Bundle "Hard & Love" (7 in 1) - Sara-Maria Lukas - E-Book

Bundle "Hard & Love" (7 in 1) E-Book

Sara-Maria Lukas

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Beschreibung

Shut up, Kätzchen: Charlotte verliert alles – Job, Wohnung, Hof. In ihrer Not fälscht sie einen Pachtvertrag und trifft auf Logan, einen der Erben mit düsterem Blick und gebrochenem Herzen. Er hasst Frauen – bis Charlotte seine Welt auf den Kopf stellt. Keep calm, Lady: Emma schwärmt heimlich für ihren Boss Steven, der Liebe für Zeitverschwendung hält. Als sie zusammenbricht, bringt er sie zur Erholung aufs Familienanwesen – nicht ahnend, dass sie dort von seinen BDSM-Vorlieben erfährt. Und plötzlich zählt mehr als nur Kontrolle. Cool down, Püppchen: Michelle steckt in einer toxischen Ehe, bis vier Männer sie auf einen Hof bringen und fordern, ihren Mann anzuzeigen. Tyler, einer von ihnen, verachtet sie – doch in der Nähe des Ex-Cops erwachen Gefühle, mit denen keiner gerechnet hat. So long, Butterfly: Jason hat als Undercover-Cop Schreckliches mitangesehen – und nicht verhindert. Jahre später trifft er auf das damalige Opfer: eine gebrochene Frau, die ihm dennoch vertraut. Ihre Liebe heilt – doch kann sie ihm verzeihen, wenn sie die Wahrheit erfährt? Trust me, Vögelchen: Annabell betreut in L.A. widerwillig den Fotografen Ian – bis sein Blick sie trifft. Der stille Deutsche fasziniert sie, doch ahnt sie nicht, wie tief seine Leidenschaft geht. Ian will sie – ganz. Und zwar in seiner Welt der Hingabe. Calm down, Püppchen: Mason gibt sich undercover als Obdachloser aus. Eines Abends rettet er Antonia, ahnungslose Angestellte der Carters, vor einem Überfall. Mason beschließt, der kleinen Kratzbürste eine Lektion zu erteilen. Er ahnt nicht, dass Antonia kein zufälliges Opfer war, sondern als unliebsame Zeugin in Lebensgefahr schwebt, Cheer up, Marie: Marie ist am Ende. Ihr Mann hat eine andere, ihre Tochter gibt ihr die Schuld daran, und auf ihre Job-Bewerbungen hagelt es Absagen. Dann begegnet sie in einem BDSM-Club einem Mann, der ihre geheimsten Sehnsüchte weckt. Eine Nacht voller Hingabe verändert alles. Als sie ihren neuen Job antritt, ist ihr Chef niemand Geringerer als dieser dominante Fremde. Alle Teile der Hard & Love-Reihe in einem preisreduzierten Sammelband.

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Seitenzahl: 2050

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Sara-Maria LukasBundle Hard & Love (7 in 1)Shut up, Kätzchen!
Keep calm, Lady!
Cool down, Püppchen!
So long, Butterfly!
Trust me, Vögelchen!
Come on, Tiger!
Cheer up, Marie!
© 2025 by Plaisir d’Amour Verlag, Im Großfeld 18, D-64678 [email protected]© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg (www.art-for-your-book.de), Mia SchulteISBN eBook Gesamtausgabe: 978-3-86495-786-4
 
Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.

Sara-Maria Lukas

Hard & Love 1: Shut up, Kätzchen!

Erotischer Roman

© 2016 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamourbooks.com

[email protected]

Covergestaltung: © Mia Schulte

Coverfoto: © Shutterstock.com

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-258-6

ISBN eBook: 978-3-86495-259-3

 

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

 

Inhalt:

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Autorin

 

Kapitel 1

 

„More coffee please, Sweety!“

Logan verdreht innerlich die Augen und öffnet den Mund, doch Jason reagiert vor ihm. „Wir reden in Deutschland richtiges Deutsch, Bruderherz“, brummt er genervt.

Ian grinst unbeeindruckt. „Reg dich ab, old man. Die Kleine versteht mich schon.“

„Die Frauen hier lassen sich übrigens ungern als Sweety bezeichnen. Wenn du nicht irgendwann von einem deutschen Mädchen ein Messer zwischen deinen Rippen haben willst, ändere deinen Stil, Kleiner“, wirft Steven ein und nickt der Bedienung, die inzwischen an den Tisch getreten ist und sie mit genervten Blicken mustert, freundlich zu. „Entschuldigen Sie, mein Bruder geht noch in den Kindergarten, dort haben sie das mit den Manieren anscheinend nicht genug geübt“, erklärt er mit seinem schönsten Manager-Macho-Lächeln, woraufhin die Kleine sich ein Blicksenken nicht verkneifen kann. „Es wäre nett, wenn Sie uns noch fünf Kaffee bringen könnten.“

Die Kellnerin nickt und geht. Ian grinst. „Okay, Stevy, willst du sie mitnehmen? Dann verzichte ich.“

Steven verdreht die Augen. „Danke, kein Bedarf.“

„Ich finde, sie hat einen knackigen Arsch“, resümiert Tyler, während er ihr mit schräg geneigtem Kopf hinterhersieht.

„Und ziemlich sicher will sie nicht, dass du sie mit diesem knackigen Arsch über dein verdammtes Knie legst“, brummt Jason.

„Woher weißt du das? Ich habe gehört, in Germany gibt‘s many submissive girls.“

Tyler beugt sich vor. „Hey Stevy, hast du in den letzten Wochen die Hamburger Club-Szene durchforstet? Hier soll so einiges los sein.“

Steven winkt ab. „Ich bin nicht vor euch umgesiedelt, um für die Beschäftigung eurer Schwänze Vorsorge zu treffen.“

Tyler feixt. „Aber du musstest doch deinen Schwanz auch beschäftigen.“

Steve grinst in gleicher Manier zurück. „Darüber mach dir mal keine Gedanken, der war beschäftigt.“

Ian pfeift. „War ja klar. Los, erzähl!“

„Der wahre Gentleman genießt und schweigt.“

Jason hat sein letztes halbes Brötchen in den Mund verfrachtet und lehnt sich mit einem zufriedenen Stöhnen zurück. „Deutsches Frühstück ist vortrefflich. Germany gefällt mir. Gab es Probleme bei der Übernahme deiner neuen Firma, Steven?“

„Nein, lief alles glatt. Gestern, beim Notartermin wegen des Hofes, übrigens auch. Ihr müsst nur noch zum Unterschreiben hin. Die alte Hütte wird euch gefallen.“

Logan beugt sich vor, stützt die Ellenbogen auf den Tisch und reibt sich müde die Augen. Sie sind zwar in der Nacht geflogen, aber er konnte, im Gegensatz zu seinen Brüdern, noch nie gut im Flieger schlafen. Jetzt will er endlich ankommen, ankommen und sich ein neues besseres Leben aufbauen.

Seinetwegen müssten sie nicht erst in einem Café frühstücken, bevor sie weiterfahren. Die letzten Tage in Middletown waren aufreibend genug, nicht nur wegen diesem widerlichen Pressescheiß, der ihn immer noch verfolgt, sondern auch, weil sie innerhalb weniger Wochen alles verkauft, alle Brücken hinter sich abgebrochen haben. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Er seufzt. Ob die Entscheidung richtig war?

„Seit wann steht die Ranch denn leer? Bist du sicher, dass sie bewohnbar ist?“, fragt er mit Blick auf Steven. „Falls die Wasserversorgung nicht funktioniert, gehe ich lieber in ein Hotel.“

Steven verrührt die Milch in seinem Kaffee und winkt mit dem Teelöffel ab. „Das Haus steht noch nicht lange leer. Das junge Mädchen mit den Pferden, das unseren Onkel in den letzten Monaten versorgt hat, hat auch nach seinem Tod noch dort gelebt. Ich habe mit dem Anwalt telefoniert. Strom, Wasser und Heizung laufen, alle Schlüssel hat er mir per Post geschickt. Es ist nicht gerade moderner Wohnkomfort, aber für uns reicht es. Wenn ihr mit dem Frühstück fertig seid, können wir ohne weitere Verzögerungen rausfahren.“

Tyler beugt sich vor und dreht ihm den Kopf zu. „Was ist mit dem Mädchen?“

„Das Cowgirl ist zum letzten Monatswechsel ausgezogen.“

„Wie betrüblich“, seufzt Ian theatralisch.

Steven winkt ab. „Um die ist es nicht schade. Dürr, klein, schmutzig, mürrisch.“

„Sagtest du nicht, du hast sie gar nicht kennengelernt?“

„Hab sie von Weitem gesehen, als ich mit dem Anwalt da war.“

„Woher weißt du dann, dass sie mürrisch ist?“

„Fuck!“ Steven stöhnt gequält. „Ian, nerv nicht. Sie sah so aus, und jetzt ist sie weg, also forget it.“

Ian grinst. „Wir wollen in good old Germany Deutsch reden, Bruderherz.“

Die Kellnerin bringt den bestellten Kaffee. Logan betrachtet sie, während sie die neuen Kännchen auf dem Tisch verteilt. Sie ist blond und hat Ähnlichkeit mit seiner Mutter. Sicher eine Bitch, die sich sehr gerne Sweety nennen lässt, denkt er verächtlich. Sie hebt den Kopf, begegnet seinem Blick und zuckt mit dem Gesicht zur anderen Seite, als ob er sie bedroht hätte. Keinen Mumm, typisch für so eine. Okay, gerechterweise muss er zugeben, dass man seinen Gesichtsausdruck auch nicht unbedingt als friendly bezeichnen kann.

„Ähm … darf ich bitte kassieren, wir haben Schichtwechsel“, fragt die Kleine, mit Blick auf Jason gerichtet, vorsichtig. Der erscheint ihr vermutlich am wenigsten gefährlich, weil er schon graue Schläfen hat. Logan schmunzelt. Wenn die wüsste, auf welche Art sein Bruder sich am liebsten mit Frauen beschäftigt …

 

Eine halbe Stunde später steuert er den bereits etwas älteren – um nicht zu sagen: antiquarischen – Van, den Steven für seine Brüder gekauft hat. Steven selbst fährt in seiner als Firmenwagen geleasten Limousine vorweg. Typisch Steven. Es musste ein schwarzer Angeber-BMW sein, als ob der marode Importhandel, den er für ’n Appel und ’n Ei vor drei Monaten ersteigert hat, ein erfolgreicher Global Player wäre.

„Es muss nach Erfolg aussehen, sonst trauen dir deine Geschäftspartner nicht“, meinte er achselzuckend, weil seine Brüder, als er sie am Morgen vor dem Flughafen darin abgeholt hatte, über die Bonzenkiste den Kopf schüttelten. Okay, er muss es ja wissen, denn er war schließlich in den letzten Jahren mit seinem Managementkonzept ziemlich erfolgreich. Nur leider für den falschen Chef, der zwar Stevens Engagement begrüßt, ihn aber trotzdem nicht, wie vereinbart, als Geschäftsführer der neuen Zweigstelle eingesetzt hatte, woraufhin Stevy wütend kündigte, aber nicht, ohne seinem Boss zum Abschied noch eine Rechte gegen das Kinn zu verpassen. Typisch Steven eben.

Logan schaltet die Scheinwerfer an. Sie fahren in den Elbtunnel. Noch circa eine Stunde, dann haben sie ihr neues Zuhause erreicht. Die Ranch befindet sich nah der Elbmündung in die Nordsee. Zum Meer wird es nicht weit sein. Das gefällt ihm, denn er mag das Meer.

Jason sitzt neben ihm und dreht an den urtümlichen Radioknöpfen herum, die Zwillinge haben es sich auf der hinteren Bank gemütlich gemacht.

„Ist der Container schon auf dem Hof angekommen?“, fragt Ian. „Wehe, meine Studioeinrichtung hat die Reise nicht unbeschadet überstanden.“

„Wenn du alles sorgfältig verstaut hast, wird schon nichts zu Bruch gegangen sein“, brummt Jason, während er weiterhin nach einem Radiosender sucht. „Steven sagt, es gab eine Verzögerung im Hafen, er müsste morgen geliefert werden. Dann haben wir vier Tage Zeit, ihn auszuräumen, bevor er wieder abgeholt wird.“

Ian stützt sich lässig mit einem Fuß auf dem vor ihm stehenden Koffer ab. „Am besten verstauen wir den ganzen Kram in der, wie heißt es noch, Tenne. Dann können wir die Stallgebäude für das Baumaterial nutzen und in der alten Diele gleich mit der Renovierung loslegen.“

„Du meinst die Scheune, Ian. Was man in Niedersachsen als Diele bezeichnet, ist in Bayern die Tenne, also der Stallanbau direkt am Wohnhaus“, erklärt Jason.

„Bist du sicher?“ Logan runzelt die Stirn. „Ich dachte, die Tenne wäre der Dachboden, wo Getreide und Heu gelagert werden.“

Jason stöhnt. „Fuck. Vielleicht auch das. Ist doch egal. Bei uns ist das große Lagergebäude die Scheune und der Stallanbau, in dem wir unsere Zimmer einrichten, die Diele. Basta.“

Ian lacht. „Die mit ihren Dialekten hier. Das werde ich nie kapieren. Und ‚Basta’ ist übrigens italienisch.“

„Basta hat unsere Mutter gesagt, wenn eine Diskussion beendet war, also ist es deutsch.“

Tyler verdreht die Augen. „Prügelt euch doch. Was meint ihr, wie lange werden wir brauchen, um die neuen Räume zu renovieren?“

Jason zuckt mit den Schultern. „Einige Monate bestimmt. Steven kann ja nur am Wochenende mit anfassen.“

Ian schüttelt den Kopf. „Ich bleibe dabei, wir sollten erst eure Werkstatt und mein Studio einrichten, um während der Renovierung auch schon arbeiten zu können, sonst geht uns in spätestens sechs Monaten die Kohle aus.“ Er seufzt. „Aber auf mich hört ja keiner.“

Logan stöhnt genervt. „Jungs, lasst uns erst mal ankommen. Wer weiß, wann die Zimmer im Haupthaus zuletzt renoviert wurden. Ich will nicht erst in einem halben Jahr eine vernünftige Dusche.“

Jason hebt die Hand und wendet sich seinen Brüdern auf der Rückbank zu. „Die Küche ist am wichtigsten, ohne funktionierende Küche kein gescheites Essen.“

Ian winkt ab. „Als ob der alte Mann für seine kleinen Brüder kochen würde. Wir leben doch sowieso nur vom Pizzaservice, das wird sich in good old Germany nicht ändern.“

Ian seufzt. „Wir hätten die kleine Kellnerin mitnehmen sollen, die kann bestimmt kochen.“

Logan schüttelt den Kopf. Typisch Ian, nur Weiber im Kopf. Er wirft einen Blick in den Rückspiegel. Tyler sieht, anscheinend völlig in Gedanken versunken, aus dem Fenster gegen die grauen Tunnelwände. „Was ist los, Ty?“

„Nichts.“ Er dreht den Kopf und ihre Blicke begegnen sich im Spiegel. „Ich dachte gerade an Mom. Was sie wohl sagen würde, wenn sie wüsste, dass wir in ihre Heimat umsiedeln?“

Jason lächelt. „Sie würden sich freuen, alle beide. Eure Mom und Stevens und meine auch.“

Und meiner ist es scheißegal, denkt Logan. Fuck. Seit wann interessiert ihn, was im Kopf der Frau passiert, die versehentlich mit ihm schwanger geworden war?

Heller Sonnenschein lässt sie die Augen zusammenkneifen, als sie den Tunnel durchquert haben.

Jason findet endlich einen Sender. The Boss. Yeah. Bruce Springsteen. Wenigstens wissen die Deutschen, was gute Musik ist.

 

„Vielleicht ist es eine Familie mit Kindern, die hier einzieht. Wenn die euch kennenlernen, werden sie euch lieben und sich freuen, wenn wir bleiben.“ Erwartungsvoll sieht Charlotte zu Morika hinüber, doch die braune Stute knabbert ungerührt weiter am Heu, als ob sie wüsste, dass diese Hoffnungen sowieso nur naive, dumme Wunschträume sind.

„So ’n Schietkram aber auch“, flucht Charlotte, zieht laut die Nase hoch, aber das nützt nichts mehr. Die Tränen fließen. Sie wirft die Mistgabel zur Seite, rutscht an der Boxenwand hinab und hockt sich zu dem Pferd ins Stroh. Schluchzend reißt sie sich die Brille von der Nase und wischt sich mit dem Handballen die Tränen aus dem Gesicht. „Wenn sie mich erwischen, komm ich in den Knast. Urkundenfälschung ist ein anderes Kaliber als Ladendiebstahl. Aber was soll ich tun? Ich kann euch doch nicht schlachten lassen.“ Verzweifelt schlägt sie sich mit den Fäusten gegen die Stirn, bis die Stute sie mit ihren weichen Nüstern sanft anstupst.

„Ist ja schon gut.“ Charlotte streichelt ihr über die samtige Haut am Maul. „Ich bin einfach zu dösig für diese Welt. Egal was ich mache, ich greife jedes Mal in die Scheiße.“

Die Stute schüttelt den Kopf und Charlotte kichert. „Danke, Mori, wenn ich nicht gesehen hätte, dass da eine Fliege war, würde ich denken, du willst mich trösten.“

„Ach, nützt ja nichts.“ Sie zerrt das Taschentuch aus der Jeans, schnaubt ordentlich rein, atmet tief durch und setzt ihre Brille wieder auf. „Genug geflennt. Wenn sie kommen, muss hier alles picobello sein. Wir müssen den besten Eindruck machen. Unsere Zukunft darf nicht daran scheitern, dass sie mich für faul und dreckig halten.“

Hufgetrappel nähert sich von draußen. Ein Pony schaut zur Tür herein. „Na, Blessy? Hast du Langeweile?“

Ein Geräusch lässt sie innehalten. Aus dem vorderen Teil der Stallgasse ist ein tiefes, drohendes Knurren zu hören. Charlotte zuckt zusammen und starrt Richtung Tür. „Oh nein! Sind sie das etwa schon? Porky, benimm dich! Bleib bloß hier! Wenn du ihnen Angst machst, schmeißen sie uns gleich raus.“

Jetzt hört auch sie das Motorengeräusch, und ihre Knie werden weich wie Watte. Mann oh Mann, was für ’n Schiet.

Sie tritt aus dem geräumigen Offenstall auf die Stallgasse hinaus und schließt mit zittrigen Fingern die hölzerne Boxentür. Dann wischt sie die Hände an ihrer Jeans ab und kämmt mit den Fingern die Strähnen ihrer Haare zurück, die sich während der schweißtreibenden Arbeit mit der Mistgabel aus dem Zopf gelöst haben. Sie atmet tief durch, rückt die Brille zurecht und geht zögernd nach vorn. Im Eingang bleibt sie neben ihrem Hund stehen.

Eine große, schwarze Nobelkarosse hält links direkt vor dem Wohnhaus, dahinter parkt ein gelber alter VW-Bus. Die Türen gehen auf und Männer steigen aus. Sie stehen da und sehen sich um.

Charlotte richten sich umgehend die Nackenhaare auf und in ihrem Magen verknotet sich etwas. Ein bitterer Geschmack breitet sich in ihrem Mund aus. Ihr wird kotzübel. Das ist bestimmt nicht Familie Carter.

„Auweia“, flüstert sie fast andächtig. Das müssen Typen einer Schlägertruppe sein. Wahrscheinlich hat Jan sie engagiert. Der Arsch hat doch schon alles von ihr, was will er denn noch? Sie atmet zitternd ein. Rache, was sonst? Hat er ihr ja oft genug angedroht. Schließlich hat sie in ihrer Wut sein Dope im Klo runtergespült.

Es sind fünf. Fünf Gorillas in der totalen Einöde gegen sie und ihren Hund. Niemand wird ihr Schreien hören. Das war‘s also. So jung wollte sie nicht sterben. Wahrscheinlich werden sie ihre Leiche in die Elbe werfen. Vielleicht rammen sie ihr auch ein Messer in den Bauch und lassen sie halb tot in der Stallgasse liegen. Mit Glück, mit viel Glück, kommt Familie Carter und lässt sie ins Krankenhaus karren, bevor sie in ihrem eigenen Blut elendiglich verreckt ist. Und was wird dann aus den Pferden?

Jetzt haben die Männer sie entdeckt und schlendern auf sie zu. Charlotte kneift die Augen zusammen und sieht genau hin. Irgendwas passt nicht. Schlägertrupps sehen anders aus. Ihr Herz klopft schneller, aber sie wagt nicht, wirklich aufzuatmen. „Vielleicht sind es nur Touristen, die sich verfahren haben, Porky. Davor brauchen wir keine Angst haben“, versucht sie sich selber Mut zu machen.

Misstrauisch sieht sie der Gruppe entgegen. Zwei Männer wirken etwas jünger als die anderen, ein blonder und ein schwarzhaariger. Der Blonde trägt Klamotten wie eine Ampel. Knallrotes Hemd und grüne Hose mit gelbem, breitem Gürtel. Er grinst lässig, schubst jetzt den anderen mit dem Ellenbogen an, aber der findet das nicht lustig. Er macht ein Gesicht wie der mieseste Schläger von Sankt Pauli, wenn man ihm ein Bier über den Kopf geschüttet hat. Seine Aufmachung passt zum Gesicht. Er trägt ein enges schwarzes T-Shirt zur Jeans und seine Arme sind mit Tattoos bedeckt. Dahinter läuft ein Managertyp in grauem Anzug mit Krawatte neben einem Älteren in Jeans und rot kariertem Hemd. Der könnte glatt als Cowboy durchgehen, sieht ein bisschen so aus, als ob er vor einer halben Stunde noch auf einer Ranch ein Pferd geritten hätte. Ihre Augen gleiten weiter zu dem fünften Typen, der seinen Kopf abgewendet hat, um die Umgebung zu mustern. In diesem Moment dreht er das Gesicht und ihre Blicke treffen sich. Es fühlt sich an, als ob ein elektrischer Blitz durch ihren Körper saust, und ein eiskalter Schauer läuft ihr über den Rücken. Sie will sich umdrehen und abhauen, aber sie bleibt wie hypnotisiert regungslos stehen und kann nicht aufhören, ihn anzustarren. Er wirkt so furchteinflößend wie ein Killer, aber der Ernst in seinem Gesicht und ein unbestimmter Ausdruck von Trauer um seine vollen Lippen herum lassen tausend Schmetterlinge in ihrem Bauch zu einem Rundflug starten. Er trägt eine schwarze Lederhose und ein schwarzes Hemd, bei dem er die Ärmel bis zu den Ellenbogen aufgekrempelt hat. Seine Unterarme sind so dick wie ihre Waden und seine Schultern so breit wie die von Herkules, ihrem alten Friesenwallach. Der Typ ist, wie die anderen vier auch, mindestens zwanzig Zentimeter größer als sie. An seinem Gang ist irgendetwas seltsam. Fast scheint es, als ob er ein Bein nachzieht. Ausgeprägte Kiefer- und Wangenknochen werden von gebräunter Haut bedeckt. Ein dunkler Bartschatten und schwarze, in die Stirn fallende Haare geben ihm einen fast mystischen Touch. Auf seiner Nase ist ein Hubbel, sie war sicher schon mal gebrochen. Seine Lippen wirken, als würden sie sich niemals zu einem Lächeln verziehen. Er ist auf keinen Fall ein schöner Mann, aber defintiv einer, dessen Gesicht man nie vergisst. Seine Augen unter dichten, zusammengezogenen Brauen sind blau, doch sie wirken fast schwarz, wie das Meer unmittelbar vor einem Unwetter. Er verzieht keine Miene. Ihre Hoffnung auf harmlose Touris ist dahin. Dieser Typ kann nur ein bezahlter Killer sein. Das ist der, der sie erdrosseln wird, mit einer Hand, mehr braucht der nicht. Sie ist überzeugt, dass ihr Ende gekommen ist, und auf seltsame Weise beruhigt es sie, dass er es ist, der ihr den Tod bringen wird. Er ist ganz eindeutig ein Profi, der seine Aufgabe kennt, keine Skrupel hat und sich nicht nervös machen lässt. Er wird es besonnen und zügig tun, ohne dass es lange wehtut. Sie ist bei ihm in guten Händen. Fast will sie sich an ihn schmiegen, ihr Schicksal besiegeln, weil sie die Angst nicht mehr aushalten kann.

Während ihr diese irrealen Gedanken noch durch den Kopf torkeln, fragt sie sich schon, ob sie jetzt vollständig den Verstand verloren hat. Sie atmet tief durch, zwingt ihren Blick von ihm weg und ballt die Hände zu Fäusten. „Porky, bleib bei Fuß“, zischt sie, streckt sich und sieht den Männern mit erhobenem Kopf entgegen.

„Das hier ist Privatbesitz“, sagt sie, als die Typen sie fast erreicht haben.

Die Kerle bleiben stehen. Nur der Cowboy tritt einen Schritt weiter auf sie zu. Er hat lange dunkelblonde Haare, die er zu einem Zopf zusammengebunden trägt. Seine Augen sind auch blau, nein, eher grau, und er ist ebenfalls ein Typ mit einem so beeindruckenden Körper, dass man Angst vor ihm haben könnte. Aber um seinen Mund und seine Augen herum haben sich Lachfalten gebildet, die die Strenge aus seinem Gesicht nehmen.

Porky springt vor, baut sich vor ihm auf und fletscht die Zähne.

Der Typ zuckt zurück.

Ja! Ihr Herz macht einen Sprung. Gott, wie sie ihren Hund liebt.

„Ho, ho, lass uns am Leben“, brummt der Cowboy friedlich und zeigt die Handflächen, als ob er dem Hund beweisen wollte, dass er unbewaffnet ist.

„Porky, Fuß“, befiehlt Charlotte genüsslich und fügt an die Typen gerichtet spöttisch hinzu: „Kommen Sie lieber nicht näher, mein Hund versteht keinen Spaß.“ Sie verschränkt die Arme vor der Brust und stellt sich lässig etwas breitbeiniger hin. Leider muss sie den Kopf in den Nacken legen, um zu ihnen aufzusehen, andersrum würde es ihr sehr viel besser gefallen. „Haben Sie nicht verstanden? Hier ist Betreten verboten.“

Der Managertyp grinst. „Immer mit der Ruhe, Lady. Mein Name ist Steven Carter und das sind meine Brüder: Jason, Ian, Tyler, Logan.“ Er zeigt nacheinander auf den Cowboy, die Ampel, Bad Boy und den Killer. „Und du bist das Mädel mit den Pferden, das eigentlich schon Ende April ausgezogen sein sollte, nehme ich an.“

Eine Sekunde lang glaubt Charlotte, in Ohnmacht zu fallen. Es sind tatsächlich die Erben. Der Typ spricht zwar perfektes Deutsch, aber der amerikanische Slang ist nicht zu überhören. Vor ihren Augen explodieren Sterne. Sie kann nichts sehen, beißt die Zähne fest zusammen und zwingt sich, ruhig zu atmen. Jetzt bloß keine Panikattacke. Die kann sie gerade ganz und gar nicht gebrauchen. Sie zählt bis fünf und dabei langsam aus, so, wie sie es gelernt hat. Das Augenflimmern verschwindet. Gott sei Dank.

Das ist Familie Carter? Kein nettes Ehepaar mit niedlichen Kindern? Diesen gefährlichen Typen will sie einen Vertrag mit gefälschter Unterschrift vorlegen? Fast dringt ein hysterisches Kichern aus ihrer Kehle. Ihr Blick fällt auf das Gesicht des Managers. Er wartet mit fragend hochgezogener linker Augenbraue auf Antwort. Sein Gesichtsausdruck teilt ihr unmissverständlich mit, dass er es nicht gewohnt ist, auf etwas zu warten.

Sie schluckt und zwingt sich, ihm in die Augen zu sehen. „Oh … ähm … I’m sorry, I don’t know …“

„Wir sprechen alle fließend Deutsch“, unterbricht Cowboy Jason sie. Er hält ihr die Hand hin und nickt höflich. „Guten Tag.“

Porky macht ein schnappendes Geräusch mit dem Maul und Charlotte erstarrt. Der Cowboy zeigt sich allerdings wenig beeindruckt. Er geht doch tatsächlich in aller Ruhe in die Hocke, dreht dem Hund seine Längsseite zu und hält ihm lockend die Hand hin. „Sorry, ich muss erst dir Guten Tag sagen. Sure. Mach ich doch gerne, bist ein Guter und ein ganz Hübscher, nicht wahr? Und du passt so gut auf dein Frauchen auf. Well done. Fine, so fine, good dog“, brummt er friedlich und sanft.

 

Logan verdreht innerlich die Augen. Jason muss mal wieder seine Hundeflüsterershow abziehen. Und wie vor ihm schon Tausende, fällt auch dieser dämliche Köter natürlich drauf rein. Es dauert keine Minute, da lässt er sich wohlig hinterm Schlappohr kraulen, was seinem seltsamen Frauchen den Schweiß auf die Stirn treibt.

Steven grinst und die Kleine scheint kurz vor einer Panikattacke zu stehen. Ian tritt vor und hält ihr augenzwinkernd die Hand hin. „Keine Angst, schöne Frau, wir sind ganz harmlos.“

Schöne Frau? Hat sein kleiner Bruder diese nach Stall stinkende Brillenschlange gerade tatsächlich als schöne Frau bezeichnet? Logan kann mit Mühe ein lautes Prusten zurückhalten.

„Porky“, zischt die Kleine, ohne Ian die Hand zu geben. „Komm sofort zurück.“

Doch der Hund wedelt nur noch kräftiger und drängelt sich an Jasons Bein.

Ian lacht. „Mach dir nichts draus, Jason ist der talentierteste Hundeflüsterer der gesamten USA. Wie heißt du?“

Sie starrt ihn misstrauisch an. „Charlotte Folkert.“

Neugierig lässt Ian seinen Blick über ihren Körper gleiten. „Steven hat uns erzählt, du wärst längst ausgezogen?“

„Bin ich auch.“ Sie räuspert sich. „Aus dem Haus natürlich.“ Sie schiebt trotzig das Kinn vor. „Im Stall bleibe ich ja.“

Steven stutzt. „Im Stall bleibst du?“

Ihr Kopf zuckt wieder zu ihm herum. „Natürlich“, sagt sie angriffslustig und rückt ihre Brille zurecht. „Im Stall habe ich doch Nutzungsrecht. Hat der Anwalt das nicht gesagt?“

Bis jetzt hat Logan das Geplänkel zwischen der kleinen Zicke und seinen Brüdern noch relativ gelangweilt verfolgt, jetzt wird er langsam neugierig. Sie hat wieder die Arme vor der Brust verschränkt und hält inzwischen mit den Händen ihre Oberarme so fest umschlossen, dass die Fingerknöchel weiß hervortreten. Ihr Körper ist steif wie ein Brett. Irgendwas stimmt mit der Dame nicht. Interessiert mustert er sie. Sie ist klein, zierlich und drahtig. Die strammen Schenkel stecken in engen, fleckigen Jeans, die schon mal bessere Tage gesehen haben.

Unter dem nahtlos anliegenden blauen T-Shirt zeichnen sich nicht allzu große, aber pralle Brüste ab. Nett. Allerdings macht sie ein Gesicht, als ob sie jeden Moment ein MG rauszieht und sie alle über den Haufen knallt. Gleichzeitig ist sie so bleich wie eine weiße Wand und ihre Unterlippe zittert, als ob sie Angst hätte, dass einer von ihnen ein MG rauszieht, um sie abzuknallen. Dabei hat sie eigentlich ein hübsches Gesicht, ungeschminkt und angenehm natürlich. Das ist er bei Frauen nicht gewohnt, aber es gefällt ihm. Ihre Gesichtsform ist eher schmal. In der Mitte prangt eine süße Stupsnase über einem spitzen Kinn und unter einer hohen Stirn. Die Augenbrauen schließen direkt mit dem schwarzen Brillengestell ab. Ihre Lippen wirken dunkelrot und voll, obwohl sie sie gerade ziemlich angespannt zusammenpresst.

Genüsslich verschränkt er die Arme vor der Brust, um das Schauspiel in Ruhe weiter zu genießen.

„Nein, hat er nicht. Was heißt das, Nutzungsrecht?“, fragt Steven.

„Das ist wie Erbpacht.“

Ihre Augen zucken ganz kurz zur Seite. Das Miststück lügt. Garantiert versucht sie gerade irgendeine Schweinerei.

Ha! Tyler hat es auch gemerkt. Er tritt dicht vor sie. „Was ist Erbpacht?“, knurrt er misstrauisch.

Sie wird noch bleicher und weicht unwillkürlich einen Schritt zurück, doch er fixiert sie gnadenlos mit seinem Blick. Als ehemaliger Cop weiß er, wie man jemanden einschüchtert. Der lässt sich von keiner Frau einwickeln und ganz sicher nicht von so einer nach Stall stinkenden kleinen Göre.

Sie schluckt deutlich schwer. „Ich … ich habe einen Vertrag.“ Ihr bleibt fast die Stimme weg, so sehr verunsichert Ty sie. Wenn sie wüsste, was für ein Genuss ihre Reaktion für das sadistische Gemüt seines kleinen Bruders ist, würde sie schreiend abhauen.

Logans Mundwinkel wollen amüsiert zucken, doch in diesem Moment strafft sie sich, hebt das Kinn und starrt … geradewegs in seine Augen. Ein heißer Blitz trifft ihn unvorbereitet mitten ins Herz. Was er sieht, ist keine bösartige Verschlagenheit, sondern nackte Verzweiflung und Todesmut, brennender Wille, gepaart mit dem Wissen, nichts mehr zu verlieren zu haben. Diese Offenbarung ihres Gefühlsaufruhrs kommt so überraschend, dass er den reflexartigen Drang verspürt, sie in seine Arme zu ziehen und vor seinem Bruder zu beschützen.

Ihr Kopf zuckt wieder herum. Jetzt starrt sie erneut Tyler an und öffnet den Mund. „Für meine Pferde. Wohnrecht für meine Pferde.“

Ihre Stimme hat kaum Kraft, als wäre sie gerannt und hätte nicht genug Luft zum Reden.

Was soll das? Warum ist sie so in Panik? Konzentriert versucht Logan, mehr in ihrem Gesicht zu lesen. Ihre Augen hinter den Brillengläsern verwirren ihn, die Iriden schimmern in einem Mix aus Grün und Braun, als ob jemand braune Farbe in grüne gegossen und dann einmal umgerührt hätte. Es ziehen sich Schlieren, bevor sich alles zu einem braunen Mix vermischt.

Sie weicht Tylers Blick nicht noch einmal aus. Wie gebannt starrt sie ihn an, als wüsste sie, dass sie verloren hat, wenn sie wegsieht.

Jason steht auf und winkt ab. „Ty, das hat Zeit. Lass uns erst mal ankommen.“ Er nickt ihr freundlich zu. „Mit Karlotta reden wir später. Dann wird sie uns alles erklären.“

„Charlotte“, faucht sie mit einer Inbrunst, die Logan schmunzeln lässt.

Jason grinst. „Sorry, Lady. Scharlotta, komm doch heute Nachmittag rein, damit wir uns in Ruhe unterhalten können, okay? Bis dahin haben wir uns halbwegs eingerichtet.“

Er dreht sich seinen Brüdern zu. „Lasst uns erst mal ins Haus gehen und die Koffer reinbringen. Wir brauchen auch Lebensmittel. Einer von uns sollte heute Mittag in das kleine Dorf zurückfahren, durch das wir eben gekommen sind. Da war doch ein Laden. Anschließend können wir dann bei einem Kaffee in Ruhe mit ihr reden.“

Ian nickt. „Gute Idee. Ich fahre.“

Die anderen stimmen zu. Sie wenden sich ab und schlendern Richtung Haus. Nur Logan kann sich nicht losreißen. Nachdenklich betrachtet er dieses seltsame Mädchen, das immer noch regungslos dasteht und seinen Brüdern hinterherstarrt.

Jetzt dreht sie sich um und hastet in den Stall, nicht mehr beachtend, dass ihr treuloser Hund, fröhlich mit dem Schwanz wedelnd, seinem neuen Freund nachtrottet.

 

Charlotte flüchtet zu den Pferden in den großen Offenstall und knallt die Tür zu. Sie zittert am ganzen Körper, lehnt sich von innen gegen die Holzwand und greift sich an den Hals. Atemnot. So ’n Schietkram, verflucht! Sie will diese Panikscheiße nicht mehr! Seit sie von Jan weg ist, war alles gut, aber jetzt fängt es wieder an. Röchelnd rutscht sie auf die Erde. Sie muss sich beruhigen. Was hat der Arzt gesagt? Zählen. Sie muss beim Ausatmen zählen. Aus zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Einatmen und aus, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Einatmen und aus, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben.

Langsam löst sich der Druck in ihrer Brust. Erleichtert lehnt sie den Hinterkopf gegen die Wand, zieht die Beine an und stützt die Ellenbogen auf die Knie. Mist, wie kommt sie aus der Nummer bloß wieder raus?

Porky galoppiert heran, stellt sich mit den Vorderpfoten auf der Boxenwand ab und starrt zu ihr hinunter. „Du untreuer Kürbis. Das verzeih ich dir nie“, stöhnt sie, rappelt sich auf und zieht ihm verspielt die Schlappohren lang.

Die anderen Pferde haben es sich draußen in der Maisonne gemütlich gemacht, Morika steht aber immer noch im Stall am Heu. Wie jeden Tag ist für sie fressen das Wichtigste. Charlotte dreht sich dem Pferd zu und streicht ihm über den Hals. Plötzlich überfällt sie die Ausweglosigkeit ihrer Situation mit aller Macht. Tränen drängen ihr in die Augen, sie stützt die Stirn gegen das Pferd und schluchzt los. Was soll sie bloß tun? Die Typen kapieren doch sofort, dass der Vertrag gefälscht ist. Das Beste, was ihr passieren kann, ist, dass sie sie nur vom Hof jagen und nicht auch noch die Bullen rufen. Aber wo soll sie hin? Mit vier Pferden und keinem Cent in der Tasche?

 

Logan sieht ihr nach. Er hört eine Tür knallen, dann ist es still. Der Hund kommt, galoppiert fröhlich an ihm vorbei in den Stall.

Er will unbedingt mehr über diese Göre wissen und folgt dem braunen Schlappohr-Ungetüm in das Gebäude. Die Stallgasse ist ziemlich breit. Auf der rechten Seite befinden sich Pferdeboxen mit teils halb hohen, teils bis oben vergitterten Wänden. Sie sind alle leer. Hinten links führt eine hölzerne niedrige Pforte in einen großen Laufstall, von dem aus ein geöffnetes breites Tor den Blick auf einen Paddock zulässt. Eine braune Stute steht da und frisst.

Gemächlich schlendert Logan weiter, bis er die Kleine entdeckt. Sie dreht ihm den Rücken zu, lehnt an der Schulter des Pferdes und heult, laut und haltlos wie ein Kind.

Sie hat ihn noch nicht bemerkt. Kein Wunder, er trägt Schuhe mit Gummisohlen und sie schluchzt wie ein defektes Fahrradventil, wenn die Luft entweicht. Der Hund dreht sich ihm zu und winselt. Wie hat sie das struppige Bisonkalb noch genannt? Porky. Der Name passt. Er streichelt ihm über den Kopf, nachdem er sich lässig gegen die Wand gelehnt hat, um sein Frauchen zu betrachten. Sie hat einen knackigen Arsch, genauso wie er es mag.

Jetzt reißt sie sich die Brille von der Nase, schnieft ordentlich und flucht. „Solche miesen Gorillas! Warum können es nicht nette normale Leute sein? So ’n Schiet aber auch, hätte ich es bloß schon hinter mir.“

Sie wischt sich mit den Händen über die Augen, zieht ein Taschentuch aus der Jeans und schnäuzt sich ausgiebig. Dann setzt sie die Brille wieder auf, dreht sich um und erstarrt. Sie rückt die bereits akkurat sitzende Brille zurecht und schiebt kampfbereit die Schultern zurück. Mit gerunzelter Stirn kommt sie aus dem Stall heraus und schließt mit einem festen Ruck die halb hohe Holztür. „Was wollen Sie?“

In aller Ruhe lässt er seinen Blick über ihren definitiv nicht unansehnlichen Körper gleiten. Ihre Hände beginnen zu zittern und sie atmet schneller. Ihre Brustwarzen drücken hart gegen den Stoff. Fuck! Jetzt verschränkt sie die Arme vor der Brust und starrt ihn an wie ein in die Enge getriebenes Wildschweinferkel. Die Dame verbirgt etwas, die will ihn und seine Brüder verarschen, und gleichzeitig geht ihr der Arsch auf Grundeis, ganz eindeutig.

Ihr Gesicht ist dreckverschmiert. Innerlich erlaubt er sich ein gehässiges Grinsen. Das kommt, wenn man mit staubigen Fingern nasse Tränen verreibt. Sie wirkt wie ein trotziges kleines Mädchen, obwohl sie grob geschätzt sicher schon um die fünfundzwanzig Jahre alt ist.

„Wie viele Pferde hast du?“, fragt er.

„Vier.“

„Wo sind die anderen?“

„Paddock.“

Er nickt bedächtig. „Was machst du mit ihnen?“

„Nichts.“

Er zieht fragend die Augenbrauen hoch, und ihr wird anscheinend klar, dass sie nicht gerade intelligent antwortet. Sie strafft sich.

„Sie sind nicht mehr gesund.“

„Hast du sie zuschanden geritten? Springsport oder so was?“

Augenblicklich fahren ihre Arme auseinander. Sie ballt die Hände zu Fäusten und wird wieder zur Furie. „Ich reite überhaupt nicht“, faucht sie. „Das waren die Arschlöcher, die sie hinterher zum Schlachter gegeben haben.“

Irritiert betrachtet er die Stute. „Was machen sie dann hier?“

„Ich habe sie freigekauft.“

„Aha.“

Wieder dieses böse, misstrauische Anstarren. Okay, was soll‘s. Die Kleine wird noch früh genug reden. Er dreht sich in Richtung Stalltür. „Dann bis nachher.“

Sie presst die Lippen zusammen und nickt.

Er wendet sich ab, sollte wirklich gehen, bevor sie tatsächlich noch in Panik gerät, doch er kann sich einfach nicht losreißen. Genüsslich dreht er sich noch mal um, woraufhin sie zusammenzuckt. Er macht drei lässige Schritte auf sie zu. Sie flüchtet rückwärts, aber da stößt sie schon gegen die Wand. Er bleibt erst stehen, als er sie fast berührt. Mit panisch aufgerissenen Augen sieht sie zu ihm auf.

„Wie alt bist du?“

„Sechsund… das geht dich gar nichts an!“

Schmunzelnd legt er Daumen und Zeigefinger an ihr Kinn. Ihr Augenlid zuckt, aber sie zieht den Kopf nicht zurück.

„Atme, Sweetheart, das ist nützlich, wenn man nicht umkippen will.“

Sie starrt ihn wie hypnotisiert an und ihre kleinen Nasenflügel beben. Er lässt sie los und deutet auf ihre Wange. „Etwas Wasser und Seife bewirken wahre Wunder.“

Sie zieht die Stirn kraus, kapiert kein Wort. Wie überaus amüsant. Vergnügt wuschelt er ihr durch die Haare, was sie ärgerlich zurückzucken lässt.

Logan dreht sich um und schlendert davon. Wieder im hellen Sonnenlicht bleibt er stehen und sieht sich um. Es ist still, man hört nur das leise Rascheln der Blätter von den beiden hohen Bäumen an der Einfahrt zum Hof. Die Sonne scheint von einem tiefblauen Himmel. Für die Jahreszeit ist es ungewöhnlich warm, und die friedliche Atmosphäre hier, weitab jeder Stadt, lässt ihn nach langer Zeit innerlich zum ersten Mal entspannen.

Links liegt das Haupthaus mit dem daran angeschlossenen großen ehemaligen Rinderstall. Das nennt man in Norddeutschland eine Diele, wie Steven seinen Brüdern ja erklärt hat. Gegenüber steht eine hohe geräumige Scheune, a large barn, und daneben eine Werkstatt. Darin werden sie ihre Möbeltischlerei einrichten.

Der große Pferdestall, aus dem er gerade herausgetreten ist, wurde quer zu den anderen Gebäuden errichtet, sodass der Hof wie ein weiträumiges, aber in sich geschlossenes Ensemble wirkt. Etwas abseits, hinter der Scheune, ist noch ein Häuschen, der ehemalige Schweinestall. Daraus will Ian sein Fotostudio machen.

Das alte Kopfsteinpflaster gefällt Logan, ebenso wie der antiquarische Steinbrunnen mit der verrosteten Handpumpe und die schiefe verwitterte Holzbank vor dem Eingang des Wohnhauses.

Er atmet tief durch. Die echte und urtümliche Atmosphäre tut gut. Endlich hat er die ganze Scheiße weit hinter sich gelassen und kann nach vorn sehen, auf ein neues Leben. Und das beinhaltet unvorhergesehenerweise ein zähes, zierliches norddeutsches Mädchen mit Brille und Stupsnase.

Ian streckt den Kopf aus der Tür und sieht sich suchend um.

„Wo bleibst du?“, brüllt er über den Hof und Logan winkt ab. „Komme schon.“

Pfeifend schlendert er Richtung Haus.

 

Kapitel 2

 

Charlotte ist fix und fertig. Von Stunde zu Stunde wächst ihre Nervosität und nun musste sie sich auch noch übergeben. Sie setzt die Mineralwasserflasche an und spült den widerlichen Geschmack in ihrem Mund runter. Immer wieder sieht sie im Geiste den Killer vor sich stehen. Wie er ihr nachgeschlichen ist und dann so selbstgefällig auf sie herabgesehen hat. So eine miese Ratte. Es hat ihm sicher so richtig Spaß gemacht, sie einzuschüchtern. Sie fühlt jetzt noch seine Finger an ihrem Kinn. Oh Mann!

Sie versucht, sich sinnvoll zu beschäftigen, hat den Paddock geharkt, das Heulager aufgeräumt, alle Pferde gestriegelt, die Halfter abgebürstet und die Tränkebecken ausgewaschen, aber die Zeit will einfach nicht vergehen.

Die Brüder sind bereits aktiv geworden. Im Wohnhaus stehen alle Fenster weit offen, die beiden jüngeren waren mit dem Bus unterwegs, sind mit Einkaufstüten beladen wiedergekommen, und eben ist der Manager mit seinem dicken BMW vom Hof gebraust.

Wann soll sie rübergehen? Was heißt Nachmittag? Um drei? Um vier? Die blöden amerikanischen Dösbaddel hätten sich ruhig deutlicher ausdrücken können.

Egal, sie hält die Warterei nicht mehr aus, klettert die Leiter hinauf, greift zu ihrer alten Reisetasche und wühlt den Nutzungsvertrag zwischen ihren Klamotten heraus. Hoffentlich kommen die Amis nicht auf die Idee, sich den Heuboden anzusehen. Wenn sie ihren Schlafsack dort entdecken, kann sie die nächsten Nächte irgendwo im Gebüsch verbringen. Sie wirft einen Blick auf ihr Handy. Kein Anruf. Wenn sie dieses Wochenende nicht endlich mal wieder in Neeles Dance Club aushelfen kann, wird sie nächste Woche nichts mehr zu essen kaufen können. Aber das scheint momentan ihr geringstes Problem. Für ihre Pferde kann sie gern mal ein paar Tage hungern.

Nachdem sie wieder unten im Stall ist, betritt sie die Futterkammer. Da gibt es ein Waschbecken und einen Spiegel. Sie wäscht sich notdürftig den Staub aus dem Gesicht und erneuert ihren Haarzopf. Dabei fällt ihr wieder ein, wie der Killer sie am Vormittag angesehen hat. „Wasser und Seife bewirken Wunder“, äfft sie ihn nach. So ein widerlicher, arroganter Affe. Sein Blick ist ihr durch und durch gegangen und sein Geruch hat sie wie eine Dunstglocke umfangen. Ein widerlich angenehmer Geruch, den sie am liebsten tief inhaliert hätte, so gemein betörend und vertrauenserweckend war er. Als der Typ dann auch noch ihr Gesicht berührt hat, waren in ihrem Bauch schlagartig Millionen von Schmetterlingen aus einem Dornröschenschlaf erwacht. Und das ärgert sie am meisten. Wie kann es sein, dass sie die Frechheit und Arroganz eines so widerlichen Mistkerls erregt? Sie ist vor Angst fast gestorben und gleichzeitig feucht geworden! Das ist doch nicht normal! „Sei froh, dass du kastriert bist“, sagt sie zu Porky, aber der hechelt nur und sieht dabei aus, als ob er über sie lacht.

Seufzend zieht sie ihr T-Shirt glatt. Zu gerne würde sie sich ja saubere Klamotten anziehen, doch die hat sie im Moment nicht. Seit sie dem Anwalt die Schlüssel zum Wohnhaus übergeben hat, kann sie die Waschmaschine nicht mehr benutzen.

Als es an ihrer Aufmachung nichts Weiteres zu verbessern gibt, rückt sie die Brille zurecht und macht sich auf den schweren Gang über den Hof zum Haus. Porky trabt fröhlich neben ihr her. „Du bleibst draußen, klar?“

Er sieht zu ihr auf und wedelt mit dem Schwanz. Hund müsste man sein, dann hätte man keine Sorgen.

Vor der Haustür zögert sie. Wie alle alten Bauernhäuser an der Küste hat auch dieses an den Türen innen wie außen normale Klinken, und es kommt ihr ganz seltsam vor, zu läuten. Schließlich ist das bis vor zehn Tagen ihr Zuhause gewesen. Drinnen dudelt ein Radio. Sie drückt auf die Klingel, aber bei so lauter Musik wird das sowieso keines dieser Testosteronpakete hören. Nachdem sie eine Weile gewartet hat, öffnet sie vorsichtig die Tür.

Geradeaus im Flur ist niemand. Links aus der Küche hört sie Geschirrgeklapper. Die Türen zu den beiden hinteren Schlafzimmern sind geschlossen, und auf der alten Treppe zum Dachboden am Ende des Flures lagern Koffer, ganz alte, sicher die von Bauer Harmsen. Wahrscheinlich haben sie die vom Dachboden geholt, um seine Sachen reinzupacken. Die Wohnzimmertür ist offen. Zögernd wendet sie sich nach rechts und tritt ein. Überall stehen geöffnete Reisetaschen und Koffer herum, Klamotten liegen wild verteilt auf den Sesseln und der Couch.

Plötzlich taucht Bad Boy hinter einem der Sessel auf und dreht sich zu ihr um. Sie schreckt mit einem leisen Schrei zurück. Er hatte sich anscheinend zu seinem Gepäck heruntergebeugt, sodass sie ihn nicht gleich sehen konnte. Mit großen Augen starrt sie zu ihm auf. Die Jeans ist aufgeknöpft, sein Oberkörper nackt und die Haare nass. Er muss geduscht haben und ist gerade dabei, sich anzuziehen. Ein beeindruckend großes Tattoo zieht sich schräg über seine Brust, ein Raubvogel mit ausgebreiteten Flügeln.

„Entschuldigung“, stammelt sie, dreht sich um und will aus der Tür, doch da kracht sie schon gegen eine Brust, so breit und stabil wie ein Schiffsrumpf. Kräftige Hände umfassen ihre Oberarme und stabilisieren sie. „Nicht so eilig, Sweetheart.“

Er ist es, der Killer. Umgehend reagiert ihr Körper auf seinen Geruch und das dunkle Timbre seiner Stimme. Es vibriert bis in ihren Unterleib, wie eine Klaviersaite, wenn auf die entsprechende Taste gedrückt wird.

Reflexartig versteift sie sich und stemmt die Hände gegen seinen Brustkorb, doch der Arsch lässt sie nicht los, schiebt sie nur gerade so weit von sich weg, dass er ihr ins Gesicht sehen kann.

Er senkt den Kopf noch weiter und guckt auf das Papier, das sie im Affekt an seinem Körper zerdrückt.

„Ah, ist das dein … ähm … Nutzungsvertrag.“ Er betont das Wort auf eine dermaßen ironisch-sarkastische Weise, dass ihr die Erkenntnis, aufgeflogen zu sein, wie eine plötzliche eiskalte Dusche, für einen Augenblick die Luft zum Atmen nimmt.

Schmunzelnd lässt er sie los und zieht das Papier aus ihren zitternden Fingern.

„Komm, wir gehen in die Küche. Jason hat gerade einen Kaffee fertig“, sagt er so widerlich gelassen, dass sie ihm die Augen auskratzen möchte. Aber das tut sie nicht. Wie hypnotisiert nimmt sie wahr, dass er seine große, warme Hand auf ihren Nacken legt und sie sanft neben sich her dirigiert. „Und immer schön atmen, klar?“

Seine Fingerspitzen senden elektrische Wellen in ihren Körper. Sie ist verloren. Er weiß längst Bescheid und spielt nur noch ein bisschen Katz und Maus mit ihr, da ist sie ganz sicher. Ihr Herz hämmert so laut und schnell, dass er es hören muss. Oder fühlen, da, wo einer seiner Finger an ihrem Hals liegt. Sie hat Angst, vor ihm und seinen Röntgenaugen und vor den Reaktionen ihres Körpers, gegen die sie sich genauso wenig wehren kann wie gegen seine warme Hand an ihrem Hals. Es summt so aufdringlich in ihrer Klit, dass sie das Gefühl hat, völlig die Kontrolle zu verlieren. Sie hat so große Angst vor diesen widersprüchlichen Empfindungen, dass sie sich irrsinnigerweise an ihm festklammern will, als ob ausgerechnet er sie beschützen würde.

Sie erreichen die Küche und erleichtert sieht sie das freundliche Gesicht des Cowboys vor sich. Erleichtert? Wie dösig ist sie eigentlich? Der gehört doch auch zu ihnen.

„Setz dich, Mädchen“, brummt der Killer an ihrem Ohr und drückt sie sanft auf einen Stuhl. In seiner Stimme schwingt gleichermaßen freundliche, fast zärtliche Gelassenheit und keinen Widerspruch duldende Autorität. Sie hat ihm nichts, aber auch gar nichts, entgegenzusetzen, weil ihr Körper, dieser Verräter, ihm nichts entgegensetzen will.

Seine Hand liegt jetzt auf ihrer Schulter, sein T-Shirt berührt ihren Hinterkopf. Sie fühlt sich wie vor dem jüngsten Gericht. Bad Boy ist ihnen hinterhergegangen. Er bleibt an einen Küchenschrank gelehnt stehen, greift zu einer Wasserflasche und setzt sie an die Lippen, um in großen Schlucken daraus zu trinken. Dann wischt er sich mit dem Handrücken über den Mund und betrachtet Charlotte abschätzend von Kopf bis Fuß.

Nur der Cowboy ist so gnädig, sich ihr gegenüber an den Tisch zu setzen. „Magst du Kaffee oder bist du Teetrinkerin?“

„Kaffee“, will sie sagen, doch es findet nur ein heiseres Krächzen den Weg aus ihrer trockenen Kehle. Sie räuspert sich und gibt ihrer Stimme mehr Festigkeit. „Kaffee, bitte.“

Bad Boy kommt mit einer Thermoskanne herangeschlendert und füllt mehrere Becher, die bereits auf dem Tisch stehen. Es ist Onkel Harmsens altes Porzellan, und es kommt ihr ganz seltsam vor, es jetzt hier mit den Männern zu benutzen.

Endlich entschließt der Killer sich, neben ihr Platz zu nehmen. Er hat den Vertrag gelesen und gibt ihn an Bad Boy weiter. Der liest ihn auch und drückt ihn dann Cowboy in die Hand, der ihn schließlich bedächtig vor ihr auf den Tisch legt. Keiner hat ein Wort gesagt, und sie möchte am liebsten den Kopf wegdrehen, so sehr schämt sie sich, die gefälschte Unterschrift vor sich zu sehen. Sie will die Wahrheit hinausschreien, dann können sie sie rauswerfen und der Nervenkrieg ist vorbei. Aber das darf sie nicht, denn es geht um die Pferde. Nur um die Pferde. Schnell rückt sie die Brille zurecht.

„Wie lange hast du hier gewohnt?“, fragt Killer.

„Die Pferde vier Jahre. Ich bin erst hergezogen, nachdem Onkel Harmsen den Schlaganfall hatte.“

„Und dann hast du ihn versorgt?“, fragt Jason freundlich.

Sie nickt und zwingt sich, aufrecht sitzen zu bleiben. Bloß keine Schwäche zeigen.

„Vorher habe ich schon eine ganze Zeit lang hier sauber gemacht und für ihn mit eingekauft. Nach dem Schlaganfall habe ich hier auch übernachtet und ihm bei allem geholfen“, erzählt sie mit fester Stimme, wagt es aber nicht, einem der Männer ins Gesicht zu sehen.

„Und dafür hat er dir dann diesen Vertrag gegeben.“ Der Killer zeigt auf das Papier.

„Er meinte, also, ähm … Er dachte, es gäbe sowieso keine Erben.“

Jason lacht. „Ja, dass die Söhne seiner Schwester hierherkommen, hat er sich bestimmt nicht träumen lassen.“

Ihr Blick zuckt hoch. „Er hatte eine Schwester?“

„Ja. Stevens und mein Vater hat Jessica Harmsen geschwängert, was hier in Deutschland einen kräftigen Familienstreit auslöste. Deshalb hat sie unseren Vater geheiratet und alle Verbindungen in ihre Heimat abgebrochen. Aber sie ist schon vor vielen Jahren gestorben.“

Die Badezimmertür klappert und Schritte nähern sich.

„Ah! Hat das gutgetan, endlich den Reisegestank im Abfluss zu versenken.“

Charlottes Blick zuckt hoch. Ian, die Ampel, auch halb nackt und mit nassen Haaren, grinst sie an. Meine Güte, können die sich denn nichts anziehen?

„Hi Karlotta.“

„Charlotte!“

Er feixt, und sie kapiert, dass er sie veräppelt hat.“

„Dösbaddel.“

Er zieht die Augenbrauen hoch. „Was?“

Augenblicklich läuft sie rot an und presst die Lippen fest zusammen. Doch er lässt sie nicht davonkommen. „Los, sag noch mal, wie hast du mich genannt? Dös-was?“

Sie stöhnt genervt und rückt die Brille zurecht. „Dösbaddel. Das ist plattdeutsch.“

„Was heißt das?“

„Dummkopf natürlich, du Depp“, brummt Jason und nickt ihr augenzwinkernd zu, „womit sie dich schon ganz richtig eingeschätzt hat.“

Ein vorsichtiges Kichern krabbelt über ihre Lippen.

Jason streckt die Hand aus. „Also, auf gute Nachbarschaft, Charlotte.“

Perplex starrt sie ihn an. „Heißt das, ich darf bleiben?“, fragt sie, plötzlich ganz atemlos vor lauter Angst, sie könnte ihn falsch verstanden haben.

Er zuckt mit den Schultern. „Klar, du hast doch einen Vertrag.“

Ein heißer Schauer der Freude tobt durch ihren Körper. Sie muss schlucken, um nicht loszuheulen. „Danke“, flüstert sie und nimmt zaghaft seine Hand.

Ian klopft ihr auf die Schulter und Tyler nickt ihr knapp zu. Sie sieht zur Seite, trifft Logans Killerblick und augenblicklich erstarrt sie wieder zur Salzsäule. Sein ungerührter Gesichtsausdruck und seine Augen sagen alles. Er weiß es und jeden Moment wird er seine Brüder zurückpfeifen. Sie weicht seinem Blick aus. Sie kann einfach nicht anders.

„Charlotte ist mir aber zu kompliziert, ich finde, wir nennen sie Charly“, schlägt Ian lässig vor, als ob es um den Namen für ein neues Haustier ginge.

Sie zuckt zusammen. „Nein!“

Irritiert zieht Jason die linke Augenbraue hoch, und ihr wird klar, dass sie gerade übertrieben heftig reagiert hat. Verlegen senkt sie den Kopf. „Ich hasse den Namen, so hat mich mein Ex immer genannt.“

Tyler schmunzelt. „Okay, das ist ein Grund, den man akzeptieren muss.“

„Ich finde, wir nennen sie Cat“, schlägt Logan vor, immer noch mit starr auf ihr ruhendem Blick und keinem Funken Humor in der Mimik.

„Cat! Ja, das passt.“ Ian ist begeistert.

Unwillig zieht sie die Stirn kraus. „Ich bin doch keine Katze.“

Er zupft an ihrem Pferdeschwanz. „Aber du kannst fauchen wie eine.“

Sie verdreht die Augen und die Brüder grinsen.

„Okay, wenn das nun geklärt ist, kommen wir zu den wichtigen Themen des Tages. Sag mal, Cat, wo ist denn hier das Amt, ich weiß nicht, wie das in Deutschland heißt, wo man sich anmelden muss, wenn man hergezogen ist.“

„Das ist in Niedernbeek im Rathaus.“

„Ah, sehr gut. Und wo ist der nächste Baumarkt?“

 

Als Charlotte eine Stunde später das Wohnhaus verlässt, zittern ihr immer noch die Knie. Obwohl die Brüder, besser gesagt zwei von ihnen, nämlich Jason und Ian, locker und nett zu ihr waren, blieb sie die ganze Zeit so angespannt, dass sie nun Kopfschmerzen hat. Kaum zu glauben, dass Tyler und Ian zweieiige Zwillinge sind, wie sie nun weiß. Ian ist nett, aber Tyler? Mit dem möchte sie keinen Streit. Und Killer-Logan muss sie erst recht aus dem Weg gehen. Unbedingt. Der Affenkopp spielt nach Lust und Laune mit ihrer Angst und sie kann sich einfach nicht dagegen wehren. Er ist ein ganz widerlicher, gemeiner Fiesling.

Erst als sie im Stall angekommen ist und die Pferde, die bereits auf ihr Abendheu warten, sie mit einem Wiehern begrüßen, wird ihr so richtig klar, dass die Unterbringung der Tiere gesichert ist, dass sie bleiben kann. Plötzlich überfällt sie die Erleichterung nach all der Sorge so heftig, dass ihr Tränen aus den Augen kullern. Sie küsst die Pferde nacheinander überschwänglich auf die Nüstern.

„Wir bleiben! Wir können bleiben“, jubelt sie und schickt ein „Danke, danke, danke lieber Gott“ gen Himmel, bis sie mal wieder erschrocken zusammenzuckt, weil sich hinter ihr eine tiefe Männerstimme räuspert.

Sie schießt herum und starrt Logan an. Schon wieder hat dieser Mistkerl sich angeschlichen und ihr einen Schrecken eingejagt.

Die Andeutung eines Lächelns erscheint für einen kurzen Moment in seinem Gesicht, während sie wütend die Zähne zusammenbeißt, um nichts Unbedachtes zu sagen.

„Du hast deinen Vertrag vergessen“, sagt er und hält ihr das Papier hin.

„Oh.“ Verlegen greift sie zu.

Er rührt sich nicht.

„Danke“, stößt sie heiser aus.

Logan nickt, und sie weiß mit glasklarer Sicherheit, dass er ihr gerade die Chance gibt, doch noch die Wahrheit zu sagen. Wie unter Zwang senkt sie den Kopf.

„Wie heißen deine Pferde?“

Ihr Blick zuckt hoch. Er hat sich umgedreht, einen Unterarm lässig auf die halb hohe Boxenwand gelehnt und streichelt Morikas Stirn.

„Der große Friese ist Herkules, die Ponys sind Flicka und Blessy und das“, sie zeigt auf die Stute, „ist Morika. Sie sind alle …“ Zögernd sieht sie ihn an. Interessiert es ihn überhaupt, mehr zu erfahren?

Er dreht ihr den Kopf zu und hebt eine Augenbraue. „Ja?“

Charlotte räuspert sich. „Sie sind alle aus einem Reitstall, der pleite war. Alle anderen Pferde haben neue Besitzer gefunden, nur sie wurden zum Schlachter gegeben, weil sie nicht mehr ganz gesund sind und niemand sie kaufen wollte.“

„Warum hast du sie gekauft?“

„Ich habe in dem Stall als Pflegerin gearbeitet, bis er dicht machen musste. Als der Schlachter mit dem großen Transporter kam …“ Verlegen senkt sie den Kopf. „Na ja, ich hab‘s einfach nicht ertragen und mein Sparbuch geplündert, ohne richtig nachzudenken.“

Forschend mustert er sie. „Wo wohnst du?“

„In Niedernbeek.“

„Allein?“

Sie nickt und traut sich nicht, ihn anzusehen. Der vage Gedanke, er könnte fragen, weil er sich für sie interessiert, lässt ihr Blut heißer durch ihre Adern schießen. Sie fühlt, dass sie rot wird, und möchte vor Scham im Boden versinken. Schnell rückt sie ihre Brille gerade.

„Und wie kommst du immer hierher? Es steht kein Auto auf dem Hof.“

„Fahrrad.“

„Wow. Sportlich. Das sind doch mindestens sieben oder acht Meilen.“

Sie zuckt verlegen mit den Schultern. „Es sind zehn Kilometer. Nicht viel. Alles Gewohnheit.“

Wieder mustert er sie so eindringlich. Was will er denn noch?

„Womit verdienst du deinen Lebensunterhalt?“

„Ich arbeite abends in einer Diskothek im Ausschank.“

„Auch in Niedernbeek?“

„Etwas außerhalb.“

Logan nickt, tätschelt noch einige Minuten lang die Tiere, dreht sich schließlich um und hebt lässig die Hand. „See you.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, schlendert er davon.

Misstrauisch sieht Charlotte ihm nach. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch haben gerade deftige Orientierungsschwierigkeiten.

„So ’n Schietkram“, flüstert sie beim Blick auf seine breiten Schultern und den strammen Arsch in der engen Jeans.

 

„Morning, Boys.“

Steven betritt die Küche und wirft eine große Bäckertüte auf den Küchenschrank.

„Na endlich. Wo bleibst du so lange? Wir haben acht Uhr verabredet“, mault Logan, der bereits mit Jason am fertig gedeckten Frühstückstisch wartet.

Steven zuckt gleichgültig mit den Schultern, zieht einen Stuhl zurück und setzt sich. „Sorry, Stau an den Elbbrücken. Wo sind die Zwillinge?“

„Stecken wohl noch in ihren neuen Wohnwagen. Werden schon kommen. Pack die Semmeln aus, ich hab Hunger.“

Steven reißt die Tüte auf und deponiert sie in der Mitte des Tisches. „Das sind Brötchen, Semmeln sagen sie in Bayern dazu.“

„Egal, gute deutsche Wie-auch-Immer, es gibt nichts Besseres.“ Jason greift zu und rammt das Messer in ein Brötchen.

„Habt ihr euch schon eingelebt?“, fragt Steven.

„Ich brauchte drei Tage, um den fucking Jetlag zu überstehen.“

Steven grinst. „Du bist das Reisen nicht gewöhnt, alter Mann.“

Jason winkt ab. Die Außentür geht auf und ihre Brüder kommen herein. „Hi Stevy.“

Steven nickt ihnen zu. „Hi. Na, wie schläft es sich im Wohnwagen?“

„Bestens“, sagt Ian, „es war eine gute Idee, die Kisten zu mieten, bis wir alle unsere eigenen Zimmer haben. Tylers Schnarchen hätte ich keine weitere Nacht ausgehalten.“

Eine Weile ist es ruhig. Alle sind damit beschäftigt, sich ihre Brötchen zu schmieren und hineinzubeißen.

Jason sieht in die Runde. „Womit fangen wir an?“

„Als Erstes müssen wir den Container ausräumen“, sagt Steven. „Wann kommt das Holz für den Dachausbau?“

„Wird Montag geliefert“, brummt Logan. „Für die Fenster brauchen sie wahrscheinlich drei Wochen, meint der Tischler.“

Steven nickt. „Das habe ich mir gedacht.“

„Habt ihr euch die Stalldächer schon richtig angeguckt? Gibt‘s da viel zu tun?“

Jason winkt ab. „Die sehen gut aus, nur der Dachstuhl des alten Schweinestalls ist an einer Seite morsch. Da hat es anscheinend jahrelang reingeregnet.“

Von draußen ist Hundegebell zu hören.

Steven grinst. „Die kleine Urkundenfälscherin ist da. Und? Wie macht sie sich? Habt ihr was über sie herausgefunden?“

„Sie schläft auf dem Heuboden im Pferdestall“, erzählt Tyler.

Steven stutzt. „Was?“

Jason nickt. „Wir haben da oben einen Schlafsack und Klamotten gefunden, als wir die Dächer kontrolliert haben.“ „Hat sie dir nicht erzählt, sie wohne im Dorf, Lo?“

Logan nickt. „Sie hat mir auch erzählt, dass sie in einer Diskothek arbeitet, aber die einzige, die es hier im Umkreis gibt, hat nur an den Wochenenden geöffnet, das kann also kein Vollzeitjob sein.“

„Dann hat sie diesen lächerlichen Vertrag gebastelt, weil sie kein Geld hat und deshalb weder für die Pferde einen Stall noch für sich eine Wohnung mieten kann.“

Jason nickt. „Yes, so sehe ich das auch. Außerdem scheint sie ganz allein zu sein.“

Steven wirft einen Blick in die Runde. „Was machen wir mit ihr?“ Er grinst. „Kleines Verhör? Wenn wir ihr Jasons Mustermöbel zeigen, wird sie schneller reden, als wir ihren Namen aussprechen können.“

„Lasst sie einfach in Ruhe“, brummt Logan.

Seine Brüder halten in ihren Bewegungen inne und starren ihn an, als ob ihm gerade Hörner gewachsen wären.

„Lo? Geht‘s dir gut?“, fragt Ian übertrieben besorgt. „Hast du vielleicht Fieber?“

Logan verdreht die Augen. „Hört auf mit der Show.“

Steven grinst. „Sagt nicht, die Kleine hat es geschafft, unseren Frauenhasser zu bekehren.“

Logan ist stinksauer. Was soll das? Dämliches Gerede. Seine Brüder ticken doch nicht ganz richtig. „Hört auf zu spinnen.“

„Wir spinnen? Du hast geschworen, keine Frau mehr näher als zehn Meter an dich ranzulassen. Und das ist - do you remember?“, er lehnt sich zurück und gibt seiner Stimme einen süffisanten Ausdruck, „… noch nicht besonders lange her.“

„Sie ist ein harmloses Pferdemädchen. Die tut keinem was.“

Jason lacht. „Okay, okay, wir lassen sie in Ruhe, aber du kümmerst dich drum, wenn es Probleme mit ihr gibt.“

 

Charlotte lugt vorsichtig aus dem Stallfenster. Drei Tage wohnen die Carter-Brüder jetzt auf dem Hof. Damit sie nicht merken, wo sie schläft, fährt sie jeden Morgen hinten an der Weide vom Hof und kommt vorn durch die Haupteinfahrt zurück. Abends vollführt sie das gleiche Theater in umgekehrter Reihenfolge, um sich dann auf dem Heuboden schlafen legen zu können.

Ihr Magen knurrt. Zum Glück hat der Manager von Neeles Dance Club angerufen. Heute Abend kann sie arbeiten. In der Diskothek gibt es auch Kleinigkeiten zu essen und morgen hat sie dann wieder Geld in der Tasche und kann am Montag Lebensmittel kaufen. Bis dahin allerdings muss sie hungern. Die Leistungen vom Arbeitsamt reichen immer nur für den halben Monat. Klar, darin ist schließlich nicht eingeplant, dass Arbeitslose ihre Tiere nicht einfach irgendwo entsorgen können. Zu allem Überfluss musste sie Anfang des Monats Wurmkuren für die Pferde kaufen. Egal. Es gibt Schlimmeres, als einen Tag lang nichts zu essen.

Neben der Scheune stehen seit gestern zwei Wohnwagen. Den Brüdern ist es anscheinend zu viert in zwei Schlafzimmern zu eng geworden.

Vorhin ist der Managertyp mit dem Männer-Unterwäsche-Model-Gesicht gekommen. Den hatte sie seit dem ersten Tag nicht mehr gesehen. Er scheint in Hamburg zu wohnen. Heute hat er keinen Anzug an. Sie rümpft die Nase, denn er sieht trotzdem noch wie ein reicher Schönling aus.

 

Die Haustür geht auf, die Brüder kommen heraus und gehen auf den großen Container zu, der vorgestern geliefert worden ist. Alle tragen Jeans mit in die Gesäßtaschen geklemmten Arbeitshandschuhen, klobige Arbeitsschuhe und verblichene T-Shirts. Was für Körper. Als sie in der Küche alle um sie herumstanden und saßen, war Charlotte sich klein wie eine Maus vorgekommen. Ihr Blick fällt auf Killer-Logan und sofort vibriert es sehnsüchtig in ihrem Unterleib. Seine Oberarme – und was für Oberarme! – scheinen tätowiert zu sein. Unter den kurzen T-Shirt-Ärmeln erkennt sie dunkle Farblinien. Wie es sich wohl anfühlt, wenn er sich über eine Frau beugt und ihre Hände über ihrem Kopf auf die Matratze drückt? Wehrlos unter so einem Körper … diese gefährlichen Augen auf ihre nackte Haut gerichtet … Ihre Brustwarzen sind steinhart und ihr Höschen ist feucht. Letzte Nacht hat sie sich mit diesem Bild im Kopf zu einem Orgasmus gestreichelt, aber das half nicht. Diese vermaledeite Sehnsucht nach Sex mit Unterwerfung und Lustschmerz ist kein bisschen weniger geworden.

Zweimal hat sie Logan in den letzten Tagen von Weitem gesehen und beide Male hat er ihr zugenickt. Ansonsten bekommt sie von den Männern nicht viel mit. Na ja, sie vermeidet es auch, sich auf dem Hof sehen zu lassen. Nur Porky rennt andauernd rüber, um sich Streicheleinheiten zu erbetteln, sobald er einen der Typen draußen sieht.

Sie öffnen die dicke Eisentür und beginnen, Kisten und Möbel heraus und nach nebenan in die Scheune zu schleppen. Ob sie ihre Hilfe anbieten soll? Ihr Herz klopft schneller. Sie möchte den Kerlen eigentlich am liebsten aus dem Weg gehen, andererseits kann es jedoch nicht schaden, nett zu sein. Ohne noch lange zu überlegen, läuft sie los.

Logan bemerkt sie als Erstes und bleibt stehen, als sie sich nähert. Prompt zittern ihre Knie. Dieser Blick von ihm macht sie einfach fertig. Langsam müsste sie doch besser damit klarkommen. Kann sie sich denn nicht zusammenreißen? Verdammter Schietkram aber auch. Schnell rückt sie die Brille zurecht, bevor sie zu ihm aufsieht.

„Guten Morgen, Cat“, begrüßt er sie, wie immer mit dieser scheiß undurchdringlichen Miene. Er könnte doch mal eine klitzekleine Regung, ein kurzes Lächeln zeigen, nur damit man merkt, dass er ein echter Mensch ist.

„Guten Morgen.“

„Hi Cat“, ruft Ian fröhlich herüber und sie wird etwas mutiger. „Ich dachte, also … ähm … ich kann helfen, wenn ihr wollt.“

„Helfen?“

„Ja, ich habe Zeit. Macht mir nichts aus, wirklich.“

Jason bleibt erstaunt stehen. „Du willst uns helfen?“

Sie nickt und möchte im gleichen Moment auf dem Absatz umkehren und abhauen. Was für eine Scheißidee! Die wollen doch gar nichts mit ihr zu tun haben. Sie macht sich gerade total lächerlich. Oh Mann! Wie dösig!

„Kannst du kochen?“, fragt Logan.

Irritiert starrt sie zu ihm auf, mal wieder. Immer starrt sie ihn an, er muss sie für völlig bescheuert halten.

„Ähm … kochen? Äh … klar.“

„Und einen Führerschein hast du auch?“

„Ja, sicher?“

„Gut.“ Er zieht ein Portemonnaie aus der Gesäßtasche, holt ein paar Scheine raus und drückt sie ihr in die Hand. „Fahr einkaufen und koch Mittagessen.“

Jason nickt. „Gute Idee. Der Schlüssel für den Bus liegt in der Küche auf dem Tisch.“

Völlig perplex betrachtet sie das Geld in ihrer Hand. „Was soll ich denn kaufen?“

Jason zuckt mit den Schultern. „Wir sind nicht wählerisch. Koch, auf was du Lust hast. Und bring Brot und Brotbelag fürs ganze Wochenende mit. Kuchen für heute Nachmittag wäre auch nicht schlecht und eine Kiste Bier. Gutes deutsches Bier.“

Zaghaft nickt sie. „Okay.“

Jason strahlt. „Fein. Jungs, Cat fährt einkaufen, hat noch jemand besondere Wünsche?“

„Eine Flasche kalifornischen Wein, wenn’s welchen im Supermarkt gibt“, ruft Ian.

Tyler und Steven winken ab und Charlotte wendet sich in Richtung Wohnhaus. „Gut, ähm … dann mach ich mal.“

„Cat?“