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Callum Derringer wurde von den Pittsburgh Titans als Manager eingestellt, um den Verein nach einem verheerenden Flugzeugabsturz wieder aufzubauen. Nun, da er das Team wieder auf Kurs gebracht hat, ist es an der Zeit, sich um sein eigenes Leben zu kümmern. Als ich den Job als Manager bei den Titans annahm, war das genau die Chance, die ich brauchte, um mich in der Eishockeywelt zu beweisen. Leider ist meine Karriere nicht der einzige Bereich, in dem ich in der Vergangenheit Fehler gemacht habe. Juniper Ryan ist ... kompliziert. Sie ist klug, witzig und unglaublich hübsch. Sie war nicht nur meine erste große Liebe, sondern diese Liebe bescherte mir auch das erste Mal ein gebrochenes Herz. Alte Wunden heilen jedoch nie ganz, und so wird mein Verlust der Gewinn meines Stiefbruders, denn Juniper ist seit fünf Jahren seine Frau. Ich habe gut daran getan, sie aus meiner Erinnerung zu löschen. Aber als ich zu einem familiären Notfall nach Hause reisen muss und die blauen Flecken an Junipers Körper sehe, bin ich entsetzt, dass sie in die Arme eines Monsters getrieben wurde. Ich schwöre mir, unsere Vergangenheit hinter mir zu lassen und erfahre dunkle Wahrheiten über meinen Stiefbruder und seine Ehe mit meiner Jugendliebe. Und was noch schlimmer ist: Ich merke, dass die Gefühle, die ich einst für Juniper hatte, gar nicht so getilgt sind, wie ich glaubte. Als die Ereignisse eine gefährliche Wendung nehmen, bin ich bereit, mich in die Schusslinie zu begeben, um mein Mädchen in Sicherheit zu bringen. Ich war junger ein Idiot, als ich Juniper das erste Mal verließ, doch ich bin heute ein Mann, der denselben Fehler kein zweites Mal macht! Der zwölfte Teil rund um das Team der Pittsburgh Titans von New York Times-Bestsellerautorin Sawyer Bennett.
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Seitenzahl: 373
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Sawyer Bennett
Pittsburgh Titans Teil 12: Callum
Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Oliver Hoffmann
© 2024 by Sawyer Bennett unter dem Originaltitel „Callum: A Pittsburgh Titans Novel“
© 2025 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, Im Großfeld 18, D-64678 Lindenfels
www.plaisirdamour.de
© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg
(www.art-for-your-book.de)
ISBN Print: 978-3-86495-760-4
ISBN eBook: 978-3-86495-761-1
Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.
Dieses Buch darf ohne die ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin weder in seiner Gesamtheit noch in Auszügen auf keinerlei Art mithilfe elektronischer oder mechanischer Mittel vervielfältigt oder weitergegeben werden. Ausgenommen hiervon sind kurze Zitate in Buchrezensionen.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Autorin
Callum
Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, die Füße auf dem Schreibtisch. Vor mir erstreckt sich die Skyline von Pittsburgh, die trotz des grauen Himmels und des feinen Sommerregens prächtig aussieht.
Die Dallas Mustangs haben gestern Abend in einem hart umkämpften Match im siebten Spiel gegen die Florida Spartans den Cup gewonnen. Alle Titans haben sich bei Brienne getroffen, um die Partie anzuschauen. Es war nicht gerade eine Trauerfeier, aber auch keine rauschende Party. Im Grunde war es ein etwas bittersüßes Teamtreffen, um sich endgültig von der Saison zu verabschieden, bevor sich alle in die dringend benötigten Ferien verabschieden und eine Auszeit nehmen.
Für mich gilt das nicht. General Manager eines Eishockeyteams zu sein, ist ein Vollzeitjob mit sehr wenig Freizeit.
„Danny“, sage ich und neige den Kopf in Richtung des Telefons auf meinem Schreibtisch, sodass die Freisprecheinrichtung meine Stimme klar und deutlich überträgt. „Ich habe keinen finanziellen Spielraum mehr.“ Unser Gesamtbudget, das wir laut Reglement der Liga pro Saison für Spieler ausgeben dürfen, ist so gut wie erschöpft. „Sonst wäre ich sicher interessiert.“
Ich höre geduldig zu, wie Danny Sorbino die Statistiken des Spielers, den er vertritt, durchgeht. Er ist ein guter, versierter Spielerberater und weiß genau, welche Talente ein bestimmtes Team möglicherweise sucht. Ich könnte ihm das Wort abschneiden, denn ich bin wirklich nicht interessiert. Wenn ich schon einen Haufen Geld für einen Spieler ausgebe, dann nur für jemanden, dessen Statistik in der zweiten Saisonhälfte nicht so wechselhaft ist.
Als er fertig ist, baue ich ihn zunächst auf. „Sie haben überzeugend argumentiert. Wie immer kennen Sie Ihre Spieler in- und auswendig.“ Ich rücke mit der Sprache heraus. „Aber ich passe.“
Danny ist ein Profi, und ich kenne ihn schon sehr lange. Vor nicht einmal fünfzehn Jahren haben wir in derselben Agentur gearbeitet. Ich war später als Talentsucher tätig, doch er hat die Welt der Spielervertretung nie verlassen. „Dennoch weiß ich es zu schätzen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mir zuzuhören, Callum.“
„Immer doch. Wenn Sie das nächste Mal in Pittsburgh sind, lassen Sie uns was trinken gehen.“
„Ja, sicher“, sagt er und trifft mich dann völlig unvorbereitet mit den Worten: „Die Vipers zeigen Interesse an Highsmith.“
Danny vertritt einen unserer besten Spieler, Coen Highsmith, dessen Vertrag zum Saisonende ausläuft. Wir haben noch keine Vertragsverlängerungsgespräche geführt, aber in den nächsten Wochen werde ich mich darauf vorbereiten. Ein Großteil des eben erwähnten Gesamtbudgets ist für Spieler wie Coen reserviert.
„Ich mache mir keine Sorgen, dass die Vipers mehr bieten können als wir“, antworte ich gelassen.
„Vielleicht nicht, aber ihm geht es nicht nur ums Geld … bedauerlicherweise.“ Das ist ein ehrlicher Satz von jemandem, der auf Provisionsbasis arbeitet.
„Was meinen Sie damit?“, frage ich.
„Eine Galerie in Manhattan hat seiner Frau eine Künstlerresidenz in Aussicht gestellt.“
Das erregt meine Aufmerksamkeit, und ich nehme die Füße vom Schreibtisch. Es ist Nebensaison, und obwohl das Geschäft für die Titans nie stillsteht, ist heute Samstag, und kaum jemand ist hier. Ich trage eine kurze Hose und ein Polohemd. Die Flip-Flops, in die ich geschlüpft bin, klatschen auf den Hartholzboden meines luxuriösen Eckbüros.
„Highsmith will nach New York wechseln?“, vergewissere ich mich, während ich abnehme, die Freisprechanlage ausschalte und mir den Hörer ans Ohr halte.
„Er hat mich gebeten, meine Fühler auszustrecken“, bestätigt Danny.
Mist. Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare, die dringend geschnitten werden müssen. Seit die Play-offs vorbei sind, befinde ich mich im Halburlaubsmodus, obwohl ich mir immer noch den Arsch für dieses Team abarbeite.
Wenn Coen einen Wechsel von seiner Seite aus vorantreibt, ist der Preis, um ihn zu halten, gerade immens gestiegen. Angesichts der Tatsache, dass er es für Tillie tut, kann ich mir vorstellen, dass kein noch so großer Geldbetrag ihn davon abhalten wird, seiner Frau zu geben, was sie will. Coen war noch vor etwas mehr als einem Jahr das Arschloch vom Dienst des Teams, doch seit Tillie an seiner Seite ist, hat er sich komplett verändert. Er würde das Eishockey für sie aufgeben, wenn sie ihn darum bäte, aber das will sie nicht.
Verdammt … vielleicht ist sie nicht an dieser Künstlerresidenz interessiert. Sie ist ein Mädchen aus Pennsylvania, von Geburt an eng mit dieser Gegend verbunden, und hat immer noch ein Geschäft in Coudersport.
Ein Piepton unterbricht mich, und ich schaue aufs Display, um herauszufinden, wer anruft. Ich runzle die Stirn, als ich den Namen Joshua sehe. Ohne nachzudenken, schicke ich ihn auf die Mailbox, denn er ist der letzte Mensch auf diesem Planeten, mit dem ich jetzt sprechen möchte.
Außerdem habe ich Wichtigeres zu tun. Ich muss mit Coen reden, aber zuerst werde ich wohl unseren Cheftrainer Cannon West anrufen. Coen ist ein Schlüsselspieler in unserer First Line. Falls wir ihn verlieren, müssen wir vieles ändern, und ich muss wissen, ob wir hier tatsächlich in Zugzwang geraten. Eine Frage für West.
„Hören Sie … ich muss mich um ein paar Dinge kümmern“, antworte ich beiläufig, als hätten mich die jüngsten Nachrichten nicht erschüttert. „Wenn die Vipers ein Angebot machen, sagen Sie mir Bescheid, okay?“
„Klar doch“, verspricht Danny, aber das ist auch nicht viel verlangt. Bei einem Bieterkrieg zwischen uns und den Vipers wird er sich einfach zurücklehnen und zusehen, wie seine Provision steigt.
Ich beende das Gespräch und klopfe mit dem Mobilteil gegen die Armlehne meines Stuhls, während ich nachdenke. Das Telefon klingelt, und ich schrecke auf und schaue nach unten, um erneut Joshuas Namen zu sehen.
Genervt tippe ich auf den roten Knopf, aber verdammt, der Wichser ruft sofort wieder an. Ich will ihn gerade erneut wegdrücken, als mir ein Schauer über den Rücken läuft.
Mein Stiefbruder und ich verabscheuen uns gegenseitig. Wir sprechen nicht miteinander, und der einzige Grund, warum er sich bei mir melden würde, wären schlechte Nachrichten.
Mir dreht sich der Magen um, als ich an Juniper denke, aber nein … ihretwegen würde er mich nicht anrufen. Er ist der Typ, der es mir verschweigen würde, wenn ihr etwas zustieße. Joshua würde warten, bis ich es aus der Gerüchteküche erfahre.
Doch irgendetwas kann nicht in Ordnung sein, denn es gibt keinen anderen Grund für diesen Versuch einer Kontaktaufnahme.
Ich drücke das grüne Symbol. „Was ist los?“, melde ich mich in der Gewissheit, gleich schlechte Nachrichten zu hören.
„Es geht um deine Mutter“, sagt er mit fester Stimme, während sich meine Hand um das Mobilteil verkrampft. „Sie liegt mit einer Hirnblutung im Krankenhaus. Die Ärzte operieren sie gerade.“
„Was ist denn passiert?“, frage ich.
„Ich habe keine Ahnung.“ Seine Stimme ist emotionslos. Er hat meine Mutter nie geliebt. „Dad hat sie bewusstlos auf der Terrasse gefunden.“
Ich springe von meinem Stuhl auf und baue meinen Laptop ab, während ich das Mobilteil zwischen Schulter und Ohr halte. „Schick mir die Krankenhausinformationen und den Namen des Chirurgen.“
„Du kannst nicht mit ihm reden“, antwortet Joshua im Tonfall eines ungezogenen Vierzehnjährigen, obwohl der Mann schon achtunddreißig ist. „Er operiert sie gerade.“
„Ich rufe einen seiner Kollegen an“, schnauze ich, während ich mir die Autoschlüssel schnappe.
„Oh, ein großer, wichtiger Mann kann Chirurgen herumkommandieren, wie er will“, lacht Joshua.
„Ganz recht, das kann ich“, knurre ich und beende das Gespräch. Ich schreibe ihm eine Nachricht. Schick mir die Adresse des Krankenhauses und den Namen des behandelnden Arztes.
Obwohl Joshua mich hasst – ein Gefühl, das auf Gegenseitigkeit beruht –, wird er es nicht wagen, meine Bitte zu ignorieren. Er weiß, dass ich ihm die Scheiße aus dem Leib prügeln kann, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten, und da meine unmittelbare Chefin (die mir mittlerweile noch dazu eine gute Freundin ist) eine der reichsten Frauen der Welt ist, könnte ich ihn außerdem auf andere Weise fertig machen, wenn ich wollte.
Ich würde es nicht tun, sondern stattdessen lieber meine Fäuste benutzen, aber das weiß er nicht.
Jetzt muss ich Brienne Norcross anrufen. Sie sollte als Erste erfahren, dass ich nach Hause nach Nevada muss und nicht sagen kann, wie lange ich weg sein werde. Ich kann auch remote arbeiten, doch sie wird nicht wollen, dass ich mich auf meinen Job konzentriere, solange meine Mutter im Krankenhaus liegt. Danach werde ich Cannon West anrufen und ihm von Coen erzählen. Er wird sich darum kümmern müssen, herauszufinden, was da läuft, denn ich stehe kurz davor, in eine Welt voller Komplikationen einzutauchen, die meinen Blick trüben werden.
***
Die Rückkehr nach Incline Village macht mir Angst, unabhängig davon, ob meine Mutter im Krankenhaus liegt oder nicht. Nicht der Ort, sondern die Menschen dort sorgen dafür, dass meine Besuche selten und kurz sind.
Trotz des Sturms der Gefühle bin ich unwillkürlich beeindruckt von den majestätischen Bergen der Sierra Nevada, die sich bis zum tiefblauen Wasser des Lake Tahoe hinunterziehen. Die Stadt liegt am Nordufer des Sees, gleich hinter der Grenze zu Kalifornien. Die Schönheit raubt mir den Atem, und ich empfinde Schmerz über ihren Verlust.
Als ich mit dem Mietwagen, den ich mir am Flughafen genommen habe, in Richtung Krankenhaus fahre, schimmern die hoch aufragenden Kiefern in der späten Nachmittagssonne und werfen Schatten auf die Fahrbahn. Das Dorf selbst strahlt Wohlstand aus.
Versteckt in Baumgruppen und auf Anhöhen stehen individuell geplante Häuser, viele mit unverbaubarem Ausblick auf den See, die zwischen fünf und über siebzig Millionen Dollar gekostet haben. Diese luxuriösen Rückzugsorte reichen von modernen architektonischen Meisterwerken aus Glas und Metall bis hin zu rustikalen Landhäusern. Die zweite Hälfte meiner Kindheit und Jugend habe ich in einem über 1800 Quadratmeter großen Monstrum aus grob behauenen Baumstämmen und Stein verbracht, was ich dem Reichtum meines Stiefvaters zu verdanken hatte, doch dieses Haus war nie ein richtiges Zuhause.
Das Krankenhaus in Incline Village ist klein, aber es hat ein ausgezeichnetes Chirurgenteam, darunter einen sehr kompetenten Neurochirurgen, der am Morgen eine Kraniotomie bei meiner Mutter durchgeführt hat. Dank Briennes Privatjet war ich schnell hier; man hat Mom inzwischen aus dem Aufwachraum in ihr eigenes Zimmer verlegt. Es zahlt sich tatsächlich aus, zu den Titans zu gehören und die Macht der Familie Norcross hinter sich zu haben. Brienne hat ihre Beziehungen spielen lassen und so dafür gesorgt, dass ich in regelmäßigen Abständen mit dem Krankenhaus Kontakt hatte. Seit ich Pittsburgh verlassen habe, habe ich einmal mit dem Operateur und dreimal mit der Stationsschwester gesprochen.
Ich kenne das Krankenhaus nicht, da es noch nicht existierte, als ich vor zweiundzwanzig Jahren das College abgeschlossen habe. Eine nette Dame in der Lobby zeigt mir den Weg ins zweite Obergeschoss, und nachdem ich aus dem Aufzug getreten bin, schaue ich mir die Wegweiser an der Wand an. Zimmer 3228 ist rechts, also gehe ich in diese Richtung.
Beim Schwesternzimmer bleibe ich kurz stehen, um mich anzumelden. Eine freundliche ältere Dame schaut von ihrem Computer auf. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Ich bin der Sohn von Lila Willard, Callum Derringer. Ihre Kollegin am Empfang hat mir gesagt, sie sei in Zimmer 3228.“
Die Frau macht vor Überraschung große Augen, aber ich erkenne, dass sie mich erwartet hat. „Ja, richtig. Dr. Figler sagte, dass Sie kommen würden, und wollte, dass ich ihn anpiepse, wenn Sie da sind. Er oder einer seiner Kollegen möchte mit Ihnen sprechen.“ Sie deutet einen Quergang hinunter. „Das Zimmer Ihrer Mutter ist dort hinten links. Sie schläft wahrscheinlich aufgrund der Narkose noch, aber es geht ihr gut. Die Vitalwerte sind zufriedenstellend.“
„Danke“, sage ich, schenke der Schwester ein dankbares Lächeln und gehe in die angegebene Richtung.
Die Tür zum Zimmer meiner Mutter ist angelehnt, und ich schiebe sie vorsichtig auf, um keinen Lärm zu machen. Wenn sie schläft, will ich sie nicht wecken.
Drinnen ist es düster, die Jalousien sind heruntergelassen, um die Strahlen der tief stehenden Sonne abzuhalten. Ich trete ein, mein Blick fällt auf den dünnen Körper meiner Mutter und den großen Verband an der rechten Seite ihres Kopfes. Ihre Augen sind geschlossen und …
Erschrocken stelle ich fest, dass jemand auf einem Stuhl auf der anderen Seite des Bettes sitzt, vornübergebeugt und die Stirn auf die Arme gestützt, die auf dem Bettgitter verschränkt sind.
Sie hebt den Kopf, und ich bleibe stehen, als ich Juniper Ryan erkenne.
Es gibt kein anderes Wort, um diese Frau zu beschreiben, als atemberaubend. Ihr rabenschwarzes Haar ist zu einem lockeren, unordentlichen Dutt hochgesteckt. Ihre Augen wirken im gedämpften Licht eher olivgrün, aber ich weiß, dass sie die Farbe von Waldmoos mit dunklen Goldflecken an den Rändern hätten, wenn ihr die Sonne ins Gesicht scheinen würde. Juniper ist eine amerikanische Ureinwohnerin, was man an den hohen Wangenknochen, der schmalen Nase und dem hell olivfarbenen Teint erkennen kann.
„Hey“, sagt sie, ihre Stimme ist kaum ein Flüstern. Sie klingt müde, und ich frage mich, wie lange sie schon dort sitzt.
„Hey“, antworte ich und gehe ein paar Schritte aufs Bett zu. Ich vermeide es, Juniper länger anzusehen, denn ich hasse es, dass mein Herz allein bei ihrem Anblick hämmert. Stattdessen betrachte ich das Hämatom im Gesicht meiner Mutter. „Weiß man, was passiert ist?“
Juniper schüttelt den Kopf.
Natürlich habe ich dem Chirurgen diese Frage ebenfalls gestellt, und er hat nur wiederholt, was man ihm gesagt hatte … mein Stiefvater habe sie bewusstlos auf der Terrasse gefunden. Er nahm an, sie sei gestürzt und habe sich das Gesicht aufgeschlagen.
Plausibel, ja.
Genauso gut könnte ihr Mann, Preston, sie geschlagen haben. Zugegeben, er wird langsam alt, doch er ist ein Hüne, und selbst mit Ende siebzig wäre er in der Lage, meine Mutter ohne große Mühe zu verletzen.
Aber das sind alles nur Vermutungen. Ich habe in all den Jahren, in denen ich unter seinem Dach gewohnt habe, nie erlebt, dass er sie geschlagen hat.
Ich habe viele blaue Flecken gesehen. Habe gehört, wie sie einander anschrien. Habe bemerkt, wie er ihr an den Tagen, an denen sie starkes Make-up trug, um die blauen und lila Flecken zu überdecken, Blumen und Schmuck brachte.
Aber ich habe nie gesehen, dass er die Hand gegen sie erhoben hat.
Ich habe viele Jahre lang versucht, sie dazu zu bringen, mir die Wahrheit zu sagen und diesen jämmerlichen Arsch zu verlassen, damit wir irgendwo anders ein neues Leben beginnen konnten. Doch sie leugnete nur, dass er sie geschlagen hatte, und wiederholte, wir würden es nie besser haben als mit ihm.
Damit lag sie völlig falsch. Überall war es besser.
„Sie schläft friedlich“, sagt Juniper und erhebt sich.
„Wo ist Preston?“ Sollte mein Stiefvater nicht hier sein? Ich mache mir gar nicht erst die Mühe, nach Joshua zu fragen. Von ihm habe ich nicht erwartet, dass er an ihrem Bett Wache hält.
Selbst im schwachen Licht sehe ich Juniper erröten. Außerdem bemerke ich das schnelle Abwenden ihrer Augen, ehe sie mich wieder anschaut, ein sicheres Zeichen dafür, dass ihr die Frage Unbehagen bereitet.
Ihr Pech.
Ich starre sie an und warte.
„Bei der Arbeit“, antwortet sie schließlich. „Aber ich war die ganze Zeit hier, während sie im OP war, und ich bin geblieben, bis du da bist.“
Es bringt mein Blut in Wallung, dass meine Familie Juniper in diese Rolle drängt. Der gottverdammte Ehemann meiner Mutter sollte an ihrer Seite sein.
Tatsächlich ist es mehr als ironisch, dass Juniper, wenn die Umstände anders gewesen wären, hier in diesem Raum hätte sitzen können, um als meine Frau über meine Mutter zu wachen.
Aber das ist ein Leben lang her.
Ich bringe ein kleines Lächeln zustande. „Danke. Ich weiß das sehr zu schätzen.“
Es klopft leise, und wir drehen uns beide Richtung Tür. Ein Arzt in grüner OP-Kleidung tritt ein. Ich vermute, dass es sich um Dr. Figler handelt.
„Dann gehe ich mal nach Hause“, sagt Juniper und umrundet das Fußende des Bettes.
Sie geht nicht an mir vorbei, sondern umarmt mich. Ich bin zuerst erschrocken, weil wir einander seit Jahren nicht mehr berührt haben, aber ich erwidere die Umarmung, ohne zu zögern. Was ist schon dabei?
Ich beuge mich hinunter, sodass ihre Arme um meinen Hals liegen und ich meine um ihren Rücken schlingen kann. Sie drückt mich an sich und flüstert: „Wenn du etwas brauchst, wende dich an mich, okay?“
Mein Gott, riecht diese Frau gut. Ich nicke, obwohl ich ihre Telefonnummer nicht habe. Dann drücke ich sie noch einmal fest an mich, bevor ich sie schnell wieder loslasse. Sie lächelt den Doktor an und verlässt den Raum.
Dr. Figler schüttelt mir die Hand und stellt sich vor. Letztlich erzählt er mir nichts Neues, doch ich denke, das Prestige, das ich als Manager eines professionellen Eishockeyteams habe, ist der Grund für seine Sonderbehandlung. Ich habe das nicht nötig, aber wenn er sich besonders um meine Mutter kümmern will, ist mir das recht. Wir unterhalten uns ein paar Minuten, während er die fachlichen Aspekte der Operation erläutert und ihre voraussichtliche Genesung.
„Sie wird vermutlich die ganze Nacht über fest schlafen“, sagt Dr. Figler. „Kommen Sie doch morgen früh wieder.“
Ich reibe mir den Nacken, der verspannt ist – was er nicht war, bevor ich diesen Raum betreten habe. Tief in meinem Inneren weiß ich, dass das nicht vom prekären Gesundheitszustand meiner Mutter herrührt, sondern eher von der Begegnung mit Juniper.
Meiner ersten und einzigen Liebe.
Dem größten Schmerz, die mein Herz je erleiden musste.
Der Frau meines Bruders.
Juniper
Durch das Glasfenster des Backofens schaue ich auf den Hackbraten, der auf der mittleren Schiene bräunt. Es ist nicht der Schmorbraten mit Kartoffeln und Karotten, der auf dem Wochenplan stand, und ich bin mir sicher, dass ich mir später bissige Bemerkungen darüber werde anhören müssen, wie schlecht das Abendessen schmeckt. Joshua und Preston wird es egal sein, dass ich den Braten deshalb nicht geschafft habe, weil die arme Lila eine Gehirnblutung erlitten hat.
Beide werden kein Verständnis haben, dass ich den ganzen Tag im Krankenhaus verbracht habe, obwohl ich eigentlich hier hätte sein sollen, um dafür zu sorgen, dass ihr Abendessen auf dem Tisch steht, aber das ist mein Los, das ich tragen muss. Ich bereue meine Entscheidung nicht, denn wenn sich ein Mensch einer lebensrettenden Gehirnoperation unterziehen muss, sollte wenigstens eine Person für ihn beten und beim Aufwachen da sein. Zumindest würde ich hoffen, dass das jemand für mich tun würde, aber ich bin realistisch … Preston und Joshua wären auch für mich nicht da gewesen.
Als Lila nach der Operation aufgewacht ist, war ihre Erleichterung, mich zu sehen, offensichtlich. Sie hätte nie erwartet, dass Preston den ganzen Tag an ihrem Bett sitzen und warten würde. Joshua sowieso nicht, da er kaum mit der Frau spricht, die ihn großgezogen hat. Sie ist ihm weniger wert als der Dreck unter seinen Fingernägeln, und so war es keine Überraschung für sie, ausschließlich mich dort zu sehen.
Sie sagte nur ein Wort, eine Frage. „Callum?“
„Er ist auf dem Weg hierher“, versicherte ich ihr. Zumindest hatte ich gehört, wie sich Joshua bei seinem Vater darüber beschwerte. Das ist der einzige Grund, warum ich wusste, dass Callum aus Pittsburgh kommen würde, denn Joshua würde so etwas nie mit mir besprechen.
Ich überprüfe kurz die Kartoffelwürfel, die ich für mein Püree brauche. Eine Soße werde ich zubereiten, wenn ich den Hackbraten zum Ruhen herausnehme. Ich habe karamellisierte Karotten in der Pfanne, um so nah wie möglich an die ursprünglich geplante Mahlzeit heranzukommen.
Die meisten normalen Menschen würden sich über meine Bemühungen freuen, aber Joshua und Preston sind nicht normal. Dieses Vater-Sohn-Duo ist das Schlimmste, was die Menschheit zu bieten hat, und ich stehe unter ihrer Fuchtel.
Das Panel der Alarmanlage in der Küche gibt einen Signalton von sich, und ich sehe, wie Joshua seinen Audi durch das Eisentor steuert. Er fährt die zweihundert Meter lange gewundene Auffahrt zu unserem Haus hoch.
Genau genommen, zu seinem Haus.
Noch genauer gesagt, zu seinem Haus, das er mit seinem Vater teilt und in dem ich aufgrund unserer Ehe wohne.
In diesem über 1800 Quadratmeter großen Blockhaus am Lakeshore Boulevard ist mein Mann aufgewachsen. Als wir geheiratet haben, bin ich zu ihm gezogen. Das Haus ist so groß, dass es zwei Flügel hat, und bietet einen atemberaubenden Blick auf den Lake Tahoe. Joshua und ich wohnen in der einen Seite des Hauses, sein Vater und Lila in der anderen. So habe ich mir das Eheleben definitiv nicht vorgestellt, aber rückblickend hat Joshua mich langsam und behutsam so weit gebracht, dass ich mich praktisch selbst in diesen Käfig eingesperrt und ihm den Schlüssel übergeben habe.
Ich nehme mir ein paar Augenblicke Zeit, lege die Hände auf den Tresen und konzentriere mich auf meine Quadratatmung. Mein Therapeut empfiehlt sie sehr für angstbesetzte Situationen, und leider ist die Heimkehr meines Mannes von der Arbeit – vor allem heute – eine solche.
Als ich mit meinem vierten kompletten Zyklus fertig bin, öffnet sich die Tür vom Vorraum der fünf Autos Platz bietenden Garage. Ich gehe zum Kühlschrank, hole ein Bier für Joshua heraus und drehe den Deckel ab, damit es trinkfertig ist, sobald er zur Tür hereinkommt. Zwar mache ich mir keine Illusionen, dass ihn das besänftigen wird, aber er wird sowieso ein Bier trinken, also kann ich es genauso gut bereithalten.
Joshua betritt die geräumige Küche mit dem glänzenden Holzfußboden, den rohen, grob bearbeiteten Holzwänden und den Geräten mit den Kupferakzenten. Er ist in meinem Alter – achtunddreißig – und ein sehr gut aussehender Mann. Sein hellbraunes Haar ist lässig nach hinten gekämmt, und sein glatt rasiertes Gesicht zeigt selbst zu dieser späten Stunde keine Bartstoppeln. Er hat ein kantiges Kinn, ein perfektes Lächeln und kristallblaue Augen. Joshua ist schlank und zugleich muskulös, einer dieser Männer, die zehntausend Kalorien am Tag zu sich nehmen können, ohne ein Gramm zuzunehmen, obwohl er nichts dafür tut. Das ist der Grund, warum er mich dazu bringt, jede einzelne Mahlzeit am Abend so akribisch zu planen und warum er sich ärgert, wenn ich davon abweiche. Er weiß, dass er all seine Lieblingsspeisen essen kann, ohne dass es ansetzt.
Der Schmorbraten heute Abend sollte ein Festessen werden. Joshua und sein Vater haben einen neuen Eisenwarenladen am Südufer des Lake Tahoe eröffnet, und es ist ihr Lieblingsessen. Einfacher Schmorbraten, Kartoffeln und Karotten, und sie haben das Gefühl, wie Könige zu tafeln.
Nur hatte ich keine Zeit, den Braten lange genug zu schmoren, also gibt es stattdessen Hackbraten.
Es wird ihnen egal sein, dass ich versucht habe, mit demselben Gemüse und derselben Eiweißmenge so nah wie möglich an ihr Lieblingsgericht heranzukommen, wenn auch beides auf eine andere Art und Weise zubereitet ist. Sie werden das als Affront ansehen, und es wird ihnen die Feierlaune ruinieren.
Ich muss meine Worte heute Abend mit Bedacht wählen, damit es nicht zu einem großen Eklat mit zwei Männern kommt, die es lieben, aggressive, anmaßende Arschlöcher zu sein.
Joshua mustert mich kritisch, als ich ihm das Bier hinhalte. Er nimmt es ohne ein Dankeschön und trinkt einen großen Schluck. Es ist nicht sein erstes Bier an diesem Tag, und es wird auch nicht sein letztes sein.
„Was kochst du?“, fragt er und blickt auf den Herd, auf dem eigentlich der Schmortopf stehen müsste.
„Hackbraten, Kartoffelpüree und karamellisierte Möhren.“
„Das stand nicht auf dem Speiseplan“, sagt er. Wie kann eine so einfache Aussage so düster und bedrohlich klingen?
„Du weißt doch, dass ich keine Zeit hatte, den Schmorbraten aufzustellen, bevor ich ins Krankenhaus gefahren bin.“ Ich spreche in einem sanften, flüsternden Ton, damit er sich nicht zu sehr über meine Widerrede ärgert.
„Du verschwendest deine verdammte Zeit im Krankenhaus. Du konntest sowieso nichts für Lila tun“, spottet Joshua. Dann beugt er sich zu mir und schnuppert an meinem Hals. „Hast du dich von ihm anfassen lassen?“
„Von wem?“, rufe ich und trete einen Schritt zurück, aber ich weiß, wen er meint.
„Ja, hast du“, sagt er mit einem entschlossenen Nicken und kommt auf mich zu. „Ich rieche ihn an dir.“
Meine Gedanken kreisen. Ja, ich habe Callum umarmt. Ich konnte nicht anders.
Hatte er Parfüm aufgetragen? Ich kann mich nicht erinnern, aber das hätte mich auch nicht abgehalten. Er sah erschöpft aus, und seine Mutter hatte gerade eine schwere Operation hinter sich. Gegen eine Umarmung aus Freundschaft und zum Trost war nichts einzuwenden.
Abgesehen davon, dass mein Mann Callum verabscheut und rasend vor Wut werden kann, wenn er über ihn spricht. Ich bin vorsichtig, doch ich entscheide mich für die Wahrheit, weil ich nichts falsch gemacht habe. „Ich habe ihn umarmt …“
Die Ohrfeige kommt unerwartet, ein Schlag mit der linken Hand auf die Wange. Es tut weh, aber es trifft mich nicht so hart, wie es ein rechtshändiger Schlag getan hätte. Zum Glück hält er sein Bier in der dominanten Hand.
Dann geht Joshua auf mich los und drückt mich mit dem Rücken gegen den Tresen neben dem Herd. Mein Herz pocht vor Angst, denn obwohl dieses Verhalten nichts Neues ist, habe ich keine Ahnung, wie weit er gehen wird.
Mein Mann stellt die Flasche ab und packt mich mit beiden Händen. Sein Blick ist eisig, seine Worte triefen vor Gift. „Du gottverdammte Schlampe. Ich wette, es hat dir gefallen, dich an Callum zu kuscheln, nicht wahr?“
„Nein …“
Joshua packt mich an der Kehle und drückt zu. Es reicht nicht, um mir die Luft abzuschnüren, aber wahrscheinlich wird er mich gleich würgen. Noch erschreckender ist, dass er meinen Kopf nach links schiebt und versucht, ihn näher an den Topf mit den kochenden Kartoffeln heranzubringen. Ich wehre mich, stemme die Hand auf den Tresen. Wäre mein Haar nicht hochgesteckt, wäre es in die Flamme unter dem Topf geraten. Meine Haut prickelt von der Hitze.
„Joshua … hör auf“, schreie ich.
„Ich wette, Callum würde dich mit vernarbtem Gesicht nicht so hübsch finden, oder?“
Ich reiße mein Knie hoch, in der Hoffnung, ihn direkt in die Eier zu treffen, aber er dreht sich weg. Doch es reicht, um seinen Griff um meinen Hals zu lockern, sodass ich mich von dem heißen Herd entfernen kann.
Doch er wirbelt mich herum, drückt mich mit dem Bauch gegen den Tresen und klemmt mich mit seinem Körper ein. Ich spüre seine Erektion an meinem Hintern, und die Galle steigt mir in den Hals. Nichts erregt diesen Mann mehr, als mir wehzutun.
„Hör auf“, knurre ich und versuche, mich wegzudrehen. Er schlägt mir mit der offenen Hand gegen den Hinterkopf, so fest, dass mir die Zähne klappern. Dann reißt seine Hand gierig am Knopf meiner Jeans. „Ich habe Nein gesagt“, schreie ich und werfe den Kopf so heftig in den Nacken, dass ich sein Kinn erwische.
„Scheiße“, brüllt er und stolpert zurück.
Ich warte nicht ab, denn ich weiß, dass meine einzige Chance darin besteht, in einen abschließbaren Raum zu fliehen. Also renne ich los, aber Joshua ist dicht hinter mir, er greift nach meinem Hintern und bringt mich fast zu Fall. Ich schreie vor Schmerz, als er mich herumreißt und mich mit voller Wucht mit der Schläfe gegen einen Eckschrank knallt.
Ich sehe Sterne, aber ich schlage nach ihm und versuche, ihn wegzustoßen. Seine Hand ist wieder an meiner Kehle, diesmal drückt er so fest zu, dass mir sofort die Luft wegbleibt. Ich kralle die Finger in seine Arme, bohre die Fingernägel in seine Haut, um seinen Griff zu lockern.
Die Tür vom Vorraum in die Küche öffnet sich, und durch das Klingeln in meinen Ohren höre ich Joshuas Vater Preston. „Was ist hier los?“
Verdammt dumme Frage.
Joshua weicht nicht zurück, weil es ihm peinlich ist, dass er mich misshandelt hat. Er lockert nicht mal seinen Griff.
Stattdessen sagt er ganz ruhig: „Ich musste der hier eine Lektion erteilen.“
„Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn du das in Gegenwart Dritter machst“, mahnt Preston. „Das ist eine Privatsache zwischen einem Mann und einer Frau.“
Ich bekomme so wenig Luft, dass ich nur noch verschwommen sehe. Meine Ohren fühlen sich an, als wären sie mit Watte ausgestopft, aber ich höre Preston sagen: „Lass sie los, mein Sohn. Ich bin hungrig, und sie muss unser Abendessen fertig machen.“
„Verdammter Hackbraten“, murrt Joshua angewidert und lässt mich los.
Ich krümme mich, huste und keuche.
„Ach so?“, fragt Preston gedehnt. „Ich dachte, es gibt Schmorbraten, um den neuen Laden zu feiern?“
Ich schlucke und zucke zusammen, als sich die Muskeln in meinem Nacken verkrampfen. Mühsam richte ich mich auf und gehe um Joshua herum, ohne ihn aus den Augen zu lassen, falls er mich wieder angreift. Ich schalte die Flamme unter den Kartoffeln aus. Sie sollten gar sein.
Joshua grinst, während er mit dem Daumen auf mich deutet. „Diese blöde Kuh war den ganzen Tag im Krankenhaus. Hat unsere Pläne fürs Abendessen ruiniert.“
Ich sehe Preston an. Er ist groß und kräftig, nicht schlank wie sein Sohn. Sein Blick begegnet meinem. „Wie geht es Lila?“
Das wüsstest du, wenn du sie besucht hättest, du Stück Scheiße. Aber das kann ich nicht laut sagen, denn ich bin viel zu abhängig von diesen beiden Männern.
„Als ich ging, hat sie sich gerade von der Operation erholt“, antworte ich in krächzendem Ton.
Prestons leerer Blick bleibt an mir hängen, ehe er Richtung Backofen nickt. „Lass das Essen nicht anbrennen. Ruf uns, wenn es fertig ist.“ Dann wendet er sich Joshua zu. „Lass uns in meinem Büro reden.“
Mein Mann antwortet nicht, sondern geht zum Tresen hinüber, um sich sein Bier zu holen. Er wirft mir nicht einmal einen besorgten Blick zu, hauptsächlich, weil ich ihm völlig egal bin.
Erst als beide den Raum verlassen haben und ich ihre Stimmen hinter der geschlossenen Tür von Prestons Büro auf der anderen Seite des großen Zimmers nicht mehr hören kann, entweicht ein Schwall Luft aus meiner Lunge. Ich muss mich mit den Händen auf dem Tresen abstützen, weil meine Beine zu Gelee werden. Mir stehen Tränen in den Augen, und ich kann sie nicht zurückhalten. Eine Therapeutin, bei der ich einmal war, sagte, ich solle meine Gefühle nicht unterdrücken, sondern den Schmerz anerkennen. Sie meinte, das sei der beste Weg, um die Kraft zu finden, die ich brauche, um Joshua zu verlassen.
Aber sie lag so falsch. Egal, wie sehr ich ihn hasse, ich kann ihn niemals verlassen. Jedenfalls nicht, solange mein Vater noch am Leben ist.
Callum
Ich führe den Strohhalm an die Lippen meiner Mutter, damit sie ein paar Schlucke Eiswasser trinken kann. Vorhin hat sie versucht, etwas Hühnerbrühe zu frühstücken, aber sie hat praktisch keinen Appetit. Die Schwester versicherte mir, dass das nach einer OP typisch ist und dass manche Menschen die Narkose nicht so gut vertragen.
Die Operation liegt jetzt fast vierundzwanzig Stunden zurück, und ich kann nicht umhin, mir Sorgen darüber zu machen, dass ihr fehlender Appetit ein schlechtes Omen sein könnte. Schlimmer, ich mache mir nicht nur Sorgen um ihren körperlichen, sondern auch um ihren emotionalen Zustand.
Heute Morgen schlief sie, als ich kam. Doch als sie aufwachte, waren ihre ersten Worte an mich: „Ist Preston hier?“
Ich musste Ruhe ausstrahlen und ihr Sicherheit vermitteln. „Nein, noch nicht.“
Um ehrlich zu sein hatte ich keine Ahnung, ob dieses Arschloch überhaupt auftauchen würde. Die Schwester sagte, die einzige Besucherin, die meine Mutter außer mir gehabt habe, sei Juniper gewesen. Ich bin rasend vor Wut, dass Preston es nicht für nötig hält, nach seiner Frau zu sehen, zumal ich vermute, er könnte für ihre Verletzung verantwortlich sein.
„Möchtest du etwas anderes essen?“, frage ich sie. „Vielleicht ein bisschen Rührei?“
Meine Mutter rümpft die Nase und schüttelt leicht den Kopf, woraufhin sie vor Schmerz zusammenzuckt. „Vielleicht später.“
„Du musst etwas essen, um wieder zu Kräften zu kommen“, erinnere ich sie sanft.
„Ich weiß“, gibt sie mit einem schwachen Lächeln zu. Kein Probieren, keine Zusicherung, dass sie später etwas essen wird. Sie weiß nur, dass sie essen muss und es nicht will.
„Mom“, sage ich und nehme ihre Hand. Sie fühlt sich kalt und tot an. „Was ist passiert?“
„Was meinst du?“, flüstert sie und wendet den Blick ab.
Wir haben keine Zeit, um den heißen Brei herumzureden. „Hat Preston dich geschlagen? Dich niedergeschlagen?“
„Nein“, antwortet sie und sieht mich wieder an, weil sie das Versprechen von Vergeltung in meiner Stimme hört. „Ich muss auf der Treppe gestolpert und hingefallen sein.“
Ich denke, sie lügt, aber ich habe auch nicht erwartet, dass sie nach all den Jahren, in denen sie ihn beschützt hat, ehrlich zu mir ist.
Ich bedecke unsere verschränkten Hände mit meiner anderen und beuge mich in meinem Stuhl vor. „Mom … du musst mir nicht die Wahrheit sagen. Doch wenn du Preston verlassen willst, sobald es dir besser geht, dann hole ich dich da raus. Du kannst zu mir nach Pittsburgh ziehen, oder ich kaufe dir hier eine Wohnung. Du musst nicht bei diesem Mann bleiben.“
Ich habe ihr dieses Angebot schon öfter gemacht, aber sie hat es nicht angenommen.
Verdammt, sie brauchte auch noch nie eine Gehirnoperation.
Meine Mutter räuspert sich, und ihr Blick wird ein wenig fester. „Ich habe dich lieb, Callum, und ich weiß deine Besorgnis zu schätzen. Nur … bitte versteh das … egal, was du denkst, ich liebe Preston. Ich hatte ein gutes Leben mit ihm, und obwohl wir unsere Auseinandersetzungen haben, wie jedes andere Paar auch …“
„Auseinandersetzungen zwischen Mann und Frau haben nichts mit Fäusten zu tun.“
Sie ignoriert meinen Einwurf. „Wir haben nur ganz selten Auseinandersetzungen. Ich mag mein Leben und bin zufrieden. Nein, ich werde ihn nicht verlassen.“
„Obwohl er dich fast umgebracht hätte?“, frage ich erstaunt, denn sie hat es zwar nicht direkt gesagt, doch ihr kleines Eingeständnis der seltenen Auseinandersetzungen sagt mir alles, was ich wissen muss.
„Das denkst nur du“, schimpft sie, und für einen Moment verliere ich den Respekt vor meiner Mutter. Sie hat ihr Bestes für mich getan, als sie und mein Vater sich scheiden ließen. Ich weiß das. Allerdings ist mir auch klar, dass sie noch viel mehr hätte tun können, denn ihr ging es zwar vielleicht besser, nachdem sie Preston geheiratet hatte, mir hingegen nicht.
Doch im Moment macht mich ihre mangelnde Bereitschaft, sich selbst genug zu mögen, um etwas Besseres zu wollen, fertig.
„Ich bin müde“, sagt sie und entreißt mir ihre Hand. „Meinst du, du könntest Preston anrufen und herausfinden, wann er zu Besuch kommt? Es könnte sein, dass er nicht herkommen will, weil du da bist. Vielleicht könntest du ihm dann etwas Freiraum geben, damit er mich besuchen kann?“
Das gleiche Gefühl der Verzweiflung, das ich als Kind für meine Mutter empfunden habe, trifft mich mitten in die Brust. Es ist ihr Leben, und sie ist nicht bereit, es zu ändern.
Meine Eltern haben sich getrennt und scheiden lassen, als ich zwölf Jahre alt war. Meine Mutter brauchte weniger als drei Monate, um Preston Willard zu heiraten, einen örtlichen Eisenwarenmogul, der ein Vermögen machte mit einer Reihe von Geschäften in Nevada, Kalifornien, Washington und Oregon, die seiner Familie in dritter Generation gehörten. Drei Jahre lang lebte ich die Hälfte der Zeit im neuen Haus meiner Mutter und im Haus meiner Kindheit, in dem ich mit meinem Vater Richard aufgewachsen war.
Diese drei Jahre – der Umgang mit geschiedenen Eltern – waren hart, aber wenigstens konnte ich die Hälfte davon bei meinem Vater verbringen. Wir hatten ein gutes Verhältnis, und es war die pure Erholung von dem sehr anstrengenden Leben im Hause Willard mit einem herrschsüchtigen Stiefvater, den ich nicht mochte, und einem aggressiven Stiefbruder, Joshua, der zwei Jahre jünger war als ich.
Mein Vater starb, als ich fünfzehn war, und ich zog ganz bei Preston ein, aber Lilas Sohn zu sein, brachte mir keine Vorteile. Er behandelte mich nie gleichberechtigt, wie einen Sohn. Mit sechzehn musste ich mir ein Auto verdienen, indem ich im örtlichen Willard-Eisenwarenladen arbeitete, während Joshua zum Führerschein einen Porsche bekam. Bemerkenswert ist, dass der Junge keinen einzigen Tag in seinem Leben gearbeitet hat, bis er das College abgeschlossen hatte und bei seinem Vater in die Firma einstieg.
Ich erhebe mich und beuge mich über das Bettgeländer, um meine Mutter auf die Wange zu küssen. „Okay … ich lasse dich eine Weile allein. Ich rufe auch Preston an, damit er weiß, dass er dich jetzt besuchen kann. Möglicherweise schaue ich sogar mal bei ihm vorbei. Ist der Sicherheitscode noch derselbe?“
„Nach wie vor“, murmelt sie mit einem schwachen Lächeln. „Danke, Schatz. Vielleicht kannst du dich ja mit Joshua zum Mittagessen treffen.“
Ich bemühe mich, nicht zu schnauben. Meine Mutter weiß genau, dass Joshua und ich einander hassen. Ihr ist klar, dass wir keine Beziehung zueinander haben und auch nie eine haben werden. Aber sie glaubt, wenn ich mir Mühe mit ihm gebe, macht das Preston glücklich, was wiederum sie glücklich macht. Ich liebe Lila Willard über alle Maßen, doch es gibt ein paar harte Grenzen, die ich niemals überschreiten werde.
All das spreche ich jedoch nicht laut aus. „Ruhe dich etwas aus. Ich komme später wieder.“
Nach dem Krankenbesuch rufe ich Cannon West an. Seine Begrüßung ist direkt und auf den Punkt. „Wie geht es deiner Mutter?“
„Den Umständen entsprechend. Der Arzt sagte, sie darf übermorgen nach Hause. Ich bleibe so lange hier.“
„Wir haben hier alles im Griff“, versichert er leichthin. „Mach dein Ding. Wir alle beten für sie und senden gute Wünsche.“
„Das weiß ich zu schätzen.“ Dann komme ich zur Sache. „Was ist mit Coen?“
„Es stimmt. Tillie hat ein Angebot für eine Künstlerresidenz in New York bekommen. Coen sagt, sie denkt darüber nach, und hat widerwillig zugegeben, dass er nicht sicher ist, ob er ein Jahr lang von ihr getrennt sein will. Er möchte, dass sie ihre Chance in der Kunstwelt bekommt.“
„Also will er wechseln?“ Ich kann den enttäuschten Ton nicht verbergen, der meine Gefühle zum Ausdruck bringt.
„Er hat Danny zumindest gebeten, sich umzusehen. Wir können ein paar Spieler traden, um Cap Space zu schaffen, damit wir Coen mehr bieten können. Ihm klarmachen, dass es sich für ihn finanziell lohnt, bei uns zu bleiben.“
Ich schüttle den Kopf, während ich in Richtung des Firmensitzes von Willard Hardware fahre. „Coen geht es nicht um Geld. Er würde auch eine Gehaltskürzung in Kauf nehmen, um an Tillies Seite zu sein.“
„Ja … ich weiß“, stimmt Cannon seufzend zu. „Ich schätze, wir müssen einfach abwarten und sehen, wie sich Tillie entscheidet.“
„Es gibt viel zu tun. Ich werde Nachwuchsspieler unter die Lupe nehmen.“ Die Free-Agency-Transferphase beginnt in zwei Wochen, und wenn Coen geht, wird es entscheidend sein, wie wir diese Lücke füllen.
Als Manager bin ich für die langfristige Vision für das Team verantwortlich. Dazu gehören Mehrjahrespläne, die Einhaltung des Gleichgewichts zwischen der Entwicklung junger Spieler und dem Streben nach sofortigem Erfolg sowie Infrastrukturentscheidungen wie die Verbesserung der Trainingseinrichtungen.
Wenn wir Coen verlieren, könnten wir beschließen, ihn zunächst nicht durch einen gleichwertigen Spieler zu ersetzen. Wir könnten den frei werdenden Cap Space nutzen und mit jungen Talenten ein zukunftsfähiges Team aufbauen, das in einigen Jahren große Erfolge einfährt. Es gibt viel zu bedenken und zu tun.
Ich bespreche noch ein paar Dinge mit Cannon und beende das Telefonat, als ich auf den Parkplatz von Willard Hardware fahre. Es handelt sich nicht nur um das ursprüngliche Geschäft, das Prestons Ururgroßvater eröffnet hat, sondern im Obergeschoss befinden sich auch die Verwaltung und der Thron, auf dem Preston sitzt.
Ich betrete das Geschäft und gehe nach hinten durch, wo ein Aufzug ins Obergeschoss führt. In der Lobby lächelt mich eine Empfangsdame zur Begrüßung an. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Sagen Sie Preston, sein Stiefsohn ist hier und möchte ihn sprechen“, antworte ich.
Die Frau runzelt verwirrt die Stirn, offensichtlich hat sie noch nie von mir gehört. Ich nicke mit dem Kopf in Richtung der Bürotür, die ich von hier aus sehe. Sie nimmt den Hörer der Gegensprechanlage auf ihrem Schreibtisch ab und ruft ihn an.
„Äh … Mr. Willard … hier ist ein Mann, der behauptet, Ihr Stiefsohn zu sein.“ Nach einer kurzen Pause sagt sie: „Jawohl, Sir.“
Die Empfangsdame legt auf. „Sie können rein.“
Ich nicke ihr zu und gehe in Richtung seines Büros. Als ich es erreiche, öffne ich, ohne anzuklopfen, die Tür und trete ein, ohne sie hinter mir zu schließen.
Preston Willard war einmal ein gut aussehender Mann, aber sein gerötetes Gesicht ist vom Alkohol gezeichnet, und sein Bauch ist dick von zu viel gutem Essen. Dennoch ist er geschäftstüchtig und strahlt enormes Selbstvertrauen aus, als er aufsteht, um mich zu begrüßen.
„Callum.“
Ich verzichte auf jede Höflichkeit. „Du musst deine Frau besuchen.“
Er neigt den Kopf. „Ich habe vor, in der Mittagspause hinzugehen. Wie geht es ihr denn?“
„Sie hatte gerade eine verdammte Gehirnoperation“, knurre ich und balle die Fäuste. „Was glaubst du, wie es ihr geht?“
„Sie hatte Glück, dass ich sie so schnell gefunden habe“, entgegnet Preston. Das Blitzen in seinen Augen verrät mir, dass es ihm Spaß macht, sich mit mir anzulegen.
Ich trete mit zwei Schritten dicht an seinen Schreibtisch heran und stütze die Hände darauf. Dann beuge ich mich zu ihm und senke die Stimme. „Wenn ich je herausfinde, dass ihr sie verletzt habt, du oder dein nichtsnutziger Sohn, bringe ich euch beide um.“
Preston legt den Kopf in den Nacken und lacht. „Leere Drohungen. Es gibt keinen Beweis dafür, dass Lila nicht auf der Hintertreppe gestürzt ist und sich den Kopf angeschlagen hat.“
„Dein Mangel an Einfühlungsvermögen scheint ziemlich ausgeprägt zu sein“, stoße ich hervor.
„Ich kümmere mich gut um deine Mutter, mein Junge. Sie führt ein schönes Leben, seit wir verheiratet sind. Vielleicht solltest du ein bisschen dankbarer sein.“
Ich bin fertig mit dem Arschloch. Zornig trete ich von seinem Schreibtisch zurück und deute mit dem Finger auf ihn. „Wenn ich auch nur den kleinsten Hinweis bekomme, dass du sie in irgendeiner Weise verletzt hast, jetzt oder in der Vergangenheit, wirst du es bereuen, alter Mann.“
„War das eine Drohung?“, fragt er.
„Ein verfluchtes Versprechen.“
Ich drehe mich um und verlasse sein Büro, wobei ich die Tür hinter mir zuschlage. Die Empfangsdame springt auf und gibt ein leises, erschrockenes Quieken von sich.
Preston hat gesagt, es gäbe keine Beweise, aber er unterschätzt mich. Ich zwinge mich, zu lächeln, als ich die Empfangsdame frage: „Ist Joshua da?“
„Nein, Sir“, stottert sie. „Er ist heute Morgen nach Las Vegas geflogen, um unsere dortigen Filialen zu überprüfen.“
„Perfekt“, brumme ich.
Das bedeutet, dass niemand im Haus sein sollte, vorausgesetzt, Juniper ist arbeiten, und es besteht eine gute Chance, dass eine der Überwachungskameras draußen auf dem Grundstück den ganzen Vorfall aufgezeichnet hat.
Es gibt eine Million Dinge, die ich tun sollte, um angesichts der Coen-Situation neue Spielerverpflichtungen für die Titans zu planen.
Aber zuerst muss ich wissen, was mit meiner Mutter passiert ist.
Juniper
Das Morgenlicht, das durch das Fenster in der Ecke fällt, reicht aus, um meine schlechte Laune zu vertreiben. Ich stütze die Ellbogen auf den Tisch, halte meine Kaffeetasse vor den Mund und blase leicht darüber, um das heiße Getränk abzukühlen.
Arbeiten gehen kann ich heute nicht. Egal, wie gut ich mich schminke, ich kann weder den blauen Fleck an meiner Schläfe noch die blauen Flecken an meinem Hals verbergen. Letztere stellen eindeutig vier Finger und einen Daumen dar, die mich gestern Abend gewürgt haben, als Preston heimkam. Es ist zu warm für einen Rollkragenpullover, und der Schal, den ich mir um den Hals gewickelt habe, sieht blöd aus und verrutscht ständig.
Zum Glück sind Teile meiner Arbeit rein administrativer Natur, und ich kann sie mit einem Laptop an meinem Küchentisch erledigen. Ich werfe einen Blick auf meinen Computerbildschirm, der eine schöne Datenbank zeigt, die ich erstellt habe. Sie enthält die wöchentlichen Speisepläne, die ich zusammengestellt habe, um Menschen mit Ernährungsproblemen an gesunde Lebensmittel heranzuführen. Das vom Staat Kalifornien finanzierte Programm, für das ich arbeite, bietet drüben in meiner Heimat Jugendförderprogramme, psychosoziale Dienste, Ernährungsberatung, Sport- und Erziehungsprogramme, Alphabetisierungskurse, Arbeitskräfteentwicklung, Unterstützung bei der Wohnungssuche und Verteilung von Lebensmitteln an einkommensschwache Familien.