die Säule am Geburtsort des Buddhas aufgestellt wurde. Dort fand man auch eine Steinplatte, die Buddhas Mutter bei der Geburt unter einem Baum stehend zeigt.10 Im indischen Ort Piprava (12 km von Lumbini entfernt), der wahrscheinlich mit der früheren Residenzstadt Kapilavatthu identisch ist, wurden 1898 in einem Ziegelstupa 5 Urnen gefunden. Eine trug die Inschrift: „Das ist ein Reliquienbehälter des Erwachten, Erhabenen, der Sakyer Stiftung, der Brüder mit Schwestern, mit Kindern und Frauen.“ 1972 wurde unterhalb dieses Stupas in einer Bodenschicht, die dem 5. Jhdt.v.Chr. zugeordnet wird, zwei weitere Urnen entdeckt, die Knochenreste enthielten – möglicherweise die von Buddha.11
Abgesehen von diesen archäologischen Fakten liefert der Palikanon ausreichend Material und stellt Bezüge zu historischen Personen und lokalen Erscheinungen jener Zeit her. Bezüge lassen sich zur vedischen Religion und zu jainischen Schriften rekonstruieren.12 Zudem sind die Texte und Lehren des Palikanon von innerer Stimmigkeit und Logik gekennzeichnet und die Mönche und Gläubigen, die nach den Lehren des Buddhas bis zum heutigen Tag nach seinen Lehren leben und praktizieren, bestätigen die Richtigkeit seiner Lehren und Aussagen.
Die Bestimmung von Buddhas Geburtsjahr ist nicht eindeutig festlegbar, wird aber von den meisten westlichen Indienhistorikern auf das Jahr 563 v.Chr. errechnet. Die Ashoka-Edikte, Ceylon-Chroniken und die chinesische Punktchronik liegen nur bis auf wenige Jahre auseinander.13 Manche Historiker der letzten Jahre neigen dazu, die Lebensdaten Buddhas um 60-80 Jahre vorzuverlegen.14
Um einer Verwirrung vorzubeugen, soll erwähnt sein, dass mein grober Überblick von Buddhas Leben die Namen der Personen nach dem Pali-Text angibt. Da die Namen der bekanntesten Personen meistens in der Sanskrit-Form angegeben sind, werde ich diese belassen. Buddha selbst sprach wahrscheinlich das dem Pali sehr ähnlichen Maghadi. Pali wiederum ist dem klassischen Sanskrit sehr ähnlich. In Pali enden die männlichen Namen mit dem Vokal „o“ und im Sanskrit mit dem Vokal „a“. In Pali heißt es also Buddho und im Sanskrit Buddha. Genauso verhält es sich mit Siddharta im Sanskrit, der zu Siddhattho im Pali wird.
Bei den wörtlichen Zitaten verwende ich in den meisten Fällen die Übersetzung von Karl Eugen Neumann. Sein Stil wird nicht von allen Gelehrten geschätzt, weil sie nicht Buddhas nüchterne Geistesart widerspiegle. Andere hingegen meinen, mich mit eingeschlossen, dass dieser Stil die Reden Buddhas in eine Sphäre des Erhabenen und Heiligen hebt. Selbst, wenn Buddha in einfachen und klaren Worten gesprochen haben mag, ist anzunehmen, dass seine Worte und vor allem seine Präsenz jeden Ton mit Heiligkeit durchtränkten. In diesem Sinne hilft es dem Leser beim Lesen der Worte Buddhas, leichter eine feierliche Stimmung zu erleben.
Buddha wurde im heutigen Nepal in Lumbini als Sohn des indischen Fürsten Suddhodana in das Volk der Sakyer geboren. Der Familienname Suddhodanas war Gotama, was so viel wie „größter Stier, Führer der Herde oder Bester“ bedeutet. Der spätere Buddha war somit ein Prinz des Sakyervolkes und hieß Siddhartha Gotama, oder Gautama, wie das oft angegeben wird. Siddharta bedeutet „der das Ziel erreicht hat oder die Wünsche erfüllte“. Später sollte man den historischen Buddha mit Buddha Shakyamuni bezeichnen – der Heilige oder Gelehrte (muni) vom Stamm der Sakya wurde Buddha. In einem adeligen Haus geboren, gehörte er damit zur Kriegerkaste (Kshatriyas) neben den priesterlichen Brahmanen, dem Nährstand (Vaishya) der Handelsleute, Bauern, Handwerkern und den Sklaven (Shudra). Dem Kriegerstand war das Herrschen und Regieren vorbehalten.
Sein Vater regierte das Volk der Sakyer in der Residenzstadt Kapilavatthu als Gefolgsmann des Großkönigs oder Maharajas von Kosalo. Kapilavatthu liegt im heutigen Indien unweit der nepalesischen Grenze. Seine Mutter Maya war ebenfalls Saykerin, aber stammte von der kleineren Stadt Devadahas ab. Als sie die Geburt nahen spürte, verließ sie die Residenzstadt und suchte den Beistand ihrer Mutter in Devadahas. Sie erreichte ihre Mutter aber nicht mehr und gebar den künftigen Weltenerlöser unter dem Schutze eines Salabaumes bei Lumbini.15
Abb. 1, Ashoka-Säule in Lumbini
Maya, völlig entkräftet von der Geburt, wurde zurück zur Residenzstadt gebracht und dem König und Vater Suddhodana wurde die freudige Kunde überbracht. Alsbald waren alle Feierlichkeiten zur Namensgebung entrichtet. Ein dem Hofe lang vertrauter Weiser namens Asita prophezeite dem König, sein Sohn werde ein Buddha werden, da der kleine Junge die 32 Merkmale eines Erwachten am Körper trug. Der König war jedoch von seinem Wunsche gar besessen, dass sein Sohn einmal ein großer Herrscher werde und verstand die Prophezeiung als Weisung auf einen Weltenkaiser. 108 Brahmanen vollzogen die Namensgebungszeremonie und acht von ihnen, als besonders zeichenkundig geltend, sahen voraus, dass er entweder ein Weltenherrscher oder ein Erwachter werden würde. Die Seher schränkten ein, dass er im Hause bleibe müsse, um Weltenherrscher zu werden.16 Diese Weisung beherzigte der König und sperrte den Prinzen in einen goldenen Käfig, so dass er möglichst nur von Schönem, Gesunden und Jungem umgeben war. Sein Geist sollte möglichst wenig mit den Leiden des Lebens konfrontiert werden.
In den ersten Tagen des kleinen Prinzen schwand die Kraft der jungen Mutter immer mehr, so dass sie am siebten Tag verschied. Des Königs zweite Frau, die zugleich auch Schwester Mayas war, nahm sich des jungen Sohnes an, obschon sie selbst die Zwillinge Nando und Nanda gebären sollte. Bevor wir uns mit der weiteren Entwicklung des Prinzen befassen, wollen wir noch ein wenig mit Siddhartas Mutter zubringen.
Bevor sie den Jungen empfing, hatte sie einen Traum, der ihr andeutete, dass sie ein hohes Wesen empfangen würde.17 Ferner heißt es, dass der Buddha vor seiner Geburt als Bodhisattva im Tushita-Himmel in Wonne weilte und von den Göttern gebeten wurde, in die Welt hinabzusteigen, um der Welt die leiderlösende Lehre zu bringen. Dort suchte er sich seine Mutter und das Geschlecht der Sakyer als seine geeignete Familie aus, um im kommenden Leben die vollkommene Buddhaschaft zu erlangen.18 Als Maya nun den Bodhisattva19 empfing, fühlte sie einen starken Drang zur Tugendhaftigkeit und führte ein harmonisches und heiliges Leben.20 Als es dann wirklich soweit war und Buddha in einem Wald bei Lumbini von seiner Mutter stehend und ohne Schmerzen entbunden worden war, ereignete sich viel Übernatürliches, das uns naturwissenschaftlich und skeptisch erzogenen Geistern der Moderne einige Schwierigkeiten machen könnte. Neben anderem Außergewöhnlichem habe sich ein unermesslich mächtiger Glanz ausgebreitet, der alle Welten und Regionen erreichte und die Welten für einen kurzen Moment in Glückseligkeit tauchte.21Viel später nahm Buddha sich des Seelenheils seiner Mutter an, obschon sie durch ihre großen Verdienste in der Seligkeit des Götterhimmels weilte. Dort unterrichtete er die Götter und führte seine Mutter auf den Heilsweg.22 An dieser Stelle sei erwähnt, dass er sich vortrefflich um seine engsten Angehörigen und Gefolgsleute kümmerte. Sein Vater erlangte die Heiligkeit, seine Stiefmutter Mahapajapati, seine Frau Yasodhara, sein Sohn Rahulo, sein Halbbruder Nando und dessen Zwillingsschwester Nanda23, sein Vetter und geliebter Nachfolger Ananda24, weitere Verwandte und Angehörige des Sakyerstammes folgten der Lehre Buddhas und wurden Mönche und Nonnen, andere folgten ihm als Laien.
Die Kindheit Siddharthas verlief voller Freude und manche Geschichten zeichnen seinen Edelmut. Im Alter von ungefähr sieben Jahren soll der kleine Siddartha mit seinem Vater auf dem Feld gewesen sein, wo dieser die Pflugzeremonie vornahm. Siddhartha wurde ein Platz im Schatten eines Rosenapfelbaumes angeboten. Dort beobachtete er, während die Bauern in aller Mühsal den Boden bestellten, wie eine Eidechse ein Insekt verspeiste und selbst hernach von einer Schlange geschnappt wurde. Die Schlange selbst wurde von einem Raubvogel gepackt. Diese Verkettung von „Fressen-und-Gefressen-Werden“ ließen ihn intuitiv das komplexe Geflecht von Leben und Leiden verstehen. Er empfand tiefes Mitgefühl für die leidenden Wesen und fiel in einen tranceartigen Zustand. Nachdem er wieder in einen gewöhnlicheren Bewusstseinszustand zurückgefunden hatte, strahlte er weiterhin eine Art übernatürlichen Glanz aus, dass Ammen, Wächter und selbst der Vater seiner ungewöhnlichen Heiligkeit gewahr wurden.25
Durch die Erziehung am Hof kam Siddhartha freilich mit den Lehren der vedisch-brahmanischen Religion und Kultur in Kontakt, was seinen forschenden Geist viele Fragen stellen ließ, die den Vater beunruhigten. Sein Sohn könnte möglicherweise einen Hang zur Askese entwickeln und das Interesse für die Geschäfte des Palastes völlig verlieren. Seine Berater rieten ihm, den Prinzen an Sinnesfreuden zu binden, damit er sich nicht zunehmend mit Geistigem beschäftigt. Eine Heirat wurde empfohlen und bald darauf war er als 16-Jähriger mit der schönen Yasodhara vermählt, mit der er ein harmonisches und friedliches Leben im makellosen Palast führte, wo nur Schönheit und Liebreiz herrschten. Sein Vater versuchte ihm Alter und Krankheit fernzuhalten, damit Leid und Schmerz nicht Anlass zu unbequemen Fragen gäben.26
Da der Prinz aber auch in die Alltagsgeschäfte seines Vater miteinbezogen war, entging ihm nicht, dass das Volk an Hungersnöten litt, schwierige Gerichtsfälle auszustehen waren und Unglücksfälle die Menschen trafen. Mit seinem Vater führte er so manche Diskussion und beklagte das Leid des Lebens. Sein Vater versuchte ihn stets zu trösten und empfahl ihm, sich seinem Schicksal zu ergeben, von seinem Fragen abzulassen und vielmehr seine Pflicht zu übernehmen, für seine Familie und das Volk zu sorgen. Den jungen Mann Siddhartha ließ jedoch die peinigende Vorstellung, dass das Leben letztlich nur von Krankheit, Tod und Wiedergeburt gekennzeichnet wäre, nicht los. Er fand keine Lust am Treiben des Lebens und fühlte sich hilflos dem Schicksal ausgesetzt. Er wollte wissen, wie man sich vom Leid erlöst und den Tod überwindet, aus dem ewigen Kreislauf von „Leben-Tod-Wiedergeburt“, Samsara genannt, aussteigen könnte.
Einmal traf er auf einen Mönch, dessen Gelassenheit und friedvolle Ausstrahlung großen Eindruck auf Siddharta machte. Als er darauf mit ihm sprach und von ihm wissen wollte, was das Ziel seines Strebens sei, antwortete dieser ihm, dass er Gemütsruhe und Erlösung suche. Das entsprach auch seinem tiefsten innersten Anliegen.
Buddha Vipassi: Die buddhistische Tradition ging mit der Zeit daran, die von Buddha Sakyamuni dargeboten Erzählung über den früheren Buddha Vipassi in seine Biografie selbst einzuflechten. Diese Erzählung handelt von den vier Ausfahrten, wo Buddha Vipassi erst dem Alter, dann der Krankheit und später dem Tod begegnete. Zu Schluss trifft er auf einen Pilger, dessen Aussehen Vipassi besonders auffällt. Von seinem Wagenlenker will er wissen, was ein Pilger denn nun sei. Der Pilger erklärte sich selbst: „Ich bin Hoheit, ein Pilger, wie man sagt: gut ist gerechter Wandel, gut ist gerader Wandel, gut ist heilsames Wirken, gut ist hilfreiches Wirken, gut ist nichts zu verletzten, gut ist Erbarmen mit den Wesen.“ Tief berührt von dieser Begegnung machte sich Buddha Vipassi selbst zum Pilger und ging in die Hauslosigkeit.27
Allmählich wusste der junge Prinz immer deutlicher, was er zu tun hatte, um inneren Frieden zu finden. Als nun das Königshaus einen neuen Nachkommen begrüßen durfte, weil Siddhartha Vater geworden war, wusste er noch deutlicher, dass er die Wahrheit finden musste, damit er seiner väterlichen Pflicht wahrlich nachkommen konnte. Er wollte einen Weg finden, der seinen Sohn und alle anderen fühlenden Wesen vom ewigen Daseinskreislauf erlösen könnte.
Siddharthas Sohn Rahulo war gerade mal sieben Tage alt, als sein Entschluss in die Tat umgesetzt wurde. Ihm Alter von 29 Jahren verließ er seine Familie und Heimatstadt auf seinem Pferd in Begleitung seines Dieners Channo. Nachdem er weit genug von seiner Heimatstadt entfernt war, legte er seine noblen Kleider ab und schickte seine Begleiter samt Pferd zum Hause seines Vaters zurück und schwor sich, nicht eher zu seinem Vaterhause zurückzukehren, bis er für sich und seine Lieben die höchste Erkenntnis gefunden hatte und Tod und Geburt überwunden waren.28
Als Nächstes zog er nach Rajagaham, die Hauptstadt Magadhas. Jene Stadt galt zu jener Zeit als die Hochburg des geistigen Lebens. Dort jedoch musste er feststellen, dass unter den vielen Asketen sich viele mit Selbstquälerei abgaben, andere gewunden und hochgestochen daherredeten, aber nicht die innere Ruhe und Stille gefunden hatten, die er suchte. Nach geraumer Zeit traf er auf zwei herausragende Lehrer, die auf ihrer Entwicklungsstufe die restlichen Weisen um vieles überragten. Zuerst kam er zu Alaro Kalamo und lernte von diesem. Binnen kürzester Zeit erreichte er die gleiche Stufe seines Lehrers – die Nichtdaseins-Ebene. Das ist die dritte Ebene der Formlosigkeit, wie sie nur von wenigen Mystikern erreicht wurde. Alaro bestätigte ihm die Verwirklichung jener Stufe und bot ihm an, als Partner seine Schüler zu betreuen. Doch Siddhartha meinte: „Nicht diese Lehre führt zur Abkehr, zur Wendung, zur Auflösung, zur Aufhebung, zur Durchschauung, zur Erwachung, zur Erlösung, sondern nur zur Einkehrung in das Reich des Nichtdaseins. Und ich fand diese Lehre ungenügend, ihr Mönche, und unbefriedigt von ihr zog ich fort.“29
Ähnlich erging es Siddhartha bei seinem nächsten großen Lehrer Uddako Ramaputto. Dieser lehrte ihn weit Tieferes, konnte aber die höchste Stufe seiner Lehre nicht selbst verwirklichen, als dass er sie nur, von seinem Vater übernommen, theoretisch vermitteln konnte. Siddhartha gelang es ebenfalls in kurzer Zeit das Gelehrte zu verstehen und zu erleben, sodass Uddako Siddharta ihm sogar die Führung in seiner Schule übergeben wollte. Diese Stufe war von besonderer Tiefe, aber Siddhartha spürte immer noch keinen endgültigen Frieden und lehnte das Angebot ab. Er war nicht weit von der letzten Erkenntnis entfernt, aber dieser letzte Schritt ist der schwerste und kann nur von extrem außergewöhnlichen Wesen erreicht werden, zumal ein vollerwachter Buddha, wie es Siddhartha werden sollte, jemand ist, der ganz alleine zur Verwirklichung der Buddhaschaft gelangt und die Fähigkeit zum Lehren hat.30
Er verlässt deshalb Uddako Ramaputto und erzählt später seinen Mönchen, wie er zur nächsten Station auf seiner Reise kam: „Und ich fand diese Lehre ungenügend, ihr Mönche, und unbefriedigt von ihr zog ich fort. Ich wanderte nun, ihr Mönche, das wahre Gut suchend, nach dem unvergleichlichen höchsten Friedenspfade forschend, im Magadha-Lande von Ort zu Ort und kam in die Nähe der Burg Uruvela. Dort sah ich einen entzückenden Fleck Erde: einen heiteren Waldesgrund, einen hell strömenden Fluss zum Baden geeignet, erfreulich, und rings umher Wiesen und Felder. Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: „Entzückend, wahrlich, ist dieser Fleck-Erde! …. Das genügt wohl einem Askese begehrenden edlen Sohn zu Askese. Und ich setze mich nun, ihr Mönche, dort nieder: Das genügt zur Askese.“31
Siddhartha hatte sich von allen Menschen gelöst und wollte nun alleine auf den Grund der Wahrheit zur Befreiung zu stoßen. Er ließ sich also an jenem ruhigen und friedlichen Naturplatz nahe Uruvela nieder. Dort leuchtete ihm mit der Zeit deutlich auf, dass wahres Asketentum darin bestünde, das Verlangen nach Sinneslust vollständig aufzulösen, sei dies mit dem Körper noch als Hang oder Gedanken. Wahre Askese galt, wenn jede Regung nach Sinneslust vollständig ausgerottet war, Verdrängung galt nicht.
Aufgrund dieser Überlegung ging er daran, Methoden zu suchen, die die Triebsucht ausrotten sollten. Zuerst kämpfte er gegen sein Gemüt, doch dabei erzitterte sein Körper umso heftiger und wurde noch unruhiger. Darauf übte er den Atem zu unterdrücken. Auch hier ging er extrem gegen sich selbst vor und erduldete unsägliche Schmerzen, bis er die Sinnlosigkeit dieser Übung erkannte. Als letzter Versuch wollte er dem Körper durch Nahrungsentzug die Kraft zur Triebhaftigkeit nehmen. Bis fast zum Letzten trieb er es, aber sich selbst töten, war nicht im Sinne seiner Suche. Vielmehr wollte er alles Leid überwinden, aber gemäß der Geisteskultur jener Zeit folgte er dem Gedanken „Nur durch Wehe kommt man zum Wohl“, also je härter die Selbstkasteiung, desto besser das Ergebnis. Er ging an die äußerste Grenze und probierte alles Mögliche aus. Interessant war dabei seine Geisteshaltung: „Jeder meiner Schritte, Sariputto, war von klarem Bewusstsein geleitet, von klarem Bewusstsein gelenkt, und selbst ein Tropfen Wasser erregte in mir das Mitleid: Oh, dass ich den kleinen verirrten Wesen nicht Schaden zufüge! Und das, Sariputto, ist meine Wehmut gewesen.“ 32 Bis zum Ende der extremen Askese war er während dieser Zeit von fünf Brahmanen umgeben, die sein unerbittliches Streben und Beharrlichkeit bewunderten.
Nachdem er nun völlig von dieser Methode des Abtötens erfolglos abließ, kam ihm die Erinnerung an sein Erweckungserlebnis in der Kindheit, als er unter dem Rosenapfelbaum das Leid der Welt verstand. Da wusste er nun auch über welchen Weg er die Weisheit erlangen konnte, nämlich über die Entrückungen. Er wusste nun, dass der Körper genug Nahrung braucht und stark genug sein muss, dass die entsprechenden Geisteskräfte entwickelt werden könnten. Deshalb schlug er von nun an den mittleren Pfad ein. Es brach eine Zeit anderen Forschens an. Er verstand, dass er die Sinnesdinge noch mehr loslassen musste. Er untersuchte gedanklich das Entstehen von Gier und Hass und entwickelte mehr und mehr Achtsamkeit. Immer mehr erlangte er Herzensfrieden und legte die Angst ab. Die überweltlichen Bereiche erfuhr er und näherte sich immer mehr dem letztendlichen Durchbruch.33 Seit er den Palast verlassen hatte, waren sechs Jahre des Suchens und Forschens vergangen.
Buddha spürte, dass er dem Ziel nahegekommen und mit voller Entschlossenheit der letzte Durchbruch zu schaffen war. Er nahm unter dem Bodhibaum Platz, um für die letzte Erkenntnis geeignet zu sitzen.34 Bevor es jedoch so weit sein sollte, tauchte eine Gestalt namens Maro (Mara in Sanskrit) auf, die Satan, dem Bösen schlechthin, gleichgestellt werden kann. Er steht für alle Triebkräfte, die gegen jedes echte Erwachen gerichtet sind. Maro fuhr das achtfache Heer auf und versuchte Siddhartha mit Angst, in die Flucht zu schlagen. Maro versuchte es mit allen Mittel, doch Siddhartha durchschaute alle Tricks und war nicht aus seiner tiefen Geistesruhe zu holen. Die Wurfgeschosse des Bösen wurden von Siddhartha in Blumen verwandelt. Die Kräfte des Bösen sind dadurch also nicht verdrängt, sondern transformiert und integriert worden.35 In der Biografie Mahavastus heißt es, dass die Erde die Macht Siddharthas über den Maro bezeugte. Letztlich machte er Maro selbst klar, dass Siddhartha nicht mehr an ein Ich glaubte, dass zu gefährden wäre. Maro war alle Macht und Angriffsfläche genommen und so verschwand er.36
Es war bereits Abend geworden und Siddhartha saß noch immer mit voller Entschlossenheit in tiefer Versenkung. In der 4. Rede der Mittleren Sammlung erzählt er von jener Zeit. Erst durchschritt er die vier Entrückungen: „Solchen Gemütes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, schlackengeklärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtete ich das Gemüt auf die erinnernden Erkenntnis früherer Daseinsformen. Ich erinnerte mich an manche verschiedene frühere, als wie ein Leben, dann an zwei Leben,..“37 Er sieht hunderttausend Leben und weiter noch, Welten gehen vor seinem geistigen Auge auf und unter. Er sah mit aller Deutlichkeit, wie alle Daseinsformen in einer ewigen Kette des Entstehens und Vergehens aneinandergereiht werden. Er sah seine Leben in Beziehung zu seinen Familien. Diese gesamte Schau wird als die erste Nachwache bezeichnet.
In der zweiten Nachtwache lenkte er sein geistiges Auge auf die vielen Lebensformen anderer Lebewesen und stellte fest, dass sie je nach ihren Taten in den nächsten Leben den Lohn dafür bekamen. Schlechte Handlungen zogen im nächsten Leben Daseinsformens des Leidens mit sich, gute Taten Daseinsformen des Glücks und Wohls. Buddha erkannte selbst in aller Deutlichkeit das Gesetz des Karma. Jede Handlung zieht die entsprechenden Konsequenzen nach sich.
In der dritten Nachtwache fand er, was er durch härteste Müh sehnlichst gesucht hatte – die endgültige Befreiung von allem Leid. Das Wissen zur Auflösung des Leidens offenbarte sich ihm mit den „vier edlen Wahrheiten“. Die erste Wahrheit erklärt, was Leiden ist. Die zweite Wahrheit zeigt, wie Leid entsteht. Die dritte Wahrheit erklärt, dass Leiden aufgehoben werden kann. Und letztlich die vierte Wahrheit beschreibt den Weg zur Leidauflösung – dieser Weg wird der achtfache Pfad genannt.38 Wer dem achtfachen Pfad folgt, erlangt die Befreiung vom Leid und erreicht das Nirvana (in Pali Nibbana). „Die vier edlen Wahrheiten“ werden weiter unten noch vertieft behandelt.
Der einstige Prinz Siddhartha Gotama, nach der Wahrheit suchend, war zum Buddha, zum Vollerwachten geworden, als er die drei Nachtwachen durchlebt hatte und die aufgehende Sonne erblickte. Er kommentierte diese neue Verfasstheit mit: „Für ewig bin ich erlöst, dies ist das letzte Leben, und nicht mehr gibt es Wiedersein!“
Als frischgebackener Buddha hatte er sein Ziel erreicht, er hatte den Tod abgestreift und wusste auch für die Seinigen, wie diese ebenfalls das Nirvana erlangen könnten. Er schwelgte in unsäglichem Glück, weil alles Leiden, alles Sehnen und Begehren für immer von ihm abgefallen war. Er hatte nichts mehr zu fürchten, er war in den unbeschreiblichen Zustand des Nirvana gelangt, wo es keine Gier, keinen Hass noch Unwissenheit gibt. Er hatte sein Ich hinter sich gelassen und die Buddhaschaft erlangt. In diesem Zustand der Wonne und des Frieden soll er für sieben weitere Tage gesessen haben. Nun setze er sich um und blickte mit seinem Weisheitsauge über die Welt und Zeiten und erkannte erneut die kausalen Zusammenhänge der Leidentfaltung und Leidaufhebung. Nach einer weiteren Nacht tiefster Einsichten setzte er sich unter einen anderen Baum und sank wiederum für sieben Tage in Glückseligkeit. Jeweils für sieben Tage konnte Buddha völlig im Samadhi verweilen. Sieben Mal ging Buddha in Samadhi und während der Unterbrechungen hatte er unterschiedlichste Begegnungen. Zuerst unterhält sich der Buddha mit einem Brahmanen, dann versuchte Maro wieder sein Glück, blitzte aber wieder erfolglos ab.
Abb. 2, Der Bodhibaum heute, markiert die Stelle von Buddhas Erwachen – darunter mein Sohn Nikos
Im dritten Samadhi regnete es ununterbrochen, aber der Nagafürst Mucalindo schützte ihn vor dem Unwetter. Danach erkannten zwei Kaufleute im Buddha eine heilige Wesenheit und boten ihm eine Mahlzeit an, die Buddha aber schlecht bekam, weil er ja bereits über vier Wochen nichts mehr zu sich genommen hatte. Später fand sich die hohe Gottheit Brahma mehrmals ein und unterhielt sich mit Buddha. Brahma Sapati war Schüler eines früheren Buddhas, deshalb war er den Lehren Buddhas sehr zugeneigt. Er stellte fest, dass Buddha das Gesetz der Vergänglichkeit erkannt hatte, ein andermal bestätigte er Buddhas Errungenschaft der fünf Heilsfähigkeiten: Vertrauen, Tatkraft, Achtsamkeit, Herzensfrieden und Weisheit.
Nun hob der Buddha an, da er sich seiner Befähigung des Lehrens bewusst war, zu fragen, ob er sein Wissen von der Erlösung überhaupt weitergeben sollte, denn das Verstehen der Lehre und die Entwicklung der notwendigen Qualitäten für das Erlangen der Befreiung waren schwierig. Bei diesem Fragen erschien nun Brahma ein drittes Mal und bat den Buddha um Erbarmen, er möge doch die Lehre weitergeben, da viele Irrlehren die Menschen von der Wahrheit abhielten. Diese Bitte war nicht unwichtig, denn der Buddha hatte ja bereits eine Verfasstheit erlangt, bei der er nicht mehr tat, wozu er Lust hatte, weil er frei von egoistischen Wünschen und Vorstellungen war. Er hatte damit keinen missionarischen Eifer und irgendwelche Bedürfnisse nach Anerkennung für seine Außergewöhnlichkeit. Er hätte sich selbst genügend, einfach selbstversunken in der Glückseligkeit verweilen können. Wurde er aber gebeten und war die Erfüllung der Bitte im Einklang mit der Vernunft und heilsam, dann half der Buddha aus seinem Wesen, das großes Erbarmen ist. Auf die Bitte Brahmas hin schweifte das Weisheitsauge Buddhas über die Welt und prüfte, ob es Menschen und Wesen gäbe, die der Lehre würdig waren und ob es überhaupt sinnvoll war, sich die Mühe zu machen, die Lehre zu verbreiten. Bei dieser Schau fand er drei Gruppen vor. Die erste Gruppe war eine Sammlung von Wesen, die der Lehre nicht zugeneigt und moralisch nicht die Stärke aufwies, in der Lehre zu üben. Die zweite Gruppe hingegen war hinsichtlich Hörbereitschaft und innerer Stärke geeignet. Die dritte Gruppe war soweit entwickelt, dass der Buddha nicht mehr notwendig war, da diese selbst den Weg zum Heil fanden. Der zweiten Gruppe wegen aber war er nun entschlossen die Lehre weiterzugeben und zwar solange, bis er eine Schülerschaft um sich geschart hatte, die über Generationen die Lehre weitergeben konnte.39
Dieser Entschluss rief Maro wieder auf den Plan, der abermals versuchte, den Buddha zu schwächen und von seinem Entschluss zu lehren, abzuhalten - aber ohne Erfolg. Maro musste sich immer mehr eingestehen, dass er der Macht Buddhas nicht gewachsen und seine im Schwinden begriffen war, wenn die Lehre auch andere Befreite und über den Buddha hinaus andere mächtig machte. Geradezu deprimiert über seine missglückten Versuchungen fanden Maros Töchter ihren Vater vor und versuchten es mit ihren Mitteln und mit aller Verführungskunst, Buddha auf Abwege zu locken. Doch auch sie scheiterten kläglich.40
Buddha war zu dieser Zeit 35 Jahre alt und sollte nun seinem Entschluss getreu für die nächsten 45 Jahre die Lehre verbreiten, bevor er ins Parinirvana eingehen sollte. Dieser Umstand wird oft vergessen. Meist sieht man in Buddha nur den Meditierenden, der im Lotussitz die Erleuchtung erlangte, vergisst aber zu erwähnen, dass er 45 Jahre als Bettelmönch umherzog, viele Menschen in seinen Orden aufnahm, Personen aller Kasten lehrte und beriet. Wir wollen in groben Zügen umreißen, was Buddha nun in den folgenden 45 Jahren noch alles Außergewöhnliches leistete.
So überlegte nun Buddha, wem er wohl zuerst die Lehren vermitteln sollte. Er dachte dabei an seinen ersten herausragenden Lehrer Alaro Kalamo, darauf an den zweiten Meditationslehrer Uddako Ramaputto und zuletzt an Asito, den Seher. Doch Gottheiten kamen herbei und teilten ihm mit, dass diese bereits verstorben waren.41
Als Nächstes kamen die fünf Brahmanen in Frage, die bei ihm in Askese gesessen hatten. Er zog Richtung Benares und traf auf den Nacktbüßer Upako. Angetan von Buddhas friedlicher Ausstrahlung, fragte er, ob Buddha die Todlosigkeit gefunden habe. Buddha bejahte und gab sich als Befreiter zu erkennen. Upako konnte sich nicht weiter auf die Belehrungen Buddhas einlassen, zumal er einer ganz anderen Denkgewohnheit anhing und ging einen anderen Weg.42 Die Worte Buddhas hinterließen jedoch tiefe Spuren in seinem Geist, sodass er später über Umwege nach dem Buddha suchte und mit seiner Frau die Heiligkeit erlangte. Wichtig ist zu erwähnen, dass Upako sich unter anderem deshalb vorerst nicht auf Buddhas Lehre einlassen konnte, weil Buddha andeutete, seine Schüler würden ihm, dem Meister, gleich werden. Das war für ihn unglaubhaft, weil die Traditionen jener Zeit so etwas nicht vorsahen. Der Buddha hatte also eine Lehre anzubieten, die den Schüler völlige Befreiung erfahren lässt und Gleichheit zu ihm herstellt, wenn der Schüler tatsächlich den Weg bis zum Ende geht. Er entlässt damit alle Schüler in die vollkommene Freiheit und löst jede Abhängigkeit auf. Das hieß jedoch nicht, dass er die erlösten Schüler für immer von sich wegschickte. Vielmehr blieben seine Schüler mit ihm verbunden und ehrten ihn als denjenigen, der die Wahrheit gefunden hatte. Aber als Befreite und Unabhängige konnte er sie zur Mission aussenden.
Nach dieser Begegnung, bei der Buddha auf den ersten Blick erfolglos schien, traf er in Sarnath vor Benares (auch als Varanasie bekannt) auf die fünf Brahmanen, die zudem seinem Stamm der Sakyer angehörten. Erst waren diese ebenfalls widerspenstig und ablehnend, doch zumindest luden sie ihn ein, bei ihm Platz zu nehmen, weil ihnen nicht entgangen war, welchen Frieden Buddha ausstrahlte. Es bedurfte mehrerer Versuche, bis sich die Fünf für eine Belehrung öffneten. In seiner ersten Belehrung machte er diesen verständlich, dass man zwei Extreme zu meiden habe. Das erste Extrem ist, sich den Sinneslüsten vollkommen zu verschreiben. Das andere Extrem ist die Selbstqual, wie sie von den fünf Schmerzbüßern geübt wurde. „Diese beiden Extreme vermeidend, hatte der Vollendete den mittleren Weg entdeckt, der sehend macht, wissend macht, zur Beruhigung, zur Erkenntnis, zur Erwachung, zum Nirvana führt. Was ist nun dieser mittlere Weg? Es ist der achtfältige Pfad: Rechte Anschauung, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Handeln, rechte Lebensführung, rechtes Mühen, rechte Achtsamkeit, rechter Frieden.“43
Buddha erklärte, warum diese Extreme sinnlos sind. Beide Extreme führen dazu, dass der Geist entweder völlig von der Sinneslust oder von den Schmerzen absorbiert wird. Der Geist kann dabei nicht zur Wissensklarheit kommen. Wichtig war also in erster Linie, dass die fünf Brahmanen verstanden, was die „rechte Anschauung“ war. Die „rechte Anschauung“ war im Wesentlichen in den „vier Wahrheiten“ formuliert.
Das ist Leiden
So entwickelt sich Leiden
So wird Leiden aufgelöst
Das ist der Leid auflösende achtfältige Pfad44
Mit diesen Belehrungen hatte Buddha das Rad des Dharma in Bewegung gesetzt. Dharma (Dhamma in Pali) bedeutet Gesetz der Wirklichkeit oder die Lehre von der Wirklichkeit zur Befreiung vom Leid. Kondanno war der erste der Fünf, der verstand und den Stromeintritt45 erlangte.
Als „Stromeintritt“ versteht man jene Verfasstheit, bei der ein Nachfolger so von der Lehre ergriffen worden ist und die Wirklichkeit verstanden und gesehen hat, dass er nicht mehr zurückfallen kann, sondern nur noch die verbliebene Gier und den Hass zu läutern hat. Spätestens nach sieben Leben wird ein solcher die Befreiung, das Nirvana, erlangen. Man hat sozusagen einen Zug bestiegen, der mit Sicherheit zur Erleuchtung führt, es gibt kein Ausstieg mehr. Hat man die Lehre noch besser verstanden und umgesetzt, ist man ein „Einmalwiederkehrer“, das bedeutet man kommt noch einmal ins Menschenleben zurück, um dann die Erleuchtung zu erlangen. Die nächsthöhere Stufe ist der „Nichtwiederkehrer“. Auf dieser Stufe wird die Befreiung im Himmelreich vollzogen. Die höchste Stufe ist die Heiligkeit und wird zu Lebzeiten erreicht. Ein Heiliger wird Arahat oder Arhat genannt.
Die Erde bebte und bestätigte das Wunder der Lehre. Interessanterweise war es jener Kondanno, der bei der Namensgebungszeremonie Siddharthas gesehen hatte, dass dieses Kind später ein Buddha werden würde, der nun seine Prophezeiung bestätigt sah und selbst am Wunder teilhatte. Kondanno bat den Buddha als Schüler aufgenommen zu werden. Die anderen vier erlangten alsbald ebenfalls den Stromeintritt. Die fünf Brahmanen bildeten damit die ersten Mitglieder des Ordens, der Sangha. Nun gab es die drei Juwelen:
Buddha – der Erwachte oder Erleuchtete
Dharma – die Lehre von der Wirklichkeit und Befreiung
Sangha – die Gemeinschaft der Erleuchteten
Zu den bereits gehörten Lehren formulierte Buddha den fünf Brahmanen nun eine neue Lehre, die den Buddhismus von anderen Religionen deutlich unterscheidet. Es handelt sich dabei um die Nicht-Ich-Lehre. Buddha sieht den Menschen als eine Einheit von fünf Aspekten, den Khandas. Diese Khandas sind Körper, Empfindungen, Wahrnehmungen, Bildekräfte (Geistesregungen) und Bewusstsein. Im indischen Denken gilt Atma, das Selbst, als das Ewige. Buddha gibt aber zu bedenken, dass alle fünf Khandas für sich nicht ewig sind, sondern den Veränderungen unterworfen sind. Er fragt deshalb, wie kann etwas, dass sich verändert, ohne Leid sein. All diese Aspekte sind ständigen Veränderungen ausgesetzt, also vergänglich und nicht ewig. Daraus ist zu schließen, dass die Persönlichkeit keine unveränderliche Entität besitzt. Das, was wir als Ich bezeichnen, ist eine Bezeichnung für etwas, das keinen Ort, keine Form, keine Energie hat, das nicht beständig bleibt.46 Vielmehr ist das Ich-Gefühl eine Illusion, die uns manchmal ordentlich zusetzt, vor allem dann, wenn wir etwas nicht annehmen können und leiden. Wenn wir leiden, kommt es zu einer starken Identifikation mit dem Körper und den Gefühlen. Durch das Loslassen des Ichs, öffnete der Buddha auf philosophischem Wege den Geist für das Ungewordene, Unerschaffene, das Nirvana, das nicht beschrieben werden kann. Es hat keinen Anfang, kein Ende, keine Grenze. Mit der Nicht-Ich-Lehre wollen wir uns weiter unten vertieft befassen.
Während Buddha nun in Benares mit den fünf bereits geheiligten Brahmanen weilte, begab es sich, dass der reiche Kaufmannssohn Yaso, wie von einer guten Kraft gezogen, nächtens auf den Buddha traf. Yaso hatte alle Angenehmlichkeiten jener Zeit, doch spürte er eine Unzufriedenheit und ein Verlangen, des Lebens tieferer Sinn zu verstehen. Er nahm beim Buddha Platz und ließ sich die Lehre in fünf Stufen darlegen. Diese Fünfstufen-Darlegung fand als Methode zur Lehrverkündigung künftig häufig Anwendung und schien bestens geeignet, die Hörer zu erreichen und hilfreich zu belehren.
Die fünf Stufen waren:
Geben: eine Übung und Haltung nicht aus egoistischen Motiven zu handeln
Tugend: dabei ging es um Selbsterziehung, Bändigung der Triebe und das Einfügen in die soziale Ordnung
Transzendenz: das Verständnis der Karma-Lehre, der Zusammenhang von Ursache und Wirkung, Wiedergeburt
Mystik: die Entsagung der Sinneslüste und dafür der Gewinn von himmlischer Glückseligkeit, wie es alle Mystiker der Religionen kennen
Wahrheit: Kenntnis von der Vergänglichkeit, die „vier edlen Wahrheiten“
Die Darlegung der fünf Stufen führte bei Yaso zum Stromeintritt. Am nächsten Morgen machte sich die Mutter Yasos Sorgen und bat ihren Mann, nach dem Sohne zu suchen. Yasos Vater fand den Buddha leicht, weil er den Fußspuren seines Sohnes folgte. Beim Buddha erhielt nun der Vater die gleiche Darlegung ein wenig anders gewichtet und erlangte wie sein Sohn den Stromeintritt, während Yaso im Hintergrund, vom Vater nicht gesehen, ein weiteres Mal zuhörte. Danach nahm der Vater Zuflucht bei Buddha. Er war der erste im Hause lebende, der Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha nahm. Inzwischen war mit Yaso beim zweiten Hören der Lehrdarlegung die völlige Triebversiegung geschehen, ein völlig Erlöster war er. Da das Leben eines Erlösten nur der Mönchstand ist, war Yaso bald ordiniert. Buddha wurde aber mit seinen Mönchen ins Haus eingeladen, wo auch die Mutter und die Gemahlin Yasos die Belehrung erhielten. Beide erfuhren den Stromeintritt. Bald darauf wurden die vier besten Freunde Yasos Mönche und Geheiligte und weitere 55 Bekannte. Die buddhistische Gemeinde hatte nun mit Buddha insgesamt 61 Geheiligte.
Nach der Regenzeit sandte er seine völlig geheiligten Mönche aus, um die Lehre anderen weiterzugeben. „Ich bin erlöst von allen Schlingen, himmlischen und irdischen, und auch ihr, ihr Mönche, seid erlöst von allen Schlingen, himmlischen und irdischen. Wandelt euren Weg vielen zum Wohle, vielen zum Heile, aus Mitleid zur Welt, zum Nutzen, Wohle und Heile für Götter und Menschen. Ihr sollt nicht zu zweit einen Weg gehen. …“47
Es muss betont werden, dass die ausgesandten Mönche nun alle Erlöste waren, die frei von missonarischem Eifer waren. Sie erreichten deshalb diejenigen, die von edler Art waren und die Lehre tatsächlich verstanden und annahmen, weil anderen trugen sie die Lehre nicht vor. Sie mussten weder sich noch anderen etwas beweisen, denn sie waren in den Frieden des Nirvana eingetreten. Nicht Überredungskunst und Sophistik waren am Werk, sondern die Kraft der Lehre, vermittelt von solchen, die sie vollkommen verwirklicht hatten. Viele wurden so zum Buddha gebracht, der alleinig die Ordination in den Mönchsorden vornahm. Das wurde mit der Zeit recht aufwendig und unpraktisch, sodass die 60 ersten Mönche selbst die Befugnis zu Ordination erhielten. Das Aufnahmeverfahren ging folgendermaßen vor sich: Der Anwärter musste sich zuerst Haare und Bart scheren, das fahle Gewand anlegen, vor dem Mönch niederbeugen und mit zusammengelegten Händen dreimal sprechen: „Zum Erwachten nehme ich Zuflucht, zur Lehre nehme ich Zuflucht, zur Gemeinde der Heilsgänger nehme ich Zuflucht.“
Auf Pali schreibt sich das folgendermaßen:
Buddham saranam gacchāmi. (Ich nehme Zuflucht zum Buddha)
Dhammam saranam gacchāmi. (Ich nehme Zuflucht zum Dharma)
Sangham saranam gacchāmi. (Ich nehme Zuflucht zur Sangha)
Uruvela Kassapo:
Die Gemeinde wuchs und die Kunde vom Erwachten und seiner Sangha verbreitete sich in Benares schnell. Der Buddha wollte nun nach Uruvela ziehen, wo er jenen Hausleuten die Lehre bringen wollte, die ihn mit Almosen versorgt hatten. Bei Uruvela gab es nun drei Brüder, die jeweils einer beträchtlichen Anzahl von Schülern vorstanden. Kassapo, so hieß der mächtigste von diesen, war wegen seiner Heiligkeit bekannt, war aber deswegen sehr stolz. Buddha bat nun, bei ihm lagern zu dürfen, was Kassapo großzügig gestattete. Während nun Buddha bei Kassapo weilte, konnte er recht viele Machterweise des Buddhas beobachten, meinte aber dennoch, dass er dem Buddha überlegen sei. Sein Stolz ließ es nicht zu, dass er Buddha zuhören konnte. Dennoch nagte der Selbstzweifel an seiner Eitelkeit. Erst als die Zeit reif schien, sprach Buddha Kassappo direkt auf seinen Stolz an und legte die Tatsachen auf den Tisch. Kassapo war tief getroffen und fiel nun Buddha zu Füßen und bat, in den Orden aufgenommen zu werden. Da Kassapo nun 500 Schüler hatte, mahnte Buddha ihn, er möge an seine 500 Schüler denken und sich vorerst mit ihnen unterhalten, damit sie sich aus der Bindung zu ihm als Lehrer lösen könnten. Kassapo befolgte den Rat und die Schüler, selbst sehr beeindruckt von Buddhas Macht und Weisheit, folgten dem Beispiel ihres Lehrers. Als die zwei Brüder Kassapos davon hörten, dass ihr Bruder samt Schülerschaft dem Buddha folgte, taten sie es ihm gleich. Damit waren weitere Tausend Schüler zu Anhängern Buddhas geworden. Diesen hielt er dann am Berg Gaya unweit von Uruvela die Feuerpredigt, passend, weil die Schüler des Kassapo den Feuer- und Wasserkult pflegten.48
Es war noch kein Jahr vergangen, nachdem der Buddha seine Erleuchtung erlangte hatte. Ein weiterer großer Schritt war unternommen, als Buddha auf Bimbisaro, dem König von Magadha, traf und diesen bewog seiner Lehre zu folgen. Besonders beeindruckend war für Bimbisaro, dass der alte Greis Kassapo dem jungen 35-jährigen Buddha getreu als Schüler samt seiner Anhängerschaft folgte und sich vor Buddha während eines Gespräches niederwarf. Der König war hocherfreut die Lehre des Buddhas zu hören und wurde ein Laienanhänger. Er schenkte Buddha einen Park bei Rajagaha, wo er sich in Ruhe mit seinen Schülern niederlassen konnte. Da nun selbst ein König beim Buddha Zuflucht genommen hatte, strömten immer mehr dem Buddha in den Orden zu, sodass er neue organisatorische und soziale Aufgaben zu bewältigen hatte. Anfänglich war das Leben im Orden einfach und unkompliziert zu regeln, weil nur Erlöste und damit von Leidenschaft und Trieb befreite Menschen die Gemeinschaft bildeten. Da aber nun Personen zu den geheiligten Mönchen aufgenommen wurden, die noch etliches zu lernen hatten, wurde alles komplexer. Zudem war im Orden das weltliche Gesetz durch den König außer Kraft gesetzt worden, was nicht nur religiös Gesinnte mit ehrlichen Motiven anzog. Buddha hatte Ordensregeln zu erlassen, die den Orden vor moralischer Unterhöhlung schützten. Auch der im Orden gratis arbeitende Arzt Jivako zog so manche aus unpassenden Gründen zu Buddhas Gemeinschaft.
Abb. 3, Mönche in Ayuthaya/Thailand
Zur inneren Stärkung der Gemeinschaft richtete Buddha unter anderem das „Amt des Lehrers in Disziplin“ ein. Kam ein neuer Mönch in den Orden, so sollte diesem ein älterer erfahrener Mönch als Lehrer zugeordnet werden, mit dem er zusammenlebte. Auf diese Weise hatte der neue Schüler eine persönliche Schulung. Aus dieser Verbindung entstand eine gewisse Form der Partnerschaft. Der Lehrer sorgt für die Belehrung im Asketentum und Lehre, der Schüler diente dafür dem Lehrer bei den häuslichen Aufgaben. Diese enge Bindung und Beziehung erwies sich als sehr segensreich.49
Bei Rajagaha gab es nun einen weiteren berühmten Lehren namens Samjaya, der zwei hervorragende Schüler hatte. Die beiden hießen Sariputto und Mogallano. Von Kindheit an waren sie Freunde. Sariputto begegnete Buddhas Schüler Assija, der zwar bereits ein Erlöster war, aber die Lehre nicht besonders gut vermitteln konnte. Doch nur wenige Worte reichten aus, dass Sariputto (Shariputra in Skrt.) die Tiefe der Lehre verstand. Er verständigte sofort seinen Freund Mogallano und in Kürze waren die beiden Freunde Schüler des Buddha und Geheiligte. Die Hälfte der Schüler folgten dem Beispiel der Hauptschüler Samjaya – 250 an der Zahl.
Sariputto galt als der weiseste Mönch mit großer analytischer und philosophischer Begabung. Er galt nach Buddha als der größte Lehrer und war für seine Liebe und Fürsorge für die Kranken und Schwachen bekannt. Gingen die Mönche ins Dorf zum Almosengang, blieb er noch länger im Kloster und sah nach dem Rechten. War nicht ordentlich aufgeräumt, war er sich nicht zu schade, einen Besen in die Hand zu nehmen und selbst zu fegen.50