9,99 €
Lasst die Spiele beginnen ...
Daniel Esera ist ein Star auf dem Rugbyfeld, und die Welt liegt ihm zu Füßen. Das Leben könnte nicht besser sein, wären da nur nicht die plötzlichen Gefühle für seine Erzfeindin aus Jugendtagen. Catie River ist auf dem Weg zu paralympischem Gold und wird sich von nichts und niemandem von ihrem Ziel abbringen lassen, schon gar nicht von Danny - auch wenn ihr Herz jedes Mal verräterisch schneller schlägt, sobald sie ihn sieht. Keiner von beiden will der Anziehungskraft zwischen ihnen nachgeben ... bis die rücksichtslose Tat eines Fremden ihre Karrieren in Gefahr bringt und sie der Welt das glückliche Paar vorspielen müssen. Plötzlich können sie sich nicht länger aus dem Weg gehen ...
"Eine Geschichte über Träume und die Liebe, die einen findet, wenn man es am wenigsten erwartet." ADDICTED TO ROMANCE
Abschlussband der romantischen Serie von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Nalini Singh
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 501
Titel
Zu diesem Buch
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
Epilog
Die Autorin
Nalini Singh bei LYX
Impressum
NALINI SINGH
CHERISH WHISPERS
Roman
Ins Deutsche übertragen von Hans Link
Daniel Esera ist ein Star auf dem Rugbyfeld, Catie River auf dem Weg zu paralympischem Gold. Sie sind auf dem Gipfel ihrer Karrieren, verbunden durch ihre Liebe zum Sport und eine seit Kindheitstagen anhaltende Rivalität. Das Leben könnte nicht besser sein, bis Danny eines Abends in einem Club Drogen verabreicht werden. Zu seinem Glück ist Catie anwesend, die erkennt, dass etwas nicht stimmt, und ihn ins Krankenhaus bringt, bevor die anwesenden Reporter Wind von Dannys Zustand bekommen. Doch dass sie zusammen den Club verlassen, bleibt nicht unbemerkt, zumal es schon lange Gerüchte um eine mögliche Beziehung der beiden gibt. Um ihre Karrieren zu schützen, müssen sie ihre Rivalität vorerst beiseitelegen und der Öffentlichkeit das glückliche Paar vorspielen, das alle in ihnen sehen. Überwältigt von den aufkommenden Gefühlen merken Catie und Danny schnell, dass der Gedanke, ein Paar zu sein, plötzlich gar nicht mehr so schlimm klingt.
Zehn Jahre zuvor …
Catie starrte aus dem regenüberströmten Fenster.
Es goss so heftig, dass die Außenwelt nur noch verschwommen erkennbar war. Es war richtig scheußlich draußen. Der immer stürmischere Wind bog die Bäume im Garten halb zu Boden, und der tiefer gelegene Teil der Auffahrt stand bereits unter Wasser.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie war steif vor Anspannung. »Dad geht es gut«, murmelte sie und rief sich das letzte Mal ins Gedächtnis, als sie wegen ihres Vaters ausgeflippt war. Damals hatte Clive sich beim Glücksspiel in einem Casino in Sidney, Australien, blendend amüsiert. Es war ihm einfach nicht in den Sinn gekommen, seine halbwüchsige Tochter davon in Kenntnis zu setzen, dass er das Land verließ. Er war zu begeistert von der Aussicht gewesen, »einen alten Kumpel zu treffen und sich auf den Black-Jack-Tisch zu stürzen, solange ihm das Glück noch hold war«.
Trotzdem umklammerte sie das Telefon.
Das Wetter war schlimmer als schrecklich – sogar inklusive einer Warnung des nationalen meteorologischen Dienstes vor Orkanböen –, und Clive war am vergangenen Morgen zu einem Ausflug aufgebrochen. Es war jetzt nach fünf am Nachmittag, und der Sturm färbte den Horizont dunkel. Zeit für eine SMS. Sie schrieb:
Dad, kannst du dich bitte melden, damit ich weiß, dass es dir gut geht?
Keine Reaktion. Weder sofort noch in den zwei folgenden Stunden. Nicht einmal eine Rückmeldung auf ihre zahlreichen Anrufe hin. Sie wusste, dass er sich nicht stören lassen würde. Ihren Vater störte niemals irgendetwas – im Wesentlichen, weil er Dinge, mit denen er nichts zu tun haben wollte, einfach ignorierte.
»Catie, Liebes.« Martha streckte den Kopf in Caties Zimmer. »Komm, es ist Zeit fürs Abendessen.« Ihre Züge strahlten liebevolle Wärme aus, ihre braune Haut leuchtete, und ihr schwarzes, leicht gelocktes Haar schimmerte von ihrem bevorzugten Conditioner, den man nicht auszuwaschen brauchte. »Ich habe Spaghetti mit Fleischbällchen gemacht.«
Eine von Caties Lieblingsspeisen. Arme Martha. Wieder einmal bekam sie es ab – und hatte eine Catie am Hals, die zu nichts zu gebrauchen war. Sie errötete und schämte sich sofort für ihre Geistesabwesenheit. »Es tut mir leid, Martha. Ich hätte dir helfen sollen.«
Die fast fünfzigjährige Frau verdiente Caties vollen Respekt. Nicht nur, weil Martha sich seit dem Tag von Caties Entlassung aus dem Rehabilitationszentrum vor zwei Jahren um sie kümmerte, sondern auch, weil sie eine gute Seele war und alles in ihrer Macht Stehende getan hatte, um Catie auf ihrem Weg zur Unabhängigkeit zu unterstützen.
Mit vierzehn brauchte Catie Martha nicht mehr so sehr wie früher, aber da weder Caties große Schwester noch ihre Mutter riskieren wollten, dass Catie allein dasaß, sobald Clive wieder einmal von der Bildfläche verschwand, war Martha geblieben.
Und Catie würde sie schrecklich vermissen, wenn sie fortginge.
»Du kannst das Geschirr spülen.« Martha trat zu ihr, um Catie das wirre Haar zu zerzausen, ihre dunklen Augen waren voller Sorge, die sie aus ihrer Stimme herauszuhalten versuchte. »Dann wirst du dir dein Abendessen eben mit dem Schrubben des Topfes verdienen.«
Catie lachte, vor allem zu Marthas Beruhigung, denn sie verspürte lediglich Beklommenheit in ihrer Magengrube. Und obwohl sie das Gericht, das Martha mit Liebe zubereitet hatte, kaum schmeckte, aß sie ihren Teller leer.
Ihr Handy blieb während der ganzen Mahlzeit stumm, und Caties Beklommenheit wuchs und wuchs, bis sie ihr wie ein Stein im Magen lag. Clive verschwand ständig, aber in der Regel meldete er sich nach ein paar Stunden. Nach der Sache in Sidney hatte sie ihrem Vater ihre Erwartungen sehr deutlich mitgeteilt.
»Ich bin dein Kind«, hatte sie in sehr ruhigem Ton zu ihm gesagt – den hatte sie vorher in ihrem Zimmer einstudiert, denn wenn jemand emotional wurde, blendete Clive sich sofort aus. »Ich muss wissen, dass es meinem Dad gut geht.«
Catie erwartete nicht, dass Clive so war wie der Vater ihrer Freundin Laveni – ein leutseliger, warmherziger Mann, der zu Schulveranstaltungen kam, sie überallhin fuhr und Jungen anfunkelte, die sich mit ihr verabreden wollten. Dafür hatte Catie Issie; ihre Schwester war die Beste und hatte einen noch stärker ausgeprägten Beschützerinstinkt als Lavenis Papa. Aber Catie erwartete, dass Clive ihr zumindest keine Angst machte.
Das war normal, oder? Sie liebte Martha, wusste jedoch, dass diese ihre eigene Tochter und ein Enkelkind hatte, in die sie vernarrt war; Catie versuchte, nichts von ihr zu verlangen, was ihre Pflichten überstieg. Als Familie hatte Catie nur Clive und Issie. Okay, sie hatte noch den Drachen, auch bekannt als Jacqueline. Aber ihre Mutter – die Clive geheiratet, sich jedoch nach wenigen Jahren gleich wieder von ihm hatte scheiden lassen – verbrachte eigentlich nicht gern Zeit mit ihren Kindern.
Ísa war diejenige, zu der Catie mit ihren Problemen und Fragen ging. Ísas Ehemann war ziemlich nett, und er behandelte Catie ebenfalls wie ein Familienmitglied. Also ja, sie hatte auch ihn. Das waren vier Personen. Absolut genug. Aber nur eine dieser Personen war ihr Dad, und sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn ihm etwas zustieße.
Der Stein im Magen war jetzt ein Felsbrocken und ihre Kehle wie zugeschnürt.
Die Zeit zum Schlafengehen kam ohne irgendeine Antwort von Clive. Stattdessen schickte ihr Veni ein Foto von einem süßen Jungen, den sie aus der Schule kannte und gern mochte – er trug eine Brille, spielte lieber Schach, als Sport zu treiben, und war fast so schlau wie Veni.
Catie antwortete ihrer Freundin mit einem Herzchenaugen-Emoji. Dann holte sie tief Luft und begann Krankenhäuser anzurufen, um sich zu erkundigen, ob Clive einen Unfall gehabt hatte. Sie hatte immer noch eine Kinderstimme, daher waren die viel beschäftigten Leute, die dort Telefondienst hatten, nett zu ihr, während sie einer Erwachsenen gegenüber vielleicht weniger freundlich gewesen wären.
»Oh, Schätzchen«, sagte eine Krankenschwester. »Gibt es keinen Erwachsenen, dem du vertraust und der das für dich tun kann?«
Doch, dachte sie. Issie würde binnen eines Herzschlags bereit sein, ihr zu helfen. Das Gleiche galt für Martha. Aber Martha hätte heute eigentlich vor dem Abendessen freihaben sollen. Catie hatte sich dafür entschuldigt und gesagt, es sei in Ordnung, wenn sie nach Hause gehen wolle. Immerhin war sie vierzehn und konnte auch einmal allein bleiben.
Martha hatte bei dem bloßen Gedanken daran nur finster die Stirn gerunzelt, Catie auf die Wange geküsst und gesagt: »Ich gehe nicht einfach so, Süße. Du bist ein Kind, keine Erwachsene. Und Jacqueline bezahlt mir das Dreifache, wenn ich Überstunden mache, also habe ich wirklich nichts dagegen.«
Catie wusste zwar, dass Martha eigentlich mit der Familie ihrer Tochter zu Abend essen wollte, hatte aber trotzdem nicht protestiert. Denn Catie wollte nicht, dass Ísa erfuhr, wie schlimm Clives Benehmen geworden war. Sie befürchtete, dass ihre Schwester versuchen würde, aus Angst um Catie das Sorgerecht zu beantragen. Aber obwohl Catie Issie mehr liebte als jeden anderen Menschen auf der ganzen Welt, konnte sie ihren Dad doch nicht im Stich lassen.
Wenn sie fahnenflüchtig würde, würde Clive am Boden zerstört sein. Er würde nicht mehr richtig essen, würde nicht mehr geregelt schlafen, würde keine einzige gute Entscheidung mehr treffen. Und obwohl er ein schlechter Vater war, liebte er Catie auf seine eigene etwas verdrehte Weise von Herzen.
»Nein«, antwortete sie der Krankenschwester, die gefragt hatte, ob ihr jemand helfen könne. »Mein Dad ist für gewöhnlich derjenige, der sich um alles kümmert.« Das war eine ausgewachsene Lüge. Clive war der verantwortungsloseste Mensch, den sie kannte; ihre Lebenshaltungskosten wurden nur beglichen, weil Issie dafür Daueraufträge eingerichtet hatte. Es war nicht immer so gewesen, aber irgendwann war Clive dann mit dem Geld für die monatlichen Ausgaben auf und davon spaziert, und der Energieversorger hätte ihnen um ein Haar den Strom abgedreht. Das Geld kam von dem Dividendenkonto, das Jacqueline für ihre Kinder eingerichtet hatte – einem Konto, auf das Clive keinen Zugriff hatte.
Ihre Mutter war reich, aber nicht einmal eine reiche Frau warf ihr Geld gern ihrem Ex-Mann hinterher. »Ihn unterstütze ich nicht«, hatte der Drache einmal kühl gesagt, als Catie das Thema zur Sprache gebracht hatte. »Ich unterstütze meine Tochter. Wenn ich ihn ohne einen Penny dastehen ließe, würde sich das auf dich auswirken, und trotz all seiner Fehler ist er ein liebevoller Vater.«
Liebevoll, aber unzuverlässig. Trotzdem hatte Jacqueline ihm das Sorgerecht für Catie überlassen. Sodass Catie schließlich zu der Einschätzung kam, dass es Jacqueline nicht viel ausmachte, auch für Clives Rechnungen aufzukommen, weil sie es vermutlich als einen fairen Handel dafür betrachtete, nicht selbst ein Kind großziehen zu müssen.
An diesem Abend meldete die nette Krankenschwester, dass Clive nicht ins Krankenhaus eingeliefert worden war, und Catie bedankte sich bei ihr und telefonierte weiter herum. Als sie schließlich auflegte, hatte sie alle Krankenhäuser angerufen, die sie im Telefonbuch finden konnte.
Morgen würde sie bei der Polizei anrufen und fragen, ob er verhaftet worden war.
Der Stein in ihrem Magen wurde noch schwerer. Denn vielleicht würde die Polizei ihr mitteilen, dass sie seinen Wagen in einer Schlucht gefunden hatten. Nur weil er nicht im Krankenhaus lag, bedeutete das nicht, dass er nicht verletzt war. Es konnte einfach sein, dass ihn noch niemand gefunden hatte. Bei dem Wetter würde sein schwarzes Auto schwer zu entdecken sein, wenn er irgendwo von der Straße abgekommen war.
Mit brennenden Augen und einem Kloß im Hals starrte sie an die Decke, als ihr Handy um vier Uhr morgens piepte. Sie schnappte es sich vom Nachttisch und stieß einen schluchzenden Seufzer aus, als sie sah, dass die Nachricht von ihrem Dad stammte.
Sie lautete:
Tut mir leid, Kleines. War beschäftigt mit meinen Kumpeln. Hier ist alles gut. Bin zurück, wenn ich zurück bin. Hab dich lieb.
Mit heißen Wangen warf sie das Handy auf ihre Bettdecke mit dem weißen Luxusbezug, den er ihr von seinem letzten Gewinn beim Glücksspiel gekauft hatte. Auf der Decke spielten kurz Licht und Schatten miteinander, bis der Handybildschirm wieder schwarz wurde. Als das passierte, zerbrach etwas in ihr.
»Es reicht«, flüsterte sie. »Es reicht wirklich.«
Von jetzt an würde sie sich keine Sorgen mehr um ihren Vater machen. Sie würde ruhig sein wie ein Buddha. Sie würde zu joggen anfangen. Sie würde eine neue Sprache lernen. Sie würde Veni oder Ísa anrufen, um zu plaudern. Hölle, sie würde sogar den Drachen anrufen und so tun, als wollte sie Jacquelines Wissen für ein Ökonomieprojekt in der Schule anzapfen.
Was auch immer dafür nötig sein sollte, sie würde neue Gewohnheiten entwickeln, um mit ihrer Angst fertigzuwerden, wenn ihr Vater mal wieder verschwand – bis sie überhaupt keine Angst mehr hatte.
»Ich. Habe. Genug.«
Heute Nacht war das letzte Mal, dass sie wach gelegen und sich um Clive Sorgen gemacht hatte.
Catie kniff die Augen zusammen, als sie Danny in dem von dröhnender Musik erfüllten Club in Dunedin gegen den Tresen taumeln sah. Wenn es eines gab, was sie über ihren Quälgeist Nummer eins wusste, dann, dass er sich ziemlich streng an die Vorschriften hielt – vor allem, wenn er seine Mannschaft repräsentierte.
Oh, er verstand sich darauf zu feiern, aber er beschränkte sich dabei streng auf die spielfreie Zeit – und selbst dann ließ er sich nur selten gehen. Danny war seine Karriere als Sportler zu wichtig, als dass er das Risiko eingehen würde, seinem Körper oder seinem Ruf Schaden zuzufügen. Jedenfalls war er nicht der Typ, der in der Öffentlichkeit betrunken umherstolperte. Was der Grund war, warum sie von ihrem Stuhl aufstand und zu ihm hinüberging, obwohl sie und Danny die meiste Zeit eine Beziehung hatten, die sich auf Vermeiden, Ignorieren oder Nerven beschränkte.
Sie hörte, dass ihre Freundinnen ihr etwas hinterherriefen, und drehte sich noch einmal um. »Ich will mir nur etwas ansehen.«
»Wohl eher jemanden!« Alina kicherte und hob ihr Glas.
Die anderen – darunter Veni, Caties beste Freundin – feuerten Catie an.
Die meisten der Mädels waren leicht beschwipst, aber Veni würde dafür sorgen, dass sie es nicht übertrieben, denn sie hatten ein Charterflugzeug nach Hause gebucht, das in einigen Stunden ging. Veni trank nicht und hatte es nie getan – sie hasste den Geschmack von Alkohol –, aber sie war ein Dämon auf der Tanzfläche und saß jetzt gerade nur auf einem Stuhl, weil sie diesen speziellen Song verabscheute.
Catie selbst hatte aus dem gleichen Grund, der Danny gewöhnlich zur Einschränkung seines Alkoholkonsums bewegte, bisher nur einen einzigen Fruchtcocktail getrunken: Sport und Alkohol passten langfristig nicht zusammen. Ihre Reflexe waren so gut wie gewöhnlich, aber der Club war gerammelt voll, sodass es praktisch unmöglich war, Berührungen mit anderen zu vermeiden.
Sie begab sich nicht oft in die Clubszene, denn sie hasste es, von Leuten angerempelt zu werden. Während sie inzwischen normalerweise mit ihren Prothesen zurechtkam wie ein Profi und die meisten Leute nicht einmal merkten, dass sie zwei künstliche Beine hatte, wenn sie es nicht wollte, war es an solchen Orten schwierig. Auf keinen Fall wollte sie mit irgendeinem Trunkenbold zusammenprallen und das Gleichgewicht verlieren.
Apropos …
Statt Mr Gary Grapscher zu sagen, er solle die Finger von ihr nehmen, verdrehte sie ihm nur den Daumen, bis er wimmernd wie ein Baby in die Knie ging. Mochten seine lachenden Kumpel ihn doch auflesen. Endlich drang sie bis zu Danny vor.
»Hey, Hotshot!«, versuchte sie das Dröhnen der Musik zu übertönen. »Du musst den Alkohol weglassen! Du weißt, dass draußen Reporter campieren.«
Danny hatte in der vergangenen Woche einen riesigen Sponsorenvertrag mit einem internationalen Unternehmen unterschrieben. Dieses spezielle Unternehmen erwartete, dass seine Markenbotschafter perfekte, vorbildliche Athleten waren, und das galt auch in Bezug auf Alkohol und Drogen.
In Sportlerkreisen war allgemein bekannt, dass die Klausel bezüglich moralischer Verderbtheit tatsächlich Teil des Vertrages war – und dass die Klausel unverzüglich in Anwendung gebracht werden würde.
Danny legte ihr seine kräftige Hand auf die Hüfte, ein wenig zu nah an ihrem Hintern.
Caties Sorge erhielt neue Nahrung. Danny stand nicht auf sie. Niemals.
Statt ihn wegzustoßen, legte sie ihm einen Arm um die Schultern, über sein kurzärmeliges schwarzes Hemd mit Nietenbesatz, und sah ihn zum ersten Mal richtig an.
Panik. Panische Verlorenheit.
Das war es, was sie in Dannys braunen Augen sah. Seine Hand ballte sich auf der Rückseite ihres glitzerigen Trägertops zur Faust, und im selben Moment begriff sie, dass hier irgendetwas ernsthaft nicht stimmte. Er war fast doppelt so schwer wie sie, wie eine elegante, muskelbepackte Raubkatze, und er klammerte sich an sie.
»Catie, ich habe kein …« Seine Worte verklangen zu einem verwirrten Schweigen, aber sie hatte einen Hauch von seinem Atem aufgefangen, als sie einander nahe und zugewandt waren, und es hatte nicht einmal ein Anflug von Alkohol darin gelegen. Er roch nur nach einfacher Seife und diesem frischen Aftershave, das er bevorzugte, und sein Haar war noch immer feucht von der Dusche, die er nach dem Spiel heute Abend genommen haben musste.
Zorn kochte in ihr hoch. »Danny, hat dir jemand etwas ins Glas getan?«
Die Panik in seinen Augen wurde von Sekunde zu Sekunde größer, aber jemand, der ihn nicht kannte, hätte es nicht bemerkt. Obwohl es ihm irgendwie gelang, sich zusammenzureißen, verriet ihr die Tatsache, dass er sich noch schwerer auf sie stützte, dass er die körperliche Beherrschung verlor.
Außerdem konnte sie erkennen, dass er dagegen ankämpfte – Danny wusste, dass sein Gewicht zu viel für sie war, dass er sie zu Boden reißen würde. Sosehr sie einander auf die Palme brachten, hatte sie sich in seiner Nähe noch nie um ihre körperliche Sicherheit gesorgt.
Er steckte in ernsten Schwierigkeiten.
Sie musste ihn von hier wegbringen, und zwar so, dass sie ihm nicht die Reporter auf den Hals hetzte. Wenn ihr das nicht gelang, würden sie sein Gesicht in allen Zeitungen und Zeitschriften bringen und ihn zum nächsten »Bad Boy des Sports« stilisieren. Es würde seine Ambitionen zerstören. Mehr noch, es würde seine Familie verletzen – und Danny liebte seine Aiga. Genau wie Catie sie liebte.
Aber sie würde das hier nicht allein durchziehen können.
»Halt durch«, flüsterte sie ihm ins Ohr, dann sah sie sich um.
Wenn Jake nur mit ihnen mitgekommen wäre, aber Dannys Bruder war heute Abend gleich nach dem immer mittwochs stattfindenden Wohltätigkeitsspiel nach Hause geflogen, und Veni war irgendwo jenseits der Tanzfläche außer Sicht. Das war der Moment, in dem sie Viliame »Vili« Serevi sah.
Obwohl Vili jetzt für die Southern Blizzard spielte, den Erzrivalen der Harriers, standen er, Jake und Danny sich immer noch extrem nah – sie wusste, dass Danny, als er zu einer Hochzeit nach Auckland geflogen war, bei Vili übernachtet hatte. Und abgesehen von regionalen Rivalitäten spielten alle drei zusammen in der Nationalmannschaft. Der Flügelspieler der Fijian-Kiwi hasste die Klatschmedien ebenfalls und würde niemals einen seiner Freunde an sie verraten.
Sie suchte seinen Blick und machte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf.
Er kam herbeigeschlendert, ein breites Lächeln auf seinem hübschen Gesicht, und seine gewohnt zurückhaltende Art wurde durch die Tatsache entschärft, dass sie sich im Laufe der Jahre mehrere Male begegnet waren. »Hey, Catie! Bist du endlich mit Danny zusammengekommen?«
»Ich glaube, ihm hat jemand Drogen untergejubelt«, berichtete sie Vili im Schutz der lauten Musik. Sie wussten beide, dass Danny von sich aus niemals Drogen nehmen würde. »Kannst du mir helfen, ihn irgendwie durch die Hintertür hinauszubringen?«
So schnell, wie sich sein Gesichtsausdruck änderte, war er auf jeden Fall nüchtern, und er nickte. »Ich checke eben den Ausgang.«
Sie ertappte sich dabei, dass sie in der Zwischenzeit Danny den Rücken streichelte. Seine Muskeln bewegten sich unter der Berührung. »Halt durch, Hotshot. Ich habe alles im Griff.«
Catie hätte den Dreckskerl ermorden können, der ihm das angetan hatte. Sie und Danny mochten zu den besten Zeiten Frenemies sein, aber selbst sie hätte jederzeit zugegeben, dass er einer von den wirklich guten Männern war. Klug, loyal, vertrauenswürdig – und wahnsinnig nervig. Aber wenn es zum Schlimmsten kam, war Danny Esera der Mann, den man an seiner Seite haben wollte.
Danny murmelte eine Antwort, aber sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Allerdings entging ihr die Tatsache keineswegs, dass er – selbst unter Drogeneinfluss und kaum der Kontrolle seines Körpers mächtig – versuchte, sich auf dem Tresen abzustützen, damit er sie nicht umwarf.
»Es ist alles gut«, sagte sie dicht an seinem Ohr – das sie erreichen konnte, weil er halb über dem Tresen hing. »Mein Oberkörper ist extrem stark.«
Er machte kein finsteres Gesicht bei ihrer subtilen Anspielung auf den Abend, an dem sie ihn nicht nur einmal, sondern zweimal beim Armdrücken besiegt hatte. Sie waren damals beide Teenager gewesen, und er hatte seither beträchtlich an Muskelmasse zugelegt, aber sie ärgerte ihn gern damit, dass sie diese wahre Begebenheit erwähnte, und jetzt tat sie es in der Hoffnung, dass es irgendein Gefühl auslösen würde, dass es den Nebel ein wenig lichten würde. Aber seine Augen blieben umwölkt, während er sich verzweifelt in ihr Top krallte.
Catie konnte einer neuen, mächtigen Welle ihres Beschützerinstinkts nicht widerstehen und streichelte ihm noch einmal den Rücken.
Niemand durfte ihren Leuten so etwas antun. Und Quälgeist hin oder her, Danny war definitiv einer von Caties Leuten. »Wo zur Hölle steckt Vili?«
Dieser tauchte genau in dem Moment aus dem Gedränge auf und nickte knapp, bevor er Danny einen muskelbepackten Arm um die Taille legte und Dannys eigenen Arm um seine Schultern zog. Obwohl Vili genauso groß und gut gebaut war wie Danny, fiel es Danny so schwer, sich aufrecht zu halten, dass Catie auf seiner anderen Seite blieb, ihren Arm um seine Taille schlang, während er seinen anderen Arm um ihre Schultern gelegt ließ.
Für einen Außenseiter musste es so aussehen, als hätten sie zu dritt ein paar Drinks zu viel konsumiert – genug, um locker miteinander umzugehen, aber nicht genug, um Danny schlechte Presse einzubrocken.
»Du bist ganz schön schwer, Hotshot«, murmelte Catie in dem Versuch, Danny wach zu halten.
Er kämpfte gegen die Drogen an, aber es war offensichtlich, dass sie kurz vor dem Sieg standen. Und nicht einmal Viliame konnte Danny aus dem Club schaffen, wenn er erschlaffte. Danny mochte einer der schnellsten Männer im Team sein, und seine Fähigkeit, gegnerischen Spielern auszuweichen, war legendär, aber er war trotzdem ein Rugbyspieler. Der Mann bestand aus Muskeln über Muskeln, die sich natürlich völlig von Caties Läuferinnenmuskeln unterschieden.
»Komm«, sagte sie, während sie sich durch die Menge schlängelten; die glücklichen Feiernden boten eine exzellente Tarnung für ihr stolperndes Trio. »Du schaffst das, Danny.«
Dass sie ihn bei seinem richtigen Namen nannte, schien zu ihm durchzudringen, und es gelang ihm, ihnen während der letzten paar Schritte weg von der Tanzfläche zu helfen. Meistens nannte sie ihn eher nicht bei seinem Namen, sondern hatte viele Bezeichnungen für ihn. Hotshot, GQ, Bohnenstange und – ihr Favorit – Cutie. Letzteres entlockte ihm immer ein Knurren, obwohl er wusste, dass sie damit genau diese Reaktion erzielen wollte. Er konnte einfach nicht anders.
Catie würde es ihm nie verraten, aber dieses Knurren war echt süß.
Sobald sie sich in dem schwach beleuchteten hinteren Flur befanden, brauchten sie und Viliame nur noch ein kurzes Stück zu gehen, um Danny zur Hintertür zu schaffen. Als Vili die Tür öffnete, sah sie, warum er so lange gebraucht hatte – vor der Hintertür stand ein gediegener dunkelgrüner Land Cruiser. Klar, natürlich. Vili hatte seinen Stützpunkt in der Region und musste heute Abend selbst hergefahren sein.
»Kein Ferrari?«, schnaubte sie, denn sie wusste um seine Liebe zu diesem eleganten Auto.
»Diese Karre gehört Romeo«, erklärte er. Romeo war ein weiterer Mannschaftskamerad. »Ich wurde als Fahrer für einen ganzen Haufen von uns ausgewählt – aber keine Sorge, die Jungs werden noch Stunden im Club bleiben.«
Zu zweit gelang es ihnen, Danny auf die Rückbank zu verfrachten. »Ich setze mich nach hinten zu ihm«, erklärte Catie und ließ ihren Worten Taten folgen. »Nur für den Fall, dass er sich übergibt oder irgendeine andere Reaktion zeigt.«
»Krankenhaus?« Vili schaute in den Rückspiegel. »Es gefällt mir nicht, wie er aussieht.«
»Ja, fahr direkt zur Notaufnahme.« Es war Catie gelungen, Danny anzuschnallen, und sein Kopf lag jetzt auf ihrer Schulter. »Ich wünschte, wir könnten ihn vor den Medien beschützen, aber seine Gesundheit steht an erster Stelle.« Aus welchem Grund auch immer – ob es an seiner Familie lag, die altem Rugbyadel entsprang, ob es an seinem angeborenen Charme lag oder an seinem attraktiven Gesicht und Körper –, die Unterhaltungsmedien hatten beschlossen, dass Danny Esera ihr gegenwärtiger »It-Boy« war.
Als sie ihn deswegen verspottet hatte, hatte er mit einem schiefen Lächeln geantwortet: »Du weißt, dass sie Leute aufbauen, um sie dann zu Fall zu bringen, oder? Sie werden wie ein Rudel Hyänen über mich herfallen, wenn ich auch nur stolpere.«
So war das mit Danny; er konnte seltsam weise sein.
»Tja«, murmelte Viliame, als er vom Parkplatz fuhr. »Ich meine, die Ärzte leisten einen Eid, alles vertraulich zu behandeln, aber in der Notaufnahme wird auch eine Menge anderes Volk rumlaufen.« Er bremste vor einer roten Ampel und fügte hinzu: »Sein Mannschaftsarzt ist noch in der Stadt, und er ist ein guter Mann, aber ich weiß nicht, ob er sich verpflichtet fühlen würde, das seinem Vorgesetzten zu melden. Vor allem, da Danny für die Nationalmannschaft ausgewählt worden ist.«
Catie hatte einen Geistesblitz. »Warte«, sagte sie und kramte ihr Telefon aus der kleinen Handtasche aus glitzerigem Gold, die sie quer über der Brust trug. »Ich kenne eine Ärztin hier. Vielleicht kann sie uns helfen. Hoffentlich hat sie ihr Handy nicht stummgeschaltet und ist schon zu Bett gegangen.«
Dr. Priya Chauhal war dreißig Jahre älter als Catie, und sie war eine Frau, die Catie während ihrer großen Operationen als Kind kennengelernt hatte. Sie waren über die Jahre hinweg in Verbindung geblieben, selbst nachdem die Ärztin in eine andere Stadt gezogen war, und heute Abend meldete sie sich gleich beim ersten Klingeln.
Die Hintergrundgeräusche verrieten Catie, dass Dr. Chauhal Dienst im Krankenhaus tat. Als Catie ihr die Situation erklärte, sagte die Ärztin ihr, dass sie Danny zum rückwärtigen Eingang des Krankenhauses bringen solle.
»Ich werde ihn zur Untersuchung in ein Privatzimmer bringen und dafür sorgen, dass nur ein sehr kleines Team Kontakt zu ihm haben wird. Sie sind viel zu alt und hängen viel zu sehr an ihren Karrieren, um wegen eines Stars aus dem Gleichgewicht zu geraten und dumme Entscheidungen zu treffen.«
»Danke, Dr. Priya.« So hatte Catie Dr. Chauhal genannt, damals, als sie ein erschrockenes und verängstigtes Kind gewesen war; dass der damalige Name heute Abend zum Vorschein kam, war keine Überraschung.
Während Viliame sich von der Ärztin Anweisungen geben ließ, wie er den richtigen Eingang fand, strich Catie Danny sein volles, welliges Haar aus dem Gesicht. Frauen liebten dieses mitternachtsschwarze Haar, genau wie all seine Sponsoren.
Keine Reaktion von Danny. Er war bewusstlos. Und seine Haut fühlte sich irgendwie befremdlich an.
Mit verkrampfter Miene schaute Catie auf, nachdem Viliame das Gespräch mit Dr. Chauhal beendet hatte. »Ist es noch weit?«
»Nein, wir sind fast da.«
Als sie vor dem richtigen Eingang vorfuhren, wartete Dr. Chauhal bereits auf sie, mit einer Trage und zwei Krankenpflegern. Einer von ihnen war ein ebenso großer Mann wie Viliame, und mit vereinten Kräften gelang es ihnen, Danny auf die Trage zu legen.
Catie klebte an Dannys Seite, während Vili wieder hinausging, um den Land Cruiser zu parken. Sie bekam am ganzen Leib eine Gänsehaut, als sie durch die Krankenhausflure liefen. Ihre Jacke befand sich immer noch im Club, an dem Tisch, den sie sich mit ihren Freundinnen geteilt hatte, und ihr hübsches Glitzertop, rückenfrei und ärmellos, war für die Hitze eines Clubs bestimmt.
Kühlen Krankenhausfluren war es nicht gewachsen.
Aber bald schon waren sie in einem wärmeren Patientenzimmer – einem Raum, weit entfernt vom hektischen Treiben der Notaufnahme. Dr. Chauhal entschuldigte sich kurz und kam dann mit einer Frau zurück. Diese war hochgewachsen, und hier und da durchzogen silberne Strähnen ihr goldenes Haar, aber es war fast unmöglich, ihr Alter zu schätzen. Ihre Sachkenntnis offenbarte sich jedoch, sobald sie mit der Untersuchung Dannys begann.
»Solche Reaktionen auf Drogen sind nicht mein Metier«, erklärte Dr. Chauhal Catie, als sie zurücktraten und die andere Ärztin arbeiten ließen. »Dr. Smitherson ist eine der Besten auf diesem Gebiet.«
»Danke, dass Sie das für uns tun.« Catie war völlig klar, dass das alles nicht nach Vorschrift lief. »Ich hoffe, es bringt weder Sie noch Dr. Smitherson in Schwierigkeiten.«
Dr. Chauhal schüttelte den Kopf. »Das ist einer der Vorteile, wenn man in der Hierarchie extrem weit nach oben geklettert und trotzdem bereit ist, Nachtschichten zu übernehmen. Niemand wird uns wegen solch einer Kleinigkeit etwas Übles anhängen.«
Dr. Smitherson ließ ein Lächeln aufblitzen, richtete ihre Aufmerksamkeit aber weiter auf Danny.
»Und«, fügte Dr. Chauhal hinzu, »die einzige Gefälligkeit, die wir ihm erwiesen haben, war eine diskrete Aufnahme. Wir würden jeden, der mit den Wirkungen einer derartigen Droge zu uns käme, genauso gut behandeln.«
»Ist in der Aufnahme sehr viel los?«
Dr. Smitherson war diejenige, die antwortete. »Im Moment noch nicht, nein. Der Ansturm kommt wochentags immer erst so gegen elf Uhr abends. Wenn sich dieser Zwischenfall zu dem Zeitpunkt ereignet hätte, hätte ich nicht heraufkommen können, und Mr Esera hätte sein Glück mit einer öffentlichen Aufnahme ins Krankenhaus versuchen müssen.«
Sie war fertig mit Dannys Untersuchung und erhob sich. »Sein Herzschlag ist ein wenig besorgniserregend, aber nichts Gefährliches. Es gefällt mir jedoch nicht, dass er das Bewusstsein verloren hat – ich werde dem Labor mitteilen, dass die Untersuchung seines Blutes Priorität hat. In der Zwischenzeit bleibt er bei voller Überwachung hier.«
Catie setzte sich auf den Stuhl neben Dannys Bett, nachdem das medizinische Personal den Raum verlassen hatte; bevor sie gegangen waren, hatten sie ihm Blut abgenommen und ihn dann an verschiedene Monitore angeschlossen. Sie holte gerade ihr Handy hervor, als Viliame hereinkam.
»Ich habe Dannys Jackett im Wagen gefunden«, verkündete er und hielt es ihr hin. »Ich hatte ihn heute Abend mitgenommen. Wie dem auch sei, ich dachte, du brauchst es vielleicht.«
»Danke – du bist ein Lebensretter.« Sie schlüpfte in das mit Fleece gefütterte Cordjackett, und sofort wurde sie überwältigt von dem warmen, maskulinen Duft Daniel Eseras. Der Duft war … beruhigend. Stirnrunzelnd über ihre eigenen Gedanken sagte sie: »Ich kann hier die Stellung halten. Wäre es zu viel verlangt, wenn du in den Club zurückkehrtest, um ihm Rückendeckung zu geben, damit niemand anfängt, sich zu fragen, wohin Danny verschwunden ist?«
Viliame, über dessen dunkelbraunen Augen sich kleine Fältchen bildeten, verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich möchte dich nicht gern allein hier zurücklassen.«
»Ich bin umgeben von Ärzten und Pflegern«, rief sie ihm ins Gedächtnis. »Und du weißt, dass die Leute unseren Abgang bemerkt haben werden. Besser, man erstickt jedweden Tratsch im Keim, sonst werden sie aus uns ein Trio machen, und deine Fans werden mich mit einem Beil ermorden.« Die Behauptung, Viliames Fanclub sei hingebungsvoll, wäre eine gewaltige Untertreibung; seine zukünftige Freundin oder Ehefrau würde es schwer haben.
»Im Ernst, Vili«, fügte sie hinzu. »Du weißt, dass es genug Menschen gibt, die nur darauf warten, dass Danny sich einen Ausrutscher leistet und sich zum Gespött macht.« Diese Hyänen, die darauf warteten, dass er fiel. »Es braucht nicht wahr zu sein, um im Gedächtnis der Leute hängen zu bleiben – das Schlimmste wäre es, wenn die Person, die ihn unter Drogen gesetzt hat, seinen plötzlichen Abgang ausnutzte, um das Gerücht in die Welt zu setzen, er nehme Drogen. Es war vielleicht Sinn der Sache, den Anschein zu erwecken, dass er Drogen konsumiert.«
Caties Zorn war eine scharfe Klinge, ihr Verlangen nach Rache kalt und entschlossen. Letzteres musste eine genetische Eigenart sein, die sie von Jacqueline geerbt hatte; ihre Mutter war definitiv eine Vertreterin der These, dass Rache ein Gericht war, das man am besten kalt servierte.
Viliame fuhr sich mit der Hand durch seine schwarzen Locken. »Scheiße. Ja, ich verstehe, worauf du hinauswillst.« Mit geschürzten Lippen und schmalen Augen sagte er: »Ich habe eine Idee, die alle anderen Gerüchte hinwegfegen wird – ich könnte es so darstellen, als hätten wir in einen anderen Club gehen wollen, aber dann habt ihr zwei mich hängen lassen und seid zusammen losgezogen.«
Der für gewöhnlich so reservierte Spieler wackelte mit den Augenbrauen.
Catie verdrehte die Augen. »Als würde irgendjemand das glauben.« Die Tatsache, dass sie und Danny keine Freunde waren, war allseits bekannt. Wahrscheinlich weil sie einander in ihren Posts in den sozialen Medien ständig verspotteten.
Man nehme nur Dannys letzten Kommentar: Oh, wie ich sehe, hast du dich heute für den Prinzessinnenlook entschieden. Meiner wohlabgewogenen Meinung nach brauchst du mehr goldenen Lidschatten, und wow, Daumen hoch, dass du nicht zögerst, Spinnenbeine an deine Augenlider zu kleben. Das ist wahre Hingabe an die Mode.
Danny hielt sich für ein Genie.
Nicht dass sie auch nur einen Deut besser gewesen wäre.
Ein wenig sparsam bei den Gewichten heute, Daniel. Tss-tss. Wir sind wohl über die Feiertage etwas faul geworden, hm? Ist schon gut. Deshalb habe ich dir ja auch zu Weihnachten die flamingorosa Kindergewichte geschenkt. Ich will immer nur dein Bestes. Xoxo
Bloß gut, dass Alison, Dannys Mum, nicht auf der Plattform der sozialen Medien unterwegs war, die sie beide für ihre gegenseitigen Spötteleien bevorzugten. Sie hätte ihnen die Ohren langgezogen, dass sie sich wie Kinder benahmen, statt wie die gestandenen Erwachsenen, die sie sein sollten. Wie die Dinge lagen, fanden Dannys Brüder es zum Schreien komisch, und Caties Schwester schüttelte nur den Kopf über jeden neuen Seitenhieb, den sie sich einfallen ließen.
»Ähm.« Viliame ließ seine verschränkten Arme sinken und zuckte die Schultern. »Ich meine, bei all den Beleidigungen denken alle, dass ihr miteinander flirtet, also ja, es wird funktionieren.«
Catie erschauerte, selbst als sie sich Dannys Jackett enger um den Leib schlang. »Ich werde niemals mit Daniel Tana Esera flirten.« Die Idee war so lächerlich, dass sie nicht einmal beleidigt sein konnte. »Aber nur zu. Was immer funktioniert. Morgen werde ich posten, er habe einen Annäherungsversuch gemacht und ich ihm in den Hintern getreten, und alles ist wieder wie immer.«
»Ich werde dich und Danny nie verstehen«, murmelte Viliame, dann streckte er eine Faust aus. »Passt du auf ihn auf?«
Sie stieß mit ihrer Faust gegen seine. »Er nervt, aber ich liebe seine Familie.«
Viliame schüttelte nur den Kopf, dann sagte er zu Danny: »Bis bald, Bruder«, bevor er verschwand.
Erst da gab Catie ihrer Sorge nach und strich Danny noch einmal das Haar aus der Stirn. »Hey, Hotshot. Tut mir leid, dir das mitteilen zu müssen, aber die Krankenschwestern sind deinetwegen nicht in Verzückung geraten.« Ihr Magen war total verkrampft. Sie hielt es kaum aus, ihn so zu sehen, so still und bleich. Danny war Energie und Leben. Er war der Mann, der sie im vergangenen Jahr bei den Strandrennen während des Campingausflugs der Familie auf seinen Rücken gehievt hatte und so schnell gerannt war, dass sie alle anderen Teams in einer Staubwolke hinter sich gelassen hatten.
Während die anderen Partner hatten, blieben sie beide für gewöhnlich übrig, es sei denn, ihr Bruder Harlow konnte es einrichten zu kommen oder ein anderer Freund gesellte sich zu ihnen. Und weil sie und Danny ganz versessen auf jede Art von Wettstreit waren, trugen sie meist den Sieg davon.
Danny war außerdem einer der wenigen Menschen, bei dem sie keine Probleme hatte, aufzuspringen und huckepack getragen zu werden. Als Teenager war sie mit einigen Jungen ausgegangen, die es für den Gipfel der Romantik gehalten hatten, sie blitzschnell hochzuheben und herumzutragen. Doch hatten sie dabei nicht berücksichtigt, dass erstens: Catie es hasste, erschreckt und aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden; und zweitens: dass sie buchstäblich Jahre darauf verwandt hatte zu lernen, auf ihren beiden eigenen Fußprothesen zu gehen.
Bei Danny war das anders. Er schien von Anfang an verstanden zu haben, dass ihre Prothesen ein nicht wegzudenkender und hochgeschätzter Teil von ihr waren, keine Anhängsel, die man einfach ignorieren konnte oder als minderwertig betrachten. Bei Wettrennen war sie diejenige, die für gewöhnlich vorschlug, die Prothesen abzunehmen, damit sie leichter wurde und er schneller rennen konnte.
»Immer noch eine Moglerin«, war im vergangenen Sommer seine mit einem Grinsen hervorgebrachte Bemerkung gewesen, die sich auf ihre allererste Teilnahme an dem Campingausflug der Familie bezog – nachdem Ísa, ihre Schwester, Sailor kennengelernt und sich in ihn verliebt hatte, einen von Dannys beiden älteren Brüdern.
Dannys Oberkörper war an jenem Sommertag nackt gewesen, seine Haut goldbraun, die Muskeln glänzend, während er auf sie herabgegrinst hatte. Nackte Füße, Boardshorts, vom Salzwasser nasses Haar und Sand an den Waden … Er war ihr wunderschön erschienen.
Sie hatte diesen Gedanken schnell abgeschüttelt und mit dem Finger auf ihn gezeigt. »Willst du gewinnen oder nicht?«
»Ich will immer gewinnen, Prinzessin.« Er hatte beobachtet, wie sie ihre Beine abgenommen hatte. »Dieser Fuß ist neu, stimmt’s?«
»Yep. Der Hersteller testet einen neuen Alltagsfuß und hat angefragt, ob ich eins der Versuchskaninchen sein wolle.« Dank des idiotischen Wohlstands ihrer Mutter hatte Catie nie darum kämpfen müssen, sich eine Prothese überhaupt leisten zu können, ein Privileg, das sie niemals vergaß – weshalb sie Neuentwicklungen niedrigpreisiger Prothesen, die man von Grund auf zusammenbauen konnte, finanziell unterstützte. Nutznießer waren Menschen in ärmeren Ländern.
An diesem Tag hatte Danny den Fuß hochgehoben und in Augenschein genommen. »Sieht ziemlich futuristisch aus. Irgendwelche Robotersachen da drin?«
»Mikroprozessoren.« Sie hatte sich ihren Fuß zurückerobert. »Du Technikfreak kannst später nach Herzenslust gaffen. Jetzt ist Wettlaufzeit.«
Er hatte sich auf ein Knie niedergelassen, sie hatte sich auf seinen glatten, warmen Rücken gehievt, und sie waren zur Startlinie gelaufen. Meereswind zerzauste sein Haar, und sie hatte sein Muskelspiel unter ihren Händen gefühlt. Und als er über eine Bemerkung seines Bruders Jake gelacht hatte, hatte sie die Vibration an ihrer Haut gespürt.
Danny war bestimmt für sonnige Strände und Rugbyfelder, nicht für ein nüchternes Krankenhausbett.
Nachdem sie ihre Hand um seine gelegt hatte, machte sie einen Telefonanruf, den sie nicht machen wollte – aber seine Familie würde es ihr nicht danken, wenn sie sie nicht informierte.
Ihre Schwester nahm den Anruf an. Sie klang atemlos. »Catiekäfer!« Liebe, so viel Liebe in diesem einen Wort. »Wie läuft es da unten? Ich höre, die Temperatur ist abgesackt. Oh, bist du Danny über den Weg gelaufen?«
Eingehüllt in die Wärme von Ísas Zuneigung erzählte Catie ihr, was passiert war. »Die Ärzte machen im Moment die Blutuntersuchung, und nach dem, was ich auf den Monitoren sehe, sind seine Vitalzeichen konstant.« Catie hatte genug Zeit in Krankenhäusern verbracht, um die grundlegenden Informationen der Bildschirme interpretieren zu können.
»Oh, Schätzchen«, kam Ísas erschütterte Antwort. »Lass mich Sailor holen.« Eine halbe Minute später sagte sie: »Ich habe dich auf Lautsprecher gestellt. Sailor ist hier.«
»Catie, Liebes.« Sailors tiefe Stimme. »Ich versuche gerade, Tickets für den nächsten Flug runter zu euch zu bekommen. Mum und Dad werden für Dan da sein wollen.«
Caties Herz schnürte sich zusammen. Sailor war ihr erster richtiger Schwarm gewesen – aber nicht auf eine schräge Weise. Sie war einfach hingerissen gewesen, wie er ihre Schwester liebte und wie er mit ihren Kindern umging, Emmaline und Connor. Sailor Bishop hatte Catie für Blödmänner und Loser verdorben. Sie wollte einen Mann, der sie so liebte, wie Sailor Ísa liebte.
Vorbehaltlos. Jetzt und für immer.
Sailor war mit ein Grund, warum es ihr gelungen war, Ward ohne Bedauern in die Wüste zu schicken. Irgendwie hatte er sich unter ihrem Radar hindurchgemogelt, aber schließlich hatte sie ihn als den Mann durchschaut, der er war, und sie hatte gewusst, dass sie etwas Besseres verdiente.
»Danny wird sauer sein wegen des Wirbels«, sagte sie.
»Ja, Mum hat echt Angst vor seinem Zorn.«
Mit einem leisen Lachen über Sailors todernsten Ton drückte Catie Dannys Hand. »Ich werde euch über seinen Zustand auf dem Laufenden halten.«
»Sieht so aus, als gäbe es vor morgen früh keine Flüge«, berichtete Sailor. »Du wirst wahrscheinlich bald einen Anruf von unseren Eltern bekommen. Sieht er okay aus?«
»Ja.« Nicht wie er selbst, aber seine Gesichtsfarbe schien ihr schon besser zu sein.
»Wie geht es dir, Catie?«, fragte Ísa, der Mamabär. »Hast du Unterstützung? Laveni ist bei dir, nicht wahr?«
»Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihr zu erzählen, was los ist, aber Viliame war großartig. Er streut gegenwärtig das Gerücht aus, Danny und ich seien zusammen verschwunden, weil wir jetzt ein Paar seien.« Sie gab Würgelaute von sich.
Ein männliches Schnauben drang durch die Leitung. »Danny muss gut aussehen, wenn du dich ihm gegenüber so benimmst wie immer. Sieh zu, dass du auch auf dich selbst aufpasst, während du dich um ihn kümmerst.«
»Jawohl, Boss.«
Sie brauchte nicht lange auf den Anruf von Alison und Joseph zu warten. Ihr tat immer das Herz weh, wenn sie sah, wie sie mit ihren Jungs umgingen. Warm und liebevoll, während sie sie dazu erzogen hatten, starke, unabhängige Männer zu sein. Man hätte nie bemerkt, dass Joseph Gabriels und Sailors Stiefvater war – er behandelte seine vier Jungs gleich, und die Brüder benutzten niemals das Wort »halb« füreinander. Sie waren Brüder. Ende der Geschichte.
Was die Elternsache betraf, war Jacqueline, Caties eigene Mutter, im Laufe der Jahre besser in ihrer Rolle geworden, aber sie hatte die Mutterliebe nicht in den Genen und würde sie auch niemals empfinden. Nicht ihre Schuld. So war sie eben. Dafür geschaffen, Imperien aus dem Boden zu stampfen und CEO zu sein.
Das Problem war, dass sie sich nicht in Männer verliebt hatte, die Kinder liebten und in puncto Erziehung die Schwerstarbeit leisteten, sondern sie vielmehr Stéfan ausgesucht hatte, gefolgt von Clive. Oliver, ihr gegenwärtiger Ehemann, den Jacqueline geheiratet hatte, nachdem ihre Töchter ein Alter erreicht hatten, in dem es keine Rolle mehr spielte, war tatsächlich ein sanfterer, freundlicherer Typ Mann. Ísas Dad war wenigstens finanziell da gewesen, während Caties Vater … weniger als zuverlässig war.
Er hatte kein Sicherheitsnetz für Jacquelines Tochter hinterlassen.
Damals, als dieser Laster über den Bordstein gefahren war und Caties Beine zerquetscht hatte, war ihre Mutter im Krankenhaus aufgetaucht. Natürlich war sie aufgetaucht. Jacqueline war kein Monster. Aber sie war verschwunden, sobald die Ärzte erklärt hatten, dass Catie über den Berg sei.
Jacqueline war nicht der Typ Mensch, der an einem Krankenhausbett Wache hielt.
Es war Clive gewesen, der diese Rolle übernommen hatte. Ihr Hallodri von Vater hatte sie an diesem kritischen Punkt in ihrem Leben nicht im Stich gelassen, als sie solche Angst und solche Schmerzen gehabt hatte und ihre Träume von einer Karriere als Läuferin scheinbar am Ende waren.
Deshalb konnte sie ihn immer noch lieben, obwohl er ihr so viele Male das Herz gebrochen hatte. Sie musste sich nur daran erinnern, wie sie nach einer weiteren Operation aus der Narkose aufgewacht war und feststellte, dass Clive auf dem Krankenhausstuhl eingeschlafen war, unrasiert und in tagelang nicht gewechselten Kleidern.
Er hatte keinen einzigen Krankenhaustag ausgelassen, hatte Stunden darauf verwandt, sie zu unterhalten und zum Lachen zu bringen. Aber es war Ísa gewesen, die in den Monaten und Jahren der Rehabilitation, die folgten, für sie da gewesen war, Ísa, die sie zu all den Terminen bei den Prothese-Spezialisten begleitet hatte, Ísa, die dafür gesorgt hatte, dass Catie ihre Fortschritte nicht zunichtemachte, indem sie versuchte, einzelne Stadien zu überspringen.
Jacqueline dagegen hatte dafür bezahlt, Clives ganzes Haus umrüsten zu lassen, damit Catie sich darin bewegen konnte. Sie hatte außerdem die Gründung einer Firma in Gang gesetzt, die hochklassige Prothesen baute. Jacqueline hatte sich auf ihre eigene Weise um Catie gekümmert – nur nicht auf die Art, die das verletzte Kind, das Catie gewesen war, so verzweifelt gebraucht hatte.
Ihre Mutter war eine komplizierte Frau.
»Wir werden den ersten Flieger nehmen, der geht«, sagte Joseph am Ende ihres Telefonats. »Sieh zu, dass du etwas Heißes zu trinken und etwas zu essen kriegst, wenn du bei Danny wachst, sonst bekommst du es mit mir zu tun.«
Caties Augen brannten. »Ja, Sir.«
Catie ließ ihr Telefon wieder in die Tasche gleiten und schluckte hörbar. »Ich hoffe, du weißt, was für ein Glück du hast, Hotshot.« All diese Menschen, die bereit waren, alles in ihrem Leben stehen und liegen zu lassen, um zu ihm zu kommen. Das Surreale war, dass sie es auch für sie getan hätten.
Sie hatte so viel Zeit mit dem Esera-Clan verbracht, nachdem Ísa etwas mit Sailor angefangen hatte, dass Veni einmal gesagt hatte: »Da du und Danny euch im Alter so nah seid, müsst ihr euch fühlen wie Bruder und Schwester.«
Nachdem sie laut gewürgt hatte, hatte Catie – sehr energisch – widersprochen: »Nein. Daniel Esera ist nicht mein Bruder. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er überhaupt ein Mensch ist.«
Veni war in Gelächter ausgebrochen, und ihr Gekicher war ansteckend, aber die Wahrheit war die Wahrheit. Was Sailor und Gabriel betraf, behandelten sie sie tatsächlich wie eine kleine Schwester, aber das machte ihr nichts aus – sie waren älter, waren schon erwachsen gewesen, als sie sie kennengelernt hatte. Jake, der eher in ihrem eigenen und in Dannys Alter war, war ein Freund.
Nur sie und Danny hatten von ihrer ersten Begegnung an auf Kriegsfuß miteinander gestanden. »Und ich könnte den Loser, der dir das angetan hat, trotzdem erdolchen«, murmelte Catie, deren Hand noch immer seine umfing. »Nur lass es dir nicht zu Kopf steigen. Ich würde das Gleiche für jeden tun, dem jemand Drogen untergeschoben hat.«
Dann drückte sie seine Hand und beobachtete, wie seine Brust sich hob und senkte.
Als Danny erwachte, fühlte er sich total daneben.
Er war völlig benommen, hatte einen Geschmack im Mund, als hätte er an einem Pelztier unbekannter Herkunft herumgekaut, und er fühlte sich am ganzen Körper so, als hätte er in einer brutalen Schlacht von einem Spiel einen Zweikampf nach dem anderen ausgefochten. Der einzige Punkt von Wärme und Weichheit befand sich an seiner rechten Hand.
Als er hinabschaute, sah er ein Wirrwarr von Haaren, das so viele Rot- und Braunschattierungen aufwies, dass es sich wie eine Beleidigung anfühlte, es als kastanienbraun zu bezeichnen. Dieses Haar, das waren eingefangene Sonnenuntergänge und herbstliches Feuer; er liebte es besonders, wenn es im Sonnenschein aufflammte.
»Catie?« Seine Stimme war leise und rau.
Sie wurde nicht davon wach, lag mit dem Kopf an der Seite seines Bettes und schlief, ihre Hand in seine geschmiegt. Nein, sie war nicht in seine geschmiegt. Sie umklammerte seine mit festem Griff.
Warum war Catie in seinem Zimmer?
Dann fiel ihm der Vorhang rund um das Bett herum auf. Ein weiterer Atemzug, und der Geruch von Desinfektionsmitteln und wer weiß was sonst noch flutete seine Sinne. Krankenhaus. Er lag in einem Krankenhaus. Der Geruch war genauso unverkennbar wie die medizinischen Gegenstände in der Nähe – unter anderem ein leerer Schwesternwagen. Und dieses schmale Ding mit dem Metallrahmen war nun wirklich nicht sein Bett.
Wieder wanderte sein Blick zu Catie, doch er wurde abgelenkt von dem strahlend weißen Licht, das hinter ihr durchs Fenster fiel. So hell, dass es ihm in den Augen wehtat.
Stirnrunzelnd beugte er sich vor.
Catie schreckte auf. »Was? Ich habe nicht geschlafen!«
Sie funkelte ihn aus riesigen braunen Augen an, die umrahmt waren von goldener Haut voller winziger Schlaffältchen, bevor sich auf ihrem Gesicht plötzlich ein strahlendes Lächeln ausbreitete, das ihm den Atem zu rauben drohte. »Hotshot.« Sie klopfte ihm mit den Knöcheln ihrer freien Hand sachte gegen die Schläfe. »Hast du noch alle Tassen im Schrank?«
Er runzelte die Stirn. »Warum zur Hölle bin ich im Krankenhaus? Hast du mich überfahren?«
»Haha. Nicht ich bin diejenige mit drei Strafzetteln wegen zu schnellen Fahrens.« Sie beugte sich vor und drückte auf etwas neben dem Bett. »Man hat mir gesagt, ich solle klingeln, wenn du aufwachst.« Dann umfasste sie die Hand, die sie in ihrer hielt, noch ein wenig fester. »Irgendein Drecksack hat dir gestern Abend eine Droge in deinen Drink geschüttet. Du hast das Bewusstsein verloren.«
Danny gefror das Blut in den Adern. Er fuhr hoch, während er versuchte, sich an den Abend zu erinnern. Erfolglos. Sein Herz hämmerte, und sein Mund war trocken. »Ich erinnere mich an nichts nach dem Spiel.« Er war bester Laune gewesen, euphorisch über den Sieg gegen die Southern Blizzard.
»Ich habe im Netz nachgeschlagen, als ich nicht schlafen konnte«, berichtete Catie. »K.-o.-Tropfen können zu retrograder Amnesie führen.«
»K.-o.-Tropfen?« Seine Gedanken überschlugen sich, während er zu verstehen versuchte, was sie sagte. »Warum …?«
Der Vorhang raschelte, und eine zart gebaute Frau im Arztkittel wurde sichtbar. »Gut. Sie sind wach«, sagte sie. »Und das Timing ist perfekt. Dr. Smitherson macht ihre letzte Runde, bevor sie das Krankenhaus verlässt.«
Er brauchte nicht lange auf die Ärztin zu warten.
Nachdem sie Danny untersucht hatte – einschließlich einer Überprüfung seiner kognitiven und motorischen Fähigkeiten –, ließ sie die Hände in die Taschen ihres Kittels gleiten. »Ihre Freunde hatten recht – und unrecht«, sagte die Ärztin zu ihm.
»Man hat Ihnen eine Droge untergeschoben, aber es war nicht das, was man im Volksmund K.-o.-Tropfen nennt. Vielmehr hat es sich um ein Beruhigungsmittel gehandelt, das mit einer anderen Droge verschnitten war.« Sie ratterte chemische Namen herunter. »Die Tests haben ergeben, dass man Ihnen gemessen an Körpergröße und -gewicht eine relativ kleine Menge verabreicht hat.«
Danny versuchte nachzudenken. »Wer würde so etwas tun?«
»Angesichts der Umstände – dass Sie umringt waren von Freunden, die bemerkt hätten, dass etwas mit Ihnen nicht stimmte, und die es ja auch tatsächlich bemerkt haben – hatte die Tat vielleicht keinen anderen Grund als den, dass gewisse Individuen sich damit einen Kick verschaffen.« Ihr Gesicht spiegelte ihren Abscheu wider. »Im vergangenen Monat hatten wir fünf Leute hier, die über Übelkeit und Erbrechen klagten, nachdem ein angeblicher Freund ihre Drinks mit einer illegalen Substanz versetzt hatte, nur um festzustellen, wie sie darauf reagieren würden.«
»Es könnte auch ein skrupelloser Reporter gewesen sein«, warf Catie ein. »Fotos von Danny in bewusstlosem Zustand würden große Summen erzielen, und der Täter hätte lediglich jemanden vom Barpersonal oder ein Groupie bestechen müssen, das nah genug an dich herankonnte.«
»Scheiße.« Danny fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und begriff erst dann, dass er die ganze Zeit über Caties Hand festgehalten hatte. »Das hätte mich meinen Platz in der verdammten Mannschaft kosten können. Null Drogentoleranz, das ist die Politik.«
»Es ist alles vertraulich«, versicherte Dr. Smitherson ihm. »Von hier aus wird nichts durchsickern. Aber wenn es doch irgendwann einmal herauskommt, bin ich auf jeden Fall bereit auszusagen, dass Sie die Drogen nicht freiwillig eingenommen haben. Außerdem würde ich vorschlagen, dass Sie bei der Polizei Anzeige erstatten.«
Danny brummte der Schädel.
»Kann er nach Hause gehen?«, übernahm Catie das Kommando.
Ausnahmsweise einmal protestierte er nicht dagegen. Er hatte nicht die Kraft zu protestieren.
»Ja, aber ich möchte nicht, dass er während der nächsten achtundvierzig Stunden allein ist. Die Nachwirkungen können anhalten.«
»Kein Problem. Ich bleibe bei ihm, bis seine Eltern aus Auckland kommen.«
»Wenn sie vorhatten herzufliegen, haben sie Pech.« Die Ärztin deutete mit dem Kopf auf das Fenster hinter Catie. »Wir haben einen Jahrhundertschneesturm. Alle Flüge sind abgesagt worden. Laut Wettervorhersage wird es noch schlimmer, bevor der Sturm weiterzieht. Ich entlasse Sie jetzt, damit Sie nach Hause fahren können, bevor es auf den Straßen zu gefährlich wird.«
Dr. Smitherson hielt Wort, und kurze Zeit später verließ Danny die Station.
»Ich habe eins von diesen super VIP-Taxis gerufen«, informierte Catie ihn. »Du weißt schon, die damit Reklame machen, dass sie supervertraulich sind. Wenn der Fahrer trotzdem plappert, werden wir so tun, als wäre ich gestürzt und hätte meine Prothesen überprüfen lassen müssen, und du bist mit mir gekommen.«
Danny war an Caties Geistesgegenwärtigkeit gewöhnt, aber heute war sie zu schnell für ihn. »Catie, ich kann nicht richtig klar denken.«
Sie schob ihre Hand in seine, schmal und warm und mit Schwielen von ihrem Krafttraining. »Nachwirkungen, erinnerst du dich? Die Ärztin hat mir einige Ratschläge gegeben, was Essen und Trinken betrifft, als du im Bad warst; damit werden wir anfangen und versuchen, dein körperliches Befinden zu verbessern.«
Er sah auf ihre verschränkten Hände hinab. Komisch, wie zierlich sie war. So hatte er sie noch nie zuvor wahrgenommen – aber während Catie schlank und geschmeidig war, ein Pfeil auf der Rennbahn, war ihre Hand zart und klein, und sie umklammerte seine sehr fest. Und sie sagte ihm, es sei in Ordnung, wenn er sich auf sie stützte; sie könne das verkraften.
Er schloss seine größeren, dunkleren Finger um ihre und antwortete: »Ich bin gehandicapt. Das hier zählt nicht.«
Niemand sonst hätte das verstanden. Catie grinste. »In Ordnung. Das kommt nicht auf die Anzeigetafel.«
Der Taxifahrer erwies sich als ein älterer Mann, der sich viel mehr für Caties Fußprothesen interessierte als für irgendetwas, das mit Danny zusammenhing. Sie hatte hautenge, schwarze Caprihosen getragen, die ihre Hightech-Knöchelgelenke bloß ließen, und ihre Füße – gleichermaßen Hightech – steckten in Sneakers, die mit goldenen Pailletten bedeckt waren.
Catie plauderte mit dem Fahrer, während das Taxi durch die verschneiten Straßen kroch, die still dalagen. Sie hatte Danny einmal erzählt, dass sie gern über ihre Prothesen sprach. »Solange jemand nicht unhöflich und einfach nur neugierig ist«, hatte sie hinzugefügt. »Ich glaube, wenn ich den Leuten helfen kann, zu erkennen, dass prothetische Gliedmaßen nichts Seltsames sind, sondern einfach ein normales Hilfsmittel, nutzt das vielleicht einem anderen Amputierten, der sich nicht so wohl dabei fühlt, über diese Sache zu reden. Außerdem, ich meine, meine Hardware ist supercool.«
Als das Taxi vor einem Gebäude hielt, das Danny nicht kannte, bat der Fahrer um ein Selfie mit Catie, weil er seinen Enkelkindern von der berühmten Läuferin erzählen wollte, die er kennengelernt hatte. Danny ignorierte er vollkommen.
Gott sei Dank. Oder Dank sei Catie. Besser, er sagte ihr das nicht. Sie würde ihm wahrscheinlich befehlen, sie von jetzt an mit Gott anzureden.
Nachdem sie bezahlt hatten – und nach dem Selfie, zu dem Catie sich über die Lücke zwischen den beiden Vordersitzen beugte –, stiegen sie im Schutz einer Markise aus. Danny streckte automatisch den Arm aus für den Fall, dass Catie ihn ergreifen wollte. Normalerweise tat sie das nicht, aber heute schloss sie die Finger um seinen Bizeps. Erst als sie in der Eingangshalle waren, begriff er, dass sie sich nicht an ihm festgehalten hatte. Sie hatte ihn festgehalten. Seine Wangen brannten.
Erzürnt über die fortgesetzte Schwere in seinem Kopf sagte er: »Wo sind wir?«
»Jacqueline hat eine Wohnung in der Stadt.« Sie begrüßte den Concierge in der frisch gebügelten Uniform an der Rezeption mit einem fröhlichen Winken, bevor sie zum Aufzug ging. »Meine Mädels und ich haben hier gewohnt.«
Er erstarrte. »Deine Mädels?«
Sie verdrehte die Augen, und der Glitter auf ihren Lidern funkelte. »Nicht nötig, den Panikknopf zu drücken. Sie sind gestern Nacht nach dem Besuch im Club nach Hause geflogen – ich sollte sie begleiten, aber ich habe eine Ausrede erfunden.« Sie machte ein angewidertes Gesicht. »Weißt du, dass sie Viliames blödes Gerücht, wir zwei hätten etwas miteinander, tatsächlich geglaubt haben?«
»Vili hat was getan?« Danny hatte das Gefühl, als würde sein Kopf gleich explodieren.
»Ich werde dich oben ins Bild setzen.«
Oben entpuppte sich als das Penthouse. Natürlich. Dies hier war schließlich Jacqueline Rains Wohnung. »Hier riecht es nach Frauen.« Er schnupperte und kniff die Augen zusammen. »Ganz parfümiert und weich.« Dann drehte er sich um, um an ihr zu schnuppern. »Oh, du riechst auch wie eine Frau.«
Catie schnaubte amüsiert. »Willst du duschen? Viliame hat deine Sachen aus dem Mannschaftshotel geholt und sie abgegeben, und ich habe den Concierge gebeten, alles hierher …«
Sie hielt inne und kehrte zurück in den kleinen Eingangsbereich. Als sie wiederkam, hielt sie seine Tasche in der Hand. »Voilà!«
Die Dusche half tatsächlich, und er fühlte sich schon viel besser, als er herauskam, bekleidet mit einer frischen grauen Jogginghose und einem weißen T-Shirt. Catie, deren Haare feucht waren von ihrer eigenen Dusche, trug einen samtigen Jogginganzug in einem Violett, das einem die Augen verbrannte, während sie an der Küchentheke stand und Rühreier briet.
Das Outfit mit seinen goldenen Schnallen und Epauletten an den Schultern hätte eine Monstrosität sein können, aber sie ließ es hochelegant erscheinen. Doch das durfte er sie natürlich niemals wissen lassen.
Er hob eine Hand vor seine Augen und sagte: »Meine Augen, meine Augen!«
»Halt die Klappe, sonst gibt es keine Eier für dich.« Sie schob ihm ihr Telefon hin. »Und ruf deine Eltern an. Sie haben sich gerade gemeldet, um uns mitzuteilen, dass ihr Flug abgesagt worden ist. Ich habe ihnen erklärt, dass es dir gut geht, aber sie wollen mit ihrem kleinen Jungen reden.« Sie feixte. »Gutschie, guu.«
»Du kannst mich mal.« Aber seine Lippen zuckten – er wusste, wie sehr sie seine Eltern liebte; im vergangenen Monat hatte sie sie zum Mittagessen ausgeführt, aus keinem anderen Grund als dem, dass ihr ihre Gesellschaft guttat.
Statt ihr Handy entgegenzunehmen, ging er ins Gästezimmer zurück und griff in die Taschen seiner Jeans. »Ich habe noch immer meine Brieftasche und mein Telefon«, rief er. »Also bin ich zumindest nicht ausgeraubt worden.«
»Ich habe dir ein paar Dollar geliehen«, erklärte Catie von der Küche her. »Zu einem sehr günstigen Zins. Nicht über fünfundzwanzig Prozent.«
»Der Drache wäre stolz auf dich.« Er ging zur Theke und rief bei seinen Eltern an. Während er wartete, dass jemand abnahm, schenkte er sich aus der Flasche, die Catie dort hingestellt hatte, einen Orangensaft ein.
Seine Mutter meldete sich fast sofort. »Danny, Schätzchen.«
Die Sorge seiner Eltern hüllte ihn in eine vertraute Wärme ein. Er wusste, dass andere Männer seines Alters es vielleicht nerven würde, so behütet zu werden, aber Danny machte keinen Hehl daraus, dass er seinen Eltern nahestand. Joseph und Alison Esera waren seine Felsen in der Brandung, und sie kannten die Grenze zwischen Zudringlichkeit und Fürsorge. Deshalb hatten sie auch vier starke, unabhängige Söhne, die sie anhimmelten.
Nachdem sich beide zu ihrer Zufriedenheit davon überzeugt hatten, dass es ihm gut ging und Catie »sich um ihn kümmerte« – an diesem Punkt kniff er die Augen zusammen –, baten sie ihn, Gabriel anzurufen.
Danny beherzigte ihren Rat, und sein großer Bruder besprach mit ihm das weitere Vorgehen. Die Anzeige aufgeben, seinen Sportagenten kontaktieren, damit er in Dannys Namen mit dem Teammanagement redete, und mit dem Krankenhaus sprechen, um die Befugnis zu erteilen, seinen Arztbericht von dem Zwischenfall des vergangenen Abends dem Sportclub zukommen zu lassen.
»Auf diese Weise können sie dich nicht beschuldigen, Drogen genommen zu haben«, meinte Gabriel. »Wenn es je zur Sprache kommt, ist alles dokumentiert.«
Wenn man ihm das Etikett eines Drogenkonsumenten aufklebte, konnte das der Todeskuss für seine Karriere im Sport sein, aber Danny zögerte. »Gabe, niemand weiß davon. Ich will es einfach nur vergessen.« Vergessen, die Kontrolle verloren zu haben, nachdem er ein ganzes Leben darauf verwandt hatte, zu lernen, diszipliniert zu sein und keine Linien zu übertreten.
»Das ist deine Entscheidung«, antwortete sein Bruder. »Aber wenn du den Vorfall nicht anzeigst, wird er zu etwas, das du verborgen hältst und von dem du dir Sorgen machen wirst, es könnte auf dich zurückfallen. Besser, du trittst die Flucht nach vorn an, und zwar so kurz nach dem Zwischenfall wie möglich, wenn alle Daten vorliegen, um deine Sicht der Dinge zu untermauern – einschließlich einer angesehenen Intensivmedizinerin und ihrer Kollegen. Außerdem wirst du zur Therapie gehen.«
Danny klappte der Unterkiefer herunter. Er stolzierte zu den Balkontüren, öffnete sie und trat hinaus in die eisige Kälte. »Den Teufel werde ich tun!« Er brüllte seinen großen Bruder sonst nie an – dafür hatte er zu viel Respekt vor Gabriel. Aber das hier war lächerlich. »Es war ein einziger Abend, und es ist nichts Schlimmes passiert!«
Gabriel ließ ihn ein Weilchen schimpfen, bevor er leise bemerkte: »Du bist zornig, Brüderchen. Hör dir selber zu. Kläre das, indem du mit einem Profi redest, bevor der Zorn in dir toxisch wird.«
Mit wogender Brust drückte Danny sich mit dem Rücken an die Außenwand. »Scheiße. Ich war nur – ich war umgeben von Freunden, Gabe. Die Vorstellung, dass einer von ihnen das getan haben könnte …« Es bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es ein Fremder gewesen war, aber trotzdem, der Gedanke machte ihm zu schaffen.
»Das ist genau der Grund, warum ich möchte, dass du mit jemandem redest. Hör mal, Mom hat mich nach meiner Verletzung zu einer Therapie gedrängt. Ich habe geheult wie ein Baby, aber es war das Beste, das sie für mich tun konnte. Wenn du schon auf nichts hörst, was ich sage, hör wenigstens darauf.«
»Ja, okay, ich lasse es mir durch den Kopf gehen.« Nachdem er aufgelegt hatte, starrte er eine Weile in den Schnee, bis Catie den Kopf nach draußen streckte.
»Hey, ich wusste gar nicht, dass du auch Prothesen willst.«
»Was?«
»Ich mein ja nur, du tust dein Bestes, um Frostbeulen zu kriegen und deine Füße zu verlieren.«
»Sehr witzig.« Aber als er begriff, dass sie recht hatte, dass er sich die Füße abfror, ging er wieder hinein und zog die Tür hinter sich zu.
Sein Magen knurrte.
Catie ergriff nicht die Gelegenheit, ihn aufzuziehen, sondern deckte den Tisch mit den Eiern und dem Schinken, die sie zusammen mit Scheiben von etwas zubereitet hatte, das nach frischem Brot aussah. Als er es mit hochgezogenen Brauen in die Höhe hielt, sagte sie: »Es ist vorgebacken, man kann es im Tiefkühlschrank aufbewahren, und wenn man etwas davon will, schiebt man es fünfzehn Minuten lang in den Ofen. Jacquelines Koch hat immer einen Vorrat davon da.«