Closed-end Funds verstehen und bewerten - Luis Pazos - E-Book

Closed-end Funds verstehen und bewerten E-Book

Luis Pazos

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Beschreibung

Spätestens seit der Börsenhausse ab Anfang der 1990er-Jahre mauserten sich Fonds auch in deutschen Landen zum integralen Bestandteil des Investitionsspektrums zahlreicher Privatanleger. Gut zehn Jahre später entbrannte das bis heute fortdauernde Ringen offener Investmentfonds und Exchange Traded Funds (ETFs) um die Gunst des Publikums. Ein Schattendasein fristen hingegen ausgerechnet die ältesten Vertreter des Segments, deren Wurzeln tief in das 19. Jahrhundert hineinragen. Closed-end Funds (CEFs) sind eine in Kontinentaleuropa weitgehend unbekannte Fondsgattung, die traditionell auf das Income Investing angelsächsischer Prägung und damit die regelmäßige Einkommenserzielung zugeschnitten ist. Anton Gneupel und Luis Pazos stellen Hintergründe, Entwicklung und Funktionsweise dieses altehrwürdigen Finanzinstruments detailliert und leicht verständlich vor. Sie erläutern, worauf es bei der Bewertung von CEFs ankommt, welche unterschiedlichen Anlagestrategien vom jeweiligen Management verfolgt werden und anhand welcher Kriterien Privatanleger eine individuelle Titelauswahl vornehmen können. Die ausführliche Betrachtung der Chancen und Risiken sowie eine Zusammenstellung von CEF-Musterportfolios runden den Inhalt des Buchs ab.

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Anton Gneupel | Luis Pazos

CLOSED-END FUNDSVERSTEHEN UND BEWERTEN

Mit börsennotierten Investmentfonds zum globalen Einkommensstrom

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

1. Auflage 2022

© 2022 by Finanzbuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Redaktion: Silvia Kinkel

Korrektorat: Mauela Kahle

Umschlaggestaltung: Sonja Vallant

Umschlagabbildung: Exclusively/shutterstock.com

Satz: Röser MEDIA GmbH & Co. KG, Karlsruhe

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-472-2

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-898-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-899-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

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Inhalt

Vorwort

1 Giganten der Finanzmärkte

1.1 Vom Geldautomaten und anderen Innovationen

1.2 Der Siegeszug der Indexanlagen

1.3 Auf den Schultern eines holländischen Riesen

1.4 Der Außenseiter im Fondsuniversum

2 Kapitalmärkte und Kapitalverwaltung

2.1 Farbenlehre der Kapitalmärkte

2.2 Rechtsgrundlage der Kapitalverwaltung

2.3 Geschlossene Investmentfonds

2.4 Offene Investmentfonds

2.5 Exchange Traded Funds (ETFs)

2.6 Closed-end Funds (CEFs)

3 Zielgruppe und Rechtsstruktur

3.1 Aufstieg und Fall der Niederlande

3.2 Von London über das ganze Empire

3.3 Die Fondsschmiede Vereinigte Staaten

3.4 Rechtliche und regulatorische Besonderheiten

3.5 Der Fokus auf das Income Investing

4 Strategische Ansätze

4.1 Die sechs Grundstrategien

4.2 Dividendenstrategie

4.3 Kursgewinnstrategie

4.4 Fixed-Income-Strategie

4.5 Optionsstrategie

4.6 Mischstrategie

4.7 Dachfondsstrategie

5 Marktübersicht

5.1 Quantität und Länderschwerpunkte

5.2 Australien

5.3 Kanada

5.4 Vereinigte Staaten von Amerika

5.5 Vereinigtes Königreich

5.6 Historische Renditen von CEFs

5.7 Merkmale von CEF-Investoren

6 Chancen und Vorteile

6.1 Ein lohnender Mehraufwand

6.2 Hohe Flexibilität

6.3 Pflicht zur Ausschüttung

6.4 Ausschüttungsfrequenz

6.5 Notiz an einer regulierten Börse

6.6 Stabiles Fondsvolumen

6.7 Temporäre Unterbewertung

6.8 Chancen eines Hebels

6.9 Abschlag auf die Kosten

7 Risiken und Nachteile

7.1 Es gibt kein Gratisessen

7.2 Generelle Risiken

7.3 Zahlungen aus der Substanz

7.4 Steuerrechtliche Risiken

7.5 Risiken eines Hebels

7.6 Kostenrisiken

7.7 Bewertungsrisiken

8 Eignung und Bewertung

8.1 Eine Checkliste für Investoren

8.2 Struktur-Check

8.3 Einkommensstrategie-Check

8.4 Ausschüttungspolitik-Check

8.5 Diversifikations-Check

8.6 Volumencheck

8.7 Historiencheck

8.8 Stabilitätscheck

8.9 Kostencheck

8.10 Hebelcheck

8.11 Steuercheck

8.12 Aktualitätscheck

8.13 NAV-Check

9 Musterportfolios

9.1 Unterteilung und Kategorien

9.2 Dividendenstrategie

9.3 Kursgewinnstrategie

9.4 Fixed-Income-Strategie

9.5 Optionsstrategie

9.6 Mischstrategie

9.7 Dachfondsstrategie

9.8 Spezialitäten

10 Steuern und Depotbank

10.1 Wahl der Depotbank

10.2 Die Ebenen der Besteuerung

10.3 Grundzüge der Besteuerung

10.4 Besonderheiten der Besteuerung

11 Schlusswort

Abkürzungsverzeichnis

Quellenverzeichnis

Printmedien

Onlinemedien

Informationen

Haftungsausschluss und potentielle Interessenkonflikte

Der Handel mit Wertpapieren ist grundsätzlich mit Verlustrisiken verbunden. Diese können sogar einen Totalausfall der Investition nach sich ziehen. Die Autoren übernehmen daher keine Haftung für materielle oder ideelle Schäden, die aus der Nutzung oder Nichtnutzung der angebotenen Informationen resultieren. Ferner wird für deren Aktualität, Korrektheit, Qualität oder Vollständigkeit trotz sorgfältiger Zusammenstellung keine Gewähr übernommen. Zudem sind alle getroffenen Aussagen keinesfalls als Anlageempfehlungen im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes, sondern lediglich als persönliche Meinungsäußerungen der Autoren aufzufassen. Diese sind selbst als Investoren aktiv. Es besteht daher die Möglichkeit, dass Finanzinstrumente und Wertpapiere besprochen werden, mit denen die Autoren selbst Handel zu treiben beabsichtigen oder die sich in ihrem Besitz befinden. Hieraus resultierende Interessenkonflikte können somit nicht ausgeschlossen werden.

Fragen und Anmerkungen zum vorliegenden Buch nehmen die Autoren gerne unter folgenden E-Mail-Adressen entgegen:

[email protected]

[email protected]

Weitere Informationen zur einkommensorientierten Geldanlage finden sich auf den Blogs der beiden Autoren:

https://dwiedividende.de

https://nurbaresistwahres.de

Meinem Großvater Ulrich. Meiner Mutter Angela.

Vorwort

Aus der Rückschau betrachtet wurden die goldenen 2010er-Börsenjahre von zwei markanten Finanztrends umklammert. Der Anfang der Dekade ging mit einer Renaissance sogenannter Sammelanlagen einher, also Investment- beziehungsweise Sondervermögen, welche Anlegergelder bündeln und die verwalteten Mittel in der Regel über eine Vielzahl börsennotierter Wertpapiere sowie je nach Statut andere Vermögenswerte gestreut investieren. Befeuert wurde der bis zur Drucklegung dieses Buches anhaltende Boom in erster Linie vom Aufstieg der Exchange Traded Funds (ETFs).

Dieses vergleichsweise junge Finanzinstrument konnte vor allem durch einen prognosefreien Ansatz und die damit verbundene, massive Kostenreduktion im Vergleich zu traditionellen Investmentfonds punkten, flankiert durch reichliche Literatur zum Thema, deren Auflage parallel zur Beliebtheit der ETFs stieg.

Mit der historisch erstmaligen Verfestigung zunächst realer und dann auch nominaler Negativzinsen in weiten Teilen der westlichen Welt erwachte schließlich gegen Ende des Jahrzehnts die gute alte Dividende aus ihrem knapp 40 Jahre währenden Dornröschenschlaf. In diesen hatte sie die Spindel des ausgeprägten Bullenmarktes versetzt, welcher Anfang der 1980er-Jahre Anlauf nahm. Dies wiederum hatte zur Folge, dass viele Marktteilnehmer ihr Augenmerk zunehmend weg von der Dividende und hin auf die Kursrendite richteten.

Tatsächlich sollte sich beispielsweise die durchschnittliche Dividendenrendite amerikanischer Aktien in der Folgezeit im Vergleich zum vorausgegangenen Jahrhundert knapp halbieren. Ursächlich hierfür waren keineswegs die den Ausschüttungen durchweg davoneilenden Kurse, sondern vielmehr eine auf zahlreichen wirtschaftlichen Anreizen beruhende Zurückhaltung in der Dividendenpolitik der Unternehmen, welche von den Aktionären weitgehend klaglos hingenommen wurde.

Ein Instrument, welches beide Trends in sich vereint, ist der Closedend Fund (CEF) – und das bereits seit 1868. Inmitten der derzeit über 1000 börsennotierten Vertreter laufen tatsächlich noch heute zahlreiche frühe Emissionen der weltweit verbreiteten Produktgattung um, die bereits im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert aufgelegt wurden. Damit ist er der unangefochtene Methusalem unter den derzeit handelbaren Investmentvermögen.

Als selbstständiges Anlagevehikel kombiniert der CEF nebst ganz spezifischen Eigenschaften die Merkmale einer börsennotierten Sammelanlage und eines ausschüttungsstarken Dividendenwertes. Aufgrund dessen erfreuen sich CEFs insbesondere bei jungen wie alten einkommensorientierten Investoren ungebrochener Beliebtheit. Eine Ausnahme bildet Kontinentaleuropa, wo dieses in der angelsächsischen Welt verbreitete Fondskonzept nie richtig Fuß fassen konnte, obgleich sich der Kontinent mit Fug und Recht als Wiege des Investmentfonds im Allgemeinen sowie des CEFs im Speziellen rühmen darf.

Genau dieser historische Hintergrund einschließlich der Ausdifferenzierung der Investmentlandschaft wird einleitend in KAPITEL 1 beleuchtet. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der aktuell bedeutendsten Sammelanlagen sind Gegenstand von KAPITEL 2. Wie es zur Herausbildung von CEFs als eigenständiges Instrument mit gesonderter Regulierung kam, die gängige rechtliche Struktur, etwaige länderspezifische Besonderheiten der CEFs sowie deren vornehmliche Zielgruppe werden in KAPITEL 3 thematisiert.

Obgleich der bis hierhin theoriebezogene Teil des Buches nicht zwingend zur Vorbereitung von Anlageentscheidungen nötig ist, empfiehlt sich dennoch dessen Lektüre. Zum einen tragen die Ausführungen zum Gesamtverständnis des Themenkomplexes bei, zum anderen versteht sich diese Publikation als Beitrag zu einer ganzheitlichen Finanzbildung, die über einen reinen Ratgeber hinausgeht. Ungeduldige Leser sollten daher zumindest den Lesestoff nachholen, sofern sie denn direkt mit dem praxisorientierten Teil dieses Buches starten.

Dieser beginnt mit KAPITEL 4 und der Typisierung der Fondsgattung nach der praktizierten Anlagestrategie, jeweils einschließlich eines konkreten Branchenvertreters. Daran anschließend folgt in KAPITEL 5 eine Übersicht der bedeutendsten Kapitalmärkte für CEFs, welche historisch bedingt im angelsächsischen Raum zu finden sind. Selbstverständlich gehört zur Betrachtung potenzieller Investitionen auch ein Blick auf die Chancen und Vorteile sowie Risiken und Nachteile, welcher in den KAPITELN 6 und 7 erfolgt, bevor im KAPITEL 8 erprobte Werkzeuge an die Hand gegeben werden, um CEFs zu bewerten. Typisierte CEF-Musterportfolios in KAPITEL 9 sowie die unausweichliche Steuerthematik in KAPITEL 10 runden diese erste deutschsprachige Publikation zu Closed-end Funds ab.

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Giganten der Finanzmärkte

1.1 Vom Geldautomaten und anderen Innovationen

Paul Adolph Volcker wurde am 05. September 1927 in New Jersey inmitten einer der exzessivsten Partys der Börsengeschichte geboren. Berühmt wurde er als Vorsitzender des Federal Reserve Systems (Fed) der Vereinigten Staaten von Amerika, wenngleich ihn sein Nachfolger in diesem Amt in puncto Bekanntheit deutlich in den Schatten stellen sollte. Volcker verstarb 2019.

Die Amtszeit Volckers währte von August 1979 bis August 1987. In diese Periode fiel die letzte Hochinflationsphase der USA, welche die Kaufkraft des US-Dollars noch Anfang der 1980er-Jahre um 15 Prozent per annum aushöhlte. Mit Leitzinsen jenseits der 20 Prozent gelang es der Fed schließlich, die Lohn-Preis-Spirale zu brechen und eine Phase sinkender Zinsen und damit spiegelbildlich steigender Vermögenspreise einzuleiten, die unter heftigen Zuckungen bis in die 2020er-Jahre andauern sollte.

Der kurzfristig für diesen sogenannten »Volcker-Schock« fällige Preis war freilich eine ausgeprägte Rezession. Auch nach Übergabe des Staffelstabs an den legendären und unter Börsianern äußerst beliebten Alan Greenspan – bekannt auch als »Sphinx of the Fed«, »Master of the Universe« oder kurz »Maestro« –, der im Laufe seiner 19 Jahre währenden Amtszeit noch jeden Crash mit Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen ausbügelte, blieb Volcker seinem Metier treu.

Als finanzpolitischer Berater der US-Regierung machte er noch einmal 2010, im Nachgang zur Weltfinanzkrise, von sich Reden. Aus jener Epoche stammt denn auch die wohl bekannteste, dem früheren US-amerikanischen Notenbankchef zugeschriebene Aussage, derzufolge die Finanzbranche in den letzten Jahrzehnten lediglich eine sinnvolle Innovation zustande gebracht habe, nämlich den Geldautomaten.

Ein erstes funktionstüchtiges Exemplar desselben wurde übrigens bereits im Jahr 1939 gebaut, von der City Bank of New York probeweise in Betrieb genommen und nach etwa einem halben Jahr mangels Nachfrage wieder abgebaut. »Es sieht so aus, dass ein paar Prostituierte und Glücksspieler, die nicht von Angesicht zu Angesicht mit Kassierern zu tun haben wollten, die einzigen Benutzer des Gerätes waren«, konstatierte George Luther Simjian, der Erfinder der Apparatur. Erst im Juni 1967 startete die Barclays Bank in London als globaler Vorreiter des automatisierten Bargeldbezugs, ein knappes Jahr später zog die Sparkasse Tübingen als erstes deutsches Institut nach. Heute existieren weltweit rund 3,5 Millionen Automated Teller Machines (ATMs) beziehungsweise Geldausgabeautomaten (GAA).

1.2 Der Siegeszug der Indexanlagen

Wenige Jahre später revidierte Volcker seine Aussage und ergänzte die Liste um eine weitere Finanzinnovation, den Indexfonds. Analog zum Geldautomaten hat dieser in der börsennotierten Variante des Exchange Traded Funds (ETFs) nach der vorläufigen Verdauung der Weltfinanzkrise ab den 2010er-Jahren seinen globalen Siegeszug angetreten und dabei vor allem den klassischen Investmentfonds beziehungsweise Mutual Funds im angelsächsischen Raum das Wasser abgegraben. Auf die Begrifflichkeiten, und vor allem rechtlichen wie organisatorischen Unterschiede, werden wir noch eingehen.

Indexfonds wiederum sind auf das Engste mit dem Namen und der Person John C. Bogle verknüpft, der unter seinen Anhängern eine ähnlich kultische Anerkennung genießt wie unter wertorientierten Investoren Warren Buffett. Bogle, der gemeinhin als Vater des sogenannten Index Investings gilt und seine revolutionäre Idee auch unternehmerisch und zunächst erfolglos in die Tat umsetzte, hat schließlich 2007 im Alter von 78 Jahren die Essenz seiner aus über fünf Dekaden gespeisten Börsenerfahrung unter dem Titel The Little Book of Common Sense Investing (deutscher Titel: Das kleine Handbuch des vernünftigen Investierens) zu Papier gebracht.

Neben Warren Buffett, Peter Lynch und George Soros war es Bogle, der im Jahr 2004 vom Wirtschaftsmagazin Fortune in den Rang eines »Giants of the 20th Century« erhoben wurde – zumindest in Finanzfragen. Dies ist insofern erstaunlich, als dass Bogle der Einzige unter besagten Giganten ist, der auf nichts weiter als das schlichte Mittelmaß abzielt.

Bereits Anfang der 1970er-Jahre erkannte der 1929 in New Jersey geborene Bogle, dass klassische Investmentfonds langfristig durch die Bank weg schlechter abschnitten als korrekt gewählte Vergleichsindizes. Und selbst den wenigen »Outperformern« gelang es nicht, die Überrendite systematisch aufrechtzuerhalten. Im Gegenteil, die Regression zur Mitte stutzte sie regelmäßig wieder auf Normalmaß.

Zudem war und ist es unmöglich, im Vorhinein zu ermitteln, welche Investmentfonds den Staffelstab an der Branchenspitze übernehmen; sprich, die Outperformance-Konstanz der Vermögensverwalter liegt mittel- bis langfristig nicht oberhalb des statistischen Zufalls. Das jedenfalls belegen dutzende Untersuchungen, die beispielsweise jenseits des Atlantiks der emeritierte Princeton-Professor Burton Malkiel und diesseits sein Mannheimer Pendant Martin Weber zusammengetragen haben.

Als einen wesentlichen Faktor für dieses Phänomen identifizierte Bogle frühzeitig die Kosten des Fondsmanagements, die neben den Personalaufwendungen beispielsweise auch die Ausgaben für umfangreiche Markt- und Unternehmensanalysen sowie Transaktionskosten umfassen und sich in den Verwaltungsgebühren niederschlagen. Diese fallen zwar mit im Schnitt 1,5 bis 2,0 Prozent des verwalteten Vermögens pro Jahr optisch zunächst vergleichsweise niedrig aus, anders sieht es jedoch aus, wenn statt der absoluten die relative Gebührenquote herangezogen wird.

Diese beläuft sich in etwa auf satte 15 bis 20 Prozent der jährlichen Nominalrendite, also des Dividenden- und Kursgewinnertrags vor Inflation, sofern beispielsweise ein marktbreiter US-amerikanischer Aktienindex über die letzten 100 Jahre zugrunde gelegt wird. Allein diese wieder hereinzuholen ist schwer. Zu schwer, wie entsprechende Statistiken in neuerer Zeit zuhauf belegen.

Warum dann also nicht gleich zu minimalen Kosten »nur« einen Index nachbilden? Was heute zum Kanon der Finanzbildung gehört, war vor über 40 Jahren tatsächlich ein revolutionärer Gedanke, wie Volcker im Rahmen seiner eingangs zitierten Laudatio zu würdigen wusste. Bogle blieb jedoch nicht bei dem Gedanken stehen, denn um seine Hypothese in der Praxis zu erproben, gründete er im Jahr 1974 die Vanguard Group.

Ein Jahr später emittierte die Vermögensverwaltung den ersten öffentlichen Indexfonds. Der später in Vanguard 500 Index Fund umbenannte First Index Trust bildete die Wertentwicklung des S&P 500 ab und wurde wie bei Investmentfonds nach wie vor üblich ausschließlich am Primärmarkt, also direkt über den Emittenten, gehandelt – zunächst belächelt und mit wenig Erfolg. Gerade einmal etwas über 11 Millionen US-Dollar sammelte der Indexfonds ein. Geplant zur Aufrechterhaltung eines wirtschaftlichen Betriebs waren 150 Millionen US-Dollar.

Aufgeben war Bogles Sache nicht. Der Rest ist Legende: Die erste Börsennotierung eines ETFs erfolgte in den USA im Jahr 1989. In Deutschland war es die heute zu BlackRock respektive iShares gehörende Indexchange Investment AG, die im Jahr 2000 zeitgleich die ersten beiden Produkte dieser Gattung auf den hiesigen Markt brachte. Die Erstnotiz der ETFs auf den EURO STOXX 50 und STOXX Europe 50 erfolgte am 11. April besagten Jahres und damit nahezu parallel zur Implosion des neuen Marktes. Ende 2020 verwalteten nach Angaben der Deutschen Börse weltweit etwa 7000 ETFs ein Vermögen von über 6 Billionen US-Dollar.

Der im Zuge steigender Beliebtheit zunehmende Konkurrenzkampf der Fonds- und Kapitalanlagegesellschaften um Kunden und Marktanteile in diesem Segment hat zu sukzessive sinkenden Gebühren geführt. John C. Bogle dürfte das ausdrücklich begrüßen, derweil Stand Juli 2021 der Vanguard 500 Index Fund 777 Milliarden US-Dollar verwaltet – gut die Hälfte mehr als der für das gleiche Jahr veranschlagte Bundeshaushalt.

Summa summarum ist es Bogle wie kaum einem anderen Akteur auf dem Börsenparkett gelungen, Praxis und Theorie miteinander zu verbinden. Das akademische Gegenstück zur Vanguard Group ist das Bogle Financial Markets Research Center, auf dessen Erkenntnisse und Statistiken der Namensgeber gerne im Buch zurückgreift. Profitiert hat Bogle indes nur sehr indirekt vom Aufstieg »seiner« Vanguard Group.

Laut dem Informationsdienst ADV Ratings ist das Unternehmen Stand März 2021 mit circa 7,5 Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen nach BlackRock der zweitgrößte Asset Manager der Welt. Entgegen den Gepflogenheiten des Sektors ist die Vanguard Gruppe genossenschaftlich organisiert. Sie gehört ihren eigenen (US-amerikanischen) Investment- beziehungsweise Indexfonds sowie ETFs und damit deren Anlegern. Die Gewinne des Unternehmens wirken damit unmittelbar dämpfend auf die Kosten- und damit Gebührenstruktur – ganz im Sinne des Erfinders!

Exkurs: BlackRock, die unangefochtene Nummer eins unter den weltweiten Asset Managern, verwaltete zeitgleich ein Vermögen von knapp über 9 Billionen US-Dollar. Hinter Vanguard ging die Bronzemedaille an die UBS mit 4,23 vor Fidelity mit 3,90 und State Street Global Advisors mit 3,59 Billionen US-Dollar. Das verwaltete Vermögen der weltweit 500 größten Asset Manager betrug Ende 2019 gut 104 Billionen US-Dollar. Dabei dominierten US-Unternehmen die Rangfolge. Allein 16 der 20 größten Vermögensverwalter haben ihren Sitz in den Vereinigten Staaten. Die deutsche Allianz – seinerzeit noch auf dem fünften Platz und nach wie vor in der führenden Zehnerriege –, Amundi und BNP Paribas aus Frankreich sowie die bereits aufgeführte Schweizer Großbank UBS stellen die fehlenden vier Vertreter. Die DWS (27.), die Landesbank Baden-Württemberg (58.), Union Investment (64.), Meag (69.) sowie die Dekabank (85.) komplettieren die deutschen Vertreter in der Top 100.

1.3 Auf den Schultern eines holländischen Riesen

Nun stehen Giganten üblicherweise selbst auf den Schultern von Riesen. Da bilden die Finanzgiganten des 20. Jahrhunderts keine Ausnahme, im Fall von Bogle und seiner Vanguard Group reichen diese exakt 200 Jahre zurück auf einen niederländischen »Riesen«, dessen Name heutzutage jedoch bestenfalls finanzhistorisch interessierten Personen geläufig sein dürfte. Tatsächlich gilt Abraham van Ketwich als Architekt und Erfinder des modernen Investmentfonds, ohne den der Indexfonds und schließlich auch der ETF nie das Licht der Welt erblickt hätten.

Ausgangspunkt dafür war – wie so oft in der Geschichte – eine politisch induzierte Finanz- und Wirtschaftskrise im Nachgang eines Krieges, in deren Folge das europäische Bankensystem in Teilen zusammenbrach; ein Muster mit jahrhundertealter Tradition. Bei dem in diesem Fall militärisch relevanten Konflikt handelt es sich um den Siebenjährigen Krieg, der von 1756 bis 1763 wütete und alle bedeutenden Großmächte der damaligen Zeit in den Strudel der Ereignisse riss. Waffengänge erfolgten in Mitteleuropa, Portugal, Nordamerika, Indien, der Karibik und auf den Weltmeeren, weshalb der Siebenjährige Krieg unter Historikern bisweilen auch als Weltkrieg geführt wird.

Der langjährige Waffengang endete wie das Hornberger Schießen mit der Wiederherstellung des vorherigen Status quo, lediglich jenseits des Atlantiks verlor Frankreich einige Kolonialgebiete an Großbritannien. Im Gegenzug forderte der Krieg erhebliche personelle und materielle Ressourcen, Letztere konnten – ebenfalls wie historisch üblich – nur über deutliche Ausweitungen der öffentlichen Verschuldung finanziert werden.

Exkurs: Großbritannien hat nach der kostspieligen Beteiligung am Siebenjährigen Krieg im Jahr 1765 ein Stempelsteuergesetz erlassen, welches eine Vielzahl zu beglaubigender Vorgänge umfasste. Hierzu zählten auch Börsengeschäfte. Die Stempelsteuer oder »stamp duty« wird heute noch an der Londoner Börse als Finanztransaktionssteuer auf die Käufe der meisten Aktien von Privatanlegern erhoben. Die Höhe beträgt 0,5 Prozent des Ordervolumens. Nur wenige Jahre nach ihrer Einführung sollte die Stempelsteuer mitentscheidend für die Erklärung der amerikanischen Unabhängigkeit werden. Tatsächlich wurde sie von den Sons of Liberty (englisch: »Söhne der Freiheit«) um deren prominentestes Mitglied John Adams, den späteren zweiten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, entschieden bekämpft. Als fiskalisch-militärisches Relikt gleicht sie damit der deutschen Schaumweinsteuer, welche im Jahr 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Marine eingeführt und nie wieder abgeschafft wurde, obgleich sie Stand 2019 mit 377 Millionen Euro gerade einmal 0,023 Prozent zu den Staatseinnahmen von insgesamt 1610,56 Milliarden Euro beitrug. Eine jüngere Folge des Stempelsteuergesetzes ist die Einführung von Differenzkontrakten (Contract For Difference, CFD), welche heutzutage in stark gehebelten Varianten überwiegend spekulativ eingesetzt werden. Entwickelt wurden sie in den 1980er-Jahren von der Schweizer Großbank UBS in London, um die britische Stempelsteuer zu umgehen. Hierbei wurde das zugrunde liegende Wertpapier nicht direkt gehandelt, sondern im Rahmen eines Swap-Geschäfts dessen Werteentwicklung gegen Gebühr verbrieft.

Genau diese monetarisierten Staatsschulden legten jedoch ab Mitte der 1760er-Jahre, exakt analog zu den Goldenen Zwanzigern nach dem Ersten Weltkrieg, den Grundstein für eine Geld- und Kreditexpansion im Privatsektor. In Großbritannien und seinen Kolonien führte diese zu einem (Über-)Investitions- und Konsumboom, die Produktionskapazitäten wurden in Folge des billigen Geldes erheblich ausgeweitet, die Exporte nach Übersee zogen massiv an. Neben der Exportfinanzierung gewährten vor allem britische Banken den landwirtschaftlichen Erzeugern in den Kolonien großzügig Kredit. Als Konsequenz quollen innerhalb weniger Jahre die Lager über, ein Warnsignal, welches wohlwollend übersehen wurde.

Darüber hinaus wurden, wie in (Kredit-)Boomphasen durchaus bis in die Gegenwart üblich, in zunehmendem Maße risikoreiche Darlehen ausgegeben, ferner führte das konjunkturelle Strohfeuer zu einer Vielzahl zweifelhafter Neugründungen im Bankgewerbe und ausgehend von Schottland zu einer ausgeprägten Wechselreiterei.

Exkurs: Ein Wechsel ist ein umlauffähiger Schuldschein. Gegen Ende der 1990er-Jahre büßte die Kombination aus Kredit- und Zahlungsmittel seine jahrhundertealte bedeutende ökonomische Funktion nahezu komplett ein. Wurden Wechsel in betrügerischer Absicht, also ohne ein zugrunde liegendes Handelsgeschäft, zur Kreditbeschaffung oder zur Verdeckung der Zahlungsunfähigkeit ausgegeben, erfüllte das den (Straf-)Tatbestand der Wechselreiterei. Aus der oben genannten Periode ist beispielsweise bekannt, dass sich in Schottland Bankiers »die berüchtigte Praxis zu eigen [machten], fiktive Wechsel zu ziehen und wieder zu ziehen, um die Kreditvergabe auszuweiten«. Im Jahr 1769 wurde mit der schottischen Bank Douglas, Heron & Company, nach dem Sitz des Unternehmens kurz Ayr Bank genannt, gar ein Institut gegründet, welches sich gezielt der Wechselreiterei verschrieben hatte. Das Geschäftsprinzip wurde von einem Zeitgenossen wie folgt erläutert: »A, beispielsweise in Edinburgh, stellte seinem Agenten B in London einen Wechsel aus, der in zwei Monaten zahlbar war. Bevor die Zahlung fällig war, zog B denselben Betrag zuzüglich Zinsen und Provisionen erneut bei A ein. In der Zwischenzeit diskontierte A seinen Wechsel in Edinburgh, und bevor die zwei Monate um waren, zog er einen weiteren Wechsel auf B usw.« Diese Methode konnte die wirtschaftliche Entwicklung nur vorübergehend unterstützen, förderte aber einen falschen Optimismus am Markt.

Der Schwarze Schwan, der die Kreditpyramide schließlich zum Einsturz bringen sollte, ereignete sich dann tatsächlich tausende Kilometer vom damaligen Weltfinanzzentrum London entfernt, allerdings nicht auf dem amerikanischen, sondern dem asiatischen Kontinent, genauer gesagt in Bengalen auf dem Gebiet der heutigen indischen Bundesstaaten Westbengalen und Tripura sowie Bangladesch.

Das Gebiet gehörte seinerzeit formal zum indischen Mogulreich, welches zu dem Zeitpunkt auch noch die Zivilverwaltung (Nizamat) innehatte, faktisch hatte sich jedoch die British East India Company (BEIC) respektive Britische Ostindien-Kompanie durch entsprechenden militärisch-politischen Nachdruck die Herrschaft abtreten lassen. Darunter fiel in erster Linie das Steuererhebungsmonopol, das sogenannte Diwani. Ihr Sieg in der Schlacht von Plassey im Jahr 1757 legte zudem den Grundstein für die knapp 200 Jahre währende Herrschaft Großbritanniens über den indischen Subkontinent.

Missernten in den Jahren 1768 und 1769 verknappten das Nahrungsmittelangebot in Bengalen drastisch, die Bonität der Bauern verschlechterte sich, sodass sie nicht mehr im üblichen Umfang Darlehen gewährt bekamen. Parallel dazu kaufte die Britische Ostindien-Kompanie wie gewohnt Teile der Produktion zur Versorgung der Armee auf. Bis 1770 stieg der Preis für Reis, das Hauptnahrungsmittel in der Region, um das Dreifache, der einsetzende Monsun begünstigte die Verbreitung von Krankheiten wie beispielsweise den Pocken unter der ohnehin geschwächten Bevölkerung.

Von den etwa 30 Millionen Menschen, welche die Region zuvor bevölkerten, starben vermutlich sieben bis zehn Millionen, wenngleich die Opferzahlen mangels verlässlicher demografischer Daten lediglich geschätzt werden können. Die Hungersnot hatte auch unmittelbare ökonomische Auswirkungen. Anbaufläche für Nahrungsmittel, aber auch Baumwolle, ging verloren, nicht zuletzt aufgrund der drastisch geschrumpften Erwerbsbevölkerung. Das galt ebenso für die weiterverarbeitenden Manufakturen, die einen Großteil ihrer Spinner und Weber verloren hatten. Diese wirtschaftliche Erosion konnte auch nicht mehr durch die vollständige Herrschaft über ganz Bengalen durch die Britische Ostindien-Kompanie kompensiert werden.

Im Gegenteil: Sie führte zu drastischen Abwertungen der Grundstücke und Besitzungen der Gesellschaft, deren Anteilspreise an der Londoner Börse daraufhin massiv korrigierten und tiefe Löcher in die Bilanzen zahlreicher englischer und kontinentaleuropäischer Banken rissen. Die im Wert sinkenden Vermögenswerte auf deren Aktivseite reichten bei vielen Instituten schließlich nicht mehr zur Deckung der Verbindlichkeiten auf der entsprechenden Passivseite. Über 30 Banken in Europa brachen zusammen, die (Agrar-)Immobilien- weitete sich zu einer Liquiditäts- und Kreditkrise auf beiden Seiten des Ärmelkanals aus, die selbstverständlich vom zuvor ebenso stark wie sorglos aufgebauten Hebel verstärkt wurde.

Es bildeten sich lange Schlangen vor den Schaltern der Kreditinstitute, die Panik des Publikums kulminierte in einem veritablen Bank Run. Auch die englische Realwirtschaft wurde hart getroffen. So stieg die durchschnittliche Anzahl der Konkurse in London, die zwischen 1764 und 1771 bei 310 per annum lag, im Jahr 1772 auf 484 und im Jahr 1773 auf 556 an. Eine Zeitschrift kommentierte die Szenen seinerzeit wie folgt: »Seit 50 Jahren ist kein Ereignis in Erinnerung geblieben, das dem Handel und dem öffentlichen Kredit einen so fatalen Schlag versetzt hat.«

Tausende Privatkunden des im Aufstieg befindlichen Bürgertums verloren schließlich ihre Ersparnisse und Zinseinkünfte. Letztere stellten gerade für Ruheständler, Witwen und Waisen die oftmals einzige Einkommensquelle dar. Herbe Verluste verzeichneten auch viele Kontinentaleuropäer. Entweder, weil sie im Vertrauen auf die Stabilität des damaligen Weltfinanzzentrums ihr Geld auf der Insel angelegt hatten oder aber, weil ihre eng mit den englischen Banken verflochtenen Institute mit in den Konkursstrudel gerissen wurden. Letzteres war insbesondere an den Finanzplätzen Edinburgh und Amsterdam der Fall. Da vor allem niederländische Banken in großem Umfang in Aktien der Britischen Ostindien-Kompanie investiert waren, wurden Letztere besonders hart von der Kreditkrise getroffen.

Dieses einschneidende Ereignis nahm der niederländische Kaufmann Abraham van Ketwich zum Anlass, eine möglichst krisenfeste und dennoch ausschüttungsstarke Finanzinnovation zu entwickeln, die der bisher fast unumgänglichen Bildung von Klumpenrisiken entgegenwirken sollte. Im Jahr 1774 legte er unter dem Namen »Eendragt Maakt Magt« (deutsch: »Eintracht macht stark«) den ersten Publikumsfonds auf. Um die beiden Leitgedanken der breiten Streuung und konstanten Dividende glaubwürdig zu verbriefen, entwarf van Ketwich einen Emissionsprospekt mit verbindlichen Regeln für das Fondsmanagement und damit sich selbst – heute eine Selbstverständlichkeit, seinerzeit revolutionär.

Das Reglement schrieb eine weltweite Streuung des Fondsvermögens über mindestens 2000 Titel sowie eine Fixdividende in Höhe von 4 Prozent auf den Emissionskurs zuzüglich einer Gewinnbeteiligung vor. Investiert wurde in Anleihen, Schuldverschreibungen, Aktien sowie unternehmerische Beteiligungen in Europa sowie den Kolonien. Der Emissionspreis betrug 500 Gulden je Anteil, was heute in etwa 10 000 Euro entspricht, der einmalige Ausgabeaufschlag lag bei 0,5 Prozent, die jährliche Verwaltungsgebühr bei bescheidenen 0,2 Prozent des verwalteten Vermögens. Fünfzig Jahre später wurde der Fonds planmäßig zu 561 Gulden je Anteil liquidiert.

Exkurs: Der Name des Investmentfonds wurde später zum Wappenspruch der Zuid-Afrikaansche Republiek (ZAR) oder Transvaal-Republik, die 1852 von deutsch- und französischstämmigen, vor allem aber niederländischen Buren (afrikaans für »Bauern«) am Kap der Guten Hoffnung gegründet wurde.

Zwischenzeitig mussten Anleger jedoch starke Kursschwankungen beziehungsweise -rückgänge aushalten, die während der Napoleonischen Kriege im Jahr 1811 mit 125 Gulden je Anteil ihren Höhepunkt erreichten. Noch erfolgreicher war der 1776 von der Bank von Utrecht aufgelegte und ebenfalls von Abraham van Ketwich gemanagte Publikumsfonds »Voorderig En Vorsiglig« (deutsch: »vorteilhaft und vorsichtig«). Er hatte ganze 117 Jahre bis 1893 Bestand und zahlte durchgängig mindestens die Fixdividende in Höhe von 6 Prozent – und das in der inflationsfreien Phase des klassischen Goldstandards. Selbstbindung durch Anlagerichtlinien und Risikominimierung durch Streuung – das Vermächtnis van Ketwichs prägt bis heute weltweit die Fondslandschaft.

Exkurs: Selbstverständlich konnte sich van Ketwich bei seinem Bemühen auf eine lange Tradition gebündelter Kapitalanlage stützen. Die frühesten ihrer Art sind in Form von Karawanen- und Schiffsexpeditionen für das frühantike Zweistromland nachgewiesen. Bereits im Römischen Reich wurde das bis heute nachwirkende Rechtsverständnis entwickelt. Mit der Societas (Personengesellschaft), dem Peculium (treuhänderische Vermögensverwaltung mit Gewinnteilung des Eigentümers) sowie der Publicani (antike Form der Public-Privat-Partnership) wurden zudem erstmals Organisationsformen formalisiert; die Societas lebt sogar bis heute in der Sozietät, wie sie beispielsweise unter Anwälten oder Steuerberatern praktiziert wird, fort. Die Verselbstständigung von Vermögen als juristische Person schließlich geht auf das mittelalterliche Trust- und Equityrecht zurück. Überhaupt war das Zeitalter eine Ära der Innovationen. Neben der Landwirtschaft (Wendepflug, Kummet, Dreifelderwirtschaft), dem Handel (Kogge), der Technik (Trittwebstuhl) und Bildung (Gründung der Universitäten von Parma, Bologna, Paris, Oxford, Montpellier, Cambridge und Salamanca) wurden auch Mathematik, Buchhaltung und Finanzwesen revolutioniert. Oberitalien entwickelte sich zum führenden Finanzzentrum, wo zahlreiche Begrifflichkeiten des Bankund Börsenwesens geprägt wurden: Bank, Bankrott, Bilanz, brutto, Diskont, kalkulieren, Kapital, Kasse, Kredit, Lombard, netto, Saldo, Skonto. Schließlich waren es die (Spät-)Scholastiker der Schule von Salamanca, die ab dem 16. Jahrhundert das theoretische Fundament der modernen Wirtschaftswissenschaften erarbeiteten.

1.4 Der Außenseiter im Fondsuniversum

Warum dieser Ausflug in die Geschichte der neuzeitlichen Kapitalsammelanlage, deren Vorläufer wiederum über das europäische Hochmittelalter bis in die klassische Antike zurückreichen?

Nun, zum einen belegt die facettenreiche Episode die dem griechischen Philosophen Heraklit zugeschriebene These vom Krieg als Vater und König aller Dinge. Sie bestätigt sich übrigens auch im Siegeszug der netz- und fintechgestützten Verbreitung von ETFs, der ohne den Kalten Krieg und die Entwicklung des ARPANET undenkbar wäre. Darüber hinaus zeigen insbesondere die Entwicklungen um die Finanzinnovation von Abraham van Ketwich, dass sich Wirtschaftsgeschichte zwar nicht gleicht, jedoch reimt, was insbesondere für kreditgetriebene Booms und Busts zu gelten scheint.

Schließlich reflektiert die Entwicklungslinie der modernen Kapitalsammelanlagen das Spektrum dessen, was allgemein im deutschen Sprachraum unter dem Begriff »Fonds« assoziiert wird – der Ausflug über den Küchenjargon zur Garflüssigkeit mal außen vor gelassen. Tatsächlich verengt sich besagter Blick im Wesentlichen auf die beiden Alternativen des klassischen Investmentfonds einerseits sowie des modernen ETFs andererseits. Außen vor bleibt dabei auch in Fachpublikationen ein gemeinsamer Verwandter, der geschichtlich zwischen van Ketwich und Bogle einen Abzweig genommen und vor allem die angelsächsische Welt erobert hat: Der Closed-end Fund oder kurz CEF. Und das, obwohl es sich bei den ältesten nach wie vor handelbaren Fonds der Welt um genau solche CEFs handelt (siehe KAPITEL 3.2). Höchste Zeit also, dieses eigenständige Finanzinstrument im deutschen Sprachraum publizistisch zu würdigen und ihm seinen legitimen Platz im Handelsspektrum kontinentaleuropäischer Anleger zu verschaffen.

Abschließend seien noch zwei Hinweise zur Begriffsverwendung und Wertpapierkennzeichnung erlaubt. Mangels einer treffsicheren deutschen Alternative – die wortwörtliche Übersetzung »Geschlossener Fonds« weckt als falscher Freund inhaltlich irrige Assoziationen – wird in dieser Publikation durchgehend das international gängige englische Original Closed-end Fund beziehungsweise die entsprechende Abkürzung CEF verwendet. Ferner wird, ganz in angelsächsischer Tradition, bei allen erwähnten Wertpapieren durchgehend das jeweilige Börsenkürzel in Form eines zwei- bis vierstelligen Codes angegeben, über welches der jeweilige Titel am Heimatmarkt handelbar ist. Beide Angaben, sowohl der Handelsplatz in der offiziellen Kurzschreibweise als auch das Börsenkürzel, finden sich in Klammern hinter dem jeweiligen CEF. Auf die Nennung einer (deutschen) Wertpapierkennnummer (WKN) wurde bewusst verzichtet, da zahlreiche Papiere über keinen entsprechenden Identifikator verfügen.

2

Kapitalmärkte und Kapitalverwaltung

2.1 Farbenlehre der Kapitalmärkte

In diesem Kapitel sollen CEFs des besseren Verständnisses wegen zunächst in den Kanon der Kapitalanlagen, konkret in die Systematik von Kapitalsammelstellen eingeordnet werden. Hierbei gilt es auch, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu vergleichbaren, aber eben nicht identischen Anlageklassen darzulegen.

Dem Duden folgend handelt es sich bei Kapitalanlagen um den Einsatz von Geldmitteln in Beteiligungen, Sachwerten oder Ähnlichem zur Erzielung von Gewinn. Synonyme sind Geldanlage und Investition. Unter den Kapitalanlagen kommen wiederum den Kapitalsammelstellen eine volkswirtschaftlich überragende Bedeutung zu.

Diese definiert das Gabler Wirtschaftslexikon als »Sammelbegriff für Institutionen, bei denen in erheblichem Umfang Einlagen erfolgen beziehungsweise deren Geschäftstätigkeit damit verbunden ist, mit diesem Kapital als Anbieter auf dem Geld-, vorwiegend aber auf dem Kapitalmarkt aufzutreten. Zu den Kapitalsammelstellen zählen vor allem Kreditinstitute, Versicherungen, Sozialversicherungsanstalten, Bausparkassen und Investmentgesellschaften.«

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es selbstverständlich auch Kapitalanlagen im nennenswerten Umfang gibt, die nicht von Kapitalsammelstellen verwaltet werden, so beispielsweise Edelmetalle, Direktbeteiligungen oder (Anlage-)Immobilien. Andererseits fallen auch moderne Formen der Geldanlage wie Crowdinvesting-Anbieter, Kryptovermögenswerte-Verwalter und P2P-Plattformen unter die breit gefasste Definition der Kapitalsammelstelle.

Allen Kapitalsammelstellen gemein ist der Umstand, dass sie das Geld zahlreicher Anleger bündeln oder poolen. Entsprechende Angebote finden sich sowohl auf dem weißen als auch auf dem grauen Kapitalmarkt. Diese Unterscheidung ist hinsichtlich des grundlegenden Risikos, dem sich entsprechend disponierte Anleger aussetzen, von elementarer Bedeutung. Gleichwohl existiert keine gesetzliche Definition für diese beiden Sphären des Kapitalmarktes, bisweilen sind die Übergänge fließend. Letztlich kommt es – wie in so vielen Definitionsfragen – auf das Gesamtbild der Verhältnisse an.

Der graue Kapitalmarkt bezeichnet den unregulierten oder wenig regulierten Teil des Kapitalmarktes. Dieser beziehungsweise die dort angebotenen Produkte und Dienstleistungen sind grundsätzlich legal, unterliegen jedoch keinen oder nur sehr elementaren Zulassungsvoraussetzungen. Das schließt die behördliche Aufsicht mit ein. So ist für am grauen Kapitalmarkt in Deutschland positionierte Anbieter respektive ihre Angebote bisweilen keine Erlaubnis seitens der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erforderlich, oftmals beschränken sich Vorgaben und Prüfungen auf rein formale Aspekte wie beispielsweise Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit.

Zuletzt wurden Aufsicht und Regulierung des grauen Kapitalmarktes in Deutschland im Jahr 2013 reformiert. Mit dem Inkrafttreten des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) am 22. Juli 2013 wurden zahlreiche Anlageklassen einer erweiterten Regulierung unterworfen, so unter anderem auch die geschlossenen Fonds nach deutschem Recht, auf die noch zurückzukommen sein wird.

Obwohl der graue Kapitalmarkt regelmäßig von kleineren wie größeren Finanzskandalen heimgesucht wird, hat er dennoch seine Berechtigung. Die sowohl in Aufwand wie Kosten vergleichsweise niedrigen Markteintrittshürden ermöglichen auch den die Unternehmenslandschaft dominierenden kleinen und mittleren, sprich vergleichsweise kapitalschwachen, Firmen Zugang zu Investoren und damit alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Ebenfalls trägt dieses Marktsegment dazu bei, Finanzinnovationen zu kreieren und deren Marktgängigkeit zu testen.

Die Kehrseite der Medaille ist freilich, dass die niedrigen Einstiegshürden bevorzugt von betrügerischen wie unseriösen Anbietern ausgenutzt werden können, was regelmäßig erhebliche Schadenssummen durch dubiose Geldanlagen nach sich zieht. Tatsächlich ereigneten sich die bekannten Finanzbetrügereien der letzten Jahre mit einer Ausnahme alle am grauen Kapitalmarkt: Göttinger Gruppe, Phoenix Kapitaldienst, Prokon Genussrechte, One Coin, P&R Container – um nur einige zu nennen.

An der nach wie vor bestehenden Anfälligkeit des Segments für fragwürdige Beteiligungsmöglichkeiten darf auch die Reform von 2013 nicht hinwegtäuschen, worauf nicht zuletzt die Polizeistatistik des Jahres 2017 mit 27 444 erfassten Fällen von angezeigtem Anlagebetrug hindeutet. Fairerweise muss hierzu ergänzt werden, dass diese auch Fälle des schwarzen Kapitalmarktes beinhaltet – siehe weiter unten. Auf der anderen Seite dürfte die Dunkelziffer gerade in dieser Deliktklasse deutlich höher liegen, da erfahrungsgemäß nur eine Minderheit von Fällen überhaupt zur Anzeige gebracht wird.

Die wohl bedeutendste Ausnahme von der im letzten Abschnitt vorgestellten Regelmäßigkeit stellt die Wirecard AG dar, deren Insolvenz über 25 Milliarden Euro Marktkapitalisierung parallel zur implodierenden Bilanz in Luft aufgehen ließ. Der Betrag entspricht ziemlich genau der durchschnittlichen jährlichen Schadenssumme, die eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aus dem Jahr 2008 in Folge mangelhafter Finanzberatung ermittelt hat. Kapitalgewichtet hat es die Wirecard AG also durchaus vermocht, gleich mehrere Großskandale des grauen Kapitalmarktes aufzuwiegen. Die Besonderheit: Die berüchtigte Aktiengesellschaft war beziehungsweise ist Teil des weißen Kapitalmarktes.

Der weiße Kapitalmarkt umfasst dementsprechend vergleichsweise streng regulierte und überwachte Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen. Hierzu zählen anbieterseitig Banken, Kapitalanlagegesellschaften, Vermögensverwaltungen, Versicherungen und sonstige Organisationen aus dem Finanzumfeld, deren Tätigkeit erlaubnispflichtig ist. Dem Kapitalmarktsegment sind produktseitig neben börsennotierten Aktiengesellschaften regulierter Märkte ebensolche Investmentvermögen zuzuschlagen.

Der Vollständigkeit halber sei noch auf den schwarzen Kapitalmarkt verwiesen. Auf diesem in aller Regel illegalen Markt werden verbotene Anlagen und Investitionen vertrieben, so beispielsweise High Yield Investment Programs (HYIP). Hierbei handelt es sich um Ponzi-Schemata, die in erfrischender Offenheit als solche ausgewiesen werden. Das hält viele Geldgeber jedoch keineswegs davon ab, an derartigen Pyramidenspielen mit mathematisch zwangsläufigem Ende zu partizipieren. Mittlerweile werden sogar zahlreiche Ratgeber angeboten, die den Interessenten angeblich systematisch ausbeutbare HYIP-Strategien vermitteln möchten.

2.2 Rechtsgrundlage der Kapitalverwaltung