Codename: Revenge - Sawyer Bennett - E-Book

Codename: Revenge E-Book

Sawyer Bennett

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Beschreibung

Nennen Sie mich einfach Dozer Burney. Ich bin eine Hälfte des genialen, hochintelligenten Duos, das die Jameson Force Security Group an der Spitze der Sicherheitstechnologie hält. Mein beruflicher Wechsel von der NASA zur Jameson Force Security Group führt mich zurück an die Ostküste der USA, und somit zu den Menschen, die mir am meisten bedeuten. Seit dem College ist Jessica Anderson meine beste Freundin. Die alleinerziehende Mutter, die sich einst mit einem überaus gefährlichen Mann eingelassen und der Polizei geholfen hat, diesen hinter Gitter zu bringen, lebt seitdem ein ruhiges Leben mit ihrer Tochter in Miami. Beider Sicherheit hängt davon ab, dass er eingesperrt bleibt. Als ich die Information erhalte, dass er aus dem Hochsicherheitsgefängnis geflohen ist, weiß ich, dass er sich an Jessica rächen will. Jetzt ist es ein Wettlauf mit der Zeit, um Jessica vor ihm zu erreichen. Sie mit meinem Leben zu beschützen, ist für mich selbstverständlich, denn insgeheim liebe ich Jessica bereits seit unserem Kennenlernen. Und wenn wir beide lebend hier herauskommen, werde ich dafür sorgen, dass sie von meiner Liebe weiß – jeden Tag für den Rest unseres Lebens. Teil 9 der Reihe rund um die Jameson Force Security Group von New York Times-Bestsellerautorin Sawyer Bennett.

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Sawyer Bennett

Codename: Revenge (Jameson Force Security Group Teil 9)

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Oliver Hoffmann.

© 2022 by Sawyer Bennett

© 2022 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

Englischer Originaltitel: „Code Name: Revenge (Jameson Force Security Book #9)“

Covergestaltung: © Mia Schulte / Sabrina Dahlenburg

Coverfoto: © Shutterstock

ISBN Print: 978-3-86495-570-9

ISBN eBook: 978-3-86495-571-6

Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.

Dieses Buch darf ohne die ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin weder in seiner Gesamtheit noch in Auszügen auf keinerlei Art mithilfe elektronischer oder mechanischer Mittel vervielfältigt oder weitergegeben werden. Ausgenommen hiervon sind kurze Zitate in Buchrezensionen.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Autorin

Kapitel 1

Dozer

Niemand fand es seltsam, am allerwenigsten ich, dass Greer und Ladd keine Zeit verschwendeten, sondern sofort heirateten. Sie waren schon zwölf Jahre zuvor kurz davor gewesen, genau das zu tun, doch gegenseitige Dummheit hatte sie auseinandergetrieben. Ich glaube, ich darf das kritisieren, weil auch ich so etwas getan habe. Aber wir alle bedauern Dinge, von denen viele nicht zu ändern sind.

Zum Glück für die frischgebackenen Mr und Mrs McDermott war ihr Fehler leicht zu beheben.

Da weder Greer noch Ladd übermäßig religiös waren, hatten sie beschlossen, die Zeremonie in einem Gemeindesaal in Upper St. Clair abzuhalten, wo Ladd lebt. Von der Zeit seines Aufbruchs nach Kalifornien, um sie zurückzuholen, bis zum Ehegelübde vergingen gerade einmal vier Tage. Greer hatte keine Familie, die sie zur Hochzeit einfliegen musste, und Ladds Eltern leben in Ohio. Sie besitzen eine Firma für Bodenbeläge und hatten kein Problem damit, sich ein paar Tage freizunehmen, um dabei zu sein, wie ihr Sohn zum zweiten Mal heiratete, und zwar die Frau, für die er bestimmt war.

Viele Menschen waren tief berührt, dass Greer Ladds Ex-Frau Britney bat, ihre Trauzeugin zu sein.Schräg? Ja, aber auch sehr, sehr richtig. Ich hatte Ladd und Britney immer dafür bewundert, dass sie auch nach ihrer Scheidung eng befreundet geblieben waren, und Britney hat sich schnell mit Greer angefreundet.

Absolut schräg. Absolut richtig.

Die eigentliche Zeremonie war kurz, aber herzlich, und was folgte, war eine riesige Party mit gutem Essen, noch besserem Alkohol und einer wirklich beschissen aussehenden Hochzeitstorte aus dem örtlichen Lebensmittelgeschäft, da keine Zeit gewesen war, eine anständige zu bestellen. Ladd trug einen Maßanzug, nur einen von vielen, die er in unserer Branche besitzen musste, wo oft formelle Kleidung erforderlich war. Greer hatte sich für ein blutrotes Cocktailkleid entschieden, das sie zufällig im Schrank gehabt hatte, und war damit so unkonventionell wie nur möglich. Die beiden waren ein beeindruckendes Paar, nicht nur wegen ihres nahezu perfekten Aussehens, sondern auch, weil sie wie zwei Hälften eines Ganzen wirkten, die zusammenkamen.

Normalerweise neige ich nicht zu poetischer Schwärmerei, da ich in der Liebe erfolglos war, aber das heißt nicht, dass ich mich nicht über das Glück meiner Freundin freuen kann.

Mein Blick schweift durch den Raum, in dem hauptsächlich Jameson-Angestellte und ein paar Freunde von außerhalb sitzen. Zweier-, Dreier-, Vierer- und Fünfergruppen unterhalten sich lachend. Für einen DJ war keine Zeit, also kommt die Musik von einem iPhone, das an Bluetooth-Lautsprecher gekoppelt ist. Cage und Jaime sind die Einzigen, die tanzen, und sehen dabei ziemlich albern aus. Aber ich nehme an, die Tatsache, dass sie zusammen albern aussehen können, ist ein Beweis dafür, wie gut sie zueinander passen. Schließlich hatte Cage sie unter falschem Vorwand geheiratet, indem er ihr sagte, er sei Gebrauchtwagenhändler, kein Undercover-Personenschützer. Erst als Cage Jaime nach ihrer Entführung gerettet hatte, war die Wahrheit ans Licht gekommen. Zum Glück kann sie verzeihen.

Mein Blick fällt auf Kynan, den Mann, der die Firma gegründet hat und als Patriarch der Jameson-Familie gilt. Er war Ladds Trauzeuge.

Kynan hat den Arm um seine Frau Joslyn gelegt, während die beiden sich mit Camille und Jackson unterhalten. Kynan und Joslyn sind Greer und Ladd sehr ähnlich: Sie haben sich vor langer Zeit geliebt, und beiderseitige Dummheit hat sie auseinandergerissen. Ihre zweite Chance nutzen sie sehr gut. Camille und Jackson dagegen sind frisch verliebt. Er war ihr Leibwächter und hat sich in die Prinzessin verliebt, die nicht nur ein Land, sondern auch die größte und ertragreichste Rubinmine der Welt erben wird. Viele würden ihn schon allein aus diesen Gründen als Glückspilz bezeichnen, aber er hat den großen Vorteil, dass Camille eine unglaublich aufrichtige und bodenständige Frau ist. Ihr Vermögen bedeutet ihr gar nichts – sie möchte nur Menschen helfen. Ich vermute, dass wir in etwa einem Jahr alle in Bretaria sein werden, um ihre Eheschließung zu feiern, aber das ist noch nicht offiziell.

Saint Bellinger und Cruce Britton reden dicht nebeneinanderstehend über irgendetwas. Die beiden sind dicke Freunde, was ziemlich lustig ist, da Saint früher ein professioneller Dieb war. Ihre Gattinnen, Sin und Barrett, sind ebenfalls eng befreundet, aber sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Sin war auch professionelle Diebin, und Barrett ist eine weltbekannte Physikerin, deren IQ dem meinen gleichkommt; außerdem ist sie die Nichte des Präsidenten.

Dennoch sind die beiden unzertrennlich, wenn die Jameson-Familie feiert. Ich glaube, das liegt daran, dass ihre Männer an den ersten Missionen beteiligt waren, als Kynan die Kontrolle über Jameson übernahm, sie sind also schon am längsten dabei.

Sin ist schwanger. Ich glaube, das Kind kommt im Juli. Mir fällt eine Menge Getuschel zwischen den Frauen auf. Die Tatsache, dass Barrett keinen Alkohol trinkt, lässt mich vermuten, dass sich ein weiteres Jameson-Baby ankündigt.

Mein Blick fällt auf meine beste Freundin bei Jameson, Bebe Grimshaw. Sie steht mit ihrem Sohn Aaron und unserer Psychiaterin Corinne Ellery Brandeis zusammen, die selbst frisch mit einer Liebe aus ihrer Vergangenheit, Clay, verheiratet ist.

Es herrscht so viel Liebe, Ehre und Hingabe unter den Paaren in diesem Raum, aber wahrscheinlich verdient niemand das so sehr wie meine beste Freundin Bebe. Sie zieht ihren Sohn Aaron auf die Tanzfläche und tanzt zu Justin Timberlakes „Can't Stop the Feeling“, ohne dass es ihr peinlich ist. Dabei saß diese Frau für ein Verbrechen, das sie tatsächlich begangen hat, nämlich den Diebstahl von Atomwaffencodes, um sie an ein anderes Land zu verkaufen, jahrelang im Gefängnis. Die meisten Menschen in unserer Firma sind schockiert, wenn sie ihre Vorgeschichte hören, aber dann erfahren sie die Umstände – dass jemand sie gezwungen hat, die Codes zu stehlen, sonst hätte er ihren Sohn getötet. Das Gericht interessierte sich nicht für ihre Motive, aber Kynan McGrath schon, und er nutzte seine große Macht im Kongress, um sie aus dem Gefängnis zu befreien. Später, nachdem sie unserem Land einen großen Dienst erwiesen hatte, indem sie den Hacker, der sie zum Diebstahl der Codes gezwungen hatte, enttarnt und gefangengenommen hatte, begnadigte der Präsident sie.

Ihr Verlobter Griff sieht vom Rand der behelfsmäßigen Tanzfläche aus zu, den besitzergreifenden Blick auf sie und seinen künftigen Stiefsohn gerichtet. Er ist einer meiner Lieblingsmenschen in diesem Raum, und wenn es hier jemanden gibt, der Glück verdient hat, dann sind es diese beiden.

„Willst du auch eine kesse Sohle aufs Parkett legen?“, sagt ein Mann hinter mir, und ich drehe mich um und sehe Malik und Anna. Sie halten sich an den Händen und sehen unfassbar gut zusammen aus. Annas Ehemann hat für Jameson gearbeitet und sein Leben bei demselben Einsatz verloren, bei dem Malik gefangengenommen wurde. Danach saß er monatelang in einem syrischen Wüstengefängnis. Ich nehme an, ihre Liebesgeschichte ist genauso beachtenswert wie die von Bebe und Griff, aber aus ganz anderen Gründen.

„Ich bin mir nicht sicher, ob du mit meinen Tanzschritten zurechtkommst“, stichle ich. „Aber wenn du dich mal austoben willst, sag einfach Bescheid.“

„Oh nein“, macht Malik einen Rückzieher. „Ich kann absolut nicht tanzen, es sei denn, die Musik ist schön langsam. Und Anna liegt in meinen Armen.“

„Entschuldigt mich, ich muss kurz kotzen“, erwidere ich und tue so, als ob es mir gleich hochkäme. Anna lacht.

Wir beobachten, wie Bebe und Aaron tanzen. Sie sieht zu mir herüber und winkt. Ich hebe anerkennend das Kinn. Dann fordert sie mich mit einer einladenden Geste auf, mich ihnen auf der Tanzfläche anzuschließen.

Malik schiebt mich Richtung Tanzfläche. „Zeig's ihnen, Doze.“

Ich habe ein paar verdammt gute Moves drauf, und es macht mir nichts aus, sie zu zeigen. Ohne zu zögern schließe ich mich Bebe und ihrem Sohn an, und bald folgen auch die anderen.

***

Es ist spät, und die Party neigt sich dem Ende zu. Ladd und Greer sind schon vor über einer Stunde zu einer kurzen Hochzeitsreise auf die Turks- und Caicosinseln aufgebrochen. Da Jameson eine Familie ist, fühlte sich niemand gezwungen, ihrem Beispiel zu folgen und ebenfalls aufzubrechen, und wir haben weiter getrunken, getanzt und gegessen. Ich habe nur wenig Champagner getrunken, weil ich morgen früh arbeiten muss und es hasse, benebelt zu sein. Außerdem neige ich einfach nicht dazu, mich zu betrinken.

Ich fahre gemeinsam mit Cruce und Barrett zurück in die Stadt. Barrett sitzt am Steuer, da sie keinen Alkohol getrunken hat. Ich bin schwer versucht, sie zu fragen, ob sie schwanger ist, aber ich will sie nicht in Verlegenheit bringen. Sie wird es mir mitteilen, wenn sie dazu bereit ist, aber wenn ich wetten sollte, dann darauf, dass sie und Cruce bald frohe Neuigkeiten zu verkünden haben.

Trotz des wenigen Champagners haben mich die Feierlaune und der Spaß erschöpft, und ich kann es kaum erwarten, ins Bett zu kommen. Auf der Rückfahrt nach Pittsburgh ist es ruhig im Auto, und ich döse auf dem Rücksitz fast ein, als mein Handy in meiner Tasche summt.

Ich ziehe es heraus und schaue aufs Display, wobei ich die Stirn über die SMS runzle, die ein rotes Dreieck gefolgt von den Worten AlarmstufeRot zeigt.

Mein Herz schlägt bis zum Hals, während ich mein Handy entsperre und eine verschlüsselte App aufrufe, die Bebe erstellt hat. Es ist ein Überwachungssystem für alle Gefängnisse in den USA, mit dem man den Status bestimmter Insassen verfolgen kann. Sie ist nur für die Strafverfolgungsbehörden zugänglich, aber Bebe ist nicht umsonst als eine der besten Hackerinnen der Welt bekannt.

Mit trockener Kehle rufe ich die einzelne Meldung auf und öffne sie. Worte, die ich nie sehen zu müssen gehofft hatte:

Insasse: #886305 Ivan Borovsky

Status: Auf der Flucht

Landesweite Fahndung

„Verdammte Scheiße“, murmle ich und setze mich aufrecht hin. Die Nachricht ist laut Zeitstempel erst zwei Stunden alt, was bedeutet, dass er erst seit kurzem auf freiem Fuß ist. Er ist seit sechs Jahren in New York inhaftiert, nachdem er eine lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung für die Morde an einem Mann, einer Frau und ihren beiden Kindern in Miami erhalten hat.

Cruce sieht über die Schulter zu mir. „Was ist los?“

In meinem Kopf kreisen die Gedanken um eine möglichst effiziente weitere Vorgehensweise. Ich muss Jessica anrufen, meine Koffer packen und mich zum Flughafen begeben. Wenn Kynan mir das Firmenflugzeug leiht, kann ich schneller vor Ort sein.

Ich muss unbedingt so rasch wie möglich aufbrechen, denn ich weiß genau, dass Borovsky auf dem Weg nach Miami ist.

Kapitel 2

Dozer

„Hi, Jessica hier. Hinterlassen Sie mir eine Nachricht, und ich rufe zurück. Noch besser … Schicken Sie mir eine SMS.“

Knurrend lege ich auf. Es bringt nichts, eine weitere Sprachnachricht auf Jessicas Anrufbeantworter zu hinterlassen. Meine erste war kurz und bündig und klang hoffentlich nicht zu panisch. Ich habe ihr im Grunde mitgeteilt, dass Borovsky geflohen ist, dass wir sie an einen sicheren Ort bringen müssen und dass ich nach Miami kommen würde.

Der Grund, warum sie meine Sprachnachricht nicht mitbekommen hat, ist vermutlich, dass sie tief schläft und ihr Handy nach 22 Uhr stumm geschaltet ist. Es ist jetzt fast ein Uhr nachts, und ich hatte nicht wirklich gehofft, sie würde wach sein und meinen Anruf hören. Jessica hat keinen Festnetzanschluss, also ist dies die einzige Möglichkeit, mit ihr in Kontakt zu treten.

Ich spiele mit dem Gedanken, ihre Mutter Claire anzurufen. Sie wohnt zwanzig Minuten von Jessica entfernt, und ich könnte sie bitten, zu ihr zu fahren und sie aus dem Haus zu holen. Doch ich entscheide mich dagegen, vor allem, weil ich ihre Mutter nicht in Gefahr bringen kann. Ich ziehe auch in Erwägung, die Polizei anzurufen und einen Beamten zu ihr zu schicken, aber ich tue es nicht, weil ich nicht erklären kann, wie ich so schnell an Informationen über Borovskys Flucht gekommen bin, ohne Bebe in Schwierigkeiten zu bringen, die sich in das Gefängnissystem gehackt hat.

Apropos … Ich schaue auf die Uhr und fluche, während ich durch mein Wohnzimmer laufe. „Verdammt … Wo bleibt Bebe?“

„Sie kommt gleich“, beteuert Barrett. Cruce hatte sie mir als eine Art Aufpasserin zugeteilt, als ich einmal ziemlich durch den Wind war. Seit ich die Meldung über Borovsky gesehen habe, bin ich ein Nervenbündel. Ich erklärte Cruce und Barrett die Situation, während sie mich nach Hause gefahren haben, und als wir dort ankamen, war Cruce schon voll dabei, einen Schlachtplan auszuarbeiten. Ich rief Bebe an und bat sie, ohne Einzelheiten zu nennen, zum Jameson-Hauptquartier zu fahren, um die erforderliche Ausrüstung zu holen und mich bei mir zu Hause zu treffen, da ich näher am Flughafen wohne. Cruce hatte mit Kynan telefoniert und Vorbereitungen getroffen, um das Jameson-Flugzeug startklar zu machen. Zum Glück hat immer ein Pilot für unerwartete und dringende Reisen wie diese Bereitschaft.

Wenn ich es endlich in dieses Flugzeug schaffe, kann ich in drei Stunden in Miami sein. Das bedeutet, wenn ich mich beeile, kann ich bei Tagesanbruch bei Jessicas sein und sie in Sicherheit bringen, bis Borovsky gefasst ist. Bebe muss nur endlich mein Zeug herschaffen.

„Du musst dich entspannen, Dozer“, sagt Cruce, um mich zu beruhigen. „Selbst wenn Borovsky direkt nach Miami fährt, wird er mehrere Stunden, wahrscheinlich ein paar Tage brauchen, um dorthin zu gelangen, ohne erwischt zu werden.“

Ich nicke, verziehe dann aber das Gesicht. „Es sei denn, die Familie ist an der Flucht beteiligt – was angesichts ihrer Mittel wahrscheinlich ist –, und die haben ein Privatflugzeug, mit dem sie ihn einschmuggeln können.“ Cruce stößt einen leisen Fluch aus, als er diese Möglichkeit in Betracht zieht.

„Wahrscheinlicher ist, dass die Familie Jessica in Ivans Auftrag angreift. Die würden seinen Rachedurst unterstützen, ohne Fragen zu stellen.“

„Dann sollte sich Bebe besser beeilen“, brummt Cruce.

Um mich abzulenken, beuge ich mich über meinen gepackten Seesack, der neben einem mit Klamotten gefüllten Koffer steht. Keine Ahnung, ob das, was ich da hineingeworfen habe, überhaupt zusammenpasst, aber das ist nicht so wichtig wie das, was in dem Seesack ist. Ich öffne den Reißverschluss und starre auf die Waffen darin: drei verschiedene Handfeuerwaffen, eine AR-15, Schlagringe, ein taktischer Schlagstock und Päckchen mit Munition. Die Handfeuerwaffen sind eine Notwendigkeit – die AR-15 wahrscheinlich nicht, aber ich fühle mich besser, wenn ich sie dabeihabe. Der Schlagring ist für den Fall, dass ich das Glück habe, Borovsky in die Finger zu bekommen, und der taktische Schlagstock ist etwas, mit dem ich im letzten Jahr trainiert habe.

Ich lächle grimmig, als ich den Seesack wieder schließe. Vor einem Jahr bin ich zu Jameson gekommen, weil die Firma mein Köpfchen brauchen konnte. Neunundneunzig Prozent meiner Arbeit bestehen darin, meinen Verstand im Forschungs- und Entwicklungslabor in der Zentrale einzusetzen. Aber ich habe auch sehr viel Zeit damit verbracht, mit Kynan und den anderen Agenten zu trainieren. Ich beherrsche inzwischen alle Waffen und bin ein guter Schütze. Außerdem habe ich verschiedene Kampfsportstile trainiert, für die ich eine Affinität habe, weil ich von Natur aus sportlich bin und als Kind Karate gelernt habe. Ich bin ein großer Kerl und in der besten Form meines Lebens, denn obwohl mein Verstand meine eigentliche Stärke ist, war es mir schon immer wichtig, meinen Körper gesund zu halten. Das habe ich von meinem Vater gelernt.

Kynan hat mich sogar an einigen der fortgeschrittenen Trainingseinheiten der anderen Agenten teilnehmen lassen, zum Beispiel Fahrsicherheits-, Flucht- und Foltertraining. Ich behaupte nicht, dass ich je Agent im Außendienst werden will, aber ich habe keine Angst vor dem, was auf mich zukommen könnte.

Das Einzige, was mir Angst macht, ist, dass Jessica sterben könnte, und ich bin fest entschlossen, das nicht zuzulassen.

„Du solltest uns wirklich ein Team zusammenstellen lassen, das dich begleitet“, sagt Cruce, während ich mich aufrichte.

Ich schüttle den Kopf. „Nein, solange kann ich nicht warten. Wenn du mir jemanden hinterherschicken willst, habe ich nichts dagegen. Aber ich nehme jetzt dieses Flugzeug … sobald Bebe eintrifft.“

Als wolle das Schicksal meine Wünsche mit der physischen Realität in Einklang bringen, kommt Bebe durch die Haustür. Sie klopft nicht. Das hat sie noch nie. Bebe ist meine beste Freundin und hat einen Schlüssel zu meiner Wohnung. Sie kann jederzeit hereinspazieren, genau wie ich das Recht habe, ihre Wohnung zu betreten. Allerdings habe ich sie und Griff eines Tages dabei erwischt, wie sie in der Küche rumgemacht haben, und seitdem klingle ich vorsichtshalber.

„Gott sei Dank, dass du da bist“, rufe ich und eile auf sie zu. Ich nehme die beiden Segeltuchtaschen, die sie mitgebracht hat, und durchstöbere sie, um sicherzustellen, dass sie alles mitgebracht hat, was ich verlangt habe. Es handelt sich um eine Vielzahl elektronischer und taktischer Geräte, die sich als nützlich erweisen könnten, die ich vielleicht aber auch gar nicht brauchen werde. Es ist auf jeden Fall besser, sie dabei zu haben.

„Willst du mir sagen, was zum Teufel los ist?“, blafft Bebe, und als ich zu ihr aufschaue, sehe ich Griff hinter ihr stehen. Natürlich ist er mitgekommen.

„Keine Zeit.“ Ich weise mit dem Kopf in Richtung Cruce, während ich die Segeltuchtaschen über einen Arm werfe und mich meinem Seesack zuwende. „Cruce kann dich ins Bild setzen.“

„Oh nein, verflucht“, knurrt Bebe, greift nach den Taschen und reißt sie mir vom Arm, dass es mich fast nach hinten schleudert. „Was ist los?“

Zorn steigt in mir auf, und ich spüre eine Wut auf Bebe, die ich nicht für möglich gehalten hätte. „Verdammt, ich habe wirklich keine Zeit.“

Ich bin der coolste Mann der Welt, aber ich sehe in ihrem Blick, dass mein Tonfall sie misstrauisch macht.

Griff gefällt nicht, was er hört, und er tritt vor. „Du hast Zeit, uns zu sagen, was los ist. Wenn nicht, damit wir dir helfen, dann zumindest, damit Bebe sich keine Sorgen mehr machen muss.“

Ich sehe sie wieder an, und sie bittet: „Nimm dir nur fünf Minuten Zeit und erzähl mir, wohin du gehst und auf welche Probleme du erwartest zu treffen. Dann fahre ich direkt zurück zu Jameson, und von dort aus werde ich dich unterstützen.“

Ein Schwall von Scham und Frustration entlädt sich in einem tiefen Seufzen. Meine Gedanken wirbeln durcheinander, und ich versuche, eine sinnvolle, kurze Zusammenfassung zu formulieren.

Ich entscheide mich für etwas, das sie verstehen wird. „Weißt du noch, wie du für mich den Hundesitter gespielt hast, wenn ich nach Miami gefahren bin?“

„Ja“, antwortet sie gedehnt und stirnrunzelnd. „Du hast ein Mädchen dort.“

„Zwei“, korrigiere ich, und Bebe hebt ruckartig die Brauen. „Eine sehr enge, liebe Freundin, Jessica, und ihre siebenjährige Tochter Thea. Ich bin Theas Patenonkel.“

„Das waren dann wohl keine heißen Wochenendverabredungen“, sagt Bebe.

Ich habe ihr nie gesagt, warum ich nach Miami fahre. Sie hat angenommen, ich wolle jemanden abschleppen, und ich habe das nie richtiggestellt. Aber ich verkneife mir das Offensichtliche.

„Jessica ist in Schwierigkeiten. Vor sechs Jahren hat sie gegen ein Mitglied der russischen Mafia ausgesagt, das einige brutale Morde in Miami begangen hatte. Sein Name ist Ivan Borovsky, und ich habe vor etwa einer Stunde herausgefunden, dass er aus dem Gefängnis in New York geflohen ist.“

„Über die App, die ich entwickelt habe, um Kriminelle zu verfolgen, die wir im Auge behalten wollen“, sagt Bebe mit einem zufriedenen Lächeln.

Ich lächle zurück. Ihre Genialität hat mir einen Vorsprung vor Ivan verschafft. „Er hat es auf Jessica abgesehen.“

„Das ist ein bisschen weit hergeholt, oder?“, fragt Griff und sucht nach einer besseren Begründung für Borovskys Ausbruch. „Ich meine … klar macht der Kerl die Biege. Aber es scheint mir gefährlich zu sein, sich an einer Zeugin rächen zu wollen.“

„Sie ist nicht nur eine Zeugin“, gebe ich mit einer gehörigen Portion Bitterkeit in der Stimme zu. „Jessica war damals mit ihm liiert. Für sie war es nichts Ernstes, aber er war wie besessen von ihr. Als sie mit den Beweisen zur Polizei ging – den entscheidenden, um ihn dingfest zu machen –, hat er das als schweren Verrat aufgefasst. Glaub mir, er sie wird umbringen.“

Griff und Cruce tauschen einen skeptischen Blick aus, und ich muss mir selbst eingestehen, dass das alles nur Mutmaßungen sind. Aber Bebe zweifelt nicht im Geringsten an meiner Einschätzung. Sie tritt vor und nimmt meine Hände. „Dann beweg deinen Arsch da runter und bring sie in Sicherheit. Ich halte dir hier den Rücken frei. Du müsstest vor Borovsky dort sein.“

Ich nicke ihr dankbar zu. „Ich sollte in der Lage sein, sie zu erreichen, bevor er es tut, aber ich befürchte, dass Mitglieder von Borovskys Familie versuchen könnten, sie zu entführen, um sie ihm später auszuliefern. Ich darf keine Zeit vergeuden.“

„Dann los“, sagt Bebe, tritt einen Schritt zurück und deutet zur Tür. „Griff und ich fahren dich zum Flughafen.“

Ich sollte eigentlich losstürmen, aber stattdessen umarme ich meine Freundin fest. „Vielen Dank.“

„Jederzeit“, entgegnet Bebe.

***

Auf dem Weg zum Flughafen ist die Stimmung angespannt. Griff fährt, Bebe sitzt hinter ihm, ich auf dem Beifahrersitz. Ich habe das Gefühl, dass wir jede gottverdammte rote Ampel erwischen, bis wir auf die Interstate kommen, dann entspanne ich mich ein wenig, während Griff die vom großartigen Staat Pennsylvania gesetzten Geschwindigkeitsbegrenzungen ausreizt.

„Also, raus damit“, fordert mich Bebe vom Rücksitz aus auf.

Ich erschrecke über die Unterbrechung der Stille und werfe ihr über die Schulter einen Blick zu. „Womit?“

„Erzähl mir von Jessica“, konkretisiert sie und verschränkt die Arme vor der Brust. „Sag mir, warum ich noch nie von dieser Frau gehört habe, warum du mich im Glauben gelassen hast, dass du bei all deinen Reisen nach Florida eine Sugar Mama besuchst, und sei ehrlich … ist sie dir eine bessere Freundin als ich?“

Der Anflug von Eifersucht, den ich in diesen letzten Worten höre, durchdringt meine Verärgerung. Ich schaue sie wieder über die Schulter an. „Jessica ist kompliziert, aber du bist meine beste Freundin.“

„Aha!“, ruft sie, beugt sich vor und deutet anklagend auf mich. „Sie ist mehr als nur eine Freundin. Diese Jessica ist deine heimliche Geliebte. Nein, falsch. Ihr liebt einander, aber irgendetwas verhindert, dass ihr zusammenkommt. Nein, das …“

„Bebe“, knurre ich leise. „Halt mal die Luft an, dann erzähle ich dir von ihr.“

Griff schnaubt, aber Bebe lehnt sich zurück und spitzt die Ohren.

„Jessica und ich haben einander an der Uni in Miami kennengelernt. Wir waren wirklich enge Freunde, zusammen mit einem anderen Typen namens Chase. Wir haben alles zusammen gemacht.“

„Oh Gott“, ächzt Bebe kopfschüttelnd. „Eine Dreiecksbeziehung?“

„Nein“, widerspreche ich. „Sei jetzt still und hör zu, denn in dem Moment, in dem Griff am Privatterminal anhält, bin ich weg, und du hörst kein weiteres Wort mehr.“

Sie macht eine Bewegung, als würde sie ihre Lippen mit einem Reißverschluss schließen, und verschränkt erneut die Arme vor der Brust, als wolle sie verhindern, dass ihr Busen sich vor Überraschung hebt und senkt.

„Jessica und Chase kamen schließlich zusammen, und es wurde ernst, aber wir waren immer noch zu dritt. Nach dem College haben sich die Dinge geändert. Ich bin nach Hamburg gegangen, um meinen Master zu machen, Jessica blieb in Miami und begann ein Masterstudium – sie ist Künstlerin –, und Chase ging zur Air Force.“

„Weshalb bist du nach Hamburg gegangen?“, unterbricht mich Griff.

Ich antworte ihm, denn er ist die Liebe ihres Lebens, und ich weiß, dass sie sich wünscht, dass wir auch eng befreundet sind. Er erfährt immer noch neue Dinge über mich.

„Ich habe einen Master of Science mit dem Schwerpunkt intelligente adaptive Systeme gemacht.“

Bebe schnaubt: „Denn zwei Bachelor-Abschlüsse – einer in Mathe und einer in Informatik – waren nicht genug.“

„Ja, wir alle wissen, dass ich verdammt schlau bin“, entgegne ich trocken, ehe ich zu meiner Geschichte zurückkehre. „Auf jeden Fall waren wir alle räumlich getrennt, aber wir blieben in engem Kontakt. Jessica und Chase sahen sich weiterhin, wenn er Urlaub machen konnte. Er war nach der Grundausbildung in Kalifornien stationiert.“

„Jessica hat ihn nicht begleitet?“, fragt Bebe.

“Er hat sie nicht darum gebeten“, antworte ich und erinnere mich noch genau daran, wie schockiert ich gewesen war, dass er sie nicht angefleht hatte mitzukommen.

Ich will mich nicht festlegen, hatte er mir im Vertrauen gesagt, obwohl er nicht den Mut hatte, Jessica das zu sagen.

Aber ich hatte gewusst, dass es auf lange Sicht nicht ernst genug war.

Ich schüttle den Kopf. „Jessica konzentrierte sich auf ihr Studium, Chase auf seine weitere Ausbildung. Das war kein guter Zeitpunkt. Aber sie sahen sich, wann immer sie konnten, und bei einem dieser Besuche wurde Jessica schwanger.“

„Mit deiner Patentochter“, murmelt Bebe.

„Thea“, erwidere ich und lächle unaufgefordert, wie ich es hundertprozentig immer tue, wenn ich an sie denke. Ich blinzle und bemerke, dass wir die Ausfahrt zum Flughafen erreicht haben. „Es gab lose Heiratspläne. Alle gingen davon aus, dass sie nach seiner Grundausbildung heiraten würden oder wenn sie ihren Abschluss hatte, aber …“

„Er hat ihr keinen Heiratsantrag gemacht?“, fragt Bebe entgeistert.

„Nein, hat er nicht.“ Er war eben ein Dummkopf und Arschloch. „Ich glaube, Jessica hat es sich gewünscht, aber es kam nie dazu. Sie war noch am College in Miami, und Chase war während der Schwangerschaft in Kalifornien. Er flog zu Theas Geburt ein und war bis über beide Ohren in sie verliebt. Ich dachte, das könnte der Anstoß sein, der ihn zum Familienmenschen machen könnte.“

„Aber?“, hakt Bebe nach.

„Aber“, fahre ich fort, und die Worte liegen mir schwer auf der Zunge, „Chase kehrte nach Kalifornien zurück, ohne ihr einen Heiratsantrag zu machen, und dann kam er drei Wochen später bei einem Motorradunfall ums Leben.“

„Oh mein Gott“, ruft Bebe aus und schlägt sich die Hand vor den Mund.

„Wir blieben also zu dritt, doch Chase war tot, ersetzt durch Thea.“

„Du fliegst also nach Miami, um Zeit mit den beiden zu verbringen“, schlussfolgert Bebe.

„Deshalb habe ich die Stelle bei Jameson angenommen“, erkläre ich, und sie blinzelt überrascht.

Bebe runzelt die Stirn. „Ich dachte, es wäre dir ums Geld gegangen.“

Lachend räume ich ein: „Das Geld war ein guter Anreiz. Wissenschaftler werden mies bezahlt, aber ich wollte vor allem zurück an die Ostküste, um näher bei Jessica und Thea zu sein.“

Kynans Angebot kam wie gerufen. Ich arbeitete damals für die NASA im Ames-Forschungszentrum in Mountain View, Kalifornien, einer von zehn NASA-Einrichtungen. Das Ames konzentrierte seine Forschungs- und Entwicklungsarbeit auf die Bereiche fortschrittliche Supercomputer, menschliche Faktoren und intelligente Systeme, oft auch als künstliche Intelligenz bezeichnet. Man hatte mich direkt von meinem Informatik-Doktorandenprogramm in Stanford weg rekrutiert, wo ich hauptsächlich in ihrem weltberühmten KI-Labor gearbeitet hatte.

Ich leistete wichtige Arbeit, indem ich intelligente Software zur Unterstützung mehrerer NASA-Programme entwickelte, darunter die Raumfahrt allgemein, die ISS und bemannte Forschungsfahrzeuge.

Kynan bot mir dreimal so viel Geld, wie mir die NASA bezahlte. Sein Ziel war es, meinen Verstand mit Bebes Einfallsreichtum zu kombinieren, um eigene Technologien zu entwickeln und Jameson zu einem weltweit führenden Unternehmen im Bereich Sicherheit zu machen.

Diese Mission hat er definitiv erfüllt, und ich war noch nie so glücklich mit meiner Arbeit gewesen. Es ist ein Bonus, dass es nach Miami nur drei Flugstunden sind, um Jessica und Thea zu sehen.

„Du verschweigst mir noch etwas“, reißt mich Bebe aus meinen Erinnerungen.

„Wie meinst du das?“

„Jessica ist nicht nur eine Freundin“, betont sie mit heftigem Nicken.

Ich könnte Bebe belügen, aber sie würde es merken. Außerdem schäme ich mich nicht für meine Gefühle. Ich rede nur selten über sie, denn was sollte das bringen?

Griff fährt am Flughafenterminal entlang, und ich drehe den Kopf, um Bebe anzusehen. „Sie ist eine Freundin, aber … sie war schon immer die Richtige für mich. Ich liebe sie aber nur aus der Ferne, weil das umgekehrt nicht gilt.“

Bebe zieht die Augenbrauen zusammen. „Wie kommst du darauf?“

Ich zucke die Achseln. „Wir waren immer nur Freunde. Mehr war zwischen uns nie.“

„Hast du denn versucht, mehr daraus zu machen?“, verlangt sie zu wissen.

Griff fährt auf den Parkplatz des Privathangars, in dem das Jameson-Flugzeug wartet.

„Nein“, sage ich in mahnendem Tonfall. „Ich möchte unsere Freundschaft nicht kaputtmachen.“

„Ach du lieber Gott“, brummt Bebe und funkelt mich an. „Du bist ein Vollidiot.“

„So ist das zwischen uns eben nicht, Bebe“, blaffe ich, als Griff vor den Glastüren stehen bleibt.

„Es ist nicht so, weil du nicht versucht hast, es so zu machen“, entgegnet sie.

„Wenn du meinst“, knurre ich und öffne die Beifahrertür. Bebe klettert aus dem Rücksitz, und Griff bleibt hinter dem Lenkrad, lässt aber das Fenster herunter, damit er uns sehen kann.

Bebe umarmt mich, und Griff wünscht mir viel Glück.

Ich schnappe mir mein Gepäck und gehe Richtung Tür.

„Dozer“, ruft Bebe, als ich sie erreiche. „Du solltest ihr sagen, was du empfindest. Was hier gerade passiert, sollte dir doch wenigstens klarmachen, dass es keine Garantien für ein Morgen gibt.“

Ich kommentiere ihren Rat nicht, sondern schenke ihr nur ein Lächeln, ehe ich den Hangar betrete.

Ich soll Jessica gestehen, was ich wirklich empfinde?

Was für ein Quatsch.

Kapitel 3

Jessica

Es war ein angenehmer Traum. Einer von denen, aus denen man nicht aufwachen will, allerdings kann ich mich nicht mehr an die Einzelheiten erinnern. Es ging um einen Mann – ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber wir gingen zusammen an einem Strand spazieren, und es fühlte sich einfach richtig an.

Friedlich.

Ich bemühe mich, dieses Gefühl festzuhalten, doch ein lautes Klopfen an der Haustür veranlasst mich, langsam die Augen zu öffnen. Es ist noch nicht Tag, aber das bläulich-graue Licht, das durch meine Jalousien dringt, verrät mir, dass der Morgen naht.

Gähnend drehe ich mich um und schaue auf die Digitaluhr auf meinem Nachttisch. Die roten Ziffern scheinen wütend zu verkünden, dass es kurz nach sechs Uhr morgens ist und dass um diese Zeit niemand an die Tür klopfen sollte.

Es sei denn, es handelt sich um einen Notfall.

Ich springe aus dem Bett und falle beinahe auf die Nase, weil sich mein Bein im Bettlaken verheddert hat. Nachdem ich es befreit habe, taumle ich zur Tür und stoße mit der Schulter hart gegen den Holzrahmen.

„Scheiße“, knurre ich, während ich den kurzen Flur entlangeile, durchs Wohnzimmer laufe und fast mit dem Gesicht gegen den Türspion stoße, um zu sehen, wer da draußen ist.

Erleichterung darüber, keine Polizeiuniform zu sehen, durchströmt mich.

Dann Verwirrung.

Vor der Tür steht Dozer, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum er so früh am Morgen unangemeldet auftaucht.

Nicht, dass er nicht willkommen wäre.

Dozer ist hier immer willkommen.

Ich schließe die Tür auf und öffne sie schnell. Noch ehe ich fragen kann, was er hier will, stößt er mich zurück und folgt mir ins Haus. Als er die Tür schließt, will ich eine Lampe einschalten, aber er sagt scharf: „Mach kein Licht an.“

„Was zur Hölle soll das, Doze?“, frage ich, meine ersten Worte, nachdem ich den Schock seiner plötzlichen Anwesenheit überwunden habe.

Sobald er die Tür geschlossen hat, dreht er sich zu mir um und mustert mich im schwachen Licht. In der Hitze Miamis schlafe ich normalerweise in Satin-Shorts und einem Miedertop. Ich trage sogar ein passendes Seidentuch im Haar. Das ist halb so schlimm, weil Dozer eben Dozer ist und er in mir nur eine Freundin sieht, also ist es ihm egal, was ich anhabe.

Aber ein Mädchen darf ja schließlich hoffen, und jetzt wünschte ich, ich hätte das Tuch nicht um den Kopf. Ich befingere es nervös.

„Du musst Thea wecken, und anschließend zieht ihr euch an. Packt schnell das Nötigste ein, dann gehen wir.“

„Was ist …“

„Ivan Borovsky ist aus dem Gefängnis getürmt. Wir müssen hier weg.“ Dozer geht an mir vorbei in den Flur. „Ich wecke Thea, du machst dich schon mal ans Packen.“

„Warte. Mach mal langsam – erklär mir erst mal, was los ist.“

„Im Auto“, erwidert Dozer, was mich nervt. Ich lasse mich ungern abkanzeln, schon gar nicht von Dozer.

Ich mache Licht im Flur, als er Theas Tür erreicht. „Sie ist nicht hier. Thea übernachtet heute bei meiner Mutter.“

Dozer bleibt stehen und dreht sich zu mir um, als es ihm dämmert. „Gigi-Nacht.“

Ich nicke lächelnd. „Gigi-Nacht.“

Seit Theas Geburt ist sie fast jeden Samstagabend bei meiner Mutter, oder besser gesagt, bei ihrer Gigi. Sie lackieren sich gegenseitig die Fingernägel, sehen sich Filme an und essen schrecklich viel Junkfood, aber Thea liebt es sehr und erinnert sich liebevoll an jeden dieser Besuche.

Dozer schimpft nicht mit mir, weil ich das Licht im Flur anmache, und ich schimpfe nicht mit ihm, weil er mich wieder so ansieht. Wir sind schließlich Freunde. Das ist vermutlich alles, was wir je sein werden, doch ich habe mir immer etwas anderes gewünscht.

Doch ich nehme, was er mir gibt, und bin dankbar dafür, denn dieser Mann war bei jedem wichtigen Ereignis in meinem Leben für mich da, seit wir mit achtzehn aufs College gegangen sind. Ich kann mich auf ihn verlassen, und er liebt Thea, als wäre sie seine eigene Tochter.

Dozer sieht mir in die Augen. „Wir müssen deine Mutter anrufen. Ich wollte eigentlich dort vorbeifahren und sie abholen, aber um Zeit zu sparen, sollte sie uns in dem Hotel treffen, das ich gebucht habe. Zieh dich an und pack eine Tasche. Ich rufe deine Mutter an.“

„Dozer!“, rufe ich panisch. Ich habe ihn noch nie so konzentriert gesehen, und seine fest zusammen gebissenen Zähne verraten mir, dass er tief besorgt ist. „Nimm dir bitte eine Minute Zeit und erklär mir alles. Dann lege ich los.“

Mit einem Stoßseufzer fährt er sich mit der Hand über den kahlen Kopf, schlägt einen Moment lang die Augen nieder, als wolle er seine Gedanken sammeln. Nachdem er meinen Blick wieder erwidert, ist seiner nicht weniger beunruhigt als vorhin auf meiner Türschwelle.

„Du hast gesagt, Borovsky sei entkommen?“, frage ich. „Wie? Wann?“

„Ersteres weiß ich nicht, aber ich habe die Meldung vor etwa sieben Stunden erhalten.“

Ich denke über die Zeitabläufe nach und konzentriere mich dabei vor allem auf die Tatsache, dass Dozer sich ganz schön beeilt haben muss, um so schnell von Pittsburgh hierher zu kommen. „Du glaubst, er kommt her, um sich an mir zu rächen?“

„Nein, ich weiß es“, sagt Dozer ärgerlich, „und du weißt es auch. Mein Gott, JJ … Er war von dir besessen. Deine Aussage bei der Polizei war der größtmögliche Verrat. Er hat sogar aus dem Gefängnis heraus versucht, dich ermorden zu lassen.“

Ich winke ab. „Alles nur Angeberei. Der Versuch wurde verhindert, und in den letzten fünf Jahren hat er die Füße stillgehalten.“