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Juli 1999: Der 18 Jahre alte Cacau kommt am Münchener Flughafen an und hofft - ohne Vertrag in der Hand - auf eine Karriere als Profifußballer in Deutschland. Gut zwei Jahre später schießt der Brasilianer sein erstes Tor in der Bundesliga und wechselt 2003 zum VfB Stuttgart. In seiner Biografie erzählt Cacau die Geschichte seines steinigen Weges bis hin zur Deutschen Nationalmannschaft. Es ist die Geschichte eines Mannes mit dem Willen, nie aufzugeben. Nie die Bodenhaftung zu verlieren. Und nicht zuletzt: immer auf Gott zu vertrauen. Inklusive 32-seitigem Bildteil.
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Seitenzahl: 358
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ISBN 978-3-7751-7197-7 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5525-0 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
© der deutschen Ausgabe 2014 SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 71088 Holzgerlingen Internet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: [email protected]
Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch
Titelbild: Torjubel nach dem Treffer zum 4:0 im WM-Spiel gegen Australien am 13. Juni 2010, © KARIM JAAFAR/AFP/Getty Images
Umschlag: Porträt Cacau, © Alexander León Diaz;
Porträt Oliver Bierhoff, © GES/Oliver Hurst
Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach
VorwortVon Oliver Bierhoff
Davi
Teil
1
Daheim in Brasilien
1
Kindheit in Mogi das Cruzes
2
Alltag mit einem Alkoholabhängigen
3
Keine vierundzwanzig Stunden ohne Fußball
4
»Sei mutig und stark!«
Levi
Teil
2
Zwischen zwei Welten
1
Ankunft in der Fremde
2
In der fünften Liga
3
Allein in Nürnberg
Lidia
Teil
3
Zu Hause in Deutschland
1
Heimisch im Remstal
2
Magische Momente
3
Wechselhafte Jahre
4
Eine Herzensangelegenheit
5
Hier kommt Helmut
6
Der Kreis schließt sich
Epilog
Anhang
Steckbrief
Glossar
Bildnachweis
Textnachweis
Bildteile
Bildteil 1
Bildteil 2
Bildteil 3
Bildteil 4
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Es sind die persönlichen Einblicke, die einen Menschen in all seinen Facetten erkennbar werden lassen. Zwar kennen Millionen Fans Cacau, als Bundesliga-Profi und deutschen Nationalspieler; als leidenschaftlichen Fußballer, dessen charakterlicher wie fußballerischer Werdegang tief beeindruckt. Vieles bleibt für sie aber Oberfläche.
Wer kennt Cacau wirklich? Den Menschen, seine Emotionen, seine Zweifel und seine Sehnsüchte? In diesem Buch – und das macht es so wertvoll – lernen wir ihn kennen, vor allem außerhalb des Platzes.
Natürlich wird auch hier sein sportlicher Werdegang beschrieben – der ihn von São Paulo über München, Nürnberg und Stuttgart in die weite Fußball-Welt führte. Als Torjäger des Landesligisten Türk Gücü München machte er auf sich aufmerksam, in Nürnberg konnte er sich in der Bundesliga etablieren, und 2007 machte er dann sein deutsches Meisterstück mit dem VfB Stuttgart. Empfehlungen, die ihn auch für die internationale Bühne interessant machten. 2009 debütierte er in der deutschen Nationalmannschaft bei der Partie gegen China in Shanghai, und bei der WM ein Jahr danach stand er im Kader, der in Südafrika den dritten Platz belegte. Fast dreihundert Einsätze in der Bundesliga dokumentieren einen bewundernswerten Lebensweg voller Höhepunkte, aber auch mit Rückschlägen und Tiefen.
Das Buch nimmt Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit auf eine Reise, zurück in die Zeiten, in denen Cacau in ärmlichen Verhältnissen in der Region São Paulo aufwuchs. Sein Leben dort war geprägt von Verzicht, Problemen und unerfüllten Träumen. Doch auch seine ersten Schritte in Deutschland waren nicht von Leichtigkeit bestimmt. Auf sich allein gestellt, musste er sich in einer für ihn völlig fremden Welt neu orientieren. Sein Leben als Familienvater, sein vielfältiges Engagement als populärer Integrations-Botschafter und das damit verbundene öffentliche Eintreten für ein herausragendes gesellschaftliches Thema werden ebenso beleuchtet wie seine sozialen Projekte, mit denen er meist im Stillen wirkt. Eine große Rolle spielt natürlich auch sein christlicher Glaube, der für ihn die Grundlage allen Handelns ist. All das fügt sich zu dem Gesamtbild »Cacau«, zu einem geschätzten, liebenswerten und verantwortungsbewussten Menschen.
Gerne erinnere ich mich an die vielen tief gehenden, reflektierten Gespräche über den Fußball und das Leben, über Gott und die Welt, die ich mit ihm in seiner Zeit als Nationalspieler führen durfte. Oft ruhig und nachdenklich, konnte er aber mit einem Mal emotional, ja heißblütig auf dem Platz sein, wenn es nicht nach seinen Vorstellungen lief. Bei allem großen Ehrgeiz, der ihn stets antrieb, ging es ihm in erster Linie immer um den Erfolg der Mannschaft, um Teamgeist. In großer Offen- und Entschlossenheit hat er stets seine Meinung geäußert, um die Dinge voranzubringen, in die richtige Richtung zu lenken.
Ein Erlebnis, das ich mit Cacau verbinde, kommt mir immer wieder in den Sinn: Es war der 13. Juni 2010, unser erstes Spiel bei der WM in Südafrika, in dem wir 4:0 in Durban gegen Australien siegten. Den vierten Treffer erzielte Cacau in der siebzigsten Minute, nachdem er zwei Minuten zuvor von Bundestrainer Joachim Löw für Miroslav Klose eingewechselt worden war. Der anschließende Torjubel sollte weit über das sportliche Geschehen dieser Weltmeisterschaft hinaus für die deutsche Nationalmannschaft einen besonderen Stellenwert gewinnen.
Denn der gläubige Christ Cacau und der im Islam verwurzelte Mesut Özil feierten gemeinsam das gelungene WM-Debüt von Cacau. Beide umarmten sich nicht nur herzlich, sondern brachten außerdem ihren Glauben mit deutlichen Gesten zum Ausdruck, als jeder mit den Händen nach oben deutete. Ein Moment, der für viele zum Symbol geworden ist. Und das nicht nur für ein deutsches »Multikulti«-Team, das in Südafrika ob seiner attraktiven Spielweise und seines sympathischen Auftretens weltweit enorme Reputation erlangte. Für viele internationale Berichterstatter war diese Szene der Auslöser, um in ihren Kommentaren davon zu schreiben, dass wir in Südafrika für ein modernes, friedliches, integratives Deutschland standen – ein Vorbild abgaben, eine Visitenkarte in die Welt schickten …
Auch diese Begebenheit ließ mich Cacau schätzen lernen. Einen charismatischen Menschen, der damals einer von elf Nationalspielern mit Migrationshintergrund in unserem dreiundzwanzigköpfigen WM-Aufgebot war. Meine Verbundenheit mit ihm hält bis heute an.
Weit über das Sportliche hinaus vermochte Cacau seine Spuren im deutschen Fußball zu hinterlassen. Mit seinen menschlichen Qualitäten, seiner positiven Ausstrahlung, seiner Zuversicht und seiner Lebensfreude. Fast immer hatte er bei Länderspiel-Reisen ein Lächeln auf dem Gesicht und eine Aufmunterung für die Teamkollegen bereit. Auch bei Pressekonferenzen setzte er sich klug und kurzweilig ins Bild. Er redete im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Fußball-Welt und avancierte damit schnell zu einem Sympathieträger, sogar bei den meist zurückhaltenden professionellen Zuhörern.
Seine Berufung als Integrations-Botschafter des Deutschen Fußball-Bundes war logische Konsequenz. Seine für ihn in dieser Rolle selbstverständlichen und couragierten Auftritte gehören längst zu dem positiven Bild in der Öffentlichkeit, ebenso wie sein Wirken als Christ, der täglich in der Bibel liest und gemeinsam mit seiner Familie in einer Gemeinde im Raum Stuttgart seinen Glauben lebt. Dass sein Fokus 2014 gen Brasilien geht, wo die besten Fußballer der Welt zusammentreffen, ist nicht nur selbstverständlich, sondern wird auf den folgenden Seiten dadurch lebendig, dass die Autorin Elisabeth Schlammerl gemeinsam mit Cacau Stätten seiner Jugend aufsuchte, um Geschichten und Geschichtchen, Erinnerungen und Begegnungen, Erlebtes und Durchlittenes lebendig werden zu lassen.
Ein packendes Buch – über das Leben, das Versagen und Siegen, das Leiden und Jubeln. Ein Buch, das Sie mitnimmt auf die Reise durch Stadien dieser Erde und Stationen eines beeindruckenden Lebens.
Viel Freude bei der Lektüre!
Oliver Bierhoff
Manager deutsche Fußball-Nationalmannschaft
Januar 2014
Nachdenklich, aber glücklich: Ich hadere nicht mit meiner Verletzung, sondern genieße die Zeit im Kreise meiner Familie, hier mit Lidia und Levi.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Mein Sohn Davi liegt auf meinem Bauch und schläft. Gedankenverloren streichle ich über seinen Kopf. Meine anderen beiden Kinder, Lidia und Levi, toben ein paar Meter entfernt durch das Wohnzimmer. Ein Stoffball fliegt gegen die Fensterfront. Auch wenn ich mich im Moment nur mithilfe von zwei Krücken mühsam durch unser Haus bewegen kann: Ich bin glücklich. An Fußballspielen ist in den nächsten Monaten nicht zu denken – und ich genieße die ungewohnte Situation.
Mein jüngster Sohn ist vor ein paar Wochen auf die Welt gekommen, fünf Tage bevor ich mir jenen Kreuzbandriss zuzog, der mich im Moment zum Stillhalten zwingt. Ich muss eine Schiene tragen und darf das lädierte linke Bein noch nicht belasten. Während meine Teamkollegen auf dem Rasen schwitzen, lasse ich mich einmal am Tag von meiner Schwägerin Tatiana zur physiotherapeutischen Behandlung in die VfB Reha-Welt fahren, gleich neben dem Stadion des VfB Stuttgart. Dort bekomme ich Lymphdrainagen. Sehr viel mehr ist derzeit noch nicht drin.
Die verhängnisvolle Szene im Training steht mir noch immer vor Augen, als ob sie gestern geschehen wäre. Es war Mittwochnachmittag, 17. Oktober 2012, die letzte Aktion der Übungseinheit, in der mich wieder einmal mein Ehrgeiz getrieben hatte. Vielleicht lag es daran, dass ich im Spiel zuvor nicht einmal eingewechselt worden war. Ich wollte mir, ich wollte dem Trainer beweisen, dass ich in die Mannschaft gehöre, und strengte mich deshalb ganz besonders an. Bei einem Zweikampf mit Antonio Rüdiger knickte ich dann nach innen weg. Ein heftiger Schmerz durchzuckte mein Knie. Ich schrie auf.
Als ich am Boden lag, spürte ich sofort: Das Innenband ist gerissen. Allerdings glaubte ich zuerst fest, dass es das Kreuzband nicht erwischt hatte, zumindest nicht das vordere.
Ich ließ mich anschließend sofort in das Haus des Sports neben der Mercedes-Benz Arena zur Untersuchung bringen. Dort bestätigte Doktor Heiko Striegel meinen Verdacht. Das Innenband war gerissen. Sicherheitshalber ordnete er eine Kernspintomografie an. Aber als er danach, begleitet von zwei Kollegen, mit gesenktem Kopf auf mich zukam, wusste ich sofort: Da war noch mehr kaputtgegangen bei diesem – letztendlich unnötigen – Tackling am Ende des Trainingsspiels. Also doch das Kreuzband! Das war’s wohl mit der WM, schoss es mir durch den Kopf. Es wäre etwas ganz Besonderes, im Sommer 2014 in Brasilien für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. Ich fühle mich zwar mittlerweile als Deutscher und bin hier im Remstal seit zehn Jahren zu Hause, aber aufgrund meiner Wurzeln werde ich immer auch Brasilianer bleiben.
Dass nicht das vordere Kreuzband gerissen war, erschien mir zunächst als Glück – wenn man in diesem Moment überhaupt von Glück sprechen konnte. Denn das hintere Kreuzband, so erklärte mir Heiko Striegel, lässt sich mit Muskeltraining ganz gut kompensieren und auch konservativ behandeln.
Unser Physiotherapeut Detlef Müller brachte mich anschließend nach Hause. Ich konnte mit meiner Schiene ja nicht mehr selbst Auto fahren. Vom ersten Schrecken hatte ich mich nun schon etwas erholt. Ich war erleichtert, dass ich erst einmal um eine Operation herumkam.
Einen erneuten Dämpfer erhielt ich am Abend. Als ich mit der Schiene auf der Couch lag, telefonierte ich mit unserem Teamarzt Raymond Best, einem erfahrenen Sport-Orthopäden. »Wenn ich jemandem ganz sicher diese Verletzung nicht gewünscht hätte, dann bist du das«, sagte er. Ich verstand nicht ganz, warum. Ich habe doch noch Glück gehabt, dachte ich. Die Schiene müsse ich sechs Wochen tragen. Erst dann werde sich herausstellen, ob das stark eingerissene Kreuzband zusammengewachsen und stabil genug ist, erklärte mir Raymond Best. Wenn nicht, müsse ich doch noch unters Messer. Statt der geschätzten drei bis vier Monate Pause würde ich so insgesamt mehr als ein halbes Jahr ausfallen. Bei dieser Nachricht war ich dann doch sehr geschockt.
Es ist natürlich bitter, dass ich nun zum Nichtstun verurteilt bin und meinen Bewegungsdrang nicht ausleben kann. Noch schlimmer – so dachte ich zunächst – sei es allerdings, zuschauen zu müssen, wie meine Kollegen alle drei, vier Tage in der Bundesliga und der Europa League um Punkte kämpfen. Trotzdem ging ich gleich zum nächsten Spiel ins Stadion. Es war kein besonders schönes Gefühl, nur auf der Tribüne sitzen zu können, aber nicht so schlimm wie befürchtet.
Denn ich kann mich jetzt mehr um meine Familie kümmern. Ich genieße die Zeit mit dem kleinen Davi und unterstütze meine Frau Tamara – soweit es die Schiene eben erlaubt. Außerdem habe ich viel Zeit zum Nachdenken, auch über meinen Beruf. Im Trainings- und Spielalltag kommt das viel zu kurz. Man befindet sich meist wie in einem Tunnel, beschäftigt sich nur mit dem bevorstehenden Spiel, dem Trainingsalltag und mit der eigenen Situation. Zufriedenheit und Glück hängen dann manchmal zu sehr davon ab, ob man selbst gute Leistungen bringt und die Mannschaft erfolgreich spielt. Deshalb ist es ganz gut, wenn man es schafft, von Zeit zu Zeit über den Profifußball zu reflektieren.
Nun schaue ich seit Langem, vielleicht sogar zum ersten Mal in meiner Profilaufbahn, mit etwas Abstand auf meinen Beruf und bekomme dadurch eine andere, neue Sichtweise. Ich bin nun über dreißig und damit im »Finale« meiner Karriere angekommen. Wenn es gut geht, kann ich vielleicht noch zwei bis drei Jahre auf höchstem Niveau spielen.
Mit meiner Verletzung hadere ich nicht mehr. Ich nehme die Dinge an, wie sie sind, denn ich kann ohnehin nichts daran ändern und vertraue auch dieses Mal darauf, dass alles gut geht. Wie bisher auch alles in meinem Leben, das einst nicht unter den besten Voraussetzungen begonnen hatte.
[Zum Inhaltsverzeichnis]
Meine Mutter lacht noch immer herzhaft, wenn sie sich daran erinnert, wie ich zu meinem Spitznamen kam.
Ich feierte meinen dritten Geburtstag. Verwandte und Freunde saßen bei uns daheim um den Tisch und sangen Parabéns pra Você für mich. In der brasilianischen Version von Happy Birthday wird am Ende gefragt, wer sich an diesem Tag etwas wünschen dürfe. Das Geburtstagskind antwortet daraufhin mit seinem Namen. Meine Familie wartete an jenem 27.März 1984 gespannt darauf, wie sich der kleine Claudemir Jerônimo Barreto nennen würde.
»Cacaudemir«, sprudelte es stolz aus mir heraus. Ich erfreute zu jener Zeit meine Eltern regelmäßig mit ulkigen Wortschöpfungen, doch diese blieb nicht ohne Folgen für mich.
»Ab jetzt heißt du Cacau«, entschied meine Mutter. Seitdem kann sich kaum mehr jemand an meinen richtigen Namen erinnern. Ich bin überall Cacau. Nur die Lehrer und ein paar Mädchen in der Schule nannten mich später noch Claudemir.
Es war vielleicht einer der letzten halbwegs sorgenfreien Momente für unsere Familie. Gut zwei Jahre später zogen wir in unser Häuschen in Mogi das Cruzes, in der Rua A, Nummer 100. Meine Mutter hatte meinen Vater zum Kauf überredet. Oder besser gesagt: Sie hatte ihn dazu gezwungen. Davor waren wir oft umgezogen, hatten in mehr oder weniger armseligen Wohnungen zur Miete gelebt. Dann war am südöstlichen Stadtrand eine Siedlung mit knapp hundert kleinen Häusern entstanden, die sozial schwache Familien mithilfe eines günstigen Darlehens erwerben konnten. Dies schien eine gute Gelegenheit, eine eigene Immobilie zu kaufen, denn viel Geld hatten wir nicht.
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