Chronik der Sternenkrieger - Verlorene Götter - Alfred Bekker - E-Book

Chronik der Sternenkrieger - Verlorene Götter E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner. In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf... Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Zuletzt erschien DER BEFREIER DER HALBLINGE bei Blanvalet. >+++< INHALT Band 29 Die Spur der Götter Band 30 Mission der Verlorenen Band 31 Planet der Wyyryy Band 32 Absturz des Phoenix COVER: STEVE MAYER

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Alfred Bekker Chronik der Sternenkrieger: Verlorene Götter

Sunfrost Sammelband, Volume 8

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2017.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Verlorene Götter | SAMMELBAND 8 (29-32)

Band  29  Die Spur der Götter

Band 30  Mission der Verlorenen

Band 31  Planet der Wyyryy

Band 32  Absturz des Phoenix

Further Reading: Alfred Bekker - Chronik der Sternenkrieger: Götter und Gegner

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About the Publisher

Verlorene Götter

SAMMELBAND 8 (29-32)

Chronik der Sternenkrieger

von Alfred Bekker

––––––––

EIN CASSIOPEIAPRESS E-Book

© 2014 by Alfred Bekker

© 2014 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

[email protected]

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MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die  STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

––––––––

ALFRED BEKKER schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Zuletzt erschien DER BEFREIER DER HALBLINGE bei Blanvalet.

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INHALT

Band 29  Die Spur der Götter

Band 30  Mission der Verlorenen

Band 31  Planet der Wyyryy

Band 32  Absturz des Phoenix

Band  29  Die Spur der Götter

Die Hauptpersonen des Romans

Ruuned - der Gott der Morrhm erscheint leibhaftig.

Corporal Raggie S. Terrifor - Ein Space Marine, der Fingerspitzengefühl beweisen muss.

Noris Salot - Kommandant des K’aradan-Schiffs STOLZ DER GÖTTER, Angehöriger des Hauses Fheer.

Captain Rena Sunfrost - Kommandantin der STERNENKRIEGER.

Commander Van Doren - leitet ein Außenteam und kommt auf die Spur der Götter.

Robert Ukasi - Waffen- und Taktikoffizier der STERNENKRIEGER im Rang eines Lieutenant Commander. Er ist Zweiter Offizier an Bord.

Guillermo Benford, genannt Bruder Guillermo - Angehöriger des Ordens der Olvanorer, der sich der Erforschung des Alls verschrieben hat und dessen Mitglieder mit besonderen empathischen Fähigkeiten ausgestattet sind.

Wiley Riggs, Lieutenant - Ortungsoffizier der STERNENKRIEGER

John Taranos, Lieutenant - Navigator und Rudergänger der STERNENKRIEGER

Fähnrich Al-Katibi - Stellvertretender Navigator und Rudergänger der STERNENKRIEGER.

Lieutenant Erixon - Chefingenieur der STERNENKRIEGER, genetisch optimiert und an die Lebensbedingungen auf Methan-Planeten angepasst, infrarotsichtige Facettenaugen, kann seinen Metabolismus auf Methan-Atmung umstellen.

Shurukai - Kommandant des Fulirr-Schiffs

Geschher - Stellvertretender Kommandant des Fulirr-Schiffs.

Shatram - Morrhm-Krieger; Nachfolger seines Vaters Tazaror Halbschädel als Mutterschiff-Kommandant.

Zrrrarrr - Morrhm, neuer Navigator des Mutterschiffs GÖTTERZORN.

Gotrom - Ein Offizier auf dem Morrhm-Schiff GÖTTERZORN.

Admiral Raimondo - die graue Eminenz des Space Army Corps der Humanen Welten.

Von Schlichten, Metz und MacKenzie - Wissenschaftler an Bord der STERNENKRIEGER.

Jamalkerim - Lieutenant, Kommunikationsoffizierin der STERNENKRIEGER.

Fähnrich Dunston - Besatzungsmitglied der STERNENKRIEGER.

Sergeant Kelleney, James Levoiseur, Baston, Ramirez, Tomlinson, Chandraman - einige Marines an Bord der STERNENKRIEGER

Lieutenant Naderw - Jägerpilot.

Asder Ujam - Brückenoffizier des K'aradan-Schiffs.

Esa Dallt - Brückenoffizierin des K'aradan-Schiffs.

>+++<

Zusammenfassender Logbucheintrag, vorgenommen von Lieutenant Commander Ukasi, Zweiter Offizier des Raumschiffs STERNENKRIEGER in Vertretung des Captains:

Unser Schiff befindet sich immer noch in der Gefangenschaft der geheimnisvollen Herrscher des gewaltigen, künstlich geschaffenen Objekts, das die Morrhm als Ruuneds Heimat ansehen. Dass es sich dabei um ein Artefakt jener Spezies handelt, die oft als die Alten Götter bezeichnet werden, daran zweifele ich nicht. Die starke 5-D-Strahlung spricht allein schon dafür.

Während Corporal Terrifor und einige Marines versuchen, uns von den tellerartigen Modulen zu befreien, von denen wir annehmen, dass sie eine wichtige Rolle bei der Justierung der Fesselstrahlen spielen, die uns und die meisten Schiffe unserer Verbündeten ins Innere dieses Artefakts gezogen haben, ist Commander Van Doren mit dem Großteil unserer Wissenschaftler zu einem der vielen Raumschiffe geflogen, die hier lange vor uns bereits eingefangen und festgehalten wurden.

Wir erhoffen uns davon weitere Erkenntnisse.

Die 5-D-Strahlung ist immer stärker geworden und beeinträchtigt mittlerweile so gut wie jegliche drahtlose Kommunikation - und zwar nicht nur im Sandström-Spektrum, sondern auch auf den ganz normalen Unterlichtfrequenzen. Diese Beeinträchtigungen begannen sogar schon auf Festnetzleitungen innerhalb des Schiffs überzugreifen. Ruuned selbst scheint jegliche Kommunikation unterbinden zu wollen, damit wir der Forderung, uns zu ergeben nachkommen. Aber ich glaube, diese Möglichkeit hat insbesondere Captain Sunfrost gar nicht in Betracht gezogen. Sie hat schließlich die Sklaverei bei den Morrhm erlebt und weiß, was es bedeuten würde, sich in die Hände dieser schwertschwingenden Monstren zu geben.

In Zusammenarbeit mit unserem Techniker Clayton Gomes habe ich inzwischen eine Lösung für das Problem der Kommunikationsstörung gefunden. Wir haben ein Eindämmungsfeld generieren können, das den Einfluss der von unseren Gegnern offenbar ganz bewusst zur Störung unserer Kommunikation eingesetzten Felder von 5-D-Energie neutralisiert. Dies klappt bislang ganz gut.

Kurz nachdem Gomes und ich es geschafft hatten, den Helmfunk von Corporal Terrifor anzupeilen, geschieht etwas Unfassbares.

Das mit uns in Gefangenschaft geratene K'aradan-Schiff unter Kommandant Noris Salot wurde förmlich aus dem Inneren von Ruuneds Heimat hinausgeschleudert. Wir nehmen an, dass dies unter Einfluss der Traktor- und Fesselstrahlen erfolgte, mit deren Hilfe unsere Gegner Gewalt über uns erlangt haben. Die Messungen bestätigen dies. Da wir keinerlei Kontakt zur Besatzung hatten und die gestörte Kommunikation es uns unmöglich macht, den Funkverkehr abzuhören und zu analysieren, sind wir auf Spekulationen angewiesen.

Ich selbst halte die These, dass das K’aradan-Schiff aus irgendeinem Grund eine Gefahr für unsere Gegner darstellte am plausibelsten. Der Grund dafür, dass sich der Gegner plötzlich durch das Schiff von Kommandant Salot bedroht glaubte, könnte die Aktivierung einer Selbstzerstörungsanlage sein. Wir wissen, dass so etwas in der Flotte des Reiches von Aradan durchaus üblich ist.

Für diese Vermutung spricht, dass unseren Erkenntnissen nach die an Bord befindlichen Morrhm-Krieger das Schiff geradezu fluchtartig verlassen haben.

Wollten sie sich in Sicherheit bringen?

Das scheint so gar nicht zu den Morrhm zu passen, die eigentlich eher zu tollkühnen Aktionen neigen.

Nicht nur ich frage mich, wer diese Entscheidung wohl getroffen haben mag, zumal wir einen starken, mit fünfdimensionalen Komponenten angereicherten Strahl angemessen haben, der das Schiff der K’aradan kurz vor Beginn des Dramas traf. Unseren Erkenntnissen nach traf er genau in die Zentrale. Lieutenant Jamalkerim glaubt, dass es sich möglicherweise um einen auf fünfdimensionaler Basis codierten Datenübertragungsstrom gehandelt haben könnte, der gewisse Quanteneffekte ausnutzt. Wir werden sehen, was weiter geschieht. Falls es Kommandant Salot gelungen sein sollte, die Kontrolle über sein Schiff zurückzugewinnen, wäre das für uns alle ein Grund zur Hoffnung.

Von den Schiffen der verbündeten Shani und Fulirr, die nicht mit uns ins Innere von Ruuneds Heim gezogen wurden, haben wir keine Nachricht. Sie könnten entkommen oder von den Morrhm vernichtet worden sein.

*

CORPORAL RAGGIE S. Terrifor machte einen Schritt nach vorn. Die aktivierten Magnetsohlen seiner Stiefel verbanden ihn mit der Außenhülle der STERNENKRIEGER. Er machte einen weiteren Schritt nach vorn und näherte sich dabei einem der tellerartigen Objekte, die sich durch ein unbekanntes Wirkprinzip festgesogen hatten, sodass sie sich nicht so einfach entfernen ließen.

Corporal Terrifor trug einen schweren Kampfanzug mit Servoverstärkung. Darüber hinaus stellte der Anzug einen vollwertigen Druckanzug dar, der das Überleben in jeder nur denkbaren Umgebung sicherte. Das schloss den freien Weltraum mit ein.

Nur ein paar Schritte von Terrifor entfernt befand sich Sergeant Kelleney. Auch er trug den schweren Kampfanzug. Das Gauss-Gewehr hing über den Rücken. In diesem Fall ganz konventionell an einem Riemen. Magnethalterungen konnte man nicht in jedem Fall trauen. Vor allem dann nicht, wenn man in einer Umgebung operierte, die unter dem starken Einfluss von Magnetfeldern stand. Kelleney drehte sich zu Terrifor um und machte ein Zeichen. Da bisher weder Helmfunk noch andere drahtlos übertragene Kommunikationssysteme funktionierten, waren sie auf diese einfachste aller Kommunikationsformen angewiesen.

Zeichen und Gesten.

Terrifor seufzte in der Gewissheit, dass ganz sicher niemand dies hören würde. Nichtmal für den Fall, dass er vielleicht den Helmfunk unabsichtlich aktiv geschaltet hatte.

Da kann man mal sehen, wie sehr wir auf diese Dinge angewiesen sind, ging es dem Corporal durch den Kopf. Ohne technische Unterstützung ist der Mensch zu nichts mehr fähig. Die Jäger vom Volk der San, die seit dreißigtausend Jahren die Kalahari-Wüste auf der Erde bevölkern, konnten zumindest noch bis ins frühe einundzwanzigste Jahrhundert Wasser riechen...

Und wir?

Diese Gedanken mischten sich bei Terrifor mit einigen näherliegenden Sorgen, die den Plan betrafen, sich von den tellerartigen Modulen auf der Außenhaut der STERNENKRIEGER zu befreien.

Vier weitere Marines waren zusammen mit Terrifor und Kelleney aus der Außenschleuse gestiegen. Levoiseur, Baston, Chandraman und Tomlinson lauteten ihre Namen. Die fähigsten Mitglieder des Trupps von Marines, der an Bord der STERNENKRIEGER stationiert war.

Sie waren auf Grund des Kommunikationsausfalls nahezu völlig auf sich allein gestellt.

Kelleney hatte die Sprengladung bereits in den Händen. Eine Spezialgranate, die unter anderem für den Einsatz in geschlossenen Räumen oder in einer Umgebung, in der möglichst wenig Kollateralschäden verursacht werden durften, geeignet war.

Kelleney stand nur noch einen Schritt vom ersten Tellermodul entfernt.

Aber dazu, den Sprengsatz anzusetzen und einzustellen, kam er vorerst nicht.

Etwas anderes lenkte seine Aufmerksamkeit ab.

Und den anderen Marines ging es nicht anders.

Raggie S. Terrifor hörte ein Knacken in seinem Helm, das seltsam vertraut klang und von ihm schon lange vermisst worden war.

Der Helmfunk!

“Hey, Space Marines! Hört ihr mich?”, fragte eine Stimme.

“Wer spricht denn da?”, fragte Terrifor etwas überrascht.

“Fähnrich Gomes! Erinnert sich niemand an meine Stimme?”

An Gomes’ Stimme erinnerte sich Corporal Terrifor nicht so besonders, wie er zugeben musste.

Eher schon an sein Gesicht.

Das war nämlich wirklich etwas Besonderes. Fähnrich Gomes litt nämlich unter dem sogenannten Wolfssyndrom. Auf Grund eines Gen-Defekts war nahezu sein gesamtes Gesicht (und auch weite Teile des Körpers) mit Haare bedeckt. Sie wuchsen ihm fast bis unter die Augen und auch die Stirn war nicht frei davon.

Insofern war er jemand, dessen Anblick man schwer vergessen konnte. Was seine Stimme anging - ein Space Army Corps Marine wie Terrifor hatte mit einem Triebwerkstechniker wie Clayton Gomes nicht allzu viel zu tun. Ihre gemeinsamen Unterhaltungen hatten sich auf ein gelegentliches Hallo beschränkt, wenn man sich in einem der Aufenthaltsräume der STERNENKRIEGER oder den engen Korridoren, die zu den Kabinen führten, mal begegnete.

“Die meisten nicht-leitungsbasierten Kommunikationssysteme funktionieren wieder”, berichtete Gomes. “Was sagt ihr dazu, Jungs?”

“Großartig, Gomes”, erwiderte Terrifor.

“Ich kann’s kaum fassen”, meinte Kelleney.

“Gomes ist der Größte”, meldete sich James Levoiseur zu Wort.

Offenbar hatte Fähnrich Gomes den Helmfunk auf einen Konferenzmodus geschaltet. Die Botschaft ging also an alle.

“Ich übergebe jetzt an Lieutenant Commander Ukasi”, kündigte Gomes an.

“Wie weit sind Sie, Space Marines?”, fragte Ukasi.

“Wir werden gleich den ersten Sprengsatz ansetzen”, erklärte Sergeant Kelleney. “Durch die Wiederherstellung des Helmfunks haben Sie uns sehr geholfen.”

“Wir haben ein Eindämmungsfeld induziert und dafür die Energie des Sandström-Aggregats umgeleitet”, erklärte Ukasi.

“Diese Einzelheiten interessieren mich nicht”, sagte Kelleney.

“Könnte aber wichtig für Sie sein. Das Eindämmungsfeld neutralisiert weitgehend die 5-D-Emissionen. Allerdings nur in einer Art Blase um das Schiff herum. Darum können wir auch nach wie vor den Überlichtfunk nicht benutzen und auch keinen Kontakt nach außerhalb herstellen. Aber das Eindämmungsfeld könnte Auswirkungen auf die Module haben, die Sie beseitigen wollen!”

“Wir sind vorsichtig, Lieutenant Commander.”

“Daran habe ich auch nicht gezweifelt. Haben Sie eine Möglichkeit, mit den Strahlungsmessgeräten Ihres Anzugs den M3-Faktor abzulesen.”

“Ich mach das schon”, mischte sich jetzt Terrifor ein.

Das Menue der Messgeräte konnte über Augenbewegungen gesteuert werden und wurde dann auf die Innenseite des Helms projiziert. “M3-Werte gemessen.”

“Dann übertragen Sie ihn ans Schiffssystem.”

“Erledigt.”

“Die Werte sind sehr erfreulich. Jedenfalls ist nicht mit Interferenzen mit Ihren Sprengsätzen zu rechnen.”

“Das heißt, ich kann loslegen”, meinte Kelleney.

“Hey seht mal!”, rief jetzt Raggie S. Terrifor. “Da ist...”

Weiter kam Terrifor nicht. Auch wenn der Corporal ansonsten nicht gerade dafür bekannt war, dass er nichts zu sagen wusste, stand ihm jetzt der Mund offen. Durch seinen gepanzerten Helm konnte das glücklicherweise im Augenblick niemand sehen.

Terrifor und die anderen Space Army Corps Marines sahen, wie das riesenhafte K’aradan-Raumschiff in Bewegung geriet. Die Traktorstrahlen hatten es erfasst. Sie waren deutlich zu sehen. Sie umflorten das K’aradan-Schiff wie ein Flimmern.

“Sir, haben Sie irgendeine Ahnung, was sich da abspielt?”, fragte Terrifor.

Seine Frage war an Ukasi gerichtet.

Aber es war Kelleney, der darauf antwortete: “Oh, mein Gott!”

*

NORIS SALOT RUTSCHTE die Wand hinunter, lag einige Augenblicke regungslos auf dem Boden. Er versucht Luft zu bekommen. Die Andruckabsorber schien wieder zu arbeiten. Sein Kopf war leer. Dunkel stieg die Erinnerung in dem Kommandanten de K’aradan-Schiffs auf. Er hatte die Aktivierung der Selbstzerstörungssequenz zurückgenommen, autorisiert durch sein Stimmprofil.

Die Stimme des Bordrechners meldete sich und bestätigte, dass die Beendigung des Countdowns akzeptiert worden war.

"Kommandant, geht es Ihnen gut?"

Die Stimme, die ihn das fragte, gehörte Esa Dallt. Die grazile K’aradan-Frau war eine der wenigen Brückenoffiziere, die das Massaker überlebt hatten, das von den Morrhm in der Zentrale des Schiffs angerichtet worden war.

Wie die Tiere hatten sie gewütet. Und Noris Salot konnte seinen Hass kaum bändigen, wenn er nur daran dachte. All die von den Schwertern dieser Weltraumbarbaren zerstückelten Leichen erinnerten ihn schmerzlich an das, was geschehen war.

Noris Salot hatte in verschiedenen Kriegen, die das Reich von Aradan geführt hatte, Raumschiffe für das Imperium befehligt. Er war einiges gewohnt und hatte im Verlauf der Jahre viele Abscheulichkeiten mitansehen müssen.

Aber das, was er nach der Invasion seines Schiffes durch die Sturm-Shuttles der Morrhm erlebt hatte, war mit nichts von allem zu vergleichen. Diese Kategorie der Grausamkeit war Salot so fremd, dass er ihr gegenüber vollkommen fassungslos war.

"Kommandant!"

"Es geht schon."

Noris Salot erhob sich. Es ging überraschend leicht. Im ersten Moment freute ihn das, weil er dadurch nicht auf die Hilfe eines Untergebenen beim aufstehen angewiesen war. Aber im nächsten Moment erkannte er, was das vermutlich bedeutete.

"Das Antigrav-Aggregat ist während der mörderischen Beschleunigungsphase aus Sicherheitsgründen abgeschaltet worden", erklärte Esa Dallt. "Jetzt läuft es mit verminderter Leistung. Wenn Sie wollen, kann ich versuchen, die Schiffsrotation einzuschalten. Dann würden wir die künstliche Schwerkraft wieder auf traditionelle Weise herstellen."

Auf traditionelle Weise...

Manche Angehörigen der K'aradan-Flotte sahen es als Schmach an, dass sich das imperiale Erbtriumvirat dazu entschlossen hatte, die Antigrav-Technik zur Gewährleistung von künstlicher Schwerkraft nach und nach in den Schiffen des Reiches zu  etablieren.

Eine Menschentechnologie.

Noris Salot gehörte nicht dazu. Für ihn widersprach es  nicht dem imperialen Stolz der K'aradan, wenn sie eine fortgeschrittene Technologie von anderen annahmen - im Austausch gegen eigene Entwicklungen, so wie es zwischen den anderen Welten und dem Reich von Aradan ja auch geschehen war, seit man sich gegenseitig als Verbündete betrachtete.

"Lassen Sie alles, wie es ist”,  befahl der Kommandant. "Das erleichtert mir das Atmen..."

Asder Ujam, ein anderer überlebender Brückenoffizier, hatte sich bereits an eine der Konsolen zu schaffen gemacht.

"Statusbericht", meldete er. "Das Schiff ist wieder unter vollständiger Kontrolle der Mannschaft, Kommandant!"

"Gut so", sagte Noris Salot. Er trat an die Konsole des Steuermanns. Es war lange her, dass Salot selbst einst Steuermann auf einem imperialen Kriegsschiff gewesen war. Aber die Technik der K’aradan-Flotte hatte sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert. Und auch, wenn Salot seit langer Zeit nur noch Manöver angeordnet, sie aber nicht selbst durchgeführt hatte, war in diesem Moment alles wieder da, was einstmals den Steuermann und Navigator gleichen Namens ausgemacht hatte.

Mit großer Schnelligkeit und Sicherheit nahm er die Schaltungen vor. Der Hauptbildschirm flackerte auf. Die Außensicht wurde aktiviert.

“Dallt, übernehmen Sie die Ortung und Kommunikation!”, befahl Salot.

“Jawohl, Kommandant.”

“Ujam!”

“Kommandant?”

“Überprüfen Sie die Einsatzfähigkeit der Waffensysteme.”

“Jawohl.”

“Wir werden unsere Ionenkanonen noch brauchen - und ich hoffe, sie stehen uns zur Verfügung”, murmelte Salot.

“Ich glaube nicht, dass man uns verfolgen wird”, äußerte sich Esa Dallt. “Schließlich haben sie uns quasi...”

“...ausgespuckt!”, vollendete Noris Salot ihren Satz. “Ja, so ist es. Und jetzt warten sie darauf, dass die STOLZ DER GÖTTER explodiert. Aber das wird sie nicht tun. Und je nachdem, wie viel Zeit sie uns geben, werden sie dann unruhig werden und versuchen, uns zu zerstören. Da bin ich mir sicher.”

“Ich orte mehrere Morrhm-Mutterschiffe, hunderte von Sturm-Shuttles und... das Fulirr-Schiff...” Esa Dallt stockte. “Und dann sind da Trümmerteile, die eine Signatur enthalten, die...”

“Was ist los?”, fuhr Salot dazwischen.

“Es sind Überreste des Shani-Schiffs, Kommandant.”

“Sind Sie sicher?”

“Die Analyse wird vom Computer bestätigt. Mit über 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit. Und die restlichen fünf Prozent gehen wohl auf diese 5-D-Emissionen zurück, die auch von den Trümmerteilen abstrahlen. Wenn ich die herausfiltere.”

“Nicht nötig”, murmelte Salot. Das waren jedenfalls keine Morrhm-Barbaren, die für das Ende des Shani-Schiffs verantwortlich gewesen sind..., ging es ihm durch den Kopf. Aber was dann? Eine Super-Waffe mit 5-D-Emissionen? Etwas Ähnliches wie die Traktorstrahlen, die uns fesselten und mit denen man uns jetzt hinaus ins All schleuderte wie einen Wurfball?

Salot hielt das durchaus für möglich.

Die Energie, die sie aus dem Inneren von Ruuneds Heim geschleudert hatte, war sicherlich auch vollkommen ausreichend, um ein Schiff zu zerstören.

“Waffensysteme unter Kontrolle”, meldete Asder Ujam. “Keine Beeinträchtigung mehr durch Fesselstrahlen.”

“Was ist mit den Modulen, die an der Außenhülle des Schiffs angebracht wurden?”, halte Salot nach.

“Sind inaktiv. Keinerlei Emission, keine elektrische oder magnetische Aktivität - nichts mehr. Es scheint sich lediglich um eine Art von Relais-Elementen gehandelt zu haben, das die Fessel- und Traktorstrahlen justiert wurden.”

“Können wir die Dinger loswerden?”

“Negativ, Kommandant. So einfach geht das nicht. Allerdings könnten wir Rotation einschalten und außerdem die Außenhülle für kurze Zeit mit einem Abstoßungsfeld umgeben. Die Energie dazu hätten wir. Und wenn das koordiniert durchgeführt wird.”

“Machen Sie das. Schalten Sie außerdem die Waffenkontrolle auf die Brücke bis die Geschützstationen wieder besetzt sind.”

“Ja, Kommandant.”

Noris Salot wandte sich als nächstes in einer kurzen Ansprache an die Mannschaft - oder den Teil davon, der noch existierte. Noch lagen keine Verlustlisten vor. Noch war nur zu ahnen, was sich im Schiff an Tragödien und Metzeleien abgespielt hatte. Aber wenn das, was auf der Brücke der STOLZ DER GÖTTER geschehen war auch nur ansatzweise repräsentativ für den Verlauf der Morrhm-Invasion im gesamten Schiff war, dann konnte man nur das Schlimmste befürchten.

Auf weitere schlimme Nachrichten war Noris Salot also gefasst.

“Ich rufe alle Besatzungsmitglieder auf, die noch einsatzfähig sind, möglichst schnell ihre Posten aufzusuchen. Vor allem müssen die Geschützstationen besetzt werden. Ärzte finden sich in der Krankenstation ein - wenn sie nicht dort bereits sind.”

Salot bekam anschließend einen kurzen Bericht eines Ingenieurs, der sich aus dem Maschinentrakt des K’aradan-Schiffs meldete. Der Bericht war ermutigend.

“Wir werden auf maximale Beschleunigung gehen, Diensthabender Ingenieur”, kündigte Salot an.

“Die Maschinen machen das mit”, erklärte der Ingenieur. “Aber die Beschleunigungswerte sind jetzt schon mörderisch. Es könnte sein, dass die Außenhülle nicht standhält und auch einige andere Systeme an Bord in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Andruckabsorber sind ohnehin schon kurz vor dem Kollaps. Und wenn die nicht mehr arbeiten, dann sind wir platt wie ein aradanisches Flächenmoos, wenn Sie verstehen, was ich meine!”

“Wir müssen so schnell wie möglich in den Überlichtflug gehen”, sagte Noris Salot. “Je eher wir die Eintrittsgeschwindigkeit in den Zwischenraum erreichen, desto besser...”

Koste es, was es wolle, fügte er in Gedanken noch hinzu.

Was der Ingenieur sagte, war natürlich alles richtig. Und dieselben Bedenken, die dieser geäußert hatte, waren Salot schließlich auch schon gekommen. Dafür verstand er nun doch genug von den technischen Aspekten, um so etwas beurteilen zu können. Die Warnung des Ingenieurs überraschte ihn also nicht sonderlich.

Er wandte sich an Esa Dallt. “Was ist mit den Kommunikationssystemen?”

“Arbeiten fehlerhaft und sind durch die 5-D-Emissionen beeinträchtigt.”

“Schaffen Sie es, Verbindung mit dem Fulirr-Schiff aufzunehmen?”

“Ich werde es versuchen. Der Status des Fulirr-Raumers gibt allerdings Rätsel auf.”

“Inwiefern?”

“Ich messe ein Energieniveau, das viel zu niedrig ist, und nicht den Werten entspricht, die wir von einem Fulirr-Schiff gewohnt sind. Außerdem geht eine ungewöhnlich starke 5-D-Emission von dem Schiff aus.”

“Erklärung?”, fragte Noris Salot.

Asder Ujam hob den Kopf. “Ich würde vermuten, dass sowohl das Shani-Schiff als auch die Fulirr von einer unbekannten Waffe angegriffen wurden.”

Von den Fulirr als Verbündete zu sprechen, fiel Asder Ujam schwer. Aber da war er nicht allein. Gerade in der Imperialen Flotte gab es viele, die die Feindschaft zu den Sauroiden regelrecht verinnerlicht hatten und sich kaum daran gewöhnen mochten, dass inzwischen zwischen dem Nalhsara der Fulirr und dem Reich von Aradan Frieden und Kooperation herrschten. Und seit dem Etnord-Krieg hatte man sogar auf derselben Seite gekämpft.

Das bedeutete allerdings noch nicht zwangsläufig, dass man sich auch wirklich vertraute.

Schließlich war die Zeit der Feindschaft erst vor wenigen Aradan-Jahren zu Ende gegangen. Und vielleicht wäre dieser Umschwung in den gegenseitigen Beziehungen auch nie eingetreten, wenn es nicht gemeinsame und sehr bedrohliche Feinde gegeben hätte.

“Die Fulirr haben den Angriff offenbar überlebt”, stellte Noris Salot fest.

“Kontaktversuch ist gescheitert”, sagte Esa Dallt.

“Versuchen Sie es weiter”, verlangte Salot.

Auch wenn er es sich äußerlich nicht anmerken ließ, so erfüllte ihn doch eine tiefe Unruhe.

Ich muss wissen, was hier geschehen ist, ging es ihm durch den Kopf. Dieses Wissen kann der Faktor sein, der uns noch rettet... Ihr Götter, seid diesem Schiff gnädig, auch wenn sein Kommandant nie den Glauben an euch wirklich geteilt hat!

Ein dumpfes Brummen ließ jetzt den Boden der Brücke vibrieren.

Die Unterlichttriebwerke der STOLZ DER GÖTTER liefen jetzt auf Hochtouren. Ein leichter Schwindel erfasste Salot. Und daran, wie Asder Ujam vor seiner Konsole leicht schwankte, erkannte der Kommandant, dass offenbar die Andruckabsorber jetzt schon einem Belastungstest ausgesetzt wurden.

Alles auf eine Karte setzen!

Diesen Ausspruch hatte Noris Salot einst von einem Menschen gehört, der ihm ein Kartenspiel namens Poker beizubringen versucht hatte. Viele Aradan-Jahre war das schon her. Es war ein Mitglied der Olvanorer-Bruderschaft gewesen, der sich schon einige Jahre auf dem Hauptplaneten des Imperiums aufhielt, der Mutterwelt aller K’aradan. Vorausgesetzt der Mythos stimmte und das Gründervolk dieses enorm großen Imperiums stammten tatsächlich von Aradan. Gewisse ketzerische Lehren behaupteten, dass dies vielleicht gar nicht so sicher war, wie die imperiale Forschung dies über viele Zeitalter hinweg mit unverbrüchlicher Standhaftigkeit behauptet hatte.

Durch den eigenartigen Wissenschaftler-Mönch hatte Noris Salot seinerzeit einiges über die Menschheit gelernt. Er konnte nicht behaupten, dass er es wirklich verstanden hatte. Aber neben dem Kartenspiel, das er nicht verstanden hatte, war da etwas anderes gewesen, was ihn bis heute faszinierte: Die Idee einer Gemeinschaft, die sich ganz und gar der Forschung verschrieben hatte. Er hatte den Mut der Olvanorer bewundert, denn sie reisten ohne Bewaffnung an die (von ihrer Heimat aus gesehen) abgelegensten Orte des Universums. Und das ohne jeglichen Schutz.

Aber andererseits war das wohl der Grund dafür, dass sie an Orte gelangten, die für andere verschlossen blieben. Man brauchte sie nicht zu fürchten, so hatte auch das Imperiale Erbtriumvirat geurteilt. Ein Irrtum, so mochte heute manch konservativer K’aradan denken. Mit harmlosen Wissenschaftler-Mönchen hatte die Infiltration durch die Menschheit begonnen - und inzwischen war man froh, die Antigrav-Technologie und einige andere Errungenschaften ihrer jungen und zweifellos aufstrebenden Wissenschaft übernehmen zu können.

“Manchmal gibt es nur diese eine letzte Karte, auf die man sein ganzes Geschick setzen muss”, hatte Noris Salot die Worte des Olvanorers noch im Ohr, wobei dieser sich immer große Mühe gegeben hatte, nicht zu laut zu sprechen, da ihm bewusst gewesen war, um wie vieles das Gehör eines K’aradan empfindlicher war als die Ohren eines Menschen.

Einer der letztlich doch recht vielen Dinge, die beide Spezies voneinander trennten - dem sehr ähnlichen Äußeren zum Trotz.

“Kommandant! Da verbreiten sich plötzlich Raumverzerrungen und außerdem messe ich 5-D-Emissionen von nie gekannter Intensität”, meldete Esa Dallt. “Das ist ein Strahl, Kommandant. Er geht von Ruuneds Heim aus und trifft...”

“...das Fulirr-Schiff”, stellte Noris Salot fest, der sich die Ortungsanzeige auf der eigenen Konsole darstellen ließ.

Ein Strahl, der durch ein höheres Kontinuum geleitet wird, überlegte Salot. So ähnlich wie ein Raumflug durch den Zwischenraum...

Auf dem Bildschirm erschien etwas, das wie ein Riss im Universum wirkte, aus dem gleißendes Licht entströmte.

Die Anzeigen der Ortung lieferten nur noch unsinnige Daten.

Das Licht aus dem Riss überstrahlte das Fulirr-Schiff. Wie ein gleißendes Sonnenfeuer hüllte es den Raumer der Sauroiden ein.

Esa Dallt meldete eine Explosion von ungeheurer Stärke.

Salot bemerkte eine plötzliche Kursabweichung seines Schiffs und versuchte ihn zu korrigieren. Es ist wie eine Welle in der Struktur der Raumzeit, erkannte Salot schaudernd. Eine Welle, die uns einfach mit fortspült.

Er taumelte. Erschütterungen durchliefen das Schiff.

Aus dem Maschinenraum kam die Meldung, dass mehrere Aggregate durchgebrannt waren. Die Notsysteme waren eingeschaltet.

Dann fiel für Augenblicke jegliche Kommunikation an Bord aus. Ein Schauer aus fünfdimensionalen Strahlungsemissionen ergoss sich aus dem Riss und erreichte in abgeschwächter Form auch die STOLZ DER GÖTTER.

Der Kommunikationsausfall war ein Nebeneffekt.

Nur noch eine halbe Aradan-Stunde bis zum Zwischenraum-Eintritt, dachte Salot. Dann haben wir es geschafft.

Für die Verbündeten konnte er nichts mehr tun.

Weder für die Fulirr, die im gleißenden Feuer einer weiteren, unbekannten Waffe verglühten, die aus Ruuneds Heim heraus zugeschlagen hatte, noch für die Menschen der STERNENKRIEGER und die Besatzung des Qriid-Raumers, die beide noch immer im Inneren des Objekts gefangen waren.

Dessen riesiges Außenschott, durch das die STOLZ DER GÖTTER hinausgeschleudert worden war, hatte sich im übrigen längst wieder geschlossen, so dass damit auch jegliche Fluchtmöglichkeiten für Menschen und Qriid ausgeschlossen erschienen.

"Kommandant, ich messe Werte, wie sie in der Nahe von Schwarzen Löchern vorkommen", meldete Esa Dallt.

"Oder wenn Fulirr ihre Antimateriewaffen zünden", ergänzte Asder Ujam.

"Vielleicht haben die Fulirr genau das im letzten verzweifelten Moment noch getan...", vermutete Noris Salot.

Eine der Schiebetüren der Zentrale öffneten sich.

Mehrere K'aradan kamen herein. Insgesamt etwa ein Dutzend Männer und Frauen. Sie trugen Offiziersuniformen der imperialen Flotte des Reiches von Aradan. Manche waren durch Kampfspuren gezeichnet. Kleine Verletzungen, die notdürftig versorgt worden waren oder Blutflecken an der Kleidung.

"Freie Konsolen besetzen!", befahl Noris Salot. Dabei nahm er den Blick nicht von den Anzeigen, denn das, was sich dort offenbarte, schien kaum fassbar zu sein.

Unweit der ehemaligen Position des Fulirr-Schiffs entstand  ein Mini Black Hole, dessen Ereignishorizont sich rasch ausdehnte. Erinnerungen an unzählige Gefechte mit den Sauroiden kamen in dem Kommandanten der STOLZ DER GÖTTER auf. Wie viele K’aradan-Schiffe hatten die Antimateriewaffen der Fulirr vernichtet, indem sie den sich ausbreitenden Gebieten namenloser Schwärze nicht hatten entfliehen können. Nicht einmal das Licht selbst war schnell und energiereich genug, um das zu können.

Jetzt verschlang die Dunkelheit des Mini Black Holes allerdings vor allem die gleißenden, fünfdimensionalen Energien, die durch den Riss ausgetreten waren.

Energien, die zweifellos von dem oder den Herren des Objekts dorthin gelenkt worden waren.

Sitz der Götter, Ruuneds Heim... Verflucht, ich will diese Götter gerne persönlich kennenlernen, ging es Noris Salot grimmig durch den Kopf.

Die durch den Riss austretenden Energien ließen das schwarze Loch stärker und schneller anwachsen, als Salot es ansonsten vom Einsatz fulirr’scher Antimaterie-Waffentechnik her gewohnt war.

Hunderte von Sturm-Shuttles der Morrhm, die sich offenbar in Richtung des Fulirr-Schiffs aufgemacht hatten, um es zu verfolgen und zu entern, gerieten jetzt in seinen Sog. Das gleiche galt für eines der Mutterschiffe.

Deutlich war zu sehen, wie die Morrhm noch versuchten, den Kurs zu ändern.

Aber die Wand aus purer Schwärze dehnte sich mehr und mehr aus. Sie wurden angezogen. Das Zünden ihrer Schubdüsen nützte ihnen nichts mehr, denn sie blieben nahezu wirkungslos. Ihr Einsatz hatte allenfalls noch eine bremsende Wirkung. Ein Morrhm-Shuttle nach dem anderen verschwand hinter dem Ereignishorizont, jener Linie aus purer Finsternis, von der niemand wusste, was dahinter lag. Unvorstellbare Kräfte wirkten aber schon vorher auf die Shuttles ein, ließen sie in der optischen Ortung verzerrt erscheinen, rissen sie auseinander und ließen sie zu Wolken aus wirbelndem, heißen Gas verdampfen.

Als eines der Mutterschiffe von diesem grausamen Sog erfasst und zerrissen wurde, blitzte es sogar auf dem Großbildschirm der Zentrale kurz auf.

“Wir werden vom Kurs abgelenkt”, stellte Salot plötzlich fest. Eigentlich hätte das Mini Black Hole längst kollabieren und in sich zusammen fallen müssen. Stattdessen dehnte sich sein Ereignishorizont immer noch aus. Die enormen Energien, mit denen die Herren des Objekts das Fulirr-Schiff vernichtet hatten, fütterten das Black Hole geradezu mit neuer Energie.

Ein hungriges Ungeheuer aus purer Schwärze, das sich schier unaufhaltsam ausdehnte. Es sah aus, als würde es die Sterne verschlingen.

“Maschinentrakt! Holen Sie aus den Antriebsaggregaten so viel heraus, wie Sie können!”, sagte Salot, nachdem er eine Verbindung mit einem der Ingenieure hergestellt hatte, die dort zurzeit zu finden waren.

“Eine höhere Belastung wird das Schiff nicht aushalten!”, kam es zurück. “Maximalwerte sind bereits erreicht.”

“In einem Schwarzen Loch zermalmt zu werden, dürfte das Schiff noch sehr viel weniger aushalten”, meinte Salot. “Wenn wir die Eintrittsgeschwindigkeit in den Zwischenraum verfehlen, dann sind wir verloren.”

Das K’aradan-Schiff stand kurz vor der magischen Marke von vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Wenn dann auch noch die Aggregate des Überlichtantriebs einwandfrei funktionieren, waren sie gerettet.

Zumindest vorerst. Denn Noris Salot rechnete durchaus damit, dass die Morrhm sich an ihre Fersen hefteten. Vorausgesetzt es sind genug von ihnen übrig geblieben, ging es ihm durch den Kopf.

Nicht, dass er Mitleid mit jenen gehabt hätte, die jetzt massenweise von der Schwärze des Mini Black Holes erfasst wurden. Ganz im Gegenteil. Aber Salot glaubte, dass der Morrhm-Stamm der Barar, der Ruuneds Heim beherrschte, allemal genug Kräfte zur Verfügung hatte, um auch größere Verluste zu verkraften.

Schließlich wusste niemand genau, wie viele ihrer Mutterschiffe noch in der Umgebung unterwegs waren, um auf Beutefang zu gehen.

Nach den Ereignissen, die sich in der Zentrale der STOLZ DER GÖTTER zugetragen und zum plötzlichen Abzug der Barbaren geführt hatten, stand es für Salot fest, dass die Morrhm nichts weiter als ein Dienervolk waren.

Fragte sich nur, für wen.

Ruuned? War dieser Name mehr, als die Bezeichnung eines primitiven Aberglaubens an einen barbarischen Gott?

Der Gedanke, dass dahinter vielleicht ein Überlebender der Alten Götter stecken konnte, erschien Salot nicht mehr sehr wahrscheinlich, auch wenn die Projektion, die in der Zentrale seines Raumschiffs erschienen war und die Morrhm, zur Ordnung gerufen, auf den ersten Blick genau diesen Eindruck vermitteln sollte.

Hätte ein Angehöriger des Volkes der Alten Götter nicht ahnen können, wie verhängnisvoll der Einsatz seiner Fernwaffen gegen das Fulirr-Schiff gewirkt hatte? Verhängnisvoll auch für die eigene Seite, wie sich immer mehr herausstellte, denn es war ja noch keineswegs gesagt, wann das Mini Black Hole kollabierte. Wenn es weiter wuchs, war es sogar eine Gefahr für Ruuneds Heim selbst, so groß und mächtig dieses Objekt im Moment auch erscheinen mochte.

Die andere Seite wusste, dass die Fulirr Antimateriewaffen an Bord hatten, ging es Salot durch den Kopf.

Schließlich hatten sich die Schiffe der Expedition ja eine Schlacht mit den Morrhm geliefert, bevor die Traktorstrahlen eingesetzt worden waren und die Raumschiffe ins Innere des Objekts gezogen und in gewisser Weise gefesselt hatten. Und während dieses Gefechts waren ja auch die Waffen der Fulirr eingesetzt worden.

“Kommandant, wir werden beschossen!”, meldete Esa Dallt. “Der Beschuss kommt wieder direkt aus dem Objekt - genau wie beim Fulirr-Schiff. Aber den Werten nach...”

Weiter kam Esa Dallt nicht, denn sie wurde zur Seite geschleudert und kam hart auf den Boden. Noris Salot ging es nicht anders. Die Erschütterung, die das Schiff erfasste, war heftiger als erwartet. Immerhin funktionierten die Andruckabsorber einigermaßen.

Asder Ujam hatte sich an seiner Konsole festhalten können. “Unbekannte Strahlungsart trifft Außenhülle!”, meldete er. “Störungen der Kommunikation und Datensysteme. Wir fliegen...”

“...blind”, murmelte Noris Salot, der sich gerade wieder aufgerappelt hatte. Die Störungen, die Asder Ujam meldete, waren unübersehbar, denn auch der Hauptbildschirm war ausgefallen. Keine der Anzeigen funktionierte noch richtig. Teilweise wurden unsinnige Werte angezeigt, andere Displays waren nur von flackernden Lichtflecken erfüllt.

Keinerlei Funkverbindung funktionierte noch.

Nichtmal das Interkom innerhalb des Schiffes.

“Das sieht mir sehr stark nach 5-D-Interferenzen aus”, meinte Esa Dallt, die sich inzwischen ebenfalls wieder erholt hatte. Ein Mensch hätte sich in dieser Situation vielleicht schwer verletzt. Aber Esa Dallt hatte mit den Reflexen einer K’aradan-Frau reagiert und den Sturz einigermaßen abfedern können.

“Die haben das Shani-Schiff und den Fulirr-Raumer aus der Ferne einfach zerstört”, sagte Asder Ujam. “Ich frage, mich wieso wir noch existieren! Sind wir so viel schwerer zu töten?”

“Gewiss nicht”, meinte Salot.

“Und wieso schicken sie auch noch Sturm-Shuttles und Mutterschiffe los, wenn sie doch diese Wunderwaffe besitzen!”

“Eine gute Frage, Ujam”, fand Salot.

“Also, wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, da hantiert jemand mit Waffen herum, der sie nicht beherrscht.”

Salot nickte. “Ja, dass muss es sein... Barbaren an den Waffen der Alter Götter - die würden sich so verhalten!”

“Kommandant, wir sollten die Geschwindigkeit drosseln”, schlug Esa Dallt fort.

“Nein, wir aktivieren die Zwischenraumaggregate für den Überlichtflug!”, bestimmte Salot. “Jetzt!”

“Aber Kommandant! Wir sind blind und taub! Sie können nicht einmal Verbindung mit dem Maschinenraum aufnehmen, um zu erfahren, ob der Energiestatus der Überlichtaggregate ausreichend ist!”

“Dann werden wir zu den Göttern beten, dass es so ist”, sagte Salot. Sein Lächeln wirkte wie eine harte Maske. “Nicht zu Ruuned, natürlich. Und auch nicht zu den Alten Göttern - sondern zu unseren eigenen.”

Salot blickte auf seine Konsole.

Dann schaltete er nach kurzem Zögern den Überlichtantrieb ein. Er wusste nicht, ob die Voraussetzungen dafür überhaupt gegeben waren. Er wusste noch nicht einmal, ob von den Störungen des Kommunikationssystems vielleicht auch die Datenübertragung beeinträchtigt wurde, die zum Start der Überlichttriebwerke notwendig war.

Es ist wie ein Blindschuss mit einer herkömmlichen Projektilwaffe, dachte Noris Salot. Nur, dass unser Schiff das Projektil ist und wir geradewegs in den Zwischenraum hineinschießen...

Dann wurde es plötzlich dunkel.

Zwei volle Sekunden lang.

Nicht einmal das Leuchten der fluoreszierenden Notbeleuchtungsmodule, die es auch an Bord der STOLZ DER GÖTTER gab, in diesen längsten zwei Sekunden, in Noris Salots nicht gerade ereignisarmen Lebens, sorgte in diesem Moment für Helligkeit.

Zwischenraumverzögerung, so nannte sich dieses Phänomen und es war einem erfahrenen k'aradanischen Raumfahrer durchaus bekannt. Der Zwischenraum, von den Menschen als Sandström-Raum bezeichnet, war schließlich ein dem Einsteinuniversum benachbartes Kontinuum. Ein Bereich, in dem nicht dieselben physikalischen Gesetzmäßigkeiten galten, wie im herkömmlichen Einsteinuniversum. So konnte es beim Eintritt zu einer Verzögerung physikalisch-chemischer Prozesse kommen.

Bei diesem etwas chaotisch vorgenommenen Übertritt in das Zwischenraumkontinuum, war es durchaus möglich, dass der Effekt stärker als sonst zum tragen kam und unter anderem zu einem Energieabfall geführt hatte.

Stille und Dunkelheit herrschten auf der Zentrale der STOLZ DER GÖTTER.

Niemand sagte ein Wort. Jeder hoffte, dass es sich tatsächlich um dieses Phänomen handelte, denn das bedeutete dann ja schließlich auch, dass der Eintritt gelungen war und sie zumindest vor dem direkten Beschuss durch die geheimnisvollen 5-D-Strahlungswaffen sicher waren, die aus Ruuneds Heim heraus gegen sie eingesetzt wurden.

Die Fluoreszenz-Notbeleuchtung begann jetzt wieder zu funktionieren.

Einen Augenblick später glommen die Anzeigen der Konsolendisplays und der Hauptschirm wieder auf. Bis die Normalbeleuchtung sich wieder aktivierte, dauerte es noch ein paar Sekunden länger.

“Normaler Zwischenraumflug”, meldete Esa Dallt von ihrer Konsole aus. “Ortungsdaten: normal. Schäden an der Außenhülle im Bereich von Sektion 3 und 4 sowie 5 und 7.”

“Irgendeine akute Gefährdungslage durch diese Schäden?”, fragte Noris Salot.

“Akut nicht”, meinte Esa Dallt. “Aber allzu lange sollten wir damit nicht im Zwischenraum herumfliegen, sonst könnte sich das ändern. Der Faktor 3-Effekt wird sich in gut zwei Stunden maximal auswirken und spätestens dann sollten wir ins Normaluniversum zurückkehren und Reparaturen durchführen.”

“Danke für den Hinweis”, antwortete Salot. Der von Esa Dallt angesprochene Faktor 3-Effekt besagte nichts anderes, als dass das Material der Außenhülle während des Zwischenraumflugs besonderen Belastungen ausgesetzt war. Diese Belastungen waren während verschiedener Phasen des Fluges unterschiedlich und konnten sich im Verlauf der Zwischenraumpassage potenzieren.

"Wir haben anscheinend großes Glück gehabt, dieses Manöver heil zu überstehen",  äußerte sich Asder Ujam.

"Ja, aber die Morrhm werden die Umgebung absuchen und versuchen, uns aufzuspüren", war Noris Salot überzeugt. "Und da sie anscheinend diesen Raumsektor mehr oder minder kontrollieren, wird ihnen das sehr viel schneller gelingen, als uns allen lieb sein kann..."

Um die im Inneren des Objekts zurückgebliebenen Verbündeten konnte man dich auf jeden Fall zunächst einmal nicht weiter kümmern.

Sie waren vermutlich verloren.

Vielleicht, so überlegte Noris Salot, war es eine Option, zum Grenzgebiet des K’aradan-Imperiums zurückzufliegen und von dort Hilfe zu holen. Davon, dass etwas gegen die Morrhm unternommen werden musste, brauchte man auf politischer Ebene wohl niemanden mehr zu überzeugen. Dazu hatten die Morrhm inzwischen zu rücksichtslos im Grenzgebiet des Reiches von Aradan gewütet. Das Triumvirat und die Versammlung der Häuser waren längst zu der Überzeugung gelangt, dass gegen diesen Aggressor mehr unternommen werden musste. Dagegen sprach nicht der Wille, Maßnahmen durchzuführen, sondern die pure Größe des Imperiums. Es bedeutete immer einen erheblichen Aufwand, Kräfte zu bündeln und Flotten zusammenzuziehen, die für derartige Expeditionen stark genug waren. Große Entfernungen mussten dafür zuerst überwunden werden - und auch wenn die Flotte der K’aradan im Vergleich mit den Humanen Welten oder dem Heiligen Imperium der Qriid über eine riesenhafte Anzahl von Schiffen verfügte, so stand dem die gewaltige Ausdehnung des Raumgebiets gegenüber, das von Aradan aus regiert wurde.

Dennoch - Noris Salot nahm sich vor, es zu versuchen. Wir werden mit Verstärkung zurückkehren, dachte er.

Und falls dann die Verbündeten nicht mehr zu retten waren, so hatte das immerhin den angenehmen Nebeneffekt, dass man das Erbe der Alten Götter, das in der gewaltigen Raumanlage, die die Morrhm als Ruuneds Heim ansahen, mit niemandem teilen musste.

*

“PROFESSOR? ALLES IN Ordnung mit Ihnen?”

Von Schlichten blinzelte. Die Stimme, die ihn ansprach, klang wie aus weiter Ferne, aber das lag wohl mehr daran, dass Helmfunk der Druckanzüge nicht funktionierte und auf dem Pyramidenschiff eine sehr dünne Atmosphäre herrschte, die akustische Signale abdämpfte.

Der Wissenschaftler richtete sich wieder auf. Dieses verfluchte Pyramidenschiff... was ist nur damit geschehen?, überlegte er und sah dann auf den Klumpen aus Metall und Plastik, der einmal ein hochempfindliches Analysemodul gewesen war. Verändert, dachte er. So wie anscheinend alles in diesem Schiff. Die 5-D-Mikroströme scheinen dafür verantwortlich zu sein. Sie wirken wie ein subatomares Modifikationsprogramm...

Und sehr wahrscheinlich war dieser Veränderungsprozess auch noch gar nicht abgeschlossen. Was geschah, wenn dies der Fall war, darüber hatte selbst von Schlichten keine Vorstellung.

Noch nicht.

“Professor?”

“Ja, keine Sorge, Bruder Guillermo. Mir geht’s gut.”

Der Olvanorer-Mönch legte ein kleines Messgerät an den Druckanzug des Professors an. Anschließend wandte sich Guillermo dem verformten Modul zu.

Er zögerte, ehe er auch dort sein Messgerät kurz anlegte.

Dieses Zögern war lang genug, um von Schlichten noch einen Zwischenruf zu gestatten. “Vorsicht!” Seine Stamme klang trotz der dünnen Atmosphäre ziemlich laut. Sein Kopf war dunkelrot angelaufen.

Es war zu spät.

Bruder Guillermo hatte das Analysegerät schon angelegt. Es geschah allerdings nichts. Zumindest nichts, was mit dem vergleichbar gewesen wäre, was Professor von Schlichten erlebt hatte, als er die Konsole des Ornithopters hatte untersuchen und dessen Datenbestand übertragen wollen.

“Muster aus 5-D-Strömen, die sich verändern”, murmelte Guillermo. “Ihr Druckanzug ist davon übrigens auch betroffen, Professor.”

“Ein Veränderungsprogramm auf subatomarer Ebene mit höherdimensionalen Komponenten”, stellte von Schlichten fest.

“Beängstigend”, sagte Guillermo.

“Faszinierend”, meinte von Schlichten. “Wissen Sie, was hier geschieht? Lieutenant Erixon hatte recht, als er sich an das Spacedock im Erdorbit erinnert fühlte. Der Innenraum von Ruuneds Heimat oder wie immer wir dieses Objekt auch taufen mögen, ist kein Raumschifffriedhof, wie wir erst gedacht haben! Es ist eine Werkstatt! Abertausende von Raumschiffen sind im Laufe einer sehr langen Zeit eingefangen und verändert worden.”

“Zu welchem Zweck?”, fragte jetzt Commander Van Doren, der sich vor der Tür des Ornithopters befand und das Gespräch der beiden anderen Männer mit angehört hatte.

“Eine gute Frage, Commander”, sagte von Schlichten.

“Eine weitere wäre, wieso die Reparatur noch nicht abgeschlossen ist, wenn sie doch Ihrer Meinung nach schon seit sehr langer Zeit im Gang ist.”

Von Schlichten lächelte. “Ja, ob man diese Raumschiffswerkstatt wirklich weiterempfehlen kann, ist die Frage. Die Gewährleistungsvorschriften, die auf den Mitgliedsplaneten der Humanen Welten Gültigkeit haben, scheinen hier wohl nicht eingehalten zu werden...”

Von Schlichten machte eine Bewegung nach vorn. “Gehen Sie mal zur Seite, Guillermo”, murmelte er - allerdings für die hiesigen akustischen Verhältnisse wohl entschieden zu undeutlich, sodass der Olvanorer ihn nicht genug verstand. Von Schlichten drängte ihn einfach ein Stück zur Seite, bückte sich und hob den unförmigen Klumpen auf, zu dem das Modul geworden war.

Diesmal geschah nichts.

Kein Blitz zuckte aus dem veränderten Gerät heraus. Von Schlichten wog es in der Hand. “Man spürt schon so, dass sich das Gewicht verändert hat. Das Ding werde ich mir in Ruhe mal ansehen. Notfalls, wenn wir zur STERNENKRIEGER zurückgekehrt sind und ich wieder so etwas wie ein Labor zur Verfügung habe.”

Van Doren verzog das Gesicht.

So etwas wie ein Labor, ging es dem Ersten Offizier der STERNENKRIEGER durch den Kopf. In dieser Formulierung liegt wohl die ganze Verachtung des Top-Wissenschaftlers, der die Top-Ausstattung von Forschungsprojekten des Far Galaxy Konzerns gewohnt ist gegenüber einem bescheidenen, provisorischen Labor an Bord eines Kriegsschiffs, das für ganz andere Zwecke gebaut wurde!

“Wir sollten auf die Veränderungen Ihres Anzugs achten, Professor”, sagte jetzt Bruder Guillermo. “Je nachdem, könnten die Auswirkungen katastrophal für Sie ein, Professor.”

“Wenn sich dieses fünf-dimensionale-subatomare Modifikationsprogramm bei meinem Anzug so viel Zeit lässt, wie mit diesem Raumschiff, dann brauche ich mir wohl kaum Sorgen zu machen.”

“Einmal hat dieses Programm sehr schnell und sehr aggressiv eine Veränderung bewirkt”, erinnerte ihn Bruder Guillermo. “Ihr Modul...”

“Ja, ja ich weiß”, murmelte von Schlichten, hob dabei den Klumpen Plastik und Metall etwas an und betrachtete ihn. Aber der Ausdruck, den seine Züge annahmen, sprachen eigentlich sehr viel mehr von seiner Neugier als von seiner Furcht.

*

VON SCHLICHTEN UND Guillermo verließen den Ornithopter.

Die anderen Mitglieder des Außenteams hatten sich etwas in dem gewaltigen Hangar des Pyramidenschiffs verteilt. Metz untersuchte mit einem Analysegerät die Veränderungen im Außenschott. Lieutenant John Taranos assistierte ihm dabei und bediente ebenfalls ein Analysemodul.

Der Linguist und Kryptologie MacKenzie stand etwas ratlos vor einer Schrifttafel, die in die Wand eingelassen war. Das es sich bei den eingravierten Symbolen um Schriftzeichen handelte, schien offensichtlich zu sein. Allerdings war die Bedeutung natürlich nicht so einfach zu erfassen. Vielleicht handelte es sich einfach um ein Hinweisschild. MacKenzie machte ein paar Aufnahmen von der Tafel. Ob die rechnergestützten Analysemöglichkeiten, die MacKenzie hier zur Verfügung standen, ausreichten, um dieses Rätsel zu lösen, musste sich herausstellen. Auf jeden Fall konnte das Verständnis dieser Schrift der erste Schritt zum Verständnis der ehemaligen Besitzer dieses Schiffs sein. Und vielleicht ließ sich dann sogar anhand des Inhalts von Datenspeichern ermitteln, was genau sich hier an Bord ereignet hatte, nach dem das Pyramidenschiff mutmaßlich genau wie die STERNENKRIEGER und ihre Verbündeten mit Hilfe von Traktorstrahlen ins Innere des Objekts geholt worden war.

Fähnrich Dunston patrouillierte mit dem Gauss-Gewehr herum und blieb schließlich einen Meter hinter MacKenzie stehen.

Dieser hatte gerade eine hochauflösende Aufnahme von der Gravur gemacht und untersuchte sie mit einem Analysemodul. Eine dreidimensionale Projektion erschien auf dem Display des Moduls und gleichzeitig auf der Innenseite von MacKenzies Helm.

“Haben Sie eine Ahnung, was das ist, Sir?”, fragte Dunston.

“Es ist ein Lageplan”, war der Linguist und Kryptologe überzeugt. “Und die Rechneranalyse bestätigt meine Vermutung.”

“Eingraviert? Sind Wesen, die solche gewaltigen Raumschiffe zu bauen verstehen so primitiv, dass sie Lagepläne in die Wände ritzen wie...”

“Wie wer?”, fragte MacKenzie.

“Höhlenmenschen.”

“Sie unterschätzen die sogenannten Höhlenmenschen”, sagte MacKenzie. “Die Detailfreudigkeit und Plastizität, mit der die Cro Magnon-Künstler ihre Beutetiere darstellten, ist noch nicht einmal von den Renaissance-Malern erreicht wurden.”

“War ja nur so ein Vergleich.”

“Natürlich.” MacKenzie hatte seine Analyse abgeschlossen.

Commander Van Doren erreichte ihn nun zusammen mit Bruder Guillermo und von Schlichten. Und offenbar schienen MacKenzie vor allem der Olvanorer und der Professor angemessenere Gesprächspartner zu sein, um über diese Fragen zu sprechen. “Die Besatzung dieses Raumschiffs war vermutlich sehr sensitiv und hatte einen guten Tatsinn. Dieser Übersichtsplan ist für Wesen gemacht, die ihn ertasten können.”

“Glauben Sie, dass diese Krakenwesen, die in diesem Raumschiff zu Hause waren, blind gewesen sind?”, wunderte sich von Schlichten.

“Nein. Dann wäre hier alles voll von solchen Gravuren. Es gibt aber nur diese eine und ein paar weitere, kleinere, die kaum zu sehen sind. Hinweisschilder, wenn Sie so wollen. Wenn die Krakenwesen blind wären, gäbe es hier auch keine Beleuchtung.”

“Sie denken, dass es für den Notfall diente, nicht wahr?”, schloss Bruder Guillermo.

MacKenzie wirkte etwas überrascht.

Dann lächelte er. “Ich habe von den quasi-empathischen Fähigkeiten gehört, die in Ihrem Orden gepflegt werden, Guillermo”, sagte er.

“Nun, genau genommen...”

“Sie haben sich mir gegenüber in dieser Hinsicht während unserer bisherigen Reise sehr zurückgenommen. Aber ich habe einige Male erlebt, wie Sie dem Captain praktisch das Wort aus dem Mund genommen haben, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will...”

“Hat er denn Recht?”, fragte Van Doren.

MacKenzie bestätigte dies. “Wir haben Fluoreszenz-Elemente für den Fall eines Energieausfalls. Die gibt es hier auch, wie wir sehen konnten. Aber angenommen, sämtliche elektronischen Speicher, Zugangsgeräte, Displays und dergleichen sind ausgefallen, dann bietet so eine Gravur durchaus ein paar Vorteile, wenn zum Beispiel ein Rettungsteam an Bord kommt...”

“Jetzt sagen Sie nicht, dass man so etwas auf den Schiffen des Space Army Corps einführen sollte”, ätzte von Schlichten.

“Können Sie mit Hilfe diese Gravur herausfinden, wir wir zur Zentrale des Schiffs kommen?”, fragte Van Doren.

“Das ist kein Problem”, sagte der Linguist. “Das Zeichensystem ist einfach und die Schriftprobe reicht für eine ganz gewöhnliche Analyse vollkommen aus.”

“Dann führen Sie uns am besten an, MacKenzie”, forderte Van Doren.

MacKenzie streckte den Arm aus. “Da lang. Da muss ein Innenschott sein.”

“Da ist gar nichts”, meinte von Schlichten.

“Nur, weil Sie es nicht sehen, muss das nicht heißen, dass da nichts ist, Professor”, erwiderte MacKenzie kühl.

*

SIE ERREICHTEN DIE Stelle, die MacKenzie als Innenschott identifiziert hatte, der vom Großhangar in die inneren Sektoren des Schiffes führte.

Eine kaum sichtbare Gravur war hier zu finden.

Sie hatte Ähnlichkeit mit den Zeichen, die auch auf dem angeblichen Übersichtsplan zu finden waren.

MacKenzie berührte sie kurz entschlossen.

Daraufhin öffnete sich ein Schott. Die Wand schien sich zu teilen, ohne das vorher erkennbar gewesen wäre, dass hier in Durchgang war.

“Grundsätzlich sollte Sie vorsichtig sein, was Sie anfassen, MacKenzie”, sagte Bruder Guillermo. “Professor von Schlichten hat gerade eine Konsole im Ornithopter berührt und wurde von einem 5-D-Mikrostrom erfasst, der bereits die subatomare Struktur seines Druckanzugs verändert hat. Und wenn es tatsächlich zutrifft, dass diese 5-D-Ströme das Schiff umwandeln sollen, dann...”

“Am besten, wir sehen uns erstmal die Zentrale an”, unterbrach ihn MacKenzie. “Außerdem bin ich nicht so besonders ängstlich veranlagt.”

“Mein Anzug funktioniert im Übrigen einwandfrei”, sagte von Schlichten.

“Sie könnten zurück zu Bogdan ins Beiboot gehen und ihn ablegen”, schlug Van Doren fort. “Zu Ihrer Sicherheit.”

“Kommt nicht in Frage”, erwiderte von Schlichten.

Das Schott öffnete sich sehr langsam.

Lieutenant Erixon vermutete, dass dies eine Funktionsstörung sei, die bereits auf Veränderungen durch die 5-D-Mikro-Ströme verursacht worden waren.

“Am Energiestatus des Schiffes kann es nämlich nicht liegen”, meinte der Chefingenieur der STERNENKRIEGER. “Der ist nämlich ganz ausgezeichnet.”

“Tatsächlich?”, wunderte sich Van Doren.

“Ich habe mich auch gewundert. Aber alle Messungen lassen darauf schließen.”

Jenseits des Schotts befand sich ein großer, leerer Raum. Wozu er dient hatte, darüber ließ sich nur spekulieren.

Nachdem sie alle den Schott durchschritten hatten, schloss er sich auf ebenso langsame Weise.

Dunston schien das nicht zu gefallen.

“Keine Sorge, den bekommen wir schon wieder auf, wenn wir zurückkehren”, meinte Dr. Metz an den jungen Fähnrich gewandt. Der Ausnahmewissenschaftler, der sich immer ein bisschen in Konkurrenz zu von Schlichten zu sehen schien, grinste. “Unser Freund MacKenzie weiß ja, wo der Sesam-öffne-dich-Punkt ist!”

“Wenn Sie meinen...”

“Und wenn nicht, ballern Sie mit Ihrer Gauss-Gun einfach ein Loch in die Wand. Müsste doch ohne Probleme möglich sein!”

“Das ist möglich”, betätigte Dunston.

“Na, sehen Sie!”

So als wollte das Schott Dunston beruhigen, bewegte es sich plötzlich nicht mehr. Einen halben Meter breit war die Öffnung, die jetzt zurückblieb.

Und da die Druckanzüge, die beim Space Army Corps der Humanen Welten in Gebrauch waren, recht enganliegend saßen, konnte man selbst in dieser Montur problemlos durch die Lücke kommen.

Lieutenant Erixon untersuchte das Schott mit einem Analysemodul. “Es sind sehr starke 5-D-Mikroströme messbar”, stellte er fest. “Die Werte fallen allerdings rapide.”

“Großartig. Eine Reparaturwerkstatt für Raumschiffe, bei der die Raumer nicht etwa funktionstüchtiger herauskommen, sondern als Wracks”, meinte von Schlichten. “Ehrlich gesagt, habe ich bislang keinen Schimmer, was ich davon halten soll.”

“Vielleicht ist es einfach so, dass der ganze Reparatur- oder Umwandlungsmechanismus nicht funktioniert”, schlug Bruder Guillermo zur Erklärung vor. “Wenn Ruuneds Heim in Wahrheit tatsächlich eine Hinterlassenschaft der Alten Götter ist, dann ist das Objekt sehr, sehr alt. Wäre es wirklich so abwegig, zu vermuten, dass es nicht mehr so funktioniert, wie es eigentlich sollte?”

“Eine reine Spekulation, Bruder Guillermo”, sagte von Schlichten.

“Stimmt”, sagte Metz. “Aber eine, die Hand und Fuß hat, würde ich sagen.”

“Nun, dann stelle ich also fest, dass Sie und Bruder Guillermo hier den wissenschaftlichen Mainstream vertreten. Herzlichen Glückwunsch, Kollege!”

“Anerkennende Worte von Kollegen nehme ich immer gerne entgegen”, gab Metz in einem Tonfall zurück, der nicht erkennen ließ, zu wie viel Prozent diese Worte nun ironisch gemeint waren und wie hoch dem gegenüber der Prozentsatz an ernstgemeinten Äußerungen war.

Genau diese Art war es wohl, die von Schlichten manchmal rasend machte.

“Wir sollten zusehen, dass wir so schnell wie möglich die Zentrale erreichen”, mischte sich Lieutenant Taranos ein. “Schließlich wissen wir nicht, was sich in der Zwischenzeit bei der STERNENKRIEGER ereignet hat und wenn wir jetzt noch ein paar Erkenntnisse sammeln wollen, sollten wir das schnell tun.”

“Ganz meine Meinung”, stimmte MacKenzie zu.

Die beiden gingen dann auch voran, gefolgt von Van Doren und Fähnrich Dunston.

Am anderen Ende des Raums befanden sich freie Zugänge zu röhrenförmigen Schächten.

“Das ist das Liftsystem hier an Bord”, sagte MacKenzie.

“Sind die Krakenwesen mit Antigravaggregaten rauf und runter geschwebt?”, fragte Erixon. “Ich kann hier allerdings keine Anhaltspunkte dafür finden...”

“Ich denke, sie sind zu Fuß gegangen”, meinte Bruder Guillermo.”

Van Doren hob die Augenbrauen. “Zu Fuß?”, vergewisserte er sich.

“Natürlich im übertragenen Sinn, Commander. Sie haben ihre Saugnäpfe benutzt. Das Material, mit dem die Schächte ausgekleidet sind, eignet sich ganz hervorragend für diese Art der Fortbewegung. Vorausgesetzt natürlich, man ist anatomisch dazu auch entsprechend ausgestattet.”

“Wir sollten auf jeden Fall beim den Antigrav-Paks unserer Druckanzüge bleiben, bevor wir versuchen, da hochzuklettern”, meinte John Taranos und erntete dafür von Professor von Schlichten einen verächtlichen Blick. Taranos fügte noch hinzu: “War witzig gemeint.”

“Die Betonung liegt wohl auf gemeint”, sagte von Schlichten.

MacKenzie war der Erste, der mit seinem auf den Druckanzug standardmäßig bei Außeneinsätzen aufgeschnallten Antigrav-Pak in den Schacht schwebte. Die anderen folgten seinem Beispiel.

“Ich hoffe, Sie wissen, wo es hingeht, Mac”, murmelte Dr. Jack Metz, der als letzter in den Schacht stieg.

*

“MIT DEM EINDÄMMUNGSFELD gegen die 5-D-Störungen ist Ihnen ein Geniestreich gelungen, Lieutenant Commander”, wandte sich Captain Sunfrost an Robert Ukasi, ihren Zweiten Offizier.

“Sie sollten sich bei Fähnrich Gomes bedanken. Er hat sehr viel mehr dazu beigetragen, als ich”, wehrte Ukasi ab.

“Das werde ich sicherlich noch nachholen”, versicherte Rena Sunfrost.

“Leider können wir das Eindämmungsfeld nicht weiter ausdehnen”, sagte Ukasi.

“Etwa so, dass es Commander Van Dorens Außenteam mit einschließt?”

“Zum Beispiel. Oder das Qriid-Schiff und das Ontiden-Raumboot. Ich verfolge zurzeit gespannt, was sich dort abspielt.”

Dass die Qriid Beiboote ausgeschleust hatten, um das Ontiden-Beiboot zu erreichen, war auf dem Ortungsschirm der STERNENKRIEGER deutlich zu sehen. Und wenn man auf der Darstellung des Hauptbildschirms den richtigen Zoomfaktor einstellte, konnte man das auch dort genau erkennen.

Die Qriid-Beiboote hatten das Ontiden-Schiff fast erreicht. Sie flogen nur langsam. Sehr langsam, selbst für Beiboote.

“Sie scheinen sehr vorsichtig zu agieren”, stellte Ukasi fest. “Ich wüsste gerne, ob das etwas mit den extrem intensiven 5-D-Mikro-Strömen zu tun hat, die ich im Ontiden-Schiff orte. Die sind nirgendwo im Erfassungsbereich unserer Ortung so hoch wie hier...”

“Ich nehme an, dass sie negative Auswirkungen auf ihre Antriebstechnik befürchten”, mischte sich Fähnrich Al-Katibi ein, der gähnend die Konsole des Rudergängers besetzte, was in Anbetracht der Fesselung des Schiffs durch die Traktorstrahlen des Objekts ein mehr als frustrierender Job sein musste.

“Wie kommen Sie darauf, Fähnrich?”, fragte Rena Sunfrost.

Al-Katibi wandte sich zu seiner Kommandantin um und hob die Augenbrauen. “Diese Mikro-Ströme erfassen auch immer größere Teile unseres Schiffes. Darunter auch eine Seitensteuerdüse des Unterlichtantriebs. Als ich vorhin aus purer Langeweile versucht habe, einen simulierten Start dieser Düse zu probieren, reagierte das System nicht.”

Captain Sunfrost verschränkte ihre Arme vor der Brust. “Sie hatten keine Kontrolle mehr darüber?”

“Das ist korrekt, Captain. Allerdings möchte ich zu bedenken geben, dass das nur eine Simulation war.”

“Trotzdem könnte das ein wichtige Hinweis sein”, glaubte Sunfrost. Sie wandte sich an Ukasi. “Was denken Sie?”

“Nun, ich habe eine ähnliche Ausgangslage bei Gauss-Geschütz 3. Allerdings habe ich mich nicht getraut, eine Simulation durchzuführen.”

“Warum nicht?”

“Angesichts der möglichen Kollateralschäden, wenn das System nicht im Simulationsmodus bliebe. Bei dem von Fähnrich Al-Katibi angeführten Beispiel hätte ich schlimmstenfalls die Position der STERNENKRIEGER um ein paar Dutzend Meter innerhalb einer halben Stunde verändert, falls die Fesselung durch die Traktorstrahlen das überhaupt zugelassen hätte. Aber wenn die STERNENKRIEGER mit einer Gauss-Kanone einen ungezielten Schuss abgegeben hätte, der dann ein oder mehrere benachbarte Raumschiffwracks zur Explosion brächte, wären die Folgen für uns selbst vollkommen unabsehbar gewesen."

Rena Sunfrost wandte den Blick in Richtung des Hauptbildschirms. Es wäre wirklich interessant, von den Qriid einen Lagebericht aus erster Hand zu bekommen, dachte sie.

Aber das war angesichts der Kommunikationsschwierigkeiten zurzeit illusorisch.

Ein Knall war nun in der Zentrale der STERNENKRIEGER zu hören. Dumpf und heftig. Als ob jemand mit einem riesigen Hammer auf die Außenhülle der STERNENKRIEGER eingeschlagen hätte, ging es Rena Sunfrost durch den Kopf.

"Corporal Terrifor meldet: erstes Tellermodul erfolgreich durch Sprengsatz entfernt", sagte Lieutenant Jamalkerim.

"Gratulation", gab die Kommandantin zurück. "Anscheinend haben unsere Marines einen praktikablen Weg gefunden, um uns von dieser Fesselung zu befreien!"

"Es befinden sich mindestens ein Dutzend dieser Module an der Außenhülle der STERNENKRIEGER", stellte Fähnrich Al-Katibi fest. "Und nach meinen Berechnungen müssen mindestens zwei Drittel davon ausgeschaltet werden, dann könnten wir uns eventuell durch ein Wende-X-Manöver klassischer Art befreien."

"Unter diesen beengten Verhältnissen hier in Ruuneds Heim?", fragte Sunfrost zweifelnd. "Das Risiko..."

"...wäre vertretbar, wenn wir aus irgendeinem Grund unter Zeitdruck gerieten und außerdem ein entsprechend guter Pilot zur Verfügung steht", sagte Ukasi.

"Und weshalb sollten wir unter Zeitdruck geraten?", wollte Sunfrost wissen.

Robert Ukasi hob die Augenbrauen.

"Irgendwie sagt mir mein Instinkt, dass sich unsere Gegner auf die Dauer nicht tatenlos ansehen werden, was wir hier treiben, Captain. Kann sein, dass sie ihre Kräfte momentan anderweitig gebunden haben und sich vielleicht da draußen im All mit unseren Verbündeten ein heftiges Gefecht liefern oder dergleichen. Aber sie können unmöglich dabei zusehen, dass wir uns quasi nach und nach befreien."

Er denkt wie ein klassischer Taktiker, ging es Sunfrost durch den Kopf. Eigentlich schade, dass er es bisher nicht weiter als bis zum Waffenoffizier eines letztlich doch relativ kleinen Raumschiffs wie der STERNENKRIEGER gebracht hat...

Eine weitere Sprengung wurde von den Marines vorgenommen und machte sich als dumpfer Knall im Inneren der STERNENKRIEGER bemerkbar.

“Es scheint ja voranzugehen, was die Wiedererlangung unserer Freiheit angeht”, stellte Sunfrost fest.

“Die Qriid sind übrigens auch auf den Trichter gekommen”, stellte Ukasi fest. “Sie haben inzwischen ebenfalls einige ihrer Elite-Soldaten ins Freie ausgeschleust, die sich jetzt an den Tellermodulen zu schaffen machen.” Der Taktikoffizier der STERNENKRIEGER wandte sich an Susan Jamalkerim. “Vielleicht tun Sie uns den Gefallen und zoomen das Qriid-Schiff mal etwas näher heran, dann wird es deutlich.”

“Ja, Sir”, sagte Lieutenant Jamalkerim.

Wenig später war auf dem Hauptschirm der STERNENKRIEGER zu sehen, wie Elitesoldaten der Qriid, die mit den Space Army Corps Marines was Ausrüstung und Fähigkeiten anging, durchaus vergleichbar waren, an der Außenhülle des Schiffs herumstiegen. Auch ihre Anzüge waren mit Magnethalterungen unter den Füßen ausgestattet. Darüber hinaus gehörten - genau wie bei den Marines - Servoverstärkung und Antigrav-Pak zur Standardausstattung der schweren Kampfanzüge.

“Starke 5-D-Mikrostrom-Aktivität auf dem Ontiden-Schiff”, stellt Jamalkerim jetzt fest. “Da tut sich etwas...”

“Auf den Schirm damit!”, verlangte Sunfrost.

Der Bildausschnitt wechselte.

Zu sehen war jetzt das Ontiden-Raumboot und die beiden Qriid-Raumfähren, die sich dem Raumboot genähert hatten.

Das Raumboot begann sich zu verformen. Es veränderte sich zu einem amorphen Klumpen aus Metall, Plastik und anderen Materialien. Optisch machte es den Eindruck, als würde es unter großer Hitze zusammenschmelzen, aber die Temperatur, die das Ortungssystem der STERNENKRIEGER dafür anzeigte, widersprach dem.

Die Temperatur des verformten Klumpens, zu dem das Ontiden-Raumboot geworden war, unterschied sich kaum von der Umgebungstemperatur.

Die an das Ontiden-Raumschiff angedockten Röhren, von denen man an Bord der STERNENKRIEGER erst geglaubt hatte, es würde sich um Gangways für Morrhm-Invasoren handeln, verformten sich zum Teil ebenfalls. Hier und da bildeten sich klumpenartige Gebilde aus. Aber dieser Prozess kam schließlich zum Stillstand.

“Bei allen Göttern der Morrhm, was geht da vor sich?”, entfuhr es Sunfrost.

“Captain, wir haben gerade das gesehen, was sich in Zukunft mit uns ereignen könnte”, war Robert Ukasi überzeugt.

*

“DIE IST DIE ZENTRALE”, behauptete MacKenzie.

Commander Van Dorens Außenteam befand sich in einem vollkommen leeren Raum. Er hatte etwa die Größe des Hangars, in den sie zuerst eingedrungen waren und wo sie auf die Ornithopter für den Atmosphärenflug stießen, die offenbar von einer krakenähnlichen, intelligenten Art stammten.

Über mehrere, verzweigte Schächte hatte MacKenzie die Gruppe hier her geführt. Und jetzt standen sie alle mit ziemlich offenen Mündern da und starrten in der Leere herum.

“Also mir persönlich würde ja eine Steuerkonsole fehlen”,  brach John Taranos das Schweigen. “Ich frage mich, wie die Krakenwesen ihr Raumschiff jemals steuern konnten!”

“Wir dürfen nicht vorschnell einen allzu menschlichen Standpunkt einnehmen, Lieutenant”, gab Bruder Guillermo zu bedenken.

“Sie meinen, diese Krakenaliens brauchten keine Steuermodule? Nichts, womit man ein Raumschiff in seiner Richtung beeinflussen kann, keine Anzeigen für die wesentlichen Werte der Triebwerke?”, wunderte sich Taranos. “Mag ja sein, dass die eine seltsame Gestalt hatten und mit ihren Saugnäpfen den Boden so sauber gemacht haben, dass sich da nicht ein einziges Staubkörnchen halten konnte - aber was ich eben gesagt habe, trifft einfach zu! Oder denken Sie, die haben ihr Schiff mit Gedankenkraft gesteuert?”

“Prinzipiell ist so etwas möglich”, gab Bruder Guillermo zurück. “Auch wenn ich zugeben muss, dass unsere eigene Technologie gerade einmal ausreicht, um eine Prothese durch Gehirnströme zu steuern - nicht aber einen so komplexen Mechanismus wie ein Raumschiff. Insofern würde ich auch hier eher nach einer anderen Erklärung suchen."