1,49 €
Achtung: Neuauflage - Erstauflage 2016
Für Christian Gramont gibt es nur einen Freund und dieser heißt Adrenalin. Statt von einer Beziehung oder der großen Liebe zu träumen, hat er sich dem Extremsport verschrieben. Für ihn ist der nächste Kick das Wichtigste und ab und an eine Nummer im Darkroom, um einem erfolgreichen Tag das Sahnehäubchen aufzusetzen. Dort trifft er auf Julian, einen Mann, von dem er nicht weiß, ob er ihn faszinierend findet oder verabscheut, denn er wurde unfreiwillig Zeuge, wie gut Julian im Demütigen seiner Sexpartner ist.
Christian versucht Julian zu vergessen, doch es wird ihm verwehrt. Genau dieser ist Mitglied eines Teams, das Christian auf eine gefährliche Free Climbing Tour begleiten soll.
Eine homoerotische Kurzgeschichte für volljährige Leser.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2021
Noch fünf Minuten, das verrät mir der Blick auf meine Uhr. Meine Wirbelsäule vibriert, mein Brustkorb pulsiert. Ich blende die Geräusche um mich herum aus, das Dröhnen des Motors, die Menschen, die neben mir auf dem Boden sitzen und sich unterhalten. Schweiß liegt in der Luft. Feuchte Handflächen werden am Hosenstoff gerieben.
Knapp vier Minuten, dann bin ich frei. Ich schließe die Augen. Mein Oberkörper wird von warmer Vorfreude geflutet, die kleinen elektrischen Kontakte meines Hirns arbeiten auf Hochtouren. Mein Grinsen muss debil aussehen. Sei es drum. Es ist mein Moment, einer von denen, die mir niemand nehmen können wird, ein weiterer, der sich in meiner Seele verankert und der mich zu dem macht, wer ich bin.
Mein Verstand lässt mich eine Melodie hören, passend zu meiner steigenden Euphorie. Harte Beats im gleichen Takt meines Herzschlages, synchron zum rhythmischen Pulsieren meiner Venen.
Die Stimme sagt, dass wir uns startklar machen sollen. Ich überprüfe die Gurte ein letztes Mal. Routine. Ich weiß, dass alles sitzt. Mein Blick gleitet zu meinem Höhenmesser. Gleich ist es soweit.
Die Tür wird geöffnet, kalte klare Luft drängt sich mit aller Macht in meine Lunge. Meine Haare tanzen um mein Gesicht, fast, als wollten sie sich meiner inneren Melodie anpassen. Ich rutsche an den Rand, lasse meine Füße viertausend Meter über dem Erdboden baumeln. Die Schutzbrille ist innerhalb von Sekunden aufgesetzt. Mein Blick ist auf die Wolken gerichtet. Felder in unterschiedlichen Farben und Waldflächen heißen mich Willkommen. Mein Herzschlag legt einen Gang zu, süßes Adrenalin fließt in meinen Adern.
Ich springe, strecke meine Arme aus, winkle meine Beine an und rase auf den Erdboden zu.
Freier Fall.
Der Druck der kalten Luft nimmt jeden Millimeter meines Körpers ein. Eine Wolke lässt mich, durch das Sonnenlicht, die Farben des Regenbogens sehen. Ich rausche hindurch. Die feuchten Moleküle gleichen kleinen Nadelstichen in meinem Gesicht. Ich möchte mich für immer fallen lassen, ewig in diesem Zustand verharren. Ich biete der Luft soviel Widerstand, wie möglich. Es soll nicht enden.
Ein Stück unter und versetzt von mir geht der erste Flächenschirm auf. Ich brauche nicht auf den Höhenmesser schauen, ich weiß, dass ich nicht mehr lange habe. Es sind nur einige kostbare Sekunden. Ich schließe die Augen und lasse das Gefühl der Freiheit meinen Körper fluten, dann öffne ich sie wieder. Der Erdboden ist nähergekommen, ich muss die Leine ziehen, sonst springt gleich der Reserveschirm auf. Der Griff danach automatisiert, auch wenn mein Herz sich etwas anderes wünscht. Der Schirm öffnet sich, mein Flug wird mit einem Ruck abgebremst und ich greife nach den Steuerleinen. Ich ziehe keine Kreise um die Natur zu bewundern, zögere die Landung nicht hinaus. Es ist kein Kick für mich, durch die Luft zu schweben, nur der Fall hat mich in seiner festen Hand. Der Boden kommt näher, ich weiß, dass ich etwas zu schnell bin, aber was soll‘s, muss ich eben rennen, was das Zeug hält, um mich nicht auf die Schnauze zu packen. Meine Füße berühren das Gras. Ich lege einen Sprint hin, dann trabe ich langsam aus.
Ich raffe meinen Fallschirm zusammen und schlendere auf die Halle zu, wobei es sich für mich wie schweben anfühlt. Das Adrenalin ist noch immer in den Venen und wird eine Weile bleiben. Momente, in denen man sich für unverwundbar hält, wenn Endorphine, statt Blut in den Adern fließen.
Routiniert und konzentriert packe ich den Schirm und gehe mit ihm vor die großen Schiebetüren des Hangars. Ich setze mich in die Sonne und überbrücke die zwanzig Minuten, bis mein nächster Flug nach oben geht. Wenn ich die Augen schließe, fühlt sich mein Körper an, als wäre ich wieder im freien Fall.
»Lass die knappen Spielchen, Chris.«
Ich kenne die Stimme. Es ist Martin, ein anderer Fallschirmspringer. Einer aus der ganz akkuraten Riege, der aber nichts zu melden hat.
Ich halte ihm meine Faust entgegen und mein Mittelfinger springt hervor.
»Arschloch«, höre ich und die Schritte lassen mich wissen, dass er sich verpisst.
»Du mich auch«, flüstere ich grinsend, denn ich bin high.
Vielleicht sollte ich ihn mal mit zum Basejumpen nehmen. Aber wahrscheinlich bräuchte er dafür eine Windel, weil er sich vor Angst in die Hose scheißen würde.
Kichernd greife ich nach meiner Flasche Wasser.
Verdammt, das Leben ist geil.
Ich stelle meine Maschine ab, nehme den Helm vom Kopf und wuschele mir durch die braunen Locken, damit ich wieder aussehe, als wäre ich gerade aufgestanden. Ohne zu zögern, gehe ich an der langen Schlange vorbei, die auf Einlass in den Club wartet. Stefan, der Türsteher, lächelt mich an und schüttelt mir die Hand. Nachdem er mir einen schönen Abend und viel Spaß gewünscht hat, bahne ich mir meinen Weg durch den schmalen Gang, um den Helm und meine Lederjacke an der Garderobe abzugeben.
Es ist Samstagabend, der Laden ist gerammelt voll. Ich arbeite mich am Rand der Tanzfläche vor zum Tresen. Schweiß liegt in der Luft, Hormone und jede Menge Sex. Wegen Letzterem bin ich hier, ich verschaffe mir den perfekten Abschluss für diesen Tag. Ein oder zwei Nummern im Darkroom, schnell hart und heftig - genau danach steht mir der Sinn. Mein Kopf hat heute schon mehr als einen Orgasmus gehabt, mein Schwanz will auch zum Abschuss kommen.