Canada und zurück - Hans Beutler - E-Book

Canada und zurück E-Book

Hans Beutler

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Beschreibung

Eine autobiographische Reise nach Canada, nicht als glückssuchender und hoffnungsvoller Auswanderer, weder als erlebnisgetriebener Tourist noch als Wildnis erprobter Abenteurer, Nein, mein sechsmonatiger Aufenthalt im Jahre 1984 verbringe ich im Rahmen eines Studentenaustausches auf einer Getreidefarm in Denfield, Ontario. Ein täglicher Kampf gegen zerstörerische Selbstzweifel, zwischenzeitliche Verzweiflungslosigkeit, unendliche Einsamkeit, wiederkehrende Mutlosigkeit, heimliche Sehnsüchte, anfängliche Sprachbarrieren, zwischenmenschliche Unverständnisse, schweisstreibende Schwerstarbeiten und dem unsäglichen Gefühl vom Ausgenutzt werden. Schlussendlich aber mit vielen eindrücklichen Erlebnissen und positiven Erfahrungen. Offen sein für Neues, Anpassungsfähigkeit, Akzeptanz fremder Kulturen, Respekt gegenüber den Mitmenschen, Teamfähigkeit, Durchhaltewille, Positives Denken, Eigeninitiative, Selbstständigkeit, Gerechtigkeit, Lernfähigkeit und Offenheit in Situationen unabdinglicher Veränderungen sowie Demut und Bescheidenheit im Leben und im Allgemeinen gegenüber den Menschen, der Natur und der Umwelt.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Reise beginnt

Ankunft in Denfield – Samstag, 28/04/1984

Kennenlernen – Sonntag, 29/04/1984

Das Farmleben beginnt – Montag, 30/04/1984

Tag der Arbeit – Dienstag, 01/05/1984

Gartenarbeiten – Mittwoch, 02/05/1984

Erste soziale Kontakte – Donnerstag, 03/05/1984

Erster Brief aus der Schweiz – Freitag, 04/05/1984

Nachtleben in London – Samstag, 05/05/1984

Die zweite Woche – Sonntag, 06/05/1984

Muskelkater – Montag, 07/05/1984

Die Schwimmhalle – Dienstag, 08/05/1984

Knochenarbeit – Mittwoch, 09/05/1984

Evi-Kornelia Gruber – Donnerstag, 10/05/1984

Landschaftsgärtner – Freitag, 11/05/1984

Ausgang in London – Samstag, 12/05/1984

Lake Huron – Sonntag, 13/05/1984

Der Sommer steht vor der Türe – Montag, 14/05/1984

Stunk im Garten – Dienstag, 15/05/1984

Motivierende Zeilen – Mittwoch, 16/05/1984

Die kanadische Post – Donnerstag, 17/05/1984

Kadaver auf der Schweinefarm – Freitag, 18/05/1984

Kleines Jubiläum – Samstag, 19/05/1984

Kleine Ausflüge – Sonntag, 20/05/1984

Farmarbeiten – Montag, 21/05/1984

Schwülwarmer Tag – Dienstag, 22/05/1984

Mein Bankkonto – Mittwoch, 23/05/1984

Etwas Süsses von Joanne – Donnerstag, 24/05/1984

Leckeres Mittagessen – Freitag, 25/05/1984

Nächtliches London – Samstag, 26/05/1984

Fliegen ist wunderbar – Sonntag, 27/05/1984

Helges Geburtstag – Montag, 28/05/1984

Flugpost – Dienstag, 29/05/1984

Frühlingsmüdigkeit – Mittwoch, 30/05/1984

Letzter Tag im Mai – Donnerstag, 31/05/1984

Wonnemonat Juni – Freitag, 01/06/1984

Der erste Lohn – Samstag, 02/06/1984

Flugshow in London – Sonntag, 03/06/1984

Sommerzeit – Montag, 04/06/1984

Herr und Frau Weier – Dienstag, 05/06/1984

Säcke abfüllen – Mittwoch, 06/06/1984

Das Saatgut muss unter die Erde – Donnerstag, 07/06/1984

Zweifeln – Freitag, 08/06/1984

Ruhiger Wochenendbeginn – Samstag, 09/06/1984

Nachmitttag in London – Sonntag, 10/06/1984

Sport zahlt sich aus – Montag, 11/06/1984

Fensterreinigungsaktion – Dienstag, 12/06/1984

Rasen mähen – Mittwoch, 13/06/1984

Happy Birthday – Donnerstag, 14/06/1984

Party auf der Schweinefarm – Freitag, 15/06/1984

Sonnige Niagara Falls – Samstag, 16/06/1984

Regenwetter in Toronto – Sonntag, 17/06/1984

Reinigung der Wohntrailer – Montag, 18/06/1984

Deutsche Touristen – Dienstag, 19/06/1984

Briefe schreiben – Mittwoch, 20/06/1984

Neuer Haarschnitt – Donnerstag, 21/06/1984

Staub schlucken – Freitag, 22/06/1984

Barbecue – Samstag, 23/06/1984

Ruhetag in Denfield – Sonntag, 24/06/1984

Moralisches Tief – Montag, 25/06/1984

Ladies Night in London – Dienstag, 26/06/1984

Monstertraktor – Mittwoch, 27/06/1984

Striptease in Lucan – Donnerstag, 28/06/1984

Wochenendplanung – Freitag, 29/06/1984

Kleine Reiberei mit Mike – Samstag, 30/06/1984

Ausflug nach Thedford – Sonntag, 01/07/1984

Canada Day – Montag, 02/07/1984

Die Dänen kommen – Dienstag, 03/07/1984

Party mit Spanferkel – Mittwoch, 04/07/1984

Abschiedsgeschenk für Evi – Donnerstag, 05/07/1984

Letzte Stunden mit Evi – Freitag, 06/07/1984

Hochzeitsfeier – Wochenende 07/ - 08/07/1984

Wohntrailer für mich allein – Montag, 09/07/1984

Mechaniker im Einsatz- Dienstag, 10/07/1984

Ein Dankeschön von Mike – Mittwoch, 11/07/1984

Sauerstoff für die Sojabohnen – Donnerstag, 12/07/1984

Pech- und Glückstag – Freitag, 13/07/1984

Wehmut – Samstag, 14/07/1984

Heritage & Antique Show – Sonntag, 15/07/1984

Sprayen oder Rasenmähen – Montag, 16/07/1984

Motivation aus der Schweiz – Dienstag, 17/07/1984

Undichtes Lagersilo – Mittwoch, 18/07/1984

Sojabohnen umlagern – Donnerstag, 19/07/1984

Zufallsbekanntschaften im Bumper’s – Freitag, 20/07/1984

Stinkige Grubenarbeit – Samstag, 21/07/1984

Turtle Race in Ailsa Craig – Sonntag, 22/07/1984

Langer Arbeitstag – Montag, 23/07/1984

Abendrot auf dem Weizenfeld – Dienstag, 24/07/1984

Einladung zur 1. August Feier – Mittwoch, 25/07/1984

Arne ist zurück auf der Farm – Donnerstag, 26/07/1984

Erste Diapositive begutachten – Freitag, 27/07/1984

Halbzeit auf der Farm in Denfield – Samstag, 28/07/1984

Schlechte Laune – Sonntag, 29/07/1984

Ein telefonisches Highlight – Montag, 30/07/1984

Überraschung vom Boss – Dienstag, 31/07/1984

Schweizer Nationalfeiertag – Mittwoch, 01/08/1984

Chinesen in Denfield – Donnerstag, 02/08/1984

Gedanken des Lebens – Freitag, 03/08/1984

Sommergrippe – Samstag, 04/08/1984

Immer noch krank – Sonntag, 05/08/1984

Auswärtsmontage in Belmont – Montag, 06/08/1984

Silomontage – Dienstag, 07/08/1984

Vorfreude auf das Wochenende – Mittwoch, 08/08/1984

Autokran im Einsatz – Donnerstag, 09/08/1984

Telefon zu früher Stunde – Freitag, 10/08/1984

Langer Tag endet in Toronto – Samstag, 11/08/1984

Ontario Place in Toronto – Sonntag, 12/08/1984

U.S. Consulate General Toronto – Montag, 13/08/1984

Wellness für den Mähdrescher – Dienstag, 14/08/1984

Rohrleitungsmontage in Belmont – Mittwoch, 15/08/1984

Mit dem «Snoopy» im Einsatz – Donnerstag, 16/08/1984

Superstore in London – Freitag, 17/08/1984

Lucan «Fair» und Kino in London – Samstag, 18/08/1984

Fahrradtour nach London – Sonntag, 19/08/1984

Joggingrunde – Montag, 20/08/1984

Ausgeliehen – Dienstag, 21/08/1984

Fitnesstraining – Mittwoch, 22/08/1984

Aufmunternde Zeilen – Donnerstag, 23/08/1984

Neuigkeiten von Evi – Freitag, 24/08/1984

Geburtstagsgrüsse an Doris – Samstag, 25/08/1984

Parkhill Conservation Area – Sonntag, 26/08/1984

Vier Monate in Denfield – Montag, 27/08/1984

Staub schlucken in Ailsa Craig – Dienstag, 28/08/1984

Neue Farmerstiefel – Mittwoch, 29/08/1984

Weltuntergangsstimmung – Donnerstag, 30/08/1984

Arbeiten in luftiger Höhe – Freitag, 31/08/1984

Rückflug ist bestätigt – Samstag, 01/09/1984

Achterbahn der Gefühlswelt – Sonntag, 02/09/1984

Labourday in Canada – Montag, 03/09/1984

Unterhauswahl 1984 – Dienstag, 04/09/1984

Zurück in Denfield – Mittwoch, 05/09/1984

Firma «Karl Stumpf Limited» – Donnerstag, 06/09/1984

Überraschung früh morgens – Freitag, 07/09/1984

Umzugsarbeiten in London – Samstag, 08/09/1984

Western «Fair» in London – Sonntag, 09/09/1984

Johannes Paul II in Canada – Montag, 10/09/1984

Der «Twiggly» kränkelt – Dienstag, 11/09/1984

Spreu und Weizen – Mittwoch, 12/09/1984

Stromlos in Denfield – Donnerstag, 13/09/1984

Ungeziefer in den Betongruben – Freitag, 14/09/1984

Eingeschränkt – Samstag, 15/09/1984

Sonniger Ruhetag – Sonntag, 16/09/1984

Kleiner Stromschlag – Montag, 17/09/1984

Fitnessprogramm – Dienstag, 18/09/1984

Wichtige Entscheidung – Mittwoch, 19/09/1984

Die Maisernte beginnt – Donnerstag, 20/09/1984

Der «Twiggly» ist repariert – Freitag, 21/09/1984

Ein sehr langer Arbeitstag – Samstag, 22/09/1984

Mike ist verschwunden – Sonntag, 23/09/1984

Ein trauriger Tag – Montag, 24/09/1984

Der Herbst kündigt sich an – Dienstag, 25/09/1984

Balsam für meine Seele – Mittwoch, 26/09/1984

Ein Schatz im Doppelpack – Donnerstag, 27/09/1984

Es ist zum Verrücktwerden – Freitag, 28/09/1984

Schlechte Arbeitsmoral – Samstag, 29/09/1984

Unerwartete Wendung – Sonntag, 30/09/1984

Mein Kontostand wächst – Montag, 01/10/1984

Dick eingepackt – Dienstag, 02/10/1984

Bissiger Wind – Mittwoch, 03/10/1984

Farbenfrohes Herbstwetter – Donnerstag, 04/10/1984

Nachtarbeit – Freitag, 05/10/1984

Samstagabend in London – Samstag, 06/10/1984

Ein langweiliger Sonntag – Sonntag, 07/10/1984

Thanksgiving-Day in Canada – Montag, 08/10/1984

Ungesunde äussere Einflüsse – Dienstag, 09/10/1984

Rattenfänger in Denfield – Mittwoch, 10/10/1984

Ein defekter Mähdrescher – Donnerstag, 11/10/1984

Ein entspannter Arbeitstag – Freitag, 12/10/1984

Überraschung aus der Schweiz – Samstag, 13/10/1984

Thedford und geteilte Sorgen – Sonntag, 14/10/1984

Reisevorbereitungen – Montag, 15/10/1984

Unerwarteter Besuch – Dienstag, 16/10/1984

Aggressive Sojabohnen – Mittwoch, 17/10/1984

Programmänderung – Donnerstag, 18/10/1984

Rückreisedatum ist bestätigt – Freitag, 19/10/1984

Discotime in London – Samstag, 20/10/1984

Ein müder Sonntag – Sonntag, 21/10/1984

Die letzte Woche – Montag, 22/10/1984

Ein letzter Brief – Dienstag, 23/10/1984

Heimliche Sehnsüchte – Mittwoch, 24/10/1984

Ein ruhiger Donnerstag – Donnerstag, 25/10/1984

Bin ich reich? – Freitag, 26/10/1984

Ein Jubeltag in Denfield – Samstag, 27/10/1984

Mein Wohntrailer ist sauber – Sonntag, 28/10/1984

Unrühmlicher Abschied – Montag, 29/10/1984

Anfangsschwierigkeiten – Dienstag, 30/10/1984

Niagara Falls – Buffalo – Mittwoch, 31/10/1984

Detroit – Sault St. Marie (USA) – Donnerstag, 01/11/1984

Sault St. Marie – Sudbury – Freitag, 02/11/1984

Ottawa, Ontario – Samstag, 03/11/1984

Sightseeing in Ottawa – Sonntag, 04/11/1984

Weiterreise nach Montreal – Montag, 05/11/1984

Sightseeing in Montreal – Dienstag, 06/11/1984

Montreal – Quebec – Mittwoch, 07/11/1984

Sightseeing in Quebec – Donnerstag, 08/11/1984

Familie Res von Gunten – Freitag, 09/11/1984

Viehtreiber in Williamsburg – Samstag, 10/11/1984

Zwischenhalt in Kingston – Sonntag, 11/11/1984

Zurück nach Toronto – Montag, 12/11/1984

Letzte Tage in Toronto – Dienstag, 13/11/1984

Abreisevorbereitungen – Mittwoch, 14/11/1984

Goodbye Canada – Donnerstag, 15/11/1984

Schlussbemerkungen

Glossarium

Vorwort

Die Aufzeichnungen in diesem Buch sind aus den handschriftlichen, täglichen Notizen während meines rund sechsmonatigen Studentenaustausches auf der Farm der «Karl Stumpf Limited» in Denfield, Ontario, Canada im Jahre 1984 entstanden. Eine autobiographische Reise nach Canada. Die Tagebucheintragungen halfen mir die vielen neuen Eindrücke, die interessanten Bekanntschaften, die kleineren und grösseren Ereignisse und Erlebnisse, meine täglichen Probleme, die schmerzlichen Sehnsüchte und vieles mehr zu verarbeiten. Zusätzlich dienten sie dazu meine damalige Verlobte und heutige Ehefrau über mein Leben auf der Getreidefarm in Canada auf dem Laufenden zu halten. Alle aufgeführten Personen sind mit ihren korrekten Namen aufgeführt.

Zusätzlich haben mir die Aufzeichnungen viele Erfahrungen und Kenntnisse für meinen weiteren persönlichen privaten wie auch beruflichen Lebensweg eröffnet. Für das Jahr 1984 hat schon George Orwell im Jahre 1949 mit seinem Buch «1984» Prognosen einer zukünftigen Welt, die erschreckend oder unvorstellbar sein werden sollte, niedergeschrieben. Weltuntergangsstimmung durch die totale Überwachung, staatlicher Kontrolle und gescheiterem Widerstand. Sind diese Prognosen ein gutes Omen für meinen Aufenthalt im Jahr 1984 in Canada? Weltuntergang und ich allein in einem fernen Land, getrennt von meiner Liebsten, kilometerweit entfernt von der geliebten Heimat in der kleinen Schweiz. Nun heute, rund vierzig Jahre später, kann ich sagen, dass die Welt nicht kollabiert ist und ich in den unendlichen kanadischen Weiten nicht verloren gegangen bin. Im Gegenteil, ich habe viel gelernt, neue Bekanntschaften geschlossen, viele neue Erfahrungen und Eindrücke gesammelt. Aber auch hart gearbeitet, in den Getreidesilos Staub geschluckt, intensiver, spritzmittelverseuchter Ackerbau hautnah erlebt.

Doch wo steht die Welt effektiv heute? Haben sich die Prognosen von George Orwell, wenn nicht im Jahr 1984, allenfalls in den letzten vierzig Jahren bestätigt? Werden sich die Prognosen später, vielleicht im Jahr 2084, bewahrheiten? Hat sich die Welt bis heute zum Guten verändert oder sind die scheinbar unlösbaren Schwierigkeiten, die globalen Probleme, die dubiosen Machenschaften grösser geworden? Sind unmögliches Machtgehabe, unerlässliche Gier, unvorstellbarer Neid,mörderische Ausbeutung natürlicher Ressourcen, globale Klima- und Umweltzerstörung und vieles mehr, immer noch von Aktualität und eine Bedrohung für die Menschheit? Ist der Mensch grundsätzlich fähig seine Einstellung zum Leben zu verändern?

Der Mensch als einzelnes Individuum ist, aus meiner persönlichen Sichtweise, weiterhin auf der Suche. Auf der Suche nach Frieden, Gerechtigkeit, Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, Bescheidenheit, Neidlosigkeit, Glückseligkeit, Akzeptanz und Respekt gegenüber den Mitmenschen.

Vieles trifft leider nach wie vor unablässig und zerstörerisch auf die Menschheit zu:

unerbittliche Kriegsherren und folgsam sterbende Soldaten;

machtgierige Diktatoren und geknebeltes Fussvolk;

gewaltsame Extremisten und untröstliche Opfer;

geldgierige Milliardäre und ausgebeutete Arme;

vollgefressene Elite und unsägliche Hungernde;

rasante Technologiefortschritte und zerstörerische Ausbeutungen;

internationale Globalisierung und individuelle Vereinsamung;

wahnwitzige Schönheitsoperationen und hohe Sterblichkeitsraten;

gewinnorientierte Grosskonzerne und gebeutelte Kleinanleger;

angenehmes Leben und mörderische Ressourcenausbeutung;

staatliche Überwachungen und bevormundete Bürger*innen;

purer Luxus und armutsgetriebener Überlebenskampf; und noch vieles mehr.

Will oder kann der Mensch sich ändern, ist er überhaupt fähig dazu? Ich bezweifle dies leider sehr:

Kriegsherren wollen ihre blutigen Schlachten nicht verlieren.

Diktatoren wollen auf keinen Fall ihre Macht abgeben.

Extremisten weichen keinen Millimeter von ihren Ansichten ab.

Milliardäre wollen noch mehr Geld anhäufen.

Vollgefressene wollen auf keinen Fall hungern.

Technologiefortschritte können nicht rückgängig gemacht werden.

Ohne Globalisierung, kein wirtschaftliches Wachstum.

Ohne Schönheitswahnsinnige, Rückschritt für die Pharmaindustrie.

Zurückhaltende Aktionäre, keine Investitionen und Innovationen.

Das angenehme Leben aufgeben, das sollen doch die anderen.

Ohne staatliche Überwachung, steigende Kriminalitätsraten.

Luxus aufgeben, einbrechende Bruttosozialprodukte.

Rückschritt bedeutet Niederlage! Wer will sich schon eine Niederlage, ein Versagen oder ein Scheitern eingestehen? Ein Teufelskreis dreht sich unaufhaltsam weiter. Ein Grossteil der Menschheit ist weder einsichtig noch lernfähig.

Mit meinen Aufzeichnungen möchte ich einen kleinen Beitrag für kleine, aber unabdingliche Veränderungen, die jeder Einzelne bei sich selbst anstossen kann, aufzeigen. Offen sein für Neues, Akzeptanz von anderen Kulturen und Lebensweisen, Respekt gegenüber den Mitmenschen, positives Denken, möglichst sparsamer Umgang mit natürlichen Ressourcen, Gerechtigkeit und eine angemessene Portion von Demut und Bescheidenheit im Leben und im Allgemeinen gegenüber den Menschen, der Natur und der Umwelt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Die Reise beginnt

Auf Wiedersehen Schweiz, welcome Canada!

Ja, dieser Freitag, 27. April 1984, der erste Tag meiner Reise nach Canada, verlief äusserst turbulent. Es ist jetzt 19:20 Uhr, Lokalzeit in New York und ich sitze schon in einem Flieger vom Typ DC10 der «American Airlines» nach Toronto.

Doch alles von Anfang an. Auf dem Weg nach Basel habe ich schon den ersten Luxembourg-Reisenden getroffen. Nämlich den Reto aus Chur, im Zug von Olten nach Basel. Im französischen Bahnhof von Basel, vor der Weiterfahrt zum Flughafen nach Luxembourg, hat Reto seinen Kumpel, Tommy, mit dem er drei Monate auf Amerika-Trip geht, gefunden. Tommy wiederum hat zwei andere jugendliche Reisende getroffen, nämlich Ralph und Monika, die zusammen rund ein halbes Jahr eine Weltreise unternehmen wollen. So sind wir zu fünft mit der Bahn von Basel nach Luxembourg gefahren. Natürlich habe ich anschliessend meine Zufallszugsbekanntschaften am Flughafen in Luxembourg aus den Augen verloren. Wo sie wohl alle hingereist sind? Was haben sie alles Neues entdeckt? Neue Bekanntschaften, fremde Kulturen, prägende und bleibende Erlebnisse? Auf jeden Fall wird sicher jeder Einzelne viele unvergessliche, eindrückliche und wertvolle Erfahrungen für die Zukunft erleben. Bekanntschaften fürs Leben schliessen. Aber allenfalls auch negative Ereignisse überstehen und verarbeiten müssen.

Angekommen am Flughafen in Luxembourg, verlief bis zum Check-In alles gut. Beim Check-In bin ich aber schon fast hängengeblieben. Ich habe kein Visum für die Einreise in die «United States of America». Ein Visum für die USA? Warum auch? Ich will nach Canada und nicht in die USA. Was ich aber nicht wusste, respektive während den Reisevorbereitungen nicht berücksichtigte, ist, dass der Flug von Luxembourg mit der Fluggesellschaft «Icelandair» am Flughafen «John F. Kennedy Airport» in New York landet. Vom Flughafen «John F. Kennedy Airport» müssen die Passagiere anschliessend, für den Weiterflug nach Toronto, zum Flughafen «LaGuardia Airport» verschieben. Das heisst, dass man sich zwischen den zwei Flughäfen selbstverständlich auf amerikanischem Boden befindet und somit ist ein Visum für die USA unerlässlich. Aber was soll’s. Schlussendlich habe ich den Check-In überstanden und war bereit für die weite Reise.

Nach einem feinen Steak mit Pommes Frites ging es zur Passkontrolle und durch den Sicherheits-Check. Kein Problem. Noch ein paar Minuten Wartezeit und danach begann das Boarding. Nach einer Flugzeit von rund drei Stunden setzte die Maschine am Flughafen von «Reykiavik Airport» in Island zur Zwischenlandung an. Viel von Island habe ich allerdings nicht gesehen. Das Flugzeug konnten, respektive durften wir ja sowieso nicht verlassen. Das Wetter, der Jahreszeit entsprechend, auch nicht wirklich einladend zum draussen verweilen oder für eine «Sightseeing»-Tour in Reykiavik. Nach dreiviertel Stunden hob das Fluggerät schon wieder ab in Richtung New York. Zirka fünf Stunden und fünfzehn Minuten später konnte ich schon die aussergewöhnlich faszinierende Skyline von New York City bestaunen. Eindrücklich allemal und immer wieder sehenswert. Insbesondere für einen unerfahrenen und nicht weit gereisten Jüngling aus dem Emmental. Nach der sicheren Landung auf dem «John F. Kennedy Airport» wurde der Passagier auf dem Sitz 37C von einer netten Stewardess über die Board-Lautsprecher aufgerufen und angesprochen. Es verging einige Zeit bis ich, mit meinen bescheidenen Englischkenntnissen, verstanden und realisiert habe, dass die Flugbegleiterin mich, auf «Seat» 37C sitzend, mit dem Aufruf angesprochen hat. Ich soll mich beim Verlassen des Flugzeuges beim Ausgang bei einer Flugbegleiterin melden. Dies habe ich schlussendlich, pflichtbewusst wie immer, getan.

Am Ausgang des Fluggerätes angekommen, schon die amerikanische Luft von draussen im Gesicht verspürend, hat mich eine Dame der Fluggesellschaft in Empfang genommen. Als erstes musste ich ihr meinen Pass übergeben. Zusammen sind wir anschliessend, aus heutiger Sicht in Rekordzeit, durch den Sicherheitscheck und zur Passkontrolle gekommen. Dort wurde ich in ein Büro der amerikanischen Einwanderungsbehörde begleitet, abgestellt und allein zurückgelassen. Auf dem Weg zu diesem Büro hat mir die Amerikanerin zu erklären versucht warum ich nicht, wie alle anderen Passagiere, nach der Passkontrolle amerikanischen Boden betreten darf. Ich habe die Aussagen und Erklärungen entgegengenommen, verstanden habe ich sie aber nur ansatzweise, wenn überhaupt. Heute, fast vierzig Jahre später, wäre ich niemals, unter gleichen Umständen wie damals, in ein Flugzeug nach New York gekommen. Wie sich doch die Zeiten geändert haben.

Auf alle Fälle durfte ich ohne Visum unter keinen Umständen allein amerikanischen Boden betreten. Zusätzlich hat mich die Dame der Einwanderungsbehörde informiert, dass ich noch heute Abend nach Toronto fliegen muss. Allein am Flughafen «John F. Kennedy Airport» in einem Büro der Einwanderungsbehörde und in etwa wissend, warum ich hier bin, wartete ich, etwas verunsichert, der Dinge, die da noch kommen sollten.

In der Zwischenzeit wurde mein ursprünglich geplanter Flug von New York nach Toronto auf den nächstmöglichen Flug umgebucht. Ich musste somit einen Moment warten. Nach rund einer halben Stunde war der Flug umgebucht und eine Abholperson von der Einwanderungsbehörde gefunden. Dieser Mann, so zu sagen ein persönlicher Bodyguard, hat mich sofort per Fahrzeug zum Flughafen «LaGuardia Airport» gefahren. Im wahrsten Sinne des Wortes, Taxidienst vom Feinsten. Sogar ohne Handschellen! Am Flughafen «LaGuardia Airport» angekommen, geniessen wir zusammen ein kühles Bierchen. Kurz darauf hat er mich, in Rekordzeit, ohne Sicherheitschecks und Passkontrolle, bis zum zugeteilten Sitzplatz ins Flugzeug begleitet, eine DC10 der «American Airlines». Meinen Pass habe ich schlussendlich ebenfalls wieder zurückerhalten, quasi in letzter Sekunde, direkt im Flugzeug, bereits auf dem Sitz angeschnallt und kurz vor Take-Off.

Kurz vor dem Abflug von New York nach Toronto. Es ist 19:20 Uhr. Ich sitze in der DC10 der «American Airlines». Was für ein Beginn der Reise. Was wird mich noch erwarten, wenn dies so weitergehen soll?

Von der Stadt New York City habe ich nicht viel gesehen. Dafür werde ich aber, im Prinzip reibungslos und quasi auf schnellstem Wege, von New York nach Toronto kommen. Ich muss die Nacht nicht in New York verbringen. Ein Hotelzimmer hatte ich sowieso nicht gebucht. Der Transfer vom Flughafen «John F. Kennedy Airport» zum Flughafen «LaGuardia Airport» war natürlich ebenfalls sehr gut organisiert und bezahlen musste ich für diese begleitete Fahrt keinen Cent. Wie hätte ich dies alles allein, ohne Hilfe der amerikanischen Einwanderungsbehörde, wohl auf die Reihe gebracht? Keine vorgängige Planung, keine Hotelzimmerreservation und zudem eingeschränkte Kommunikation in Englisch. So viel zum naiven und unerfahrenen Jüngling aus dem Schweizerland.

Ankunft und Landung am Flughafen in Toronto. Es ist jetzt zirka 21:30 Uhr. Durch den Sicherheitscheck und die Passkontrolle. Kein Problem und sogar ohne Begleitung einer Sicherheitsperson. Ich suche ein Schliessfach auf dem Flughafengelände, damit ich sogleich meine zwei grossen Gepäckstücke zwischenlagern und vor allem in Sicherheit bringen kann. Was soll ich jetzt tun? Das überlege ich mir lange. Die Hotels in Flughafennähe sind alle zu teuer. Dem Zentrum von Toronto einen Besuch abzustatten, macht auch nicht wirklich Sinn. Einerseits würde ich mich als Kleinstadt-Schweizer mit höchst bescheidenen Auslanderfahrungen in einer Grossstadt wie Toronto doch sehr unsicher fühlen und zudem ist es auch schon kurz vor 23:00 Uhr. Kein Plan, unerfahren, unsicher und mitten in der Nacht sind keine guten Vorzeichen, um eine Grossstadt zu erkunden. So lungere ich eine Zeitlang auf dem Flughafengelände von Toronto herum, von einem Ende zum anderen und dann nochmals ein paar Mal hin und zurück. Endlich wird es auf dem Flughafengelände etwas ruhiger. Das emsige Treiben nimmt ab. Reisende, Angehörige und auch Flughafenangestellte sind abgeflogen, nach Hause gefahren oder haben Feierabend. Nach langem Zögern lege ich mich auf ein paar Stühle. Irgendwie hat mich eine unscheinbare Müdigkeit beschlichen. So langsam schmerzen auch die Füsse und Beine. Stundenlang hin und her schlendern, ohne Plan und Ziel, vertragen allenfalls nur fürs Shopping trainierte menschliche Fortbewegungsmittel, sprich Beine und Füsse. Ich bin zum Glück nicht der einzig Gestrandete, der irgendwie und irgendwo die Nacht am Flughafen zu verbringen versucht. Trotzdem habe ich ab und zu, nach meinem Gefühl zwar nur kurz, ein Auge zugemacht und scheinbar zwischendurch geschlafen. Ein richtiges Schlafen, mit Pyjama, in einem weichen und warmen Bett und ohne Angstzustände, ich könnte ja ausgeraubt und niedergestochen werden, fühlt sich doch anders an.

Ankunft in Denfield – Samstag, 28/04/1984

Fünf Uhr morgens am Flughafen in Toronto. Effektiv nicht ausgeschlafen und sowieso nicht frisch geduscht. Dafür einigermassen wach, nicht ausgeraubt und schon gar nicht niedergestochen. Ein neuer Tag beginnt. Das Abenteuer kann weitergehen. So langsam kommt wieder Betrieb auf das Flughafengelände. Leute mit und ohne Gepäck hasten von da nach dort und von dort nach hier. Ich muss meine Wartezeit ebenfalls über die Runden bringen. Laufe, nein schlendere, durch das Flughafengelände von einem Ende zum andern oder sitze gelangweilt und wartend auf bessere Zeiten herum. Zwischendurch eine Tasse Kaffee und ein kleines Frühstück zur Stärkung.

Irgendwann frage ich nach dem Standort des Informationsbüros der «AirCanada». Ich möchte mein Ticket für den Flug von Toronto nach London, Ontario, zurückgeben. Dieser Flug ist für Samstagnachmittag um 14:15 Uhr gebucht. Wenn ich das Ticket zurückgeben kann, könnte ich anschliessend mit dem nächstmöglichen «Greyhound»-Bus von Toronto nach London fahren. Die Wartezeit am Flughafen würde sich somit erheblich um ein paar Stunden verkürzen.

Leider ist eine Ticketrückgabe nicht möglich. Glücklicherweise kann ich aber den Flug auf 11:00 Uhr vorverschieben. Ich muss jetzt aber den Terminal wechseln. Mit dem Taxi kostet dies glatte fünf kanadische Dollar. Natürlich muss ich diesen Betrag nun selbst zahlen. Das war doch in New York noch anders. Vor dem Abflug ein kurzes Telefon mit Herrn Karl Stumpf (verstorben im Jahr 2008). Er kann mich kurz vor Mittag am Flughafen in London, Ontario, abholen. Mein Ziel kommt näher. Denfield, Ontario in Canada ist in Griffnähe.

Nach der Landung in London erwartet mich Herr Stumpf auch schon vor Ort, um mich in Empfang zu nehmen. Händeschütteln und freundliche Begrüssung, natürlich in Deutsch. Kurze Zeit später erreichen wir bereits, die vom Flughafen London rund zwanzig Kilometer entfernte Stumpf Farm, etwas ausserhalb der kleinen Ortschaft Denfield gelegen. Zeitlich genau richtig zum Mittagessen. Gelegenheit, um einen Teil der Familie Stumpf und ihre Angestellten kennenzulernen.

Die Söhne Charles «Charly» (25 Jahre alt – verstorben im Jahr 2010) und Michael «Mike» (24-jährig) sowie die jüngste Tochter Krista (19-jährig). Der dänische Angestellte Arne (26-jährig) und sein Bruder Helge, welcher aktuell drei Monate bei seinem Bruder auf Besuch ist und während dieser Zeit fleissig auf der Farm arbeitet. Sein grosser Bruder Arne wird im Juli hier in Canada heiraten. Zu guter Letzt noch das Au-Pair Evi-Kornelia Gruber aus Deutschland. Evi ist meines Wissens vor rund drei Wochen hier auf der Farm angekommen und arbeitet grösstenteils im Haushalt und in der Küche der Familie Stumpf. Die Chefin, Frau Irmgard Stumpf, kann ich nicht persönlich begrüssen. Sie ist mit jemanden zum Flughafen in Toronto gefahren und besucht bei dieser Gelegenheit ihre älteste Tochter, Yvonne, in Toronto. Zudem wollte sie anschliessend, auf der Rückfahrt von Toronto, mich vom Flughafen in London abholen. Aber eben, ersten kommt es anders als man zweitens denkt.

Auf der Farm, etwas abseits vom Hauptwohngebäude der Familie Stumpf, stehen zwei fix installierte Wohntrailer. Arne, der dänische Angestellte wohnt in einem der beiden Trailer. Der zweite wäre eigentlich für mich reserviert. Aktuell muss ich aber den Trailer mit Helge, Bruder von Arne, teilen. Ich kann mein Zimmer im Trailer nach dem Mittagessen schon beziehen. Luxus sind die Zimmer im Trailer nicht. Trotz der Enge ist sonst grundsätzlich alles vorhanden. Kleines Wohnzimmer, Bad und Dusche und eine kleine Küche mit Kochgelegenheit und Kühlschrank.

Auch das Gelände der Farm habe ich mir schon ein wenig angeschaut und begutachtet. Doch davon ein anderes Mal mehr. Im Moment fühle ich mich einsam, alleingelassen und irgendwie traurig. Nervenaufreibende Reisestrapazen, fremde Umgebung und neue, unbekannte Leute. Am liebsten würde ich sogleich wieder zurück in die Schweiz fliegen.

Die Söhne sind mit Arne und Helge auf irgendeine Farm gefahren. Ich fühle mich aber viel zu müde, um irgendetwas zu unternehmen. Ich gehe jetzt ins Bett und versuche so lange wie möglich zu schlafen. Dann wird die Welt hier in Canada, am anderen Morgen, hoffentlich schon wieder viel besser aussehen.

Kennenlernen – Sonntag, 29/04/1984

Effektiv kann ich am Sonntag bis um zirka 09:00 Uhr morgens ausschlafen. Meine rechte Hüfte schmerzt allerdings wieder ein wenig, wie schon vor ein paar Wochen an Ostern in der Lenk. Kein Wunder, langes und enges Sitzen im Flugzeug, lange Wartezeiten am Flughafen in Toronto, schlafen auf nicht wirklich ergonomischen Sitzen auf dem Flughafengelände und dann das erste Mal in einem fremden Bett geschlafen. Trotzdem, scheinbar wie ein Murmeltier geschlafen und doch erstaunlicherweise gut erholt, beginnt der neue Tag und ich somit bereit für das Farmleben auf der Getreidefarm der Familie Karl Stumpf Limited in Denfield, Ontario, Canada.

Mit Charly fahren wir auf ein riesiges Ackerfeld in der Nähe. Dort angekommen, kann ich auch schon zum ersten Mal in Canada einen Traktor fahren. Es ist aber nicht ein wirklich grosses Gefährt, vollklimatisiert und mit einer Stereoanlage ausgestattet ist er ebenfalls nicht. Aber immerhin Traktorfahren. Arne hat diesen Acker geeggt und am Nachmittag wollen sie die Saat austragen. Sojabohnen oder Mais, glaube ich. Das Mittagessen, Eintopf und Dessert, bekommen wir im Esszimmer der Familie Stumpf serviert. Der Eintopf, was immer auch alles drinnen ist, schmeckt hervorragend und mundet sehr lecker.

Nach dem Mittagessen geht es in die Werkstatt. Hier muss ich schon etwas reparieren. Wobei reparieren etwas zu viel gesagt ist. Ich kann die Elektrohacke nach mehrmaligen Versuchen nämlich ohne grossen Reparaturaufwand zum Laufen bringen. Die Hacke wird zum Auflockern von Erde im Garten gebraucht. Ansonsten muss ich den kleinen Rasenmäh-Traktor reinigen und Batteriewasser nachfüllen. Krista muss anschliessend mit dem «Kubota»-Traktor den Rasen mähen. Dieser Miniatur-Traktor zum Aufsitzen ist zum Rasenmähen der riesigen Grünflächen auf der Stumpf-Farm äusserst ideal. Für meine zugeteilten Arbeiten benötige ich noch etwas länger Zeit, bis diese erledigt sind. Zuerst muss ich die Werkstatt richtig kennenlernen und wissen welche Werkzeuge vorhanden sind und wo sich diese befinden. Dies wird aber nur eine Frage der Zeit sein, bis ich mich in ein paar Tagen so richtig eingelebt habe. Mittlerweilen ist es schon 19:45 Uhr. Arne meint, dass um 20:00 Uhr ein sehenswerter Film im Fernsehen über den Äther läuft. Wir schauen also zu dritt, Arne, sein Bruder und ich im Trailer fern. Richtig verstehen kann ich aber den Film nicht wirklich. Meine Englischkenntnisse sind zu bescheiden und irgendwie sprechen diese Amerikaner so schnell und verschlingen die Worte in einer effektiv typischen kaugummikauenden Art. Auf jeden Fall von einem korrekten Schulenglisch mit entsprechender Aussprache weit entfernt. Vor dem Schlafen gehen muss ich meine Uhr um eine Stunde vorstellen. Hier beginnt nämlich ab diesem Sonntag die kanadische Sommerzeit.

Zum Glück hatte ich keine Albträume. Die Sendung, respektive die Serie, die wir uns am Sonntagabend angeschaut haben, hiess Knight-Rider. Grundsätzlich eine Art Krimi, welche auch bei uns in der Schweiz eine Zeit lang ganz oben auf der Hitliste gestanden ist.

Das Farmleben beginnt – Montag, 30/04/1984

Heute Morgen weckt mich ein äusserst heftiger Wind, der um die Ecken des Trailers fegt und pfeift. Dieser bissige Wind soll uns den ganzen Tag lang begleiten. Durch Mark und Bein. Gemäss Aussage von Arne soll dies ein Tornado sein oder mehrere. Was ich jetzt am Morgen noch nicht weiss, ist die Tatsache, dass in den Abend-News im Fernsehen effektiv von erheblichen Verwüstungen in der Region London und Umgebung, verursacht durch mehrere Tornados, berichtet wird.

Trotz starken Winden wird auf der Farm gearbeitet. Ich fahre am Nachmittag mit einem Traktor, «Truck», auf einen nahen gelegenen Acker. Die Dimensionen der Äcker und Felder in Canada sind schon eindrücklich gross und natürlich nicht im Geringsten vergleichbar mit den Grünflächen und Wiesen in der kleinen Schweiz. Äcker, Felder und Wiesen, riesige Flächen und unendliche Weiten soweit das Auge reicht. Keine bewaldeten Hügel und schon gar keine weiss verschneiten Berge in Sicht.

Die Brüder Charly und Mike sitzen praktisch den ganzen Tag in ihren vollklimatisierten und beheizbaren Traktorführerkabinen und eggen mit diesen riesigen Gefährten die Ackererde. Arne fährt mit der Sämaschine und bringt Maissaatgut in die Erde. Die Sämaschine ist ebenfalls von stattlicher Grösse. Ich schätze die Gesamtbreite auf rund neun bis zehn Meter.

Helge und ich fahren abwechslungsweise mit einem kleineren Traktor mit vorgebauter Schaufel und offener Kabine im Schritttempo über einen frisch geeggten Acker. Derjenige, welcher nicht fährt, läuft neben der Traktorschaufel und muss unzählige, grössere und freiliegende Steine auflesen und in die Schaufel werfen. Sklavenarbeit ist nicht so weit hergeholt. Oder ist es schon Straflager? Zwei Nobodys, Helge und ich, am Steine auflesen, auf einem nicht enden wollenden, riesigen Ackerfeld. Der starke Wind bläst dir überall hin. Haare und Augen, ja das ganze Gesicht, sind voll von feiner, durch die starken Böen aufgewirbelter, sandiger Erde. Sobald die Traktorschaufel voll mit Steinen beladen ist, werden diese am Rande des Feldes ausgekippt und zwischengelagert bevor sie schlussendlich irgendwann definitiv abtransportiert werden. Schon kommen die ersten Fragen. Was mache ich hier? Warum bin ich hier?

Na ja, mit ein Grund für meinen Aufenthalt hier in Canada ist sicher das Erlernen der englischen Sprache. Dieses ehrgeizige Ziel erscheint mir aktuell ausser Reichweite und bei weitem nicht erreicht. Ich habe sehr grosse Mühe mit der englischen Sprache. Ich verstehe die knappen Anweisungen und fachlichen Instruktionen der Farm-Jungs sehr schlecht, wenn überhaupt, und zum Teil müssen die armen Kerle ihre Aussagen bis zu dreimal wiederholen, bis ich schlussendlich einigermassen kapiert habe, was von mir verlangt wird. Das braucht Nerven wie Drahtseile und diese sind nicht bei jedem gleich stark. Ich selbst komme mir zwischendurch wie ein kleiner Depp vor, der nichts versteht und nichts kann. Kommt noch dazu, dass ich ja auch nicht wirklich was sagen, respektive mich einigermassen korrekt ausdrücken kann. Sprechen in Englisch ist aktuell noch schlechter als verstehen beim Zuhören oder beim Entgegennehmen von Befehlen. Der dafür notwendige Wörterschatz muss zuerst in mein Hirn aufgenommen und gespeichert werden. Also korrekt nachfragen, um die Anweisungen wirklich richtig zu verstehen, damit die Arbeiten dann richtig erledigt werden können, ist leider nicht möglich. Es braucht viel Geduld und etwas Zeit. Gut Ding will Weile haben. Ich denke, dass das mit dem Verstehen und Sprechen in Englisch schon kommen wird. Ich habe aber aktuell die Vorstellung und das Gefühl, dass ich grundsätzlich bereits alles verstehen und schon fliessend in Englisch sprechen müsste. Im Kopf ist es immer einfacher als in der Realität. Ich werde aber noch ein paar Wochen hier in Canada verweilen und gehe davon aus, dass meine Englischkenntnisse deshalb von Tag zu Tag besser werden.

Dieser windige Montag neigt sich dem Ende zu. Die «Sklavenarbeit» für heute beendet. Frisch geduscht, Hörmuscheln und Augenhöhlen befreit vom Sand und Staub. Nach dem Nachtessen geht es direkt ins Bett zur wohlverdienten Nachtruhe.

Tag der Arbeit – Dienstag, 01/05/1984

Grundsätzlich für die Arbeiterschaft ein Feiertag, respektive ein freier Tag ohne Arbeit. Habe ich mir jedenfalls so gedacht und vorgestellt. In Europa und der Schweiz vielleicht. Nicht aber auf der Stumpf-Farm in Denfield, Ontario. Nach dem Morgenessen geht es direkt in die Lagerhalle auf der Farm. Ich lade, gefühlt tonnenweise, schwere Säcke mit Mais- oder Sojabohnen-Saatgut und Behälter mit Chemikalien um, auf und ab. Die «Karl Stumpf Limited» ist eine grosse Getreidefarm, welche hauptsächlich Mais, Sojabohnen, Weizen und Raps anpflanzt. Nach der Ernte werden die Maiskörner und die Sojabohnen in grossen Silos auf der Farm als Saatgut oder Tierfutter zwischengelagert. Auch kleinere Farmer in der näheren Umgebung verkaufen ihre Ernte der Firma «Karl Stumpf Limited» und transportieren ihre Ware zur Stumpf-Farm. Die Silos zur Zwischenlagerung werden immer voller. Später wird ein Teil des Saatgutes in Säcke abgefüllt und für den Verkauf in einer grossen Halle auf der Farm zwischengelagert.

Jetzt, im Frühjahr, wird das Saatgut an die umliegenden Farmer verkauft, damit diese ihre Felder wieder bepflanzen können. Im Herbst soll dann eine möglichst ertragsreiche Ernte eingefahren und ein möglichst hoher Verdienst erwirtschaftet werden.

Das Handling der rund fünfzig Kilogramm schweren Säcke mit Maisund Sojabohnen-Saatgut ist anstrengend. Für jemanden wie mich, der nicht wirklich einen durchtrainierten Oberkörper zur Schau stellen kann, ist diese Arbeit extrem. In Wirklichkeit braucht man eine gewisse Technik beim Hantieren der Säcke, um diese möglichst kraftsparend von einem Ort zum anderen zu bewegen. Diese Technik hat der unerfahrene Schweizer, von Beruf Maschinenmechaniker mit einem abgeschlossenen HTL-Studium in Maschinenbau, noch bei Weitem nicht. Also muss ich mein Technikmanko durch mehr Kraft als notwendig aufwenden. Schwitzen und Muskelkater am Folgetag sind garantiert. Wenigstens muss ich am Abend nicht mehr ins Fitnessstudio, um meine Oberarmmuskeln zu stählen. Zum Glück kann ich nach der Schwerstarbeit eine Maschine und einen Rasenmäher reinigen. Das Abspritzen dieser Gerätschaft mit einem Wasserschlauch fühlt sich bei weitem viel angenehmer an, als sich mit den unhandlichen 50kg-Säcke herumzuschlagen und abzukämpfen.

Am späteren Nachmittag fahren wir nochmals auf einen Acker, auf dem wir wieder mit dem kleinen Schaufeltraktor Steine auflesen müssen. Heute weht wenigsten kein so extremer Wind, der durch Mark und Bein fährt. Das Wetter ist dennoch garstig. Leichter Schneefall und saukalt. Aber auch das Steine Auflesen ist heute nicht ohne. Zum Teil sind es grosse, schwere und unhandliche Brocken und einige «Steinchen» müssen wir sogar zu zweit in die Schaufel heben. Die Stumpf-Brüder sind mit Eggen der Ackerflächen beschäftigt. Natürlich in der geschlossenen und vollklimatisierten Traktorführerkabine. Heute allerdings im Modus Heizen und nicht Kühlen. Arne fährt mit der Sämaschine seine Runden und bringt den Saatgut-Mais unter die Erde.

Nach der Rückkehr auf die Farm lerne ich die zukünftige Frau von Arne kennen. Joanne mit Namen. Arne wird Joanne am 07. Juli 1984 hier in Canada heiraten. Joanne arbeitet als Krankenschwester in einem Krankenhaus in London, Ontario.

Offiziellen Feierabend gibt es um 20:45 Uhr. Nach der wohlverdienten Dusche liege ich jetzt im Bett und schreibe ein paar Zeilen in mein Tagebuch. Irgendwann gehen mir die Gedanken aus und die Ereignisse des Tages sind fein säuberlich in blau auf weissem Papier hinterlegt. Gute Nacht und bis Morgen.

Am Morgen und am Abend essen Arne, Helge und ich normalerweise gemeinsam im Trailer. Der Einkauf der notwendigen Lebensmittel wird aktuell von Arne organisiert. Ich beteilige mich an den entsprechenden Kosten. Das Mittagessen können wir jeweils zusammen mit der Familie Stumpf und den Haushalthilfen einnehmen. Für die finanziellen Auslagen für das Morgen- und Abendessen bezahlt mir die Familie Stumpf ein paar extra kanadische Dollar. Für meinen sechsmonatigen Aufenthalt auf der Farm ist nämlich Kost und Logis voll inbegriffen. Zudem wird ein zusätzliches Taschengeld bezahlt.

Unser Morgenessen besteht meistens aus Kaffee, Vollkornbrot oder Toastbrot, Spiegeleiern, Butter, Cornflakes, Haferflocken und so weiter. Allerdings schmecken die meisten Vollkornbrote hier, insbesondere für meinen Geschmack, komisch. Wobei «komisch» individuelle Ansichtsund Geschmackssache ist. Kümmel durchzogenes Brot trifft nicht jedermanns Geschmack. Ich jedenfalls kann diesen kümmelverseuchten Vollkornbroten nicht viel abgewinnen. Ich sollte es eigentlich unterdessen wissen, aber bis jetzt bin ich schon dreimal reingefallen. Musste danach das Kümmelbrot wohl oder übel langsam kauend und immer wieder mit einer Flüssigkeit, entweder Kaffee oder Wasser, hinunterwürgen. Zum Glück ist das normale Toastbrot nicht auch mit Kümmel durchzogen und schmeckt aus dem Toaster gerostet ausgezeichnet.

Gartenarbeiten – Mittwoch, 02/05/1984

Heute, Wochenmitte, ist es meistens sehr sonnig, praktisch windstill aber dennoch verdammt kalt. Nur ab und zu ziehen ein paar harmlose Wolken ihre Kreise, weit oben in der Atmosphäre. Ich bin heute bei Frau Stumpf für diverse Gartenprojekte und -arbeiten eingeteilt. Am äusseren Ende des Gartens, auf Seite der Strasse, fliesst ein kleines, ruhiges Bächlein. Der Garten rund um das Haupthaus, der Schwimmhalle und dem Tennisplatz sieht mit den riesigen und gepflegten Grünflächen, den verschiedenen Sträuchern und Hecken sowie den doch recht grossen Bäumen schön, schon fast bilderbuchmässig, aus. Wirklich ein äusserst idyllischer Platz auf Erden, also wenigstens in Denfield, Ontario, Canada. Ich muss mir also grosse Mühe geben, damit ich diesen gut unterhaltenen und gepflegten Flecken auf Erden nicht mit meinen Arbeiten zerstöre. Ich bin kein ausgebildeter und erfahrener Gärtner. Einen grünen Daumen finde ich weder an der linken noch an der rechten Hand. Aber es wird schon gut kommen. Frau Stumpf, in Feldweibel-Manier, erteilt mir, bis fast ins letzte Detail, die notwendigen Anweisungen und legt mir ausführlich ihre Ideen und Vorstellungen der zu erledigende Projekte dar.

Ausgerüstet mit Pickel und Schaufel grabe ich insgesamt dreiundzwanzig Löcher in die Erde, entlang des kleinen Rinnsals, respektive des kleinen Bächleins am Rande der riesigen Grünfläche. In die offenen Erdöffnungen setze ich je eine kleine, junge Pappel in den Boden. Die Wurzeln werden sofort mit der ausgehobenen Erde bedeckt und die lose Erde von Hand um den kleinen und zerbrechlich aussehenden Stamm der Jungpappel gedrückt. Die Abstände zwischen den frisch gepflanzten Pappeln stimmen exakt und entsprechen in der Weise den Vorgaben von Frau Irmgard Stumpf. Gut gemacht Hans! Am Schluss gibt es für jedes, neu zum Leben und Wachsen bestimmte Bäumchen, natürlich eine genügende Portion Wasser aus dem Gartenschlauch. Für mich, Gott sei Dank, wieder eine Arbeit ohne zu grosse Anstrengung. Jetzt kann ich nur hoffen, dass die jungen Pappeln wie gewünscht gedeihen, irgendeinmal kühlen Schatten spenden und die schnurgerade Baumallee zukünftig von vielen Besuchern der Stumpf-Farm bestaunt werden können – «Made by a Swiss Boy»! Fünf Tage in Canada und schon ein Zeichen für die Zukunft gesetzt.

Vor dem Feierabend muss ich, auf einer zirka zehn Kilometer entfernten Farm, einen Gabelstapler holen und nach Gebrauch wieder zurückbringen. Frau Stumpf fährt mich mit ihrem Auto zur besagten Farm. Solche Arbeiten sind für mich sehr willkommen. Geringe körperliche Anstrengung, sitzend und über die unendlichen Weiten von Canada fahrend. So endet dieser Mittwoch, nach getaner, anstrengender Gartenarbeit, doch noch einigermassen relaxed.

Erste soziale Kontakte – Donnerstag, 03/05/1984

Ein neuer Tag beginnt. Nochmals unter der Obhut von Frau Stumpf. Das heisst, Gartenarbeit und frische Luft den ganzen Tag lang. Mit einer Bodenfräse die Erde auflockern, einem kleinen Traktor der Marke «KUBOTA» die aufgelockerte Erde aus ebnen und schlussendlich neuer Rasen säen. Ob aus den Rasensamen allerdings jemals ein gleichmässig grüner Rasenteppich wird, kann ich mir aktuell nicht so gut vorstellen. Momentan habe ich den Eindruck, dass sämtliche Samenkörner von den zahlreich herumschwirrenden Vögeln aufgepickt werden. Wir lassen uns überraschen. Nach dem Säen sind die heruntergefallenen Äste an der Reihe, ganze drei Schubkarren habe ich gefüllt. Äste auflesen, in die Schubkarre und ab auf den Recyclinghaufen. Dieses Gärtnerleben ist grundsätzlich interessant, allerdings auch ziemlich anstrengend, um nicht zu sagen mühsam.

Nach der Arbeit hat mich Frau Stumpf zu einem Konzert eingeladen. Ihre Tochter, Krista, die im Herbst das Abitur abschliesst, singt in so einem Chor mit. Und genau zu diesem Konzert des Chores will mich meine Chefin mitnehmen. In der Hoffnung, dass das Chorkonzert einen nicht allzu christlichen Einschlag hat oder so ähnlich, habe ich zugesagt. Auf jeden Fall komme ich somit ein wenig weg von der Farm und habe die Gelegenheit ebenfalls andere Leute zu treffen und kennen zu lernen. Es ist jetzt 22:00 Uhr und ich bin zurück vom Konzert und liege, bereit zum Einschlafen, in meinem Bett im Trailer auf der Stumpf-Farm. Das Konzert war nett. Ein Schülerchor und eine Schülerband haben ein paar Stücke vorgetragen. Anschliessend gab es Kaffee und Donuts. Diese Donuts, von irgendeiner Mutter selbst gebacken, hatten die Form von grösseren Baumnüssen. Geschmacklich hervorragend. Ein anstrengender Tag mit einem süssen Abschluss neigt sich dem Ende zu. Gute Nacht und bis Morgen.

Erster Brief aus der Schweiz – Freitag, 04/05/1984

Neuer Tag, neue Erlebnisse. Ich fahre mit Frau Stumpf nach London, Ontario. Ein Freund der Familie Stumpf, Herr Ritter hat uns eingeladen. Herr Ritter ist Lehrer an der «Saunders School» in London. Die Schule feiert ihr 200-jähriges Bestehen. Wir kommen dadurch in den Genuss eines Tonbildvortrages über die Region Ontario und natürlich über die geschichtlichen Hintergründe der «Saunders School». Nach diesem interessanten geschichtlichen Rundgang wird das Schulorchester geehrt. Das personell gut bestückte Orchester errang an einem Musikfestival eine Auszeichnung für ihr musikalisches Wirken und hat sich die glanzvolle Ehrung mehr als verdient.

Herr Ritter nimmt sich die Zeit für einen individuellen Rundgang und führt uns durch das Gebäude und die Räumlichkeiten der «Saunders School». Im gesamten Gebäudekomplex befinden sich keine Fenster. Sämtliche Räume sind voll klimatisiert. Zu den aktuell hohen Energiepreisen ein kompletter Unsinn. Die Schule verzeichnet einen Bestand von insgesamt rund 1‘900 Schüler und Schülerinnen. Diese werden von Hundert und zwanzig Lehrkräften unterrichtet. Grundsätzlich ist die Schule sehr gut eingerichtet. Es stehen viele handwerkliche Möglichkeiten, welche von der Schule angeboten werden, zur Verfügung der Schülerschaft. Holzbearbeitungen in der eigenen Schreinerei und Metallbearbeitungen mit entsprechenden Werkstattmaschinen. Holzspäne können fliegen, Metalle gesägt, zusammengeschweisst, gebohrt und verschraubt werden. Herr Ritter macht aber dennoch einen ziemlich frustrierten und demotivierten Eindruck. Seine Schüler schätzen die vielen handwerklichen Möglichkeiten, welche die «Saunders School» anbietet, nicht wirklich. Sind die Kinder zu verwöhnt oder können die Lehrkräfte die jungen Leute nicht wirklich zum Mitwirken motivieren? Ich bin mir da nicht sicher, wo die Wahrheit liegt.

Nach der Besichtigung der Schule und den interessanten Ausführungen von Herrn Ritter fahren wir zu einem grossen Shoppingcenter in der Nähe der «Saunders School». Hier kann man alles kaufen. Lebensmittel, Kleider, Möbel und es gibt natürlich auch Fast Food – Burger King, Tim Horten Donuts und so weiter. Nach dem Schlaraffenland besuchen wir einen Freund der Familie Stumpf, den Alvin. Er wohnt in einer 2-Zimmerwohnung, ganz in der Nähe der «Saunders School». Alvin hat uns einen Einblick in seine Blockwohnung gewährt. Ich muss schon sagen, ganz praktisch gebaut, Wohn- und Esszimmer, Küche, Schlafzimmer und Bad. Die monatliche Miete im Betrag von zweihundert und achtzig kanadischen Dollar ist ebenfalls erschwinglich. Zentrale Lage, öffentlicher Verkehr in unmittelbarer Nähe und natürlich alles inklusive. Zurück auf der Stumpf-Farm, zurück auf dem Lande, gehen für mich die Gartenarbeiten unter strenger Aufsicht von Frau Stumpf weiter.

Der grösste Aufsteller des Tages ist aber ein Brief «by Air-Mail» meiner lieben Doris aus der Schweiz. Abgestempelt in Burgdorf am 26.04.1984. Den Brief lese ich vor dem Schlafengehen und kann danach hoffentlich tief schlafen und süss träumen. Bis zum Schlafengehen verbleibt aber etwas Zeit. Die Zeilen aus Alchenflüh sind höchst erfreuliche Aufsteller.

«Mein lieber «Schätzu»,                             25.04.1984

so wie Du hier fort bist von unserem Daheim, auf der ganzen Reise bis Du wieder bei mir bist und ich Dich wieder fest umarmen, lieben und küssen darf, werden mein Herz und alle meine Gedanken immer bei Dir sein.

Für Deine ersten Tage in Denfield viel Angenehmes, Mut und Kraft.

Mit vielen Küsschen auf

Deinen zarten Mund grüsst

Dich Dein Dösi»

Nachtleben in London – Samstag, 05/05/1984

Geschlafen habe ich sehr gut. An meine Träume kann ich mich heute Morgen leider nicht mehr erinnern. Ausgeruht und frisch geduscht, beginnt dieser Samstag mit dem Frühstück im Trailer. Heute werde ich den ganzen Tag wieder im Garten arbeiten. So eine riesige Gartenanlage, nein was sage ich da, eine majestätische Parkanlage, muss gepflegt, gehegt, optimiert, verschönert und unterhalten werden. Ein Fass ohne Boden. Auf jeden Fall ist für mich der Arbeitstag am Nachmittag um zirka 15:00 Uhr zu Ende. Eine wohlverdiente Dusche, ein Bierchen und etwas relaxen. Das Leben auf der Farm kann auch schön und entspannend sein.

Am Abend geniessen wir den Ausgang in London. Arne, sein Bruder Helge und Arnes zukünftige Frau, Joanne, sind schon am Nachmittag nach London gefahren. Charly, Mike und ich fahren am frühen Abend ebenfalls ins Stadtzentrum. Wir treffen die anderen so gegen 22:00 Uhr im «Bumper’s». Ein Tanzlokal in London, Livemusik, weitum bekannt, gut besucht, reichlich Vorrat an Bier und dies ohne Eintrittsgebühren. Leider sind aber alle Sitzplätze besetzt und nur rumstehen wollen wir nicht den ganzen Abend. Darum besuchen wir alle, Arne, Joanne, Helge, Yvonne (eine Freundin von Joanne), Charly, Mike und ich, noch zwei Hotel-Dancings in der näheren Umgebung. Allerdings ist die Musik in diesen Dancings nicht jedermanns Sache. Über laut dröhnende Disco-Musik kann man ja offensichtlich geteilter Meinung sein. Für mich ist die Musik in den Dancings eindeutig zu laut. Im «Bumper’s» ist das musikalische Angebot interessanter und von angenehmer Lautstärke. Eine 5-Mann Band spielt als Livemusik diverse Coversongs. Diese Lokalität muss ich mir merken. Ich werde sicher nochmals ein paarmal vorbeikommen. Zwischenzeitlich ist es schon 02:00 Uhr morgens früh. Also schon Sonntagmorgen. Wir sind zurück auf der Farm und ich liege, bereit zum Einschlafen, in meinem Bett im Trailer. Irgendwie noch etwas aufgedreht. Ist es die Müdigkeit oder sind es die vier kleinen Bierchen oder doch am Schluss das Gläschen Scotch? Mein Kopf muss das Erlebte verarbeiten. Schon eine Woche in einem völlig fremden Land. Schnellbleiche als Gärtner mit, trotz wenig praktischer und theoretischer Erfahrung, schon beachtlichen Erfolgen. Samstagabend im Ausgang in London. Im Vergleich zu den kleinen Städten und Dörfern in der Schweiz, doch schon eine ziemlich grosse Stadt. Nach einer gefühlten halben Stunde schaltet mein Gehirn aus. Also nicht komplett aus. Meine Gedanken versinken im Schlaf und mein Körper versinkt mit den Gedanken.

Die zweite Woche – Sonntag, 06/05/1984

Gut ausgeschlafen, körperlich erholt und ganz ohne Brummschädel, erblicke ich an diesem Sonntag das Tageslicht so gegen 10:00 Uhr am Morgen. Spiegeleier und Toast mit Ketchup zum Frühstück. Vor dem Mittagessen ist die erste Tennisstunde mit Frau Stumpf angesagt. Sie wird mir ein paar Grundlagen über das Tennisspielen beibringen. Tennis wird auf der Stumpf-Farm regelmässig gespielt. Insbesondere Herr und Frau Stumpf spielen oft mit Freunden zu viert. Ja, auf dem Gelände der Farm gibt es einen eigenen Tennis-Sandplatz und eine gedeckte Schwimmhalle. Für den sportlichen Ausgleich kann ich diese Einrichtungen ebenfalls benutzen. Bis zum Mittagessen spiele ich zirka eine halbe Stunde allein Tennis. Ich versuche es jedenfalls so gut es eben schon geht. Ich kann mich mit dem Schläger und dem Ballgefühl vertraut machen. Bälle sind genügend vorhanden. Ich spiele die Bälle gegen eine Trainingswand und versuche, die von der Wand zurückgespielten Bälle wieder auf die Wand zu spielen. Tönt einfach. Aber mit meinem Ehrgeiz komme ich doch reichlich ins Schwitzen. Nach dem Essen geht es nochmals auf den Tennisplatz und ich messe mich nochmals zirka eine Stunde mit der Trainingswand. Jetzt reicht es aber! Die Frühlingssonne scheint und erwärmt den Vorplatz des Trailers. Ich sitze sodann auf einem Stuhl vor dem Trailer und geniesse das Nichtstun und die wärmenden Sonnenstrahlen. Ab und zu konzentriere ich mich auf das Englischwörterbuch und versuche meinen Englisch-Wörterschatz zu erweitern. Das Tennisspielen, das Sonnenbaden und das Englischlernen ruft bei mir eine gewisse Müdigkeit auf den Plan. Ich verziehe mich in mein Zimmer im Trailer und genehmige mir ein rund zweistündiges Mittagsschläfchen. Was gibt es Schöneres?

Mit neuen Kräften und natürlich mit viel Ehrgeiz spiele ich gegen Abend nochmals Tennis. Warum kann ich den gegen die Trainingswand nicht gewinnen? Langsam bekomme ich aber das Ballgefühl in den Griff. Die Koordination zwischen meinem rechten Arm, dem Tennisschläger und den Tennisbällen werden von Schlag zu Schlag besser. Ich muss ebenfalls schon viel weniger oft die Umzäunung des Tennisplatzes verlassen, um die zu hoch gespielten Bällen auf dem angrenzenden Ackerfeld zu suchen und zusammenzulesen. Es ist unterdessen 22:25 Uhr und ich geniesse den Abend vor dem Fernseher. Auf irgendeinem Kanal läuft ein Charles Bronson Spielfilm. Vom vielen Tennisspielen bin ich zwar ziemlich abgekämpft, um nicht zu sagen erschöpft. Bevor ich vor dem Fernsehkasten einschlafe, gehe ich müde und zufrieden ins Bett und hoffe, wie ein Murmeltier im Winterschlaf zu versinken.

Muskelkater – Montag, 07/05/1984

Was für ein Aufstehen an diesem Montagmorgen. Das Tennisspielen hat seine Spuren hinterlassen. Überall Muskelkater. Arme und Beine bewegen ist eine Qual. Wie Bleigewichte hängen meine Arme am Körper. Trotzdem geht es nach dem Frühstück an die Arbeit. Mehrheitlich arbeite ich immer noch mit Frau Stumpf zusammen im Garten oder gerade dort, wo eine Hilfskraft gebraucht wird. Helge fährt mit den Brüdern Stumpf und seinem Bruder, Arne, zum Bewirtschaften der verschiedenen Äcker. Ich bleibe deshalb auf der Farm und setze die Anweisungen, Befehle und Ideen von Frau Stumpf in die Realität um.

Irgendwie bin ich noch nicht hier in Canada angekommen. Ich finde mich nur schwerlich zurecht, geschweige denn voll im Farmleben integriert oder von den Farmern einigermassen akzeptiert. Die englische Sprache erweist sich als grosses Hindernis und als Kommunikationsbarriere. Ich muss immer zwei- oder dreimal nachfragen, wenn mir jemand etwas in Englisch mitteilt, respektive befiehlt. Auch mit der strengen körperlichen Arbeit stehe ich nach wie vor auf Kriegsfuss. Da waren die letzten drei Jahre am Technikum Burgdorf, während meines Studiums zum Maschineningenieur HTL, doch viel angenehmer und easy, rein aus körperlicher Sicht gesehen. Ich brauche sicher nochmals zwei bis drei Wochen bis ich körperlich, wie auch sprachlich auf dieser Getreidefarm in Ontario angekommen bin. Es wird schon gehen, positiv bleiben!

Die Schwimmhalle – Dienstag, 08/05/1984

Die Tage fliegen nur so vorbei. Schon bin ich 1½ Wochen hier auf der Farm. Schwierige Stunden und Tage hinter mir. Viele Eindrücke zum Verarbeiten. Selbstzweifel, Übermotivation, aber auch ein gewisser Stolz, dass ich den Bettel noch nicht hingeschmissen habe und wieder auf der Rückreise in die Schweiz bin. Durchhalten und positiv denken. Heute regnet es zum ersten Mal so richtig, abgesehen vom Schneefall und den eisigen Temperaturen von anfangs Mai. Für mich heisst dies, ab zum Reinigen der Schwimmhalle. Die Schwimmhalle ist umlaufend mit Glaselementen geschlossen, sowohl alle vier Wände wie auch das Dach. Die Schwimmhalle ist rund fünfundzwanzig Meter lang und zwölf Meter breit. Das Schwimmbassin rund dreizehn Meter lang und sieben Meter breit. Zum Schwimmen von ein paar Längen ideal. Doch mit dem Nieselregen und den aktuellen Temperaturen noch nicht wirklich einladend. Ich spritze die Glasfronten innen und aussen mit Wasser ab und fege den Boden im Innern der Halle. Bei schönem Wetter könnte ich sofort ins Nass springen und ein paar Runden schwimmen. Aber eben, das schöne Wetter lässt mich im Stich. Bei Sonnenschein können die Glasfenster geöffnet werden und die Halle wird dadurch gut durchlüftet. Sämtliche Öffnungen sind mit feinmaschigen Gitternetzen versehen. Dies ist auch dringend nötig, wie ich dann etwas später am eigenen Leib erfahren muss. Im Sommer ist hier das Klima schon fast tropisch. Will heissen, warme Temperaturen und eine recht hohe Luftfeuchtigkeit. Ideal für Mücken, Fliegen und was sonst noch so an lästiges kleines Ungeziefer herumfliegt. Auf jeden Fall ist die Schwimmhalle jetzt blitz und blank sauber. Der Bademeister hat seine Arbeit getan. Der Sommer und die hohen Temperaturen können kommen und uns zum Baden oder Schwimmen einladen.

Knochenarbeit – Mittwoch, 09/05/1984

Der Morgen beginnt kühl und ab und zu regnet es wieder. Ich arbeite als Landschaftsgärtner im Garten. So langsam wird das Arbeiten im Garten, und vor allem mit Frau Stumpf zusammen, doch ziemlich mühsam. Heute Morgen hat sie mir eine Liste mit zirka vierzehn Arbeitsaufträge in die Hand gedrückt, welche am heutigen Tag zu erledigen sind. Mitten in den Arbeiten kommt Frau Stumpf und erteilt mir diese und jene zusätzlichen Arbeiten. Hier ein Bäumchen ausgraben und ein paar Meter weiter wieder einpflanzen. Dort hat sie drei Evergreen-Bäumchen ausgegraben. Einen muss ich sofort, zirka fünfzehn Meter weiter entfernt, wieder eingraben. Für die anderen zwei Evergreens hat sie noch keine neuen Plätzchen gefunden und weiss nicht, wo diese wieder eingepflanzt werden sollen. Na ja! Ich Chefin, du Gärtner. Zum Glück geht es gleich zum Mittagessen.

Am Nachmittag kann, darf, respektive muss ich zusammen mit Helge in der Lagerhalle Säcke mit Sojabohnen-Körner auffüllen. Die Sojabohnen werden automatisch, über eine Becherförderanlage, aus einem der grossen Lagersilos in ein kleineres Zwischensilo in der Lagerhalle gefördert. Unter dem kleinen Zwischensilo ist eine Sackabfüllstation installiert. Wir müssen die leeren Säcke am Auslassrohr der Abfüllstation festbinden. Nach dem Drücken der Starttaste wird der Pneumatik-Schieber im Auslassrohr geöffnet und der Sack wird befüllt. Unter dem Sack ist eine Waage installiert. Wenn der Sack mit fünfzig Kilogramm befüllt ist, schliesst der Schieber und stoppt die Zufuhr der Sojabohnen. Der volle Sack wird mit einer Art Nähmaschine zugenäht. Danach werden die gefüllten Säcke von Hand auf einer Holzpalette gestapelt. Das ist knochenharte Schwerstarbeit. Fünfzig Kilogramm und unhandliche Säcke. Es braucht Kraft in den Armen und eine gewisse Technik, um die Säcke richtig in den Händen zu halten. Bei mir fehlen die Kraft und die Technik. Also muss ich diese Mankos irgendwie überbrücken. Gezwungenermassen brauche ich deshalb viel mehr Kraft und muss mich für das Herumstapeln der Säcke auch viel mehr abmühen. Das wird wieder Muskelkater geben.

Evi-Kornelia Gruber – Donnerstag, 10/05/1984

Heute Donnerstag werden wir, Helge und ich, wieder Säcke mit Sojabohnen abfüllen und einlagern. Am Morgen geht das bei mir noch steif und mühsam voran. Mein Muskelkater lässt grüssen. Aber eben, beste Medizin gegen Muskelkater ist ja, sagt man, weiterzumachen, ob im Sport oder, wie hier auf der Farm, mit der Arbeit. Und tatsächlich, es scheint zu wirken. Am Nachmittag spüre ich den Muskelkater praktisch nicht mehr. Die Technik zum Aufheben der vollen Säcke konnte ich ebenfalls verfeinern. Gefühlsmässig hat sich auch mein Muskelaufbau in den Oberarmen verbessert. Träum weiter Jüngling!

Zwischendurch bin ich ebenfalls wieder hie und da mit Gartenarbeit beschäftigt. Frau Stumpf hat scheinbar noch unzählige, neue Ideen, wie der Garten noch optimiert, verbessert oder verschönert werden kann. Und ich armes Schwein muss es umsetzen.

Trotz meiner körperlichen Müdigkeit spielen Evi-Kornelia und ich am späteren Nachmittag zirka eineinhalb Stunden Tennis zusammen. Wenn man bedenkt, dass ich erst das zweite Mal so richtig Tennis spiele, muss ich doch sagen, dass ich bereits gut und ansehnlich spiele und ich viele Bälle übers Netz kriege und diese dann auch im markierten Spielfeld landen.

Nach dem Tennisspielen kommt Evi auf einen Besuch zu mir in den Trailer. Herr und Frau Stumpf sind im Ausgang. Ein Freund der Familie befindet sich im Hause und muss das Telefon hüten, respektive den Telefondienst aufrechterhalten. Dieser ältere Typ ist aber etwas sonderbar und nicht wahrlich ein Freund von Evi. Für mich ist der Besuch von Evi willkommen und ich freue mich ein paar Augenblicke, respektive Stunden, mit ihr zu verbringen. Wir reden Deutsch miteinander. Dadurch werden meine Englischkenntnisse auch nicht besser. Aber was soll’s! Evi hat in Deutschland Soziologie studiert und bleibt nun zirka vier Monate als Au-Pair bei der Familie Stumpf in Canada. Sie hat zu Hause einen Freund mit einem 4-jährigen Kind. Ihr Freund, Max, studiert ebenfalls Soziologie und muss aktuell seine Abschluss-Diplomarbeit ins Reine schreiben und irgendwann im Herbst abgeben. Evi ist in etwa gleich alt wie ich. Das genaue Geburtsjahr weiss ich leider nicht. Ich weiss nur, dass sie am 11. August ihren Geburtstag feiern kann. Wir diskutieren so allerhand, über Gott und die Welt, erzählen aus unseren bisherigen Leben, plaudern über die unterschiedlichen Ansichten von Deutschen und Schweizern und teilen uns ebenfalls unsere Sorgen in Bezug auf das nicht immer einfache und harmonische Farmleben in Denfield. Die Stumpf-Familie ist ja grundsätzlich schon etwas sonderbar. Irgendwann während oder nach dem 2. Weltkrieg von Deutschland kommend in Canada sesshaft geworden. Ausgewandert oder geflüchtet? Ich tippe auf geflüchtet, und zwar als ehemalige Nazi-Sympathisanten oder was auch immer.

Evi erzählt mir von der gestrigen Radiosendung. Charles, «Charly», hat über diesen Radiosender an einer «Brautschau»-Sendung teilgenommen. Heute würde man höchstwahrscheinlich sagen «Bauer ledig sucht Frau». Charly hat bereits verkündet, dass er noch dieses Jahr heiraten werde. So hat er dies jedenfalls Evi erzählt. Er weiss aber bis heute nicht mit welcher Frau. Die Radiosendung soll es richten, um die Richtige zu finden. Das muss aber dann so ziemlich schnell gehen, wenn die Heiratsglocken noch in diesem Jahr läuten sollen. Na ja, wie gesagt, etwas sonderbare Leute, diese Stumpf-Familie. Für Evi und mich, mit zum Teil auch sehr komischen, recht konservativen und nicht leicht nachvollziehbaren Ansichten. Irgendwann verabschieden wir uns. Ich erledige mein alltägliches Abendritual – Toilette, Zähneputzen, Kleider weg, Pyjama an, Bettdecke nach hinten, rein ins Bett, Bettdecke schliessen, ein paar Einträge in mein Tagebuch, Tagebuch weglegen, Licht löschen, gedanklich den Tag abhaken und schlussendlich zufrieden einschlafen.

Landschaftsgärtner – Freitag, 11/05/1984

Ich arbeite heute als Landschaftsarchitekt. Ja, ihr hört richtig. Architekt ist allerdings etwas hochgegriffen, um nicht zu sagen übertrieben. Eher würde Landschaftsarbeiter, respektive Landschaftsgärtner, meine heutigen Tätigkeiten viel besser umschreiben. Die Ideen und Vorstellungen, was genau umgesetzt werden muss, hat natürlich Frau Stumpf. Ich, für meine Wenigkeit, muss jetzt die hochtrabenden Ideen in die Praxis umsetzen. Zwischen der Schwimmhalle und dem Tennisplatz soll ein gemütlicher Sitzplatz erschaffen werden. Klingt relativ einfach. Die Umsetzung ist aber für mich natürlich wieder eine echte Herausforderung. Packen wir’s an! Der Sitzplatz soll auf einem leicht abfälligen Gelände gebaut werden. Ich muss also zuerst das Terrain des neuen Sitzplatzes einigermassen ausnivellieren. Dazu erbaue ich eine zirka fünf Meter lange Mauer mit Natursteinen, so dass die Sitzstühle, Liegestühle und allfällige Tische auf einer ebenen Fläche zu stehen kommen. Das Mäuerchen sieht jetzt schon nett und auch professionell gefertigt aus. Zum Abschluss lege ich die Steinplatten auf die begradigte Fläche des neuen Sitzplatzes. Fertig! Schon wieder ein Meisterwerk realisiert.

Neuer Sitzplatz auf der Stumpf-Farm in Denfield (by Beh)

Am Abend fahren Arne, Helge und ich in ein Shopping-Center in London. Dieses Center ist bis um 22:00 Uhr geöffnet. Praktisch für uns Farmer-Jungs. Nach harter Arbeit können wir am Abend die Einkäufe erledigen. Wir müssen ein paar Sachen zum Frühstücken und für die Mahlzeiten am Abend einkaufen. Toastbrot, Eier, Ketchup, Bier, Käse und sonst ein paar gesunde Lebensmittel. Nach dem Einkauf bleibt Arne in London und wird bei seiner Joanne übernachten. Helge und ich fahren zurück auf die Farm in Denfield. Mit einem kleinen Bier, hier werden praktisch nur kleine Biere mit 3,4 dl Inhalt getrunken, sitzen wir jetzt vor dem Fernsehapparat und schauen uns irgendeine Sendung oder Serie an.

Ausgang in London – Samstag, 12/05/1984

Heute wird gespritzt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich muss am Morgen alles Unkraut, unerwünschte Gräser, wildwachsende Sträucher und sonstiges Gewächs totspritzen. Das Unkrautvertilgungsmittel, welcher Marke auch immer, umweltverträglich oder auch nicht, wird jeweils mit zehn Liter Wasser verdünnt. Das Wasser-Giftgemisch im Behälter auf meinem Rücken spritze ich überall hin, wo Unkraut wächst. Ich muss rund fünfzehn Mal das Gemisch neu zusammenstellen. Das Gelände der Stumpf-Farm ist entsprechend gross und Unkraut wächst praktisch überall und in jeder Ecke und Nische. In ein paar Tagen wird das Unkraut absterben und die Umgebung auf der Farm wie geschleckt aussehen. Werden wohl all die Schnecken, Insekten und sonstige Kriechviecher den Giftanschlag überleben oder können sie sich auf sicheren, nicht verseuchten Boden retten?

So als Strafe für das Totspritzen am Morgen, muss ich am Nachmittag mit Helge wieder auf einem Acker Steine auflesen. Dagegen ist die Gartenarbeit mit dem Feldweibel Stumpf, respektive der Frau Stumpf, schon fast angenehm, wenn auch trotzdem anstrengend. Jedenfalls sieht man nach getaner Arbeit, meiner Meinung nach, ein mehr oder weniger sinnvolles Resultat. Ein neuer Sitzplatz lädt zum Verweilen ein, kleine Pappeln wachsen in den Himmel, die Schwimmhalle ist sauber und lädt zum Schwimmen ein und der Rasen sieht frisch gemäht wie rasiert aus. Steine auflesen, auf einem so grossen, nicht enden wollenden Acker, das ist nicht wirklich motivierend. Mich jedenfalls hat diese Arbeit heute angepickt, um es nicht auf gut Deutsch zu sagen, angeschissen!

Zum Glück ist Samstag. Am Abend fahren Barbara, eine weitere Tochter der Familie Stumpf, Evi, Helge und ich nach London in den Ausgang. Barbara ist 21 Jahre alt und studiert in Toronto. Sie wohnt dort in einem Zimmer eines Studentenheimes und kommt nur von Zeit zu Zeit über ein Wochenende auf die Farm in Denfield zurück. Wir finden diesmal sogar Sitzplätze im «Bumper’s». Nach zwei, drei oder vier Bierchen, natürlich nur kleine, und guter Livemusik geht es wieder zurück nach Denfield. Der Frust vom «Steine auflesen» ist auf jeden Fall verflogen. Oder wurde er ertränkt? Ich verziehe mich mehr oder weniger zufrieden ins Bett. Mehr deshalb, weil, wie gesagt, der Frust vom Samstagnachmittag verflogen ist. Weniger, weil wir, auf Geheiss von Mike, am Sonntag um 08:00 Uhr zur Arbeit erscheinen müssen. Ein riesiges Ackerfeld muss geeggt und bearbeitet werden. Für Helge und mich heisst dies aber auch, dass wir wieder stundenlang Steine auflesen dürfen. Verdammter Steinacker! Ich bin deshalb schon ziemlich angesäuert. Grundsätzlich bin ich nicht gewillt hier auf der Farm wochenweise, inklusive Samstage und Sonntage, durchzuarbeiten. Ich schlafe jetzt. Wir werden Morgen weitersehen!

Lake Huron – Sonntag, 13/05/1984