C.T.O. Counter Terror Operations 2: Operation Mélange - Ben Ryker - E-Book

C.T.O. Counter Terror Operations 2: Operation Mélange E-Book

Ben Ryker

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Beschreibung

Chester McKay wird aus einem Urlaub zurückgerufen, als Agent Jane Blair in Spanien verschwindet. Sie sollte einen Terroristen auf der großen Basis ausfindig machen, der einen Anschlag vorbereitete. Chester macht sich mit unguten Gefühlen auf den Weg, da es sein erster Alleineinsatz als Agent ist und er sich zusätzlich über seine Gefühle für Jane klar werden muss. In Rota angekommen, nimmt er sofort die Spur der Kollegin auf und stößt dabei auf einen Verdächtigen. Der Mann ist angeblich spanischer Pilot und wird gerade in einem speziellen Programm in der elektronischen Aufklärung eingewiesen. Jane hatte eine umfangreiche Datensammlung über den Mann angelegt und verschwand bei einer Observation des Mannes … Dieser Roman wurde bereits 2016 veröffentlicht und vom Autor für die vorliegende Fassung neu bearbeitet.

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C.T.O. – COUNTER TERROR OPERATIONS

BAND 2

 

 

Impressum

 

© Copyright Ben Ryker

© Copyright 2024 der E-Book-Ausgabe bei Verlag Peter Hopf, Minden

 

www.verlag-peter-hopf.com

 

ISBN 978-3-86305-345-1

 

Korrektorat: Andrea Velten, Factor 7

Cover und Umschlaggestaltung: Jörg Jaroschewitz, etageeins

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

Inhaltsverzeichnis
Impressum
Operation Mélange
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7

 

 

BEN RYKER

Operation Mélange

C.T.O. – Counter Terror Operations Band 2

 

 

Kapitel 1

 

Jane lenkte den Peugeot an den Rand der Straße, schaute verblüfft die lange Gerade hinunter. Kein Wagen weit und breit, dabei hatte sie den Mercedes noch vor einer Minute vor sich auf der Straße gehabt.

Urplötzlich blendeten Scheinwerfer von rechts in ihren Wagen, und Jane schloss automatisch die geblendeten Augen. Der kurze Schmerz in ihrem Nacken zeigte ihr, wie erfolgreich man sie abgelenkt hatte.

»Vergeigt, Mädchen«, murmelte sie, bevor ihr Kopf haltlos auf ihre Brust sackte.

 

Chester McKay stand bis zur Hüfte im Snake River und warf die Leine weit hinaus in die Strömung. Er genoss seine Urlaubswoche und erholte sich im Grand-Teton-Nationalpark bestens.

Seine kleine Hütte lag nur eine Stunde Fußmarsch von dieser Stelle entfernt und bot einen fantastischen Ausblick auf die Teton-Bergkette. Ruhe pur und keine Menschen, die mit ihrem Lärm seine Erholung stören konnten. Es war erst der dritte von acht Urlaubstagen, bevor er wieder nach Fort Bragg zurückkehren musste. Der Agent der CTO hatte also noch viel Zeit für sich.

»He, was soll das denn werden?«, rief Chester aus, als ein sehr vertrautes Geräusch beständig lauter wurde.

Das geschulte Ohr des Kampfhubschrauberpiloten hatte die Verursacher des Geräusches sehr früh als Rotoren erkannt, und nun suchte Chester mit seinen grauen Augen den Himmel nach dem Störenfried ab. Er tippte auf den Zivilhubschrauber eines betuchten Ranchers, der seine Weidenflächen abflog. Dass ein generelles Überflugverbot für den Nationalpark bestand, schien diesen Piloten wenig zu kümmern.

Das Rotorengeräusch wurde schnell lauter, und dann huschte ein dunkler Schatten über eine Baumreihe. Chesters Augen, geschützt durch eine Sonnenbrille, erfassten die Silhouette des Hubschraubers und schließlich auch die Kennung an der Seite. Zu seiner großen Überraschung handelte es sich um einen HH-60 Pave Hawk, die spezielle Variante eines Black Hawk für Pararescue Jumper.

»Ganz übel, mein Alter. Irgendetwas sagt mir, dass dieser Vogel deinetwegen das Flugverbot missachtet«, knurrte Chester im Selbstgespräch und holte bereits seine Angelschnur ein.

Der Black Hawk überflog die Windung des Snake Rivers und landete dann ein Stück nordöstlich im Kiesbett. Eine Gestalt sprang aus der hinteren Luke und eilte auf Chester zu. Der Mann trug den typischen grünen Fliegeroverall und hatte nicht einmal seinen Flughelm abgenommen. Er hielt einen Meter vor Chester an, salutierte.

»Warrant Officer Randolph. 1st Lieutenant Chester McKay?«, fragte der Pilot des Hubschraubers vorsichtshalber nach.

Chester zückte seinen Dienstausweis und klappte ihn auf. Jane hatte ihm eingeschärft, den Ausweis ständig bei sich zu tragen. Zumindest solange er sich nicht im verdeckten Einsatz befand.

»Tut mir sehr leid, Sir. Wir haben strikten Befehl, Sie zum Stützpunkt zu bringen. Sofort!«, entschuldigte sich der Pilot, nachdem er einen verstehenden Blick auf die Fliegenangel geworfen hatte.

»Meine Sachen befinden sich in einer Hütte, etwa zehn Minuten Flugzeit nördlich von hier. Können wir die noch einsammeln?«, fragte Chester.

»Wir holen Ihre Sachen gerne später ab und bringen sie auf dem Stützpunkt unter, Sir. Jetzt fehlt uns die Zeit dafür«, schüttelte der Warrant Officer den Kopf und trabte bereits an, nachdem er die Tasche mit den restlichen Angelsachen gepackt hatte.

Chester seufzte ergeben und lief mit dem Piloten zum Hubschrauber. Er kletterte an Bord und setzte sich auf einen Sitz in der Nähe des Cockpits. Randolph hatte bereits seinen Platz auf der linken Seite wieder eingenommen. Er drehte sich zu Chester um und deutete auf den rechten Pilotensitz.

»Der Overall ist für Sie. Wenn Sie drinstecken, setzen Sie sich bitte dorthin, Lieutenant. Ich habe Anweisungen, Ihnen auf diesem Flug eine Einweisung auf den Black Hawk zu geben«, überraschte Warrant Officer Randolph Chester erneut.

Achselzuckend fügte Chester sich und nahm den rechten Pilotensitz ein, nachdem er in den Overall mit seinen Rangabzeichen geschlüpft war. Der zweite Pilot des Black Hawk hatte bereits den Sitz geräumt und reichte Chester seinen Pilotenhelm. Chester setzte den Pilotenhelm auf und hatte gleich darauf Randolphs Stimme im Ohr.

 

Chesters Blick erfasste das etwa 25 Quadratkilometer große Areal des Militärstützpunktes Rota am Ende der Straße von Calvario. Die Spanier hatten hier ihre größte Marinebasis, zu der unter anderem der Flugzeugträger Principe de Asturias mit seinen vielen Begleitschiffen gehörte.

Vor rund 30 Stunden hatte Chester noch bis zur Hüfte im Snake River gestanden und geangelt. Dann hatte ihn ein Black Hawk Hubschrauber eingesammelt, und seitdem wechselte er die Fluggeräte schneller als seine Unterwäsche. Sogar eine Kurzeinweisung in den Black Hawk hatte die Counter Terror Operations eingebaut.

Seine Instruktionen für diesen Einsatz hatte er von Lieutenant General Forster, dem Kommandeur der CTO, höchstpersönlich erhalten.

»Agent Blair ist in Rota verschwunden. Nehmen Sie die Spur auf und bringen Sie mir Jane heil zurück«, hatte der General lapidar gefordert.

Die genauen Instruktionen hatte Chester dann an Bord des USS Harry S. Truman, einem Flugzeugträger der 6. Flotte im Mittelmeer, gelesen. Von dort flog er jetzt als Pilot eines Sea Hawk Hubschraubers, der seegestützten Variante des Black Hawk, zum Stützpunkt Rota. Seine offizielle Order sah vor, dass er an einem speziellen Trainingsprogramm mit spanischen Hubschrauberpiloten teilnahm. Es ging um die Einweisung in die Taktik der jeweils anderen NATO-Streitmacht. Soweit der offizielle Part, aber das war natürlich nur Tarnung für seinen Einsatz als Agent der Counter Terror Operations, kurz CTO genannt.

»Naval Station Rota, bitte kommen«, leitete Chester seinen Endanflug auf den Stützpunkt ein.

Keine halbe Stunde später meldete er sich beim Kommandeur und besprach seinen Auftrag mit dem Flaggoffizier. Der versprach uneingeschränkte Unterstützung, und erneut erhielt Chester einen lebhaften Eindruck, wie mächtig die CTO war.

Ein Unteroffizier hatte Chester dann mit einem Humvee zu den Offiziersunterkünften gefahren, wo er ›zufällig‹ das Zimmer neben Janes Unterkunft zugewiesen bekommen hatte. Er schnappte sich sein Gepäck und stiefelte in den zweiten Stock des Wohnheimes. Dort warf Chester seine Taschen nur schnell ins Zimmer, bevor er mit dem Nachschlüssel in Janes Raum ging.

Er blieb nachdenklich den Raum musternd an der Tür stehen, nahm alles in sich auf. So hatte er es in einer besonderen Schulung bei der CTO gelernt. Es war bereits sein zweiter Feldeinsatz für die CTO, obwohl er erst seit acht Monaten dazugehörte. Aber das war nicht das einzig Ungewöhnliche an Chesters Laufbahn, bedachte man seinen Angriff mit einem Apache Kampfhubschrauber auf Drogendealer in Riverton/Wyoming.

Damit hatten seine Waffensystemoffizierin Lindsey Wagner und er einen Übergriff der Gangster auf die Kinder der Elementary School von Riverton verhindert. Gegen die strikte Order des damaligen Einsatzoffiziers, was einen anschließenden Kriegsgerichtsprozess zur logischen Folge hatte. Lindsey wurde unehrenhaft entlassen; man rechnete ihr die besondere emotionale Stresssituation an, da ihre Tochter sich zur Zeit des Einsatzes in der Elementary School aufgehalten hatte. Chester wurde unter Aberkennung seines Ranges zu 20 Jahren Militärgefängnis in Fort Leavenworth verurteilt. Doch als Alternative zu dem Gefängnisaufenthalt hatte man ihm eine zehnjährige Dienstzeit bei der CTO angeboten.

Anfangs hatte Chester es abgelehnt, doch dann hatte er sich überzeugen lassen und steckte bald darauf in einem haarsträubenden Einsatz im Kongo. Da auch Lindsey ihren Weg zur CTO gefunden hatte, führten sie den Job in Afrika gemeinsam durch. Jane Blair war damals ihr Führungsoffizier gewesen, und schließlich hatten Chester und sie die Operation in Alabama allein zu Ende geführt.

Bei dem Gedanken an diese gemeinsame Zeit tauchten kurz hintereinander beide Frauengesichter vor seinem inneren Auge auf. Verärgert schob Chester diese störenden Gedanken zur Seite, konzentrierte sich auf die bevorstehende Aufgabe.

»Wo steckst du, Jane?«, murmelt er leise und fing an, das Zimmer systematisch zu durchsuchen.

Wie erwartet, hatte Jane keine gefährlichen Aufzeichnungen getätigt. Wenn es verwertbare Dokumente gab, dann nur auf dem Laptop. Das Gerät lag auf dem kleinen Schreibtisch unter dem Fenster. Chester setzte sich auf den Stuhl davor und schaltete das Gerät ein. Als er das personifizierte Loginfenster auf dem Bildschirm hatte, wählte er über eine abhörsichere Verbindung die Zentrale der CTO in Fort Bragg an. Dort erwartete ein Systemtechniker seinen Anruf und verhalf Chester zum Einstieg in Janes gesicherte Dateien.

»Dann wollen wir mal sehen, was du gefunden hast«, meinte Chester und klickte sich durch die Verzeichnisse.

Aufmerksam las er alle Tagesprotokolle und blieb schließlich an der Datei über einen spanischen Piloten hängen.

 

Miguel Tirado war Hauptmann der spanischen Marine und flog genau wie Chester Hubschrauber. Offenbar war dieser Offizier nach Janes intensiven Nachforschungen unter Verdacht geraten. Chester fand entsprechende Rückmeldungen des spanischen Verteidigungsministeriums auf Janes Anfragen. Sorgfältig studierte er alle Aufzeichnungen und konnte bald Janes Misstrauen nachvollziehen. Der Spanier sollte analog zu Chesters Tarnung an einer Sondereinweisung für Piloten teilnehmen. Nur ging es bei Tirados Einweisung um sehr geheime Programme zur elektronischen Überwachung, die seitens der amerikanischen Streitkräfte mit dem NATO-Partner geteilt werden sollten. Dafür musste der Offizier über die höchste Geheimhaltungsstufe verfügen, und die entsprechende Bestätigung kam nur verzögert. Jane hatte daraufhin bei möglichen früheren Kameraden des Hauptmanns nachgeforscht, und seltsamerweise konnte sich niemand an diesen Offizier erinnern. Jane hatte sich schließlich an die Fersen des Mannes geheftet, und nun war sie verschwunden.

»Schön, Senor Tirado. Dann nehme ich mir jetzt mal Ihr Leben vor«, knurrte Chester und schickte einen Nachforschungsauftrag nach Fort Bragg.

Damit vollzog er den nächsten logischen Schritt, zu dem Jane nicht mehr gekommen war. Immerhin hatte sie sich offenbar auch gedacht, dass dieser Tirado ein ausgebildeter Agent sein musste. Blieb die Frage, für wen er hier spionierte.

»Das werden wir spätestens morgen genauer wissen«, spekulierte Chester, da er innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden mit einer Antwort aus Fort Bragg rechnete.

Es ging schneller als erwartet, Chester erhielt bereits am frühen Vormittag des Folgetages eine Nachricht. Zuerst hatte er seiner Tarnung Genüge getan und war zu einem gemeinsamen Briefing erschienen. Erst danach konnte er sich absetzen und einen Blick ins Intranet der CTO werfen. Er las die Angaben zu Hauptmann Miguel Tirado und wurde nicht schlau daraus. Es gab nach offiziellen Angaben diesen Piloten, der als Spezialist für U-Bootabwehr galt und auf dem Flugzeugträger stationiert war. Dennoch wiesen Janes Ermittlungen und die Nachforschungen der CTO einige Lücken hinsichtlich seiner Laufbahn auf. Auch das private Umfeld wirkte unfertig und erregte Chesters Misstrauen.

»Du bist nicht sauber, Tirado. Wenn es nicht anders geht, kommen wir zu Plan B«, entschied Chester und telefonierte mit dem kommandierenden Offizier der amerikanischen Streitkräfte.

Eine halbe Stunde später flog 1st Lieutenant Chester McKay den üblichen Verbindungshubschrauber von Rota zum Principe de Asturias. Er hatte sechzehn Passagiere, sowohl amerikanische als auch spanische Militärangehörige. Niemand kümmerte sich um Chester, als er nach der Landung an Deck des Flugzeugträgers durch ein Schott verschwand. Normalerweise musste der Erste Pilot des Hubschraubers die Flugberichte an Bord abgeben, doch das übernahm bei diesem Flug der Kopilot. Chester wollte die Zeit bis zum Rückflug nutzen, um sich in Tirados Kabine umzusehen. Auf Nachfrage hatte man ihm versichert, dass der spanische Offizier im Austauschprogramm in Rota gebunden war. Dadurch konnte es nicht zu einer unangenehmen Überraschung an Bord des Flugzeugträgers kommen. Chester hatte seinen Palm in der Hand und orientierte sich anhand der eilig beschafften Konstruktionspläne des Flugzeugträgers. So fand er relativ problemlos zum richtigen Deck und zur entsprechenden Kabine von Hauptmann Miguel Tirado.

Chester schlüpfte durch die Tür und begann mit einer schnellen Durchsuchung. Er fand das übliche Zeug, das man wohl in jeder Kabine an Bord finden würde. Darüber hinaus einige technische Handbücher und zwei Romane. Er hatte sich gerade daran gemacht, den Spind des Spaniers zu knacken, als die Tür aufflog und er in die Mündung zweier Maschinenpistolen schaute.

»Ganz langsam zurücktreten und die Hände hochnehmen!«, lautete die scharf vorgebrachte Anweisung.

Chester befolgte sie brav, sah keine Möglichkeit, sich elegant aus der Affäre zu ziehen. Er hatte sich in eine unangenehme Lage gebracht, und die Spanier würden sicherlich nicht mit einfachen Ausreden abzuspeisen sein. Einer der Posten legte ihm Plastikfesseln an, während der Leutnant der spanischen Marine sich Chesters Palm genauer ansah. Misstrauisch klickte er sich durch verschiedene Menüpunkte, knurrte ungehalten angesichts verschlüsselter Zugänge, stieß dann aber ein zufriedenes Pfeifen aus.

»So, so. Was will ein amerikanischer Lieutenant mit der geheimen Bauskizze unseres Flugzeugträgers? Möchten Sie sich dazu äußern?«, triumphierte der Spanier und musterte Chester abfällig.

»Die brauchte mein Kumpel schon, Juan. Sonst würde er doch drei Tage über die Decks geistern und irgendwann jämmerlich verhungern«, meldete sich eine fröhliche Stimme vom Gang her.

Der Leutnant wandte sich halb um und sprach dann in schnellem Spanisch mit jemandem. Chester verstand kein Wort, ahnte natürlich den Inhalt des Dialoges. Wer zum Teufel stand dort draußen? Wen hatte der unbekannte Sprecher mit Kumpel gemeint?

Seine Fragen wurden durch das Eintreten des geheimnisvollen Sprechers beantwortet und auch nicht. Hauptmann Miguel Tirado erschien und grinste Chester breit an, machte den Posten ein Zeichen. Zu seiner Überraschung lösten sie seine Handfesseln wieder, und nach einem kurzen Kommentar und einem bösen Blick zu Chester verließen der Leutnant und die beiden Wachposten die Kabine. Tirado schloss die Tür sorgfältig, wandte sich dann zu Chester um.

»Hallo, Agent McKay. Ich bin fast ein wenig stolz darauf, dass man die große CTO auf mich angesetzt hat«, plauderte der Spanier in akzentfreiem Englisch.

 

Zuerst war Chester wie vor den Kopf geschlagen, als der Spanier seine wirkliche Identität so locker offen legte. Dann beschloss er kurzerhand, selbst die Initiative zu übernehmen. Er verließ sich dabei ganz auf seine Instinkte.

»Hallo, Senor Tirado oder wie immer Sie wirklich heißen. Sind Sie überhaupt Pilot oder stimmt das auch nicht?«, warf Chester den Ball zurück und erhielt ein anerkennendes Nicken.

»Nicht übel, aber nicht gut genug. Ich habe mich auf den Rückflug nach Rota eingeschrieben. Wir sollten dort in Ruhe miteinander reden«, verhinderte der Spanier weitere Gespräche.

Obwohl Chester die Angelegenheit lieber an Ort und Stelle weiter verfolgt hätte, ging er auf den Vorschlag ein. Es war ein Tanz auf dem Hochseil, da beide Männer anscheinend nur Teilkenntnisse über den anderen hatten. Allerdings war Tirado im Vorteil, wusste immerhin, auf welche Seite Chester gehörte. Da er aber dem Amerikaner aus der Patsche geholfen hatte, schenkte Chester ihm ein Minimum an Vertrauen. Sie gingen gemeinsam aufs Flugdeck, und Tirado kletterte hinter Chester an Bord des Verbindungshubschraubers. Auf dem Rückflug musste Chester sich auf die Bedienung des Black Hawk konzentrieren, immerhin war ihm dieser Typ noch nicht so vertraut wie der Apache Longbow.

Auf der Naval Station ließ Chester sich vom Leiter des Sicherheitsdienstes ein Büro zuweisen und gab dem Captain der Marines den Befehl, zwei Wachen vor die Tür zu stellen.

»Wenn der Spanier versucht, allein aus dem Zimmer oder dem Gebäude zu verschwinden, sollen Ihre Leute ihn festnehmen. Er darf auf keinen Fall entkommen«, wies Chester den Marine an.

Dann setzte er sich mit Tirado in das karge Büro, in das er seinen Laptop hatte bringen lassen. Zudem hatte man ihnen ein Tablett mit Sandwichs und eine Thermoskanne Kaffee bereitgestellt.

»Bedienen Sie sich, Mister Unbekannt«, sagte Chester lakonisch zu dem Spanier und nahm sich selbst einen Kaffee.

Miguel Tirado schenkte sich einen Kaffee ein und nannte dann einen Telefonanschluss. Chester sah ihn verwirrt an.

»Das ist Ihr CIA-Resident in Madrid. Sprechen Sie mit ihm und erzählen Sie von unserer Begegnung. Er wird Ihnen weiterhelfen können«, erklärte Tirado nur knapp und lehnte sich entspannt im Stuhl zurück.

Chester gab die Telefonnummer zunächst ins Intranet der CTO ein und erhielt die Bestätigung für Tirados Angabe. Es war der richtige Anschluss des CIA-Residenten in Spanien. Also ließ Chester sich über eine abhörsichere Verbindung mit dem Mann verbinden.

»Chester McKay, CTO. Ich befinde mich in Rota auf der Naval Station und habe einen mutmaßlichen Spion bei mir. Er nennt sich Miguel Tirado und gibt sich als Hauptmann der spanischen Marine aus. Können Sie mir mehr über ihn erzählen?«, gab Chester sich zu erkennen und nannte den Tagescode.

»Lassen Sie sich den Dienstausweis von Hauptmann Tirado aushändigen und legen Sie ihn dann in das Lesegerät, Agent McKay«, kam die prompte Anweisung aus Madrid.

Chester tat wie geheißen. Kaum hatte er den Ausweis in das Lesegerät gesteckt, erfolgte eine Prüfung und dann öffnete sich eine Personalakte.

»Hauptmann Ron Nagav von der Yamam?«, staunte Chester und sah zu dem nickenden Spanier.

»Korrekt, Agent McKay. Das ist Miguel Tirados richtige Identität. Den Rest wird er Ihnen selbst erzählen«, lautete die Antwort des CIA-Residenten aus Madrid, der gleich danach das Gespräch beendete.

Chester überflog die beachtliche Personalakte des Hauptmannes der israelischen Grenzpolizei, wobei ihm der Begriff Yamam wenig sagte.

»Damit wären wir jetzt ein Stück weiter, Hauptmann Nagav. Was treiben Sie hier und was haben Sie mit Agent Blair gemacht?«, wollte Chester endlich Antworten haben, mit denen er etwas anfangen konnte.

»Agent Blair? Ich verstehe nicht. Wer soll das sein?«, zeigte sich der Israeli überrascht und sah Chester fragend an.

Der hatte auf einmal ein sehr ungutes Gefühl in der Magengrube und erzählte dem Hauptmann von Jane. Über ihren Auftrag sprach er nur sehr vage, er wollte den Israeli nicht in die Angelegenheiten der CTO einweihen.

»Sorry, Agent McKay. Ich habe keine Ahnung von Ihrer Kollegin gehabt, bevor Sie gerade nach ihr fragten«, kam die entschuldigende Antwort.

Chester knurrte verärgert und spürte steigende Unruhe in sich aufkommen. Wer hatte dann Jane aus dem Verkehr gezogen?

»Am besten erzähle ich Ihnen zunächst mehr über meinen Auftrag hier in Spanien. Vielleicht ergeben sich dadurch Schnittpunkte, die uns auf die Spur Ihrer Kollegin bringen. Einverstanden, Agent McKay?«, schlug der Hauptmann der Grenzpolizei vor.

»Einverstanden. Chester reicht übrigens völlig aus«, willigte Chester ein und reichte dem verdutzten Israeli die Hand.

Der ging sofort auf die vertrauliche Anrede ein und erzählte Chester von seinem Auftrag.

 

»Bei der Yamam handelt es sich um eine Antiterroreinheit innerhalb der eigentlichen Grenzpolizei, der MADAV, wobei der Name so viel wie Spezialpolizeieinheit bedeutet. Normalerweise operieren die Angehörigen der Yamam im Inland und nur in Ausnahmefällen auch im Ausland, dann bevorzugt in den direkten Nachbarstaaten.«

»Gut, soweit verstehe ich deinen Hintergrund. Was machst du dann hier in Spanien? Wäre dafür nicht der Mossad zuständig?«, versuchte Chester die verwickelte Struktur der israelischen Einheiten zu verstehen.

Ron nickte düster, einen Augenblick ging der Blick seiner dunklen Augen in die Ferne.

»Stimmt, aber der Fall liegt hier leider ein wenig komplizierter. Ich verfolge einen Verräter innerhalb des Mossad. Er ist für den Tod meines älteren Bruders verantwortlich und hat vor einer Woche eine unserer Operationen gegen die Hamas verraten«, erhielt Chester die ernüchternde Auskunft.

»Moment mal. Du jagst mit offiziellem Auftrag den Mörder deines Bruders, der bei einem Einsatz gegen die Hamas umkam? Der Einsatz, der von dem Mossad-Agenten verraten wurde? So weit richtig?«, versuchte Chester ein wenig Struktur in die Hintergründe zu bekommen.

Ron schüttelte den Kopf, stand auf und trat ans Fenster.

»Nein, nicht so ganz. Mein Auftrag lautet nur, den Verräter unserer Operation gegen die Hamas aus der vergangenen Woche zu finden. Ich war bei dem Angriff dabei und habe vier meiner Kameraden elendig verrecken sehen«, knurrte Ron mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme.

»Und wie passt die Geschichte mit deinem Bruder da hinein?«, hakte Chester nach.

»Er wurde vor einem Jahr bei einem Infiltrationsauftrag in den Libanon verraten. Er war Fallschirmjäger bei der Sajeret Matkal, die wir nur ›die Einheit‹ nennen. Er wollte einen Anführer der Hamas ausfindig machen und nach Israel bringen. Der gleiche Mossad-Agent, der uns letzte Woche an die Hamas verraten hat, war damals sein Verbindungsmann zur Mossad. Hältst du das für einen Zufall?«, erfuhr Chester auch den traurigen Rest der Geschichte und konnte als Antwort nur verneinend den Kopf schütteln.

»Siehst du, ich auch nicht!«, schnaufte Ron erbost.

»Woher weißt du eigentlich, dass dieser Mossad-Agent sich hier in Rota aufhält?«, kam Chester dann zur nächsten Frage.

»Wir haben da unser ganz eigenes Nachrichtensystem, Chester. Dov Bugala, so heißt der Mann, hält sich hier in Rota auf. Er hat gute Kontakte zur spanischen Armee, daher wurde ich mit der Unterstützung der CIA als Hauptmann der spanischen Marine hier eingeschleust. Er ist hier, glaube mir«, erhielt Chester eine nicht vollständig zufriedenstellende Antwort.

»Hast du ihn schon gesehen oder wieso bist du dir so sicher?«, drängte Chester auf eine verbindlichere Auskunft.

»Nein. Ich kenne ihn auch nur von seiner Personalakte her, die natürlich viele gesperrte Einträge enthält und nur ältere Fotografien. Bessere Informationen hat nur seine Dienststelle, aber zurzeit kann der Mossad uns nicht helfen. Bugala hat dort zu viele Freunde, sodass wir nicht mit dem Mossad zusammenarbeiten können. Es ist uns aber gelungen, seine Mobilfunkspur bis hier auf die Naval Station zu verfolgen«, rückte Ron mit einem weiteren Teilstück der Wahrheit heraus.

»Wenn das der Fall ist, werden wir ihn schon lokalisieren. Was ist?«, fragte Chester alarmiert, als Ron sich mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen zu ihm umwandte.

»Kann es sein, dass deine Kollegin alle Mobilfunkverbindungen von und nach Rota überprüft hat? Könnte sie so versucht haben, auf die Spur eines Verräters zu kommen?«, fragte Ron nachdrücklich und sah Chester an, dem schlagartig die Verbindung zu Janes Verschwinden klar wurde.

»Das hat Jane mit Sicherheit gemacht, und dabei wird sie auf die gleiche Spur gestoßen sein wie deine Kollegen. Wieso hat sie dann dich verfolgt?«, ergab sich daraus gleich die nächste Frage.

»Sie hat nur die ungefähre Position des Handys erhalten, und ich habe mehrfach einen Verdächtigen beschattet. Es muss sein Handy sein!«, rief der immer aufgeregter werdende Ron aus.

Chester und Ron eilten aus dem Raum, Chester hob seine Befehle in Bezug auf den Israeli auf. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in Janes Zimmer auf dem Stützpunkt. Chester wollte unbedingt einen weiteren Blick in die Dateien ihres Laptops werfen. Er war sich ziemlich sicher, dass er dort einen Hinweis auf das ominöse Handy entdecken würde.

 

 

Kapitel 2

 

Die beiden Männer hockten vor dem Laptop und gingen nochmals systematisch alle Dateien durch. Irgendwann klickte Chester durch eine Reihe von Bildern, die Jane aufgenommen hatte. Sie zeigten fast alle Ron in verschiedenen Gruppen von anderen Piloten und sogar bei dem Besuch einer Kneipe.

»Alle Achtung, diese Jane ist wirklich gut in ihrem Job! Ich habe nie bemerkt, dass mir jemand auf den Fersen ist, und das heißt was! Bei meinen Einsätzen im Libanon und in den Lagern der Palästinenser dürfte mir so ein Fehler nicht unterlaufen, sonst würde ich nicht mehr lange leben«, sprach der Israeli ein großes Lob aus.

Chester nickte nur, ließ die nächsten Bilder über den Schirm wandern. Während ein Teil seines Gehirnes sich mit der Betrachtung der Bilder beschäftigte, glitt ein anderer Teil zu Jane. Erneut spürte er ein drängendes Gefühl. Ihm wurde mehr und mehr bewusst, dass Jane ihm mehr bedeutete, als er es sich bisher klar gemacht hatte.

»Stopp! Zwei Bilder zurück!«, rief ein aufgeregter Ron, steckte Chester sofort mit seiner Aufregung an.

Chester schob alle störenden Gedanken zur Seite und klickte zwei Bilder zurück. Eine Szene in einer Kneipe wurde sichtbar, in der Ron am Tresen neben zwei spanischen Piloten in Uniform stand. Chester schaute konzentriert auf das Bild, konnte aber den Grund für Rons Aufregung nicht ausmachen.

»Siehst du den Mann an der Wand neben dem Flipperautomaten?«, fragte Ron, und der Ton seiner Stimme ließ Chester aufhorchen.

Sein Blick fixierte einen mittelgroßen, mittelschweren Mann in einer Alterszone irgendwo zwischen Anfang Dreißig und Ende Vierzig. Er war so unauffällig, dass Chester ihn nicht einmal bemerkt hätte ohne Rons Hinweis.

»Ich sehe einen extrem unauffälligen Typen, der mit einem Bier in der Hand den Leuten scheinbar beim Flippern zusieht«, führte Chester seine Beobachtungen aus.

»Oh ja. Das beherrscht Dov wirklich meisterhaft. Darf ich vorstellen, Dov Bugala. Meisterspion des Mossad und Verräter!«, spuckte Ron den letzten Satz geradezu aus.

Chester machte eine Ausschnittsvergrößerung und speicherte das Bild separat ab, damit er es später ausdrucken lassen konnte. Dann klickte er weiter, und vier Bilder weiter war er es, der scharf die Luft einsaugte.

»Die hübsche Brünette in der Türnische, ist das Jane?«, riet Ron richtig, als das Bild vom Parkplatz der Kneipe auf dem Schirm stand.

»Ja, das ist meine Kollegin. Sie beobachtet dich, wie du telefonierst. Ab hier lässt sie dein Handy überwachen«, murmelte Chester und zoomte Ron näher heran.

Hätte er es nicht getan, wäre ihnen der Mann seitlich hinter Ron nie aufgefallen. Dov musste kurz vor Ron die Kneipe verlassen haben, stand neben einem Geländewagen Freelander und hielt ebenfalls ein Mobiltelefon am Ohr. Da er sich seitlich weggedreht hatte, bemerkte Dov den israelischen Landsmann nicht.

»Verflucht! Ich habe in dem Augenblick mit einem Kollegen in Haifa gesprochen und Dov überhaupt nicht bemerkt«, schüttelte Ron fassungslos den Kopf.

»Jane auch nicht. Dafür haben sich die beiden Telefonverbindungen aber überlagert. Wahrscheinlich hat Dov ebenfalls mit Israel telefoniert, und so behielt Jane nur dich im Auge«, zog Chester seine Schlüsse.

Ein unglaublicher Zufall hatte für die Verwirrung gesorgt und die CTO-Agentin auf eine falsche Fährte gesetzt. Kopfschüttelnd klickte Chester weiter, und dann passierte es. Ron verschwand mit seinem Wagen, und Jane wollte ihm folgen. Dabei lief sie durch den Schein einer Straßenlaterne, und Dov starrte die Frau entgeistert an. Der Mossad-Agent saß hinter dem Steuer des Freelanders, und Jane übersah ihn ein weiteres Mal. Mit fürchterlichen Konsequenzen, wie den beiden Männern sofort klar wurde.

»So eine verfahrene Kiste! Dov sieht Jane, erkennt sie als Agentin und glaubt wahrscheinlich, dass sie ihm auf den Fersen ist. Von mir hat er überhaupt nichts bemerkt«, war es Ron, der jetzt die passenden Rückschlüsse zog.

»Er muss dich doch in der Kneipe erkannt haben. War er denn nicht dort schon hinter dir her?«, zeigte Chester sich verblüfft.