Camembert mit Puderzucker - Svea Lundberg - E-Book

Camembert mit Puderzucker E-Book

Svea Lundberg

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Beschreibung

Wenn es nach Jonathans Eltern ginge, würde er im familieneigenen Hotelbetrieb einsteigen. Aber Jonathan hat nicht Jahre in einem der renommiertesten Caféhäuser Wiens verbracht, um anschließend ›nur‹ in der Hotelküche zu stehen. Mit dem Startkapital aus der Hand seines Vaters möchte er eine Pâtisserie in der Tübinger Altstadt eröffnen. Doch dann steht eines Morgens ein fremder Kerl in seinem Laden und behauptet etwas ganz Ungeheuerliches: Er habe das Ladengeschäft ebenfalls gekauft. Im Gegensatz zu Jonathan sind Filius’ Ambitionen nicht ›sponsored by Daddy‹. Er hat das gesamte Erbe seines verstorbenen Großvaters in seinen Traum vom eigenen Käsefeinkostgeschäft gesteckt. Doch nun sieht alles danach aus, als sei er über den Tisch gezogen worden und letztlich bleibt ihm nur eine Chance: das überraschende Angebot, das Jonathan ihm unterbreitet, anzunehmen. Aber stinkender Käse und überkandidelte Pralinen – wie soll das zusammen gehen? Noch dazu, wenn Filius und Jonathan sich gegenseitig ungefähr so sympathisch finden wie saure Milch? Irgendwie müssen die beiden es schaffen, sich zusammenzuraufen … Ob ihnen das gelingen wird? Finde es heraus, in einer süßen Gay Romance, garantiert ohne Geschmacksverstärker.

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Inhalt
Impressum
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Epilog
Rezept für Blauschimmel-Schokoladen-Macarons mit Feigensenf
Danksagung
Über die Autorin
Leseempfehlungen
Leseprobe »Wie ein endloser Sommer«

 

 

 

 

 

 

 

Camembert mit Puderzucker

Eine süße Gay Romance, garantiert ohne Geschmacksverstärker

 

 

von

Svea Lundberg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

Wenn es nach Jonathans Eltern ginge, würde er im familieneigenen Hotelbetrieb einsteigen. Aber Jonathan hat nicht Jahre in einem der renommiertesten Caféhäuser Wiens verbracht, um anschließend ›nur‹ in der Hotelküche zu stehen.

Mit dem Startkapital aus der Hand seines Vaters möchte er eine Pâtisserie in der Tübinger Altstadt eröffnen. Doch dann steht eines Morgens ein fremder Kerl in seinem Laden und behauptet etwas ganz Ungeheuerliches: Er habe das Ladengeschäft ebenfalls gekauft.

Im Gegensatz zu Jonathan sind Filius’ Ambitionen nicht ›sponsored by Daddy‹. Er hat das gesamte Erbe seines verstorbenen Großvaters in seinen Traum vom eigenen Käsefeinkostgeschäft gesteckt. Doch nun sieht alles danach aus, als sei er über den Tisch gezogen worden und letztlich bleibt ihm nur eine Chance: das überraschende Angebot, das Jonathan ihm unterbreitet, anzunehmen.

Aber stinkender Käse und überkandidelte Pralinen – wie soll das zusammen gehen? Noch dazu, wenn Filius und Jonathan sich gegenseitig ungefähr so sympathisch finden wie saure Milch?

Irgendwie müssen die beiden es schaffen, sich zusammenzuraufen …

 

Ob ihnen das gelingen wird? Finde es heraus, in einer süßen Gay Romance, garantiert ohne Geschmacksverstärker.

Impressum

Copyright © 2022 Svea Lundberg

 

Julia Fränkle-Cholewa

Zwerchweg 54

75305 Neuenbürg

[email protected]

www.svealundberg.net

 

 

Buchsatz: Annette Juretzki / www.annette-juretzki.de

 

Covergestaltung: Irene Repp / www.daylinart.webnode.com

 

Bildrechte:

 

© Domenik Leubner

www.pi-productions.de

www.instagram.com/domenikleubner

 

© gstockstudio – 123rf.com

© messomx – pixabay.com

 

 

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte sind vorbehalten.

 

Die in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Der Romaninhalt sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.

Widmung

Für Hanna, Carolin und Vanessa.

 

DANKE für all die schönen Stunden im Neckarmüller, bei Holunderblütenschorle und Flammkuchen. Für schier endlose Nächte im Schaf und im TopTen.

Für entspannte Spaziergänge am Neckar, mit Softeis in der Hand.

Für konstruktive Diskussionen über Hartmann von Aues ›Erec‹ bis hin zu Edward Saids ›Orientalism‹.

Für Nervennahrung und Ablenkung während Prüfungsphasen und Mutzureden vor der mündlichen Masterthesis-Verteidigung.

Für die beste und verrückteste Mädels-WG in Hirschau.

Für eine wundervolle Studenten-Zeit im schönen Tübingen.

Ich hoffe, dieser Roman lässt euch noch einmal in Erinnerungen schwelgen, auch wenn Filius und Jonathan so gar nichts mit Germanistik, Lehramt oder Medizin zu tun haben.

 

Und für Isabell und Sabrina.

 

Die Schriftstellerei war immer meine Leidenschaft, meine Nummer 1, aber die Zeit mit euch an der Käsetheke bleibt mir als positive Erinnerung und dient nun sogar als Inspirationsquelle. Wie oft haben wir festgestellt, dass sich neben unserer Käsetheke auch eine Schokoladentheke gut machen würde? Voilà, hier ist sie!

Kapitel 1

Mit einem letzten kräftigen Tritt in die Pedale ließ Filius die Neckarbrücke hinter sich. Kaum spürte er die holprigen Pflastersteine unter den Reifen seines Fahrrads, begann sein Herz schneller zu klopfen. Schneller noch als es das nach der rund zwanzigminütigen Fahrt bei drückender Augusthitze ohnehin schon tat. Wenigstens verlief die Strecke von Hirschau in die Tübinger Altstadt weitgehend eben. Nun jedoch lag der steile Anstieg der Neckargasse vor ihm. Steil zumindest, wenn man weder eine besonders gute Kondition noch ein E-Bike besaß.

Da Filius nicht vollkommen durchgeschwitzt bei seinem Termin mit dem Notar ankommen wollte, stieg er kurzentschlossen vom Rad. Während er den alten Drahtesel die Neckargasse entlang schob, betrachtete er links und rechts die kleinen Ladengeschäfte. Ein Schuhgeschäft, ein Optiker, eine Eisdiele, eine Bäckerei, zwei Läden für Kosmetikartikel und ein Teegeschäft – es waren allesamt Örtlichkeiten, die er selbst schon oft besucht hatte. Gefühlt kannte er diesen Teil der Tübinger Altstadt in und auswendig. Und doch kam es ihm gerade so vor, als sähe er die Geschäfte zum ersten Mal oder zumindest in einem gänzlich anderen Licht. Bald – sehr bald – würde er dazugehören. Zu den stolzen Ladenbesitzern.

Sein Herz tat einen Hüpfer in seiner Brust und er stemmte sich mit neuem Elan gegen den Berg. Inzwischen schnaufte Filius ordentlich und Mist, er war auch ziemlich verschwitzt. Insbesondere am Rücken, an den Stellen, an denen sein Rucksack auflag, klebte der T-Shirt-Stoff an seiner feuchten Haut. Zeit, um darüber nachzudenken, ob er ein Wechselshirt hätte mitnehmen sollen, blieb ihm jedoch nicht. Denn da sah er es, da lag es vor ihm: sein Ladengeschäft!

Aufgeregte Vorfreude strömte kribbelnd durch seinen ganzen Körper – oder vielleicht kribbelten seine Arme und Beine auch von der Anstrengung?

Schief grinsend schob er sein Fahrrad den letzten Meter an das leerstehende Geschäft heran, lehnte es vorsichtig an die Hauswand.

Irgendjemand hatte ein Plakat an die blanke Schaufensterscheibe geklebt. Darauf zu sehen waren verschiedene Sorten Schokolade und irgendeine Torte. Auf die Schrift achtete Filius nicht. Rasch knibbelte er die Klebestreifen ab und löste so das Plakat von der Scheibe. Schokolade war ja schön und gut und lecker, aber in seinem Laden hatte sie nichts verloren.

Während er das Plakat unachtsam zusammenrollte, starrte er durch die im Sonnenlicht leicht spiegelnde Scheibe ins Ladeninnere. Er musste sich beherrschen, nicht noch näher heranzutreten und sich wie ein kleines Kind die Nase am Glas plattzudrücken. Am liebsten hätte er das Geschäft sofort gestürmt, aber die letzten Minuten, bis der Notar eintraf, musste er wohl noch warten. Aber dann ... dann würde er endlich die Schlüssel erhalten und seinen Traum leben können: den Traum vom eigenen Käsefeinkostgeschäft.

 

~*~*~*~*~*~

 

Mit einem leisen Klimpern fiel der Schlüssel aus den Fingern des Notars in Filius’ Handfläche. Ein unheimliches Glücksgefühl durchströmte ihn. Es dauerte sicher drei Sekunden, bis sich ein vager Zweifel in ihm formte. Irritiert blinzelnd sah er von dem einzelnen Schlüssel auf und in das Gesicht des Notars, das von einer massiven Brille dominiert wurde.

»Ähm … nur einer? Was ist denn mit den restlichen –«

»Die bekommen Sie noch«, fiel ihm der Notar ins Wort. Nicht unhöflich, aber doch wirkte er irgendwie … in Eile.

Zwar empfand Filius es als ein wenig unpassend, dass Herr Nöller offenbar schon gedanklich auf dem Sprung zu einem weiteren Termin war – denn immerhin hatte Filius eine ganze Stange Geld für den Laden bezahlt, da konnte er schon ein wenig Service erwarten. Aber andererseits wollte er selbst am liebsten sofort loslegen, in seinem Laden herumzuwerkeln.

»Sie werden ja morgen sicher hier sein, oder? Dann bringe ich Ihnen die übrigen Schlüssel und auch die beglaubigte Kopie der Auflassungsvormerkung im Grundbuch vorbei.«

Erleichtert sanken Filius’ Schultern herab. »Ich werde auf jeden Fall hier sein. Vielen Dank.«

»Nichts zu danken«, entgegnete Herr Nöller knapp und streckte ihm bereits die Hand zu einer Verabschiedung hin.

»Sie veranlassen dann auch, dass sie Kaufsumme vom Treuhandkonto an Frau Hafstetter weitergeleitet wird, ja?«, versicherte Filius sich noch einmal und erntete neben einem kräftigen Händedruck auch ein resolutes Nicken.

»Exakt. Sobald die Auflassungsvormerkung eingetragen wurde, geht der Kaufpreis an die Verkäuferin. Danach werden Sie dann vollends als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Ich kümmere mich um alles und Sie müssen sich ab sofort nur noch um ihren Laden kümmern.«

Nur noch … Filius grinste schief. Herr Nöller hatte wohl keine Ahnung, was es bedeutete, sich eine Existenz aufzubauen. Wenn Filius ehrlich war, hatte er ja selbst manchmal Schiss, dass er sich mit dem Vorhaben übernommen hatte. Aber nein, er hatte alles ganz genau geplant, kalkuliert, durchdacht. Niemals hätte er das Erbe seines geliebten Opas leichtfertig in irgendeine Sache gesteckt. Das hier war sein großer Traum – und sein Opa und auch seine Oma wären stolz auf ihn, wüssten sie, dass er ihn sich wirklich erfüllt hatte.

Wie jedes Mal, wenn Filius an seine Großeltern dachte, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz. Seine Oma war bereits vor einigen Jahren gestorben, sein Opa erst vor wenigen Monaten. Beide vermisste er schmerzlich. Beide hatten immer alles für ihn getan, alles daran gesetzt, gutzumachen, dass seine Mutter ihn nicht hatte haben wollen. Erna und Erwin waren die besten Großeltern und Adoptiveltern der Welt gewesen – und es tat weh, dass sie nicht mehr da waren.

Mit einem tiefen Seufzen riss Filius sich von dem Fleckchen kahle Wand, auf welches er gestarrt hatte, los. Erst jetzt bemerkte er, dass Herr Nöller bereits verschwunden war und er allein im Laden stand.

Einen Moment lang drohte sich ein diffuses Gefühl von Leere in ihm auszubreiten. Doch rechtzeitig rief er sich in Erinnerung, wo er sich befand: in seinem Laden. Besonders Opa würde sich so sehr freuen, dass Filius das Erbe hierfür eingesetzt hatte.

Eilig verstaute er den Papierkram in seinem Rucksack, der an der Wand gegenüber der Eingangstür lehnte, und trat zurück in die Mitte des Verkaufsraums. Filius drehte sich im Kreis, zweimal schnell, dann wie in Zeitlupe, saugte den Anblick des noch leeren Raumes in sich auf. Er wusste schon genau, wo er was hinstellen wollte. Das Wichtigste überhaupt war die Kühltheke. Er würde gleich die Firma, welche die Theke liefern und aufbauen sollte, anrufen und den Termin zum Beginn der kommenden Woche bestätigen. Und mit dem Gas-Wasser-Installateur würde er noch einmal sprechen müssen.

Noch während er seine gedankliche Checkliste durchging, lief er in den hinteren Teil des Ladens, der ihm in erster Linie als Vorbereitungsraum dienen würde. Neben klassischen Hart- und Weichkäsespezialitäten wollte er auch selbstgemachte Cremes, Dips und Salate anbieten. An einem oder zwei Wochentagen vielleicht auch belegte Brötchen und Bagels. Es würde nicht leicht werden, damit neben den zahlreichen Bäckereien und den Angeboten der Mensa zu überzeugen. Aber Filius glaubte fest daran, dass er mit dem richtigen Konzept auch die Tübinger Studenten in seinen Laden würde locken können. Einige der lange gereiften Bergkäse und Briespezialitäten hatten natürlich ihren Preis, aber er würde immer zusehen, dass er auch Angebote für studentische Geldbörsen in der Auslage hatte. Und wer konnte zu einem frischen Bagel mit Radieschencreme und Parmesansplittern schon Nein sagen? Außerdem hatten ihm sowohl sein ehemaliger Chef als auch alle Kollegen ein beachtliches Verkaufstalent bescheinigt.

Wie auf Kommando begann Filius’ Magen zu knurren. Am Morgen hatte er zwischen Aufstehen, Stallarbeit und vorfreudiger Nervosität nur einen Buttertoast gegessen. Vielleicht würde er sich nachher eine Taco-Bowl von dem mexikanischen Restaurant am Neckarufer gönnen. Da sein Opa es ihm stets strikt verboten hatte, Miete zu zahlen, hatte Filius sich in den letzten Jahren ein kleines Polster ansparen können, das es ihm nun erlauben würde, die ersten Monate, bis sein Laden hoffentlich genug abwarf, zu überbrücken. Und ab und zu ein Take-away-Gericht war auch drin.

Nun jedoch würde er erst noch einmal in Ruhe die gesamte Ladenfläche ausmessen und überprüfen, dass die geplante Einrichtung auch wirklich so hineinpasste, wie er sich das vorgestellt hatte. Tausendfach vorgestellt! Oh, er konnte es kaum erwarten, endlich loszulegen.

Beschwingt ging Filius zurück zu seinem Rucksack und wühlte darin nach dem Meterstab.

 

~*~*~*~*~*~

 

Wäre es allein nach ihm gegangen, hätte Filius noch bis spät in die Nacht im Laden gestanden und direkt damit angefangen, die Farbe, die er am Nachmittag mühsam mit dem Fahrrad vom Baumarkt in die Altstadt gekarrt hatte, an die Wände zu bringen. Aber zu Hause in Hirschau warteten einige Vierbeiner auf ihn, oder vielmehr: auf ihr Abendessen.

Beate, Luise und Ilse standen bereits erwartungsvoll am Zaun, als er auf den Hof radelte und begannen vorwurfsvoll zu meckern, weil er es wagte, zuerst noch seinen Rucksack ins Haus zu bringen. Kaum hatte er das Weidengatter geöffnet, drängelten die drei Ziegendamen hinaus und trabten quer über den Hof in Richtung Stall. Nun, im Hochsommer, hätten sie auch über Nacht draußen bleiben können, aber Filius fühlte sich wohler damit, seine vierbeinigen Schützlinge im Stall zu wissen. Sein Opa hatte es immer so gehandhabt, seit seine beiden letzten Hofhunde vor einigen Jahren verstorben waren.

Im Gegensatz zu den drei Ziegen ließ Rudi es gemächlich angehen. Weder Filius’ aufforderndes Zungenschnalzen noch das ungeduldige Meckern aus dem Stall schienen den Esel zu beeindrucken. Als er durch das Weidengatter trottete, warf er Filius einen Blick zu, der zu sagen schien: »Erst spät nach Hause kommen und dann noch einen alten Herrn hetzen wollen? Vergiss es, junger Mann.«

Filius verdrehte die Augen und kraulte dem Esel einmal durch das langsam stumpf werdende Fell, ehe er das Gatter am Koppelzaun schloss und neben dem gemütlich dahin trottenden Rudi zum Stall hinüberlief.

In dem kleinen Stallgebäude gab es lediglich drei Boxen, von denen Filius eine als Futter- und Abstellkammer für all die notwendigen Utensilien wie Schubkarre und Heugabel benutzte. Früher einmal hatte dieser Teil des Stalltraktes als Heuschober gedient, die Boxenwände waren erst vor ein paar Jahren eingezogen worden. Früher, als Filius’ Großeltern noch einen echten Milchviehbetrieb gehabt und auch selbst Käse hergestellt hatten, war das große Stallgebäude auf der anderen Seite des Hofes voll mit Milchkühen und Milchziegen gewesen. Inzwischen waren nur noch Beate, Luise und Ilse übrig, und sie waren längst zu alt, um regelmäßig gemolken zu werden. Aber sie hatten Erwin zu viel bedeutet, und Filius liebte die Tiere selbst viel zu sehr, um sie abzugeben. Lieber stand er in aller Herrgottsfrühe auf und würde zukünftig noch spät am Abend nach Ladenschluss im Stall sein. Immerhin bedeutete, die Tiere zu versorgen, nicht nur Arbeit, sondern auch Wohlfühlmomente für ihn. Nichts beruhigte Filius so sehr, wie der Geruch von Heu und Fell und das Malmen der Zähne und das gelegentliche leise Meckern.

Während er noch dabei war, büschelweise Heu in die beiden Boxen zu schaufeln und die Tränken zu kontrollieren, huschte Pepe in den Stall. Gurrend strich der Kater um Filius’ Beine, seine Schritte dabei immer ein wenig hüpfend, weil ihm ein Hinterbein fehlte. Rasch neigte Filius sich hinab und kraulte Pepes Köpfchen. Scheinbar zufrieden setzte der Kater sich neben die offenstehende Tür zu Rudis Box und leckte sich die Vorderpfoten, wartete ab, bis Filius mit seiner Arbeit fertig war. Anschließend folgte er ihm ins Haus.

Sein Handicap hielt Pepe nicht davon ab, den ganzen Tag draußen herumzustromern. Aber pünktlich zum Abendessen kam er stets nach Hause und nach einer kleinen Abendrunde über das weitläufige Grundstück des alten Hofes huschte er durch die Katzenklappe ins Haus und kuschelte sich zu Filius ins Schlafzimmer. Niemals ins Bett, das war dem alten Streuner dann doch zu nah, aber er schlief jede Nacht in seinem Katzenkörbchen unter Filius’ Nachtschränkchen.

 

Nachdem Filius sich den Rest Lasagne vom Vortag aufgewärmt, gegessen, geduscht und das Geschirr abgewaschen hatte, schnappte er sich das Buch, welches er vor ein paar Tagen zu lesen begonnen hatte. Mit diesem und einer Tasse Kräutertee mit dem klangvollen Produktnamen ›Abendritual‹ ging er noch einmal nach draußen. Sein Blick fiel auf das gegenüberliegende große Stallgebäude. In diesem standen schon seit Jahren keine Tiere mehr, stattdessen hatte Erwin es – ebenso wie einige der Weideflächen – an den nahegelegenen Reitverein verpachtet, der den ehemaligen Stall ausgeweidet hatte und nun als Reithalle benutzte.

Kurz vor seinem Tod hatte Filius’ Opa die Halle dann an den Verein verkauft, ebenso wie das Haupthaus, in welchem seine Familie einst gelebt hatte. Auch Filius. Sie hatten lange gemeinsam überlegt, doch letztlich hielt Filius es auch für sinnvoller, wenn er selbst in das kleine Nebenhaus zog. Der Platz reichte für ihn und die wenigen verbliebenen Tiere. Und mit dem Erlös aus dem Verkauf von Haupthaus und Stallungen hatte er sich letzten Endes den Traum vom eigenen Käsespezialitätenladen erfüllen können. Wie schön wäre es gewesen, hätte sein Opa das noch mitbekommen …

Seufzend wandte Filius sich ab und huschte durch die nur angelehnte Stalltür. Die Ziegendamen begrüßen ihn mit gedämpftem Meckern, Rudi kaute weiter unbeeindruckt sein Heu. Sofort umfing Filius der Duft nach Tier und ein heimeliges Gefühl kroch warm durch seinen Bauch, breitete sich in seinem gesamten Körper aus. Abgesehen von dieser Wärme war es im Stall trotz Hochsommer angenehm kühl. Aus dem kleinen Schränkchen neben der Tür zog Filius eine Wolldecke hervor, an der bereits allerlei Stroh haftete. Er faltete sie in Rudis Box auseinander und ließ sich mit Tee und Buch darauf sinken. Wie immer nahm der alte Esel nach außen hin kaum Notiz von seinem Besuch, doch Filius redete sich fleißig ein, dass Rudi es mochte, wenn er bei ihm in der Box saß und ihm und den Ziegendamen vorlas. So wie fast jeden Abend.

Kapitel 2

~*~ fünf Tage später ~*~

 

Ein scheppernder Knall, als sei irgendeine Stahlkonstruktion über ihm zusammengebrochen, riss Jonathan aus dem Schlaf. Er schreckte vom Kissen hoch, das er wie immer unter seinem Kopf zusammengeknautscht hatte, und tastete fahrig rechts neben sich nach seiner Brille. Doch er fand weder diese noch das Nachtschränkchen. Blinzelnd versuchte er, um sich herum mehr als nur Umrisse zu erkennen.

Ach, Mist, er war ja gar nicht mehr in Wien und auch nicht im Hotel seiner Eltern am Chiemsee.

Nachdem sein Gehirn diese Erkenntnis verarbeitet hatte, gelang es seinen Fingern dann auch, die vermisste Brille zu finden. Auf dem Nachttisch. Links neben dem Bett, nicht rechts. Jonathan sollte sich wirklich überlegen, das Bett ein Stück von der Wand wegzurücken, sodass er das Tischchen nach rechts stellen konnte. Aber dazu hatte er am vergangenen Abend nun wirklich keinen Nerv mehr gehabt. Er hatte nicht mal mehr einen eingehenden Blick in seinen Laden geworfen, hatte lediglich dem Taxifahrer das Geld gegeben, seine beiden Reisetaschen nach oben in seine kleine Wohnung geschleppt und war dann nach einem kurzen Abstecher ins Bad wie tot ins Bett gefallen. Wer hätte auch ahnen können, dass eine Zugfahrt vom Chiemsee nach Tübingen in einem derartig nervenaufreibenden Endlosdesaster enden würde?

Ein erneutes Poltern – eindeutig im Stockwerk unter ihm, denn über ihm war nur das Dach – drang herauf und veranlasste Jonathan dazu, sich vollends im Bett aufzusetzen. Weder über noch unter seiner Wohnung lag eine weitere. Da war nur sein Laden. Kamen die Geräusche von dort? Das konnte nicht sein. Die Spedition würde den Teil seiner Ladeneinrichtung, den er bereits besaß, und seine Möbel für die Wohnung erst Ende der Woche bringen.

Irritiert und mit einem unwohlen Gefühl im Bauch, das auch daher rühren könnte, dass er seit dem vergangenen Mittag nichts mehr gegessen hatte, schlug Jonathan die Bettdecke zurück. Zum Glück war ein Teil der Wohnung bereits möbliert gewesen – und die Einrichtung gar nicht mal so hässlich.

Auf nackten Füßen tapste Jonathan quer durch den Wohn-Schlaf-Raum und hinüber zum Fenster. Dem Sonnenlicht nach, das durch den Spalt der Jalousien drang, musste es bereits acht oder sogar neun Uhr sein. Irgendwie beruhigend, dass er noch immer in der Lage war, auch nach Sonnenaufgang zu schlafen, obwohl das seinen Arbeitszeiten als Konditor doch sehr zuwiderlief. Mit einer Hand zog Jonathan die Jalousien an der Kordel nach oben, mit der anderen kratzte er sich gedankenverloren im Schritt. Herzhaft gähnend öffnete er das Fenster, wobei er ein bisschen daran rütteln musste. In diesem Altbau schien alles ein wenig schief und verzogen zu sein. Jonathan lehnte sich ein Stück weit aus dem Fenster und zog gleich darauf die Stirn kraus.

Vor seinem Laden parkte ein Lieferwagen, zwei Männer in Arbeitsklamotten waren gerade dabei, große – sehr große – Pakete über die Laderampe herab zu befördern. Auf eine Sackkarre gewuchtet brachten sie die Pakete in Jonathans Laden. Bitte … warum? Was war in den Paketen und vor allem: Wie kamen diese Typen überhaupt in seinen Laden?

Jonathan öffnete schon den Mund, um etwas zu den Männern hinunter zu rufen, doch sie verschwanden bereits wieder vollbepackt im Gebäudeinneren.

Was war da los?

Abrupt stieß Jonathan sich vom Fensterrahmen ab, hastete quer durchs Zimmer. Seine drückende Blase musste warten, aber wenigstens etwas anziehen sollte er sich.

Keine zwei Minuten später riss er die Haustür neben der Schaufensterfront auf und stürmte hinaus, die drei Schritte an dem großen Fenster entlang und –

Wie angewurzelt blieb Jonathan direkt neben der sperrangelweit offen stehenden Ladentür stehen. Aus dem Augenwinkel registrierte er die beiden Männer im Inneren. Was ihn jedoch wirklich zum abrupten Innehalten bewegte, war der Kerl, der gerade an ihm vorbeimarschierte. Den Fahrradhelm noch auf dem Kopf, ein breites Grinsen auf dem rundlichen Gesicht, nickte er Jonathan zu.

»Guten Morgen«, sagte er, als sei es das Normalste der Welt und –

Ernsthaft?

– und spazierte in aller Seelenruhe in das Ladengeschäft hinein, als sei es seines und nicht Jonathans.

Der stand noch für mindestens drei oder sogar fünf Sekunden wie vom Donner berührt auf den Pflastersteinen der Neckargasse. Er starrte auf die offene Tür, dann auf das alte Fahrrad mit dem auffallend moosgrün lackierten Rahmen, ehe er sich wieder regen konnte. Noch immer perplex und ohne zu wissen, was genau hier vor sich ging und was er dazu sagen sollte, stampfte er die drei Treppenstufen, über die an einer Seite eine Rampe gelegt worden war, hinauf und in den Laden hinein. Jedoch nur, um gleich wieder abrupt innezuhalten.

Einer der beiden Männer in Arbeitsklamotten schnitt gerade mit einem Cuttermesser die Verpackung auf. Der andere hantierte an einem Etwas aus Blech herum, welches vorher das Scheppern von sich gegeben haben musste, und welches Jonathan kurzerhand als Element eines Kühlmöbels erkannte. Neben den beiden Männern stand der junge Kerl – noch immer mit Helm auf dem Kopf – und sah sich strahlend um. Jonathan tat es ihm gleich und erblickte … ein Wandtattoo.

 

Es kommt nicht auf das Alter an – außer, du bist ein Käse.

 

Bitte … was?

»Guten Morgen noch mal. Ich habe leider noch nicht geöffnet, wie du siehst. Aber kann ich dir trotzdem irgendwie weiterhelfen?«

Die fröhliche, äußerst wohlklingende Stimme drang an Jonathans Ohren und veranlasste ihn dazu, sich von diesem absolut bescheuerten Spruch ab- und dem Sprecher zuzuwenden. Immerhin hatte der Kerl inzwischen den Fahrradhelm abgenommen, was dunkelblonde, feuchte und daher leicht lockige Haare zum Vorschein brachte. Der Typ sah aus wie frisch aus dem Bett: ein wenig verwuschelt, ein wenig zerzaust. Und gleichzeitig sprühten die hellen Augen regelrecht und das stetige Lächeln hob die Röte auf den Pausbacken hervor.

»Was …?« Mehr brachte Jonathan in diesem Moment nicht hervor. Er räusperte sich, setzte erneut an, doch da plapperte der Kerl schon wieder drauflos.

»Ich mache hier einen Käsefeinkostladen auf, irgendwann im September oder spätestens Oktober soll Eröffnung sein, rechtzeitig zum Vorlesungsstart. Und keine Sorge, Käsefeinkost klingt nobel und teuer, aber ich werde auch super Angebote für Studenten haben, und hey, alles wird besser mit Käse, oder?«

Der fragende Ton am Ende des Redeschwalls implizierte die Erwartung einer Antwort. Theoretisch war Jonathan das klar, praktisch allerdings … Hatte der Typ noch alle Latten am Zaun?

»Du machst was?«, echote Jonathan, wodurch das Lächeln seines Gegenübers noch ein wenig breiter wurde.

»Einen Käsefeinkostladen«, wiederholte dieser mit einer Engelsgeduld in der Stimme, »es wird eine klassische Auswahl an Hart- und Weichkäse geben, für jeden Geldbeutel erschwinglich, aber auch exquisitere Sorten, mit Salzkristallen, verschiedene Blauschimmelarten, verfeinert mit Nuss, Trüffel oder …«

»Aber das ist mein Laden.«

»… mit Wildkräutern oder Rosenblätter und … Ähm … wie bitte?«

»Ich sagte, das ist mein Laden«, wiederholte Jonathan, energischer dieses Mal und er straffte sich wie zur Verdeutlichung seiner Worte.

Eine kurze Stille kehrte ein, nur unterbrochen von dem Geräusch, wenn Metall an Metall rieb und Klingen durch Karton schnitten. Das Lächeln des Kerls wurde langsam, aber sicher schmaler und Jonathan reckte das Kinn noch ein wenig höher, zog die Schultern nach hinten. Was nichts daran änderte, dass er zwar einen halben Kopf größer, aber viel schmaler als sein Gegenüber war. Und dann fand der Kerl auch noch sein Grinsen wieder, das süße Grübchen neben seinen Mundwinkeln eingrub.

Süß? Pah! Cupcakes und Eclairs waren süß, Käse hingegen war … Käse eben.

»Mann, für einen kurzen Moment hast du mich echt erschreckt.« Der Typ lachte und Jonathan befürchtete schon, er würde ihm gleich kumpelhaft gegen den Arm boxen. Ihm war nicht zum Scherzen zumute. Kein bisschen.

»Ich telefoniere nämlich schon seit ein paar Tagen dem Notar hinterher, weil der mir noch die restlichen Schlüssel und ein paar Unterlagen vorbeibringen wollte. Da dachte ich gerade wirklich mal kurz …«

»Ich meine das ernst, okay? Das hier«, Jonathan zeigte in einer ausladenden Geste um sich, »ist mein Laden. Ich habe den gekauft und daher …«

»Ich auch.«

»Was?«

»Ich hab den Laden auch gekauft. Ich meine … ohne auch. Vielleicht hast du … dich in der Tür geirrt?«

»Vielleicht hab ich … was? Willst du mich verarschen?« Am Rande registrierte Jonathan, dass die beiden Kühlmöbellieferanten zu ihnen herübersahen, aber darauf konnte er nun gerade wirklich keine Rücksicht nehmen. Wurde er laut? Ja, verdammt!

»Ich meine ja nur, wie du siehst bin ich schon dabei, alles einzurichten und …«

»Dann richte es wieder aus!« Ergab das grammatikalisch Sinn? Egal.

»Was?«

»Sag denen, sie sollen den Kram wieder mitnehmen und mach dieses beknackte Tattoo von der Wand weg. Ich geb dir eine halbe Stunde und dann …«

»Was dann?«

Jaaa, dann … Keine Ahnung, was dann. Wild mit den Armen gestikulierend, schnappte Jonathan nach Luft. Starrte den Kerl ihm gegenüber an, der die Arme in die Seiten gestemmt hatte und plötzlich gar nicht mehr so nett und süß lächelte.

Zischend entließ Jonathan die Luft aus seinem Mund. »Dann ruf ich die Polizei. Das ist Hausfriedensbruch … oder so was Ähnliches.«

»Ist es nicht«, hielt der Kerl dagegen – und die beiden Lieferantenmenschen schauten irritiert und auch ein wenig genervt aus der Wäsche. »Ich sagte doch, ich habe den Laden gekauft.«

»Aha.« Jonathan schnaubte. »Und der Beweis dafür?«

»Der Kaufvertrag liegt zu Hause. Wo ist denn dei–«

»Was interessiert mich der Kaufvertrag? Auf den Grundbucheintrag kommt’s an.« Ob das wirklich zu hundert Prozent stimmte, konnte Jonathan nicht mal so genau sagen, aber offenbar hatte er bei seinem Gegenüber irgendwie ins Schwarze getroffen. Denn die eben noch genervt-angespannte Miene entglitt ihm, machte etwas Platz, das beinahe Schock hätte sein können.

Schweigen.

»Meine Herren, können wir jetzt mit dem Aufbau weitermachen oder …?«

»Nein«, giftete Jonathan den Monteur an, ohne ihn anzusehen. Sein Blick hing auf dem Kerl ihm gegenüber, der offensichtlich nach Worten und um Fassung rang. Er murmelte irgendetwas, so leise, dass Jonathan ihn nicht verstand.

»Was ist jetzt?«, murrte er, seinerseits die Hände in die Hüften gestemmt.

»Ich … muss mal kurz telefonieren«, ließ der Kerl nuschelnd verlauten und huschte an Jonathan vorbei und nach draußen, ehe dieser noch etwas sagen konnte.

---ENDE DER LESEPROBE---