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Warren Buffett hat es geschafft: An der Börse wurde er zu einem der reichsten Männer der Welt. Sein unglaublicher Investmenterfolg machte Buffett zur Ikone vieler Anleger. Buffett fasziniert: Er ist ein Milliardär, der einen unglaublich bescheidenen Lebensstil pflegt. Er ist ein sagenhaft erfolgreicher Anleger, der die Trading-Methoden der modernen Börsen verabscheut. Er ist ein brillanter Verhandler mit einer beinahe hausbackenen Ausstrahlung.
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Seitenzahl: 921
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„In dieser fesselnden Biografie sagt uns Roger Lowenstein nicht nur, wie Herr Buffett es verdient hat, sondern auch, wie er es geschafft hat, es nicht auszugeben – der faszinierendste Teil der Geschichte […] ein reizvolles Porträt eines Kapitalisten Marke Eigenbau.“
– THE NEW YORK TIMES
„Lebendig, flüssig geschrieben und gründlich recherchiert […] mit Abstand das beste Buch über diese legendäre Gestalt.“
–BUSINESSWEEK(TOP-10 BÜCHER 1995)
„Ein reizvolles Porträt.“
– THE NEW YORK TIMES BOOK REVIEW
„Sowohl ein wesentlicher Beitrag zur Kunst der Biografie als auch eine erhellende und tröstliche Geschichte für Anleger in aller Welt.“
– CHICAGO TRIBUNE
„Gründlich recherchiert und scharfsinnig […] ein höchst lesenswerter Bericht.“
– FINANCIAL TIMES
„Lowenstein hat eine bemerkenswerte Leistung vollbracht.“
– LOS ANGELES TIMES
„Buffett bringt viel Licht in den Charakter eines Mannes, der inzwischen für seine selbst gemachten Aphorismen fast genauso berühmt ist wie für das Können, das ihn zum zweitreichsten Mann der Vereinigten Staaten gemacht hat.“
– THE INDEPENDENT (LONDON)
„Lowensteins hervorragende […] Biografie […] poliert den Buffett-Mythos auf und zerlegt ihn gleichzeitig mit kräftigen Realitätsdosen.“
– BARRON’S
„Viele Menschen wissen von Warren Buffetts Reichtümern und seinem Anlagegeschick. Aber hier lernt man den Jungen kennen, der den Golfplatz nach benutzten, aber verkäuflichen Golfbällen abgesucht hat und der seinen Limonadenstand an der stark befahrenen Straße vor dem Haus eines Freundes anstatt in seiner eigenen, ruhigeren Straße aufbaute. Und man kann die Psyche eines Vaters von drei Kindern erkunden, der eine Frau geheiratet hat, aber mit einer anderen zusammenlebt, und man erfährt noch andere Details über den Mann hinter den Investments.“
– U.S. NEWS & WORLD REPORT
„Buffett ist das maßgebliche Porträt eines einzigartigen amerikanischen Lebens – ein Porträt, das eine spannende, präzise belegte und lebensechte Charakterisierung einer amerikanischen Ikone liefert. Dieses Werk sollte in jedem Wirtschafts-Lehrplan Pflichtlektüre sein, denn es betrifft unmittelbar die jetzigen und künftigen Interessen privater und institutioneller Anleger in ganz Amerika.“
– BUSINESS BOOK REVIEW
„Jeder, der dies[es Buch] liest, wird es nach der Lektüre mit einem reichhaltigeren Gefühl dafür weglegen, wer Warren Buffett ist und was ihn zu einem großartigen Anleger macht; vielleicht erhöht das auch die eigenen Anlageerträge […] ein verflixt gutes Buch.“
– THE MOTLEY FOOL
„Ebenso sehr eine Geschichte der Geldanlage in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie ein durchdringender Blick auf Buffett […] famos.“
– SALON.COM
„[Eine] hervorragende Biografie […], [die] flüchtige persönliche Eindrücke von einem sehr privaten Mann [liefert].“
– PUBLISHERS WEEKLY
„Lowenstein gelingt es [in dieser] hochinteressanten, faszinierenden […] beinahe hagiografischen Biografie bemerkenswert gut, die finanzielle Geschichte von Buffetts Aufstieg zum Aktienruhm zu erzählen.“
– LIBRARY JOURNAL
„Der erste definitive Insiderbericht über Leben und Laufbahn dieses amerikanischen Originals.“
– INGRAM
„Die Prosa, die [Roger Lowenstein] hier präsentiert, ist eine bewundernswerte Mischung des Klarsichtigen und des Poetischen. Das Buch ist gleichermaßen einfühlsam und intelligent, ohne je ins Kriecherische abzugleiten.“
– THE WASHINGTON MONTHLY
„Dieses Kunstwerk von Roger Lowenstein […] ist eine Chronik des intimen Privatlebens und des Anlegerlebens eines der größten Anlegers aller Zeiten.“
– MARKETTHOUGHTS.COM
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Buffett – The Making of an American Capitalist ISBN 978-0-8129-7927-5
© Copyright der Originalausgabe 1995, 2008: Copyright © 1995, 2008 by Roger Lowenstein All rights reserved. Published by Random House Inc., USA
© Copyright der deutschen Ausgabe 2009: Börsenmedien AG, Kulmbach
Übersetzung: Egbert Neumüller
Gestaltung und Layout: Jürgen Hetz, Johanna Wack, Börsenbuchverlag, Kulmbach
Satz: Silke Eden, Mediengarten Eden, Kulmbach
Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
9783941493513
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Ich widmete mich der Beschäftigung mit Warren Buffett als langjähriger Investor von Berkshire Hathaway, also des Unternehmens, das Buffett kontrolliert, und nachdem ich Dutzende von Jahren als Finanzreporter für das Wall Street Journal gearbeitet hatte. Idealerweise kommen diesem Buch somit sowohl die Vertrautheit des Anlegers als auch die Objektivität des Journalisten zugute. Das Urteil, ob sich diese noblen Hoffnungen erfüllt haben, bleibt am besten dem Leser überlassen.
Ich habe dieses Projekt im Herbst 1991 begonnen, als sich Buffett an der Rettung von Salomon Brothers beteiligte. Buffett teilte mir damals mit, dass er in keiner Weise kollaborieren würde, dass er aber auch nicht versuchen würde, sich in das Projekt einzumischen. Ganz konkret versprach er, potenzielle Quellen weder davon abzubringen noch sie zu ermutigen. Er hat beide Versprechungen gehalten. Allerdings waren schon Buffetts umfangreiche Schriften, aus denen ich mit seiner Erlaubnis zitieren darf, eine unschätzbare Quelle.
Dieses Buch ist in erster Linie das Ergebnis von Gesprächen mit Menschen, die sich zur Mitarbeit bereit erklärten – Familienangehörige von Buffett, Freunde, Kollegen und andere – und ich bin jedem Einzelnen von ihnen dankbar. Mit sehr wenigen Ausnahmen in den Fällen, in denen die Quellen Anonymität verlangten, sind sie im Text oder in den Quellenangaben angegeben. In manchen Fällen, in denen die Quelle offensichtlich ist, habe ich keine Anmerkung eingefügt. Die Quelle der meisten nicht belegten Unterhaltungen oder Vorfälle, an denen Buffett und eine andere Person beteiligt waren, ist beispielsweise meistens diese andere Person.
Einige Quellen verdienen eine besondere Erwähnung. Es gab zwar noch mehr, aber Roxanne Brandt, Ken Chace, Bob Goldfarb, Stan Lipsey, Barbara Morrow und Charlie Munger reagierten auf meine wiederholten Bitten um Hilfe mit einem Ermittlungsgeist, der des besten Journalisten würdig ist. Buffetts beiden Schwestern Doris und Roberta sowie seine drei Kinder Susie, Howie und Peter waren gleichermaßen loyale Geschwister und Sprösslinge wie auch unschätzbare, großzügige Führer zu der Familie Buffett.
In unserem Computerzeitalter haben Bruce Levy vom Wall Street Journal sowie Jeanne Hauser und Stephen Allard vom Omaha World-Herald bewiesen, dass gute Bibliothekare so unersetzlich sind wie eh und je. Außerdem war es ungewöhnlich großzügig von meinen Redakteuren beim Wall Street Journal, dass sie mir einen so langen Urlaub gewährten.
Besonderen Dank schulde ich meinen scharf blickenden, aber freundlichen Lesern – Neil Barsky, Robert Goodman, Andrea Lowenstein, Louis Lowenstein und Jeffrey Tannenbaum. Meine Agentin Melanie Jackson besaß die Kühnheit, von Anfang an an dieses Buch zu glauben, und dafür danke ich ihr. Meine Lektorin Ann Godoff übte unnachgiebige, doch leider auch unfehlbare Kritik, ohne die dieses Werk weitaus schlechter geworden wäre. Für meine kleinen Kinder Matthew, Zachary und Allison hat dieses Projekt ein halbes Leben lang gedauert (ihr habt mir auch gefehlt). Und schließlich muss ich auf die vielen Gaben hinweisen, die ich von meinen Eltern empfangen habe, unter anderem die Liebe meines Vaters zu Finanzdingen und seine unerschütterliche Moral.
– Roger Lowenstein Im Januar 1995
In den Annalen der Geldanlage steht Warren Buffett einzigartig da. Er hat bei null angefangen und eines der epochalen Vermögen des 20. Jahrhunderts angehäuft, ganz einfach indem er Aktien und Unternehmen für die Geldanlage auswählte. Über einen Zeitraum von vier Jahrzehnten – das ist mehr als genug, um die Auswirkungen der schicksalhaft fallenden Würfel auszubügeln – hat Buffett den Aktienmarkt mit atemberaubendem Abstand übertroffen, ohne dabei ungebührliche Risiken einzugehen oder auch nur in einem einzigen Jahr Verlust zu machen. Das ist eine Leistung, von der Börsengelehrte, Main-Street-Broker und Wissenschaftler lange Zeit verkündet hatten, sie sei unmöglich. Dank der Wirkung dieser stetigen überlegenen Mehrung hat Buffett ein an Wunder grenzendes Vermögen von 15 Milliarden Dollar erworben, das noch weiter wächst.
Buffett tat dies in bullishen und bearishen Börsenzeiten, durch fette und magere Konjunktur, von Eisenhowers Zeiten bis Bill Clinton, von den 1950er- bis in die 1990er-Jahre, von zweifarbigen Lederschuhen und Vietnam bis Junkbonds und Informationszeitalter. Über den größten Teil der amerikanischen Nachkriegszeit, in der die großen Aktienindizes im Schnitt um die elf Prozent im Jahr gestiegen sind, hat Buffett einen kumulierten jährlichen Gewinn von 29,2 Prozent eingeheimst.1
Noch einmaliger wird diese Leistung dadurch, dass sie die Frucht altmodischer langfristiger Geldanlage war. Die modernen Finanziers der Wall Street sind dadurch reich geworden, dass sie ihre Kontrolle über das Geld der Allgemeinheit ausgenutzt haben: Im Grunde besteht ihr Trick darin, dass sie die Allgemeinheit im passenden Moment hereinholen – und sie im passenden Moment verkaufen. Buffett mied dieses Spiel ebenso wie die käuflichen Exzesse, für die die Wall Street verdientermaßen berüchtigt ist. Im Endeffekt hat er die Kunst des reinen Kapitalismus wiederentdeckt – einen eiskalten, aber fairen Sport.
Die Aktionäre aus der Allgemeinheit, die bei Buffett investiert haben, sind ebenfalls reich geworden, und zwar im Verhältnis zu ihrem Kapital im gleichen Maße wie Buffett. Schon die Zahlen an sich sind fast unvorstellbar. Wenn man am Anfang von Buffetts Laufbahn 10.000 Dollar investiert hätte – als er im Jahre 1956 von seinem Arbeitszimmer in Omaha aus arbeitete – und dabei geblieben wäre, hätte man Ende 1995 eine Anlage im Wert von 125 Millionen Dollar gehabt.2
Und doch geben die Zahlen an sich nicht den Nimbus wider, den Warren Buffett über die Wall Street gelegt hat. Einmal im Jahr strömten Anhänger und Geld-Leute wie Pilger auf der Hadsch nach Omaha, um zu hören, wie Buffett die Komplexität der Geldanlage, der Wirtschaft und des Finanzwesens zergliederte. Seine Jahresversammlungen wurden zu einem Stück Amerika – wie ein Elvis-Konzert oder eine religiöse Veranstaltung. Finanzgroupies
kamen nach Omaha, umklammerten seine Schriften wie die Bibel und rezitierten seine Aphorismen als kämen sie aus der Bergpredigt.
Sein Gespür für einfache Wahrheiten führte zu einem Schauspiel, das sich sein Leben lang immer wieder abspielen sollte. Lange vor diesen Pilgerfahrten nach Omaha, lange bevor Buffett etwas vorzuweisen hatte, stand er auf College-Partys mit seinem kindlichen, knallroten Gesicht in einer Ecke und dozierte über das Universum, während sich ein oder zwei Dutzend seiner älteren und betrunkenen Vereinigungsbrüder um ihn scharten. Ein paar Jahre später, als sich diese Freunde in junge Kollegen verwandelt hatten, die an der Wall Street anfingen, war das Ritual das gleiche. Buffett, der Jüngste der Gruppe, ließ sich in einen großen, breiten Klubsessel fallen und ließ sich über das Finanzwesen aus, während die anderen zu seinen Füßen saßen.
Diese ganz eigene Art machte ihn an der Wall Street zu einer Kultfigur. Obwohl die Finanzwissenschaft so undurchdringlich komplex war, konnte Buffett sie so erklären wie ein Supermarktverkäufer über das Wetter spricht. Er vergaß nie, dass hinter jeder Aktie oder Anleihe, wie geheimnisvoll sie auch sein mochte, ein greifbares, ganz normales Geschäft stand. Es schien, als würde er unter dem Fachjargon der Wall Street eine amerikanische Kleinstadtstraße ausgraben.
Es ist schon eine seltsame Ironie, dass die Wall Street in der Zeit, in der sich immer mehr Amerikaner für Investment interessierten, immer komplexer, immer abstruser und immer geheimnisvoller und undurchdringlicher denn je wurde. Als Buffett geboren wurde – mitten in der Depression – fühlten sich die wenigen Amerikaner, die Kapital besaßen, dazu imstande, es selbst zu verwalten. Das taten sie, indem sie es in Blue Chips und Triple-A-Anleihen steckten. Die Depression warf einen langen Schatten, aber der Nachkriegswohlstand ließ ihn verblassen. Heute haben zig Millionen wenigstens einen kleinen Batzen, aber nur wenige fühlen sich damit wohl, ihn zu managen – und noch weniger besitzen die alte Angewohnheit der Vorsicht. Im besten Fall blättern sie täglich nervös den Börsenteil durch, so als könnte jeder tägliche Ausschlag der Zahlen zum Immobilienmarkt oder zur Inflation die lang erwartete „Antwort“ bringen. Im schlechtesten Fall steigen sie mit einer Ungeduld in Investmentfonds ein und wieder aus, die ihre Großeltern schockiert hätte.
Das Erstaunliche an Buffett war seine Anwendbarkeit in dieser komplexen Zeit. Das Meiste, was Buffett tat, konnte von dem Durchschnittsbürger nachgeahmt werden (und deshalb strömten die Massen nach Omaha). Buffetts Genialität lag vor allem in seinem Charakter – Geduld, Disziplin und Vernunft. Das waren eigentlich übliche Tugenden, aber in der Hitze der finanziellen Leidenschaft waren sie selten und doch unentbehrlich für jeden, der seinen Eifer am Aktienmarkt erproben wollte. In diesem Sinne entfalteten sich Buffetts Charakter und Karriere als eine Art öffentlicher Lehrgang in Investment und amerikanischer Unternehmenskunde. Buffett war sich seiner Rolle von Anfang an bewusst und pflegte die seltsame Angewohnheit, seine Eskapaden aufzuzeichnen, während er sie durchlebte.
Als Investor mied Buffett den Einsatz von Leverage, Futures, dynamischer Hedges, der modernen Portfolio-Analyse und aller abstrusen Strategien, die von Akademikern entwickelt wurden. Im Gegensatz zu dem modernen Portfoliomanager, der eher die Einstellung eines Traders hat, setzte Buffett mit seinem Kapital auf das langfristige Wachstum weniger ausgewählter Unternehmen. In dieser Hinsicht ähnelte er den Magnaten aus früheren Zeiten, zum Beispiel J.P. Morgan, Sr.
Aber der geheimnistuerische Morgan war der Archetyp des Wall-Street-Menschen und Buffett als offener, direkter Mittelwestler war seine Antithese. Er war berühmt dafür, dass er witzelte, die Bankiers „hätten die Skimasken aufsetzen sollen“3; zu einem Freund, dem eine Stelle im Finanzgeschäft angeboten worden war, sagte er, „du wirst nicht viel Gegenverkehr haben, wenn du an der Wall Street aufrecht gehst.“4 Er hat einmal geschrieben, er würde genauso wenig die Meinung eines Investmentbankers zu einem Deal einholen, wie er einen Frisör fragen würde, ob er einen neuen Haarschnitt bräuchte.5 Dieser gesund-vernünftige Stammtisch-Witz machte ihn zum Archetyp von etwas Größerem, weitaus Grundlegenderen aus der Vergangenheit des Landes. Damit entsprach er dem tiefen amerikanischen Bedürfnis nach authentischen Helden.
Das war schon immer der weltliche Mythos Amerikas: der unbestechliche einfache Mann aus dem Mittelwesten oder aus dem Westen, der den käuflichen „Ostlingen“ entgegentritt, seien sie Politiker, Banker, Großunternehmer oder sonstwas. Das ist ein Tribut an die Ursprünge dieses Landes, eine Erinnerung daran, dass die ersten authentischen Amerikaner vernichtet wurden. Überlassen wir die Fürsten Europa; das amerikanische Ideal ist schon immer der Selfmade-Man aus der Mitte des Landes – ein Lincoln, ein Twain, ein Will Rogers. In einem Zeitalter ohne Helden haben Buffetts Jünger in Omaha auch das gesucht.
Wie Jack Newfield über Robert Kennedy geschrieben hat, war auch Buffett kein Held, sondern nur eine Hoffnung; kein Mythos, sondern nur ein Mensch.6 Trotz seines breit angelegten Scharfsinns war er auch merkwürdig verkümmert. Als er in Paris war, bestand seine einzige Reaktion darin, dass er keine Lust auf Besichtigungen hatte und dass das Essen in Omaha besser war. Sein Talent entsprang seiner unübertrefflichen geistigen Unabhängigkeit, aus seiner Fähigkeit, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren und die Welt auszusperren, aber eben diese Qualitäten forderten auch ihren Tribut. Als Buffett einmal die Verlegerin Katharine Graham in Martha’s Vineyard besuchte, machte ein Freund eine Bemerkung über den schönen Sonnenuntergang. Buffett gab zurück, er habe sich nicht darauf konzentriert, so als wäre für ihn ein bewusster Akt nötig, sich auf den Sonnenuntergang zu „konzentrieren“.7 Sogar in seinem Ferienhaus am kalifornischen Strand kam es vor, dass Buffett wochenlang den ganzen Tag arbeitete und dem Wasser nie nahe kam.
Wie andere Wunderkinder auch, so bezahlte er dafür einen Preis. Nachdem er in einem Haus aufgewachsen war, in dem es mehr als genug Dämonen gab, lebte er in einer emotionalen Festung. Die wenigen Menschen, die das Büro mit ihm teilten, wussten auch nach Jahrzehnten nichts über das Innere dieses Mannes. Sogar seine Kinder können sich kaum an Momente erinnern, in denen er die oberflächliche Ruhe durchbrach und Gefühle zeigte.
Ein Teil von ihm ist zwar ein Schausteller oder Prediger, aber eigentlich ist er ein zurückgezogener Mensch. Peter Lynch, der Investmentfonds-Magier, hat Buffett in den 1980er-Jahren einmal besucht und er war frappiert von der Stille seines Allerheiligsten. Seine Akten, die sauber alphabetisch geordnet in Aktenschränken standen, sahen wie ein Archiv aus einer anderen Zeit aus. Im Gegensatz zu Lynch hatte er weder Armeen von Tradern noch reihenweise Bildschirme. Buffett hatte weder Kurscharts noch einen Computer – nur einen Zeitungsausschnitt von 1929 und einen antiken Ticker unter einer Glaskuppel. Die beiden gingen auf und ab und erzählten sich ihre legendären Geschichten, was sie gekauft und was sie verkauft hatten. Während Lynch seine Verlierer jede Woche hinausgeworfen hatte, besaß Buffett Jahre über Jahre größtenteils die gleichen wenigen Aktien. Lynch empfand einen Stich, als wäre er in der Zeit zurückgereist.8
Buffetts einziges Zugeständnis an das Moderne ist ein Privatjet. Ansonsten bereitet es ihm kaum Vergnügen, sein sagenhaftes Vermögen auszugeben. Er hat weder eine Kunstsammlung noch ein schickes Auto und er hat nie den Geschmack an Hamburgern verloren. Er wohnt in einem ganz normalen Haus in einem baumgesäumten Block in der gleichen Straße, in der er arbeitet. Seine verzehrende Leidenschaft – und Lust – ist seine Arbeit oder, wie er das nennt, seine Leinwand. Hier enthüllt er die Geheimnisse seines Handwerks und hinterlässt ein Selbstporträt.
ANMERKUNGEN:
Die Zahlen beruhen auf den Gesamterträgen 1957 bis 1995. Die „großen“ Indizes sind der Standard & Poor’s 500 und der Dow Jones Industrial Average in der Berechnung von S & P und Lipper Analytical Securities. Buffett Partnership hatte in den Jahren 1957 bis 1969 vor Abzug der Gebühren für Buffett einen durchschnittlichen kumulierten Jahresertrag von 29,5 Prozent. Die Aktie von Berkshire Hathaway stieg von 1970 bis 1995 kumuliert um 29,2 Prozent im Jahr.
Die Berechnung geht davon aus, dass man die 10.000 Dollar vor dem Jahr 1957 – Buffetts erstem ganzen Jahr – bei Buffett Partnership angelegt hätte, dass man die Anlagesumme nach der Auflösung der Gesellschaft Ende 1969 (inzwischen 160.270 Dollar) für den Kauf von 3.909 Aktien von Berkshire Hathaway zum damaligen Kurs von 41 Dollar eingesetzt hätte und dass man sie bis zum 31. Dezember 1995 gehalten hätte.
Berkshire Hathaway Inc., 1989 Annual Report, S. 21.
Peter Derow.
Berkshire Hathaway Inc., 1982 Annual Report, S. 11.
Jack Newfield: Robert Kennedy: A Memoir, New York, Dutton 1969, S. 19.
Wyndham Robertson.
Peter Lynch.
„Wie ein in Smaragde gefasster Diamant, eine Zierde am Westufer des Missouri, da liegt es, Omaha, die Wunderstadt des Westens, ein Wunderding an Unternehmergeist, an Fähigkeiten und Fortschrittlichkeit.“
WERBUNG EINER TELEFONGESELLSCHAFT, 1900
Fast ab dem Tag, als Dr. Pollard ihn sechs Pfund schwer und fünf Wochen zu früh auf die Welt holte, war Warren Buffett zahlenhungrig. Als Junge verbrachte er mit seinem Freund Bob Russell Nachmittage auf der vorderen Veranda des Hauses der Russells, von wo aus man eine belebte Kreuzung überblicken konnte, und sie notierten die Nummernschilder der vorbeifahrenden Autos. Wenn sich der Himmel verdunkelte, gingen sie ins Haus, breiteten den Omaha World-Herald aus und zählten, wie oft jeder Buchstabe vorkam. Sie füllten ganze Notizbücher mit Zahlenreihen, so als enthielten sie den Schlüssel zu einem euklidischen Rätsel. Oft griff Russel nach dem Almanach und las eine Liste von Städten vor. Eine nach der anderen spuckte Warren die Einwohnerzahl aus. „Ich sagte eine Stadt und er wusste es ganz genau“, erinnerte sich Russell ein halbes Jahrhundert später. „Ich sagte etwa ‚Davenport, Iowa; Topeka, Kansas ; Akron, Ohio.‘ Ich sagte ihm zehn Städte und er wusste sie alle.“ Baseball-Ergebnisse, Pferdewetten – Zahlen aller Art waren Futter für dieses kostbare Gedächtnis. Gekämmt, geschrubbt und in eine Bank der Dundee Presbyterian Church gesteckt, vertrieb sich Warren sonntags die Zeit mit der Berechnung der Lebenszeit von Kirchenkomponisten. Er stand mit einem Tischtennisschläger und einem Ball im Wohnzimmer und zählte, zählte stundenlang. Er spielte Ewigkeiten lang Monopoly – und zählte seine imaginären Reichtümer.
Der blauäugige, blasse, rotwangige Warren war aber nicht nur von Zahlen fasziniert, sondern auch von Geld. Sein erstes Besitztum war ein vernickelter Geldwechsler, den ihm seine Tante Alice geschenkt hatte und den er fortan stolz am Gürtel trug. Als er fünf war, baute er auf dem Gehsteig vor dem Haus einen Kaugummistand auf und verkaufte den Passanten Chiclets. Später verkaufte er Limonade – aber nicht in der ruhigen Straße der Buffetts, sondern vor dem Haus der Russells, wo mehr Verkehr war.
Mit neun zählten Warren und „Russ“ die Kronkorken aus dem Getränkeautomaten an der Tankstelle gegenüber vom Haus der Russells. Das war kein leeres Zählen, sondern primitive Marktforschung. Wie viele Orange Crush-Deckel? Wie viele Cola-Deckel, wie viele Root-Beer-Deckel? Die Jungs fuhren die Kronkorken in einem Karren weg und lagerten sie in Warrens Keller, und zwar haufenweise. Es fragte sich, welche Marke verkaufte sich am besten? Was war das beste Geschäft?
In einem Alter, in dem die wenigsten Kinder wussten, was Geschäfte waren, bekam Warren von seinem Vater, der Börsenmakler war, Tickerstreifen; er breitete sie auf dem Boden aus und entzifferte mithilfe des Standard & Poor’s seines Vaters die Aktiensymbole. Er suchte den örtlichen Golfplatz nach gebrauchten, aber verkäuflichen Bällen ab. Er ging zur Rennbahn Ak-Sar-Ben („Nebraska“ rückwärts) und durchkämmte den sägemehlbedeckten Boden; er schaute sich die zerknüllten, weggeworfenen Zettel an und häufig fand er einen Gewinn, der versehentlich weggeworfen worden war. Während der drückend heißen Sommer von Nebraska trugen Warren und Russ die Golfschläger für die reichen Gentlemen im Omaha Country Club und verdienten drei Dollar am Tag. Und als sie am Abend im stillen Zwielicht des Mittelwestens auf der Bank auf der Veranda der Russells schaukelten, brachten die Parade der Nashes und Studebakers und das Scheppern der Straßenbahn Warren auf einen Gedanken. Dieser ganze Verkehr hatte nichts Besseres zu tun als genau am Haus der Russells vorbeizufahren, sagte er immer – wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, damit Geld zu machen. Russells Mutter Evelyn erinnerte sich nach 50 Jahren noch daran. „Der viele Verkehr“, sagte er immer wieder zu ihr. „Was für eine Schande, dass Ihr an den vorbeifahrenden Leuten kein Geld verdient.“ Als könnten die Russells an der North 52nd Street ein Mauthäuschen aufstellen. „Was für eine Schande, Frau Russell.“
Aber wo kam das her?
Warren war das zweite von drei Kindern und der einzige Sohn. Seine Mutter war eine zierliche, resolute Frau aus einer Kleinstadt in Nebraska. Sie hatte ein lebhaftes Temperament und – wie man von Frauen zu sagen pflegte, die in eine unterstützende Rolle verbannt waren – „konnte gut kopfrechnen“. Warrens Vater, ein ernster, aber freundlicher Mann, übte mit Sicherheit den größten Einfluss auf Warren aus. Indem er Warrens Augen für die Welt der Aktien und Anleihen öffnete, hat er wohl einen Keim gelegt, aber soweit sich das in Erfahrung bringen lässt, reichte Howard Buffetts Zahlenverstand nicht an den seines Sohnes heran. Das gilt auch für seine Leidenschaft, Geld zu verdienen. Was also veranlasste Warren, diesen gesitteten, gemütlichen Haushalt zu verlassen – und auf dem Boden der Rennbahn herumzukriechen, als wäre er eine Austernbank mit Perlen? Was versetzte ihn Jahre später in die Lage, seine Geschäftskollegen – immer und immer wieder – dadurch in Staunen zu versetzen, dass er Zahlenkolonnen im Kopf durchrechnete und dass er sich enzyklopädische Datenmengen genauso leicht merkte wie die Einwohnerzahl von Akron? Warrens jüngere Schwester Roberta sagt dazu einfach: „Ich glaube, das waren die Gene.“
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