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LIEBE WAR NICHT GEPLANT von LEIGH, JO Mit Jack allein im Fahrstuhl - Taylors Herz schlägt wie verrückt. Am liebsten würde sie gleich hier in seine Arme sinken und ihm zeigen, wie sehr sie ihn vermisst hat. Doch sie weiß nicht, ob Jack noch immer an die schöne Alyson gebunden ist … WETTEN, DU BIST DER RICHTIGE? von GILLEN THACKER, CATHY Lily hat das Mauerblümchendasein satt! Endlich will sie auch einmal etwas Aufregendes tun. Warum nicht den Filmstar Carson McRue verführen? Sie lässt sich auf eine verrückte Wette ein und findet dabei völlig unerwartet die Liebe ihres Lebens… SÜSSE TRÄUME, HEISSE BLICKE von OLIVER, ANNE Sieben Jahre hat Carissa auf ihren Verlobten gewartet, und jetzt hat er sie verlassen! Als ihr in einer Bar Ben begegnet, weiß sie sofort: Dieser Traummann soll ihr die Liebe zeigen. Verführerische Blicke, eindeutige Signale und Ben versteht gleich, was Carissa will …
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Seitenzahl: 588
Anne Oliver, Cathy Gillen Thacker, Jo Leigh
Collection Baccara, Band 265
IMPRESSUM
COLLECTION BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2006 by Anne Oliver Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sabine Stitz-Schilasky
© 2004 by Cathy Gillen Thacker Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rita Hummel
© 2004 by Jolie Kramer Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Birgit Hannemann
Fotos: Harlequin Books S.A.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 265 - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Veröffentlicht im ePub Format im 05/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86349-573-2
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Sanft streichelt Ben über ihre samtweiche Haut, küsst Carissa leidenschaftlich und genießt es, sie zärtlich zu verführen. Wie wunderbar ist es, diese schöne Pianistin in seinen Armen zu halten – schon lange war er nicht mehr so glücklich. Doch am nächsten Morgen erlebt er eine Überraschung: Carissa will ihn nicht wiedersehen ...
Lily ist begeistert: Der Filmstar Carson McRue will sich gerade mit ihr verabreden, da platzt der Tierarzt Fletcher Hart herein. Er reißt Lily in seine Arme, küsst sie heiß und behauptet, sie sei seine Freundin. Lily spürt, wie stark sie auf ihn reagiert. Immer hat sie von Carson geträumt. Warum schlägt dann ihr Herz bei Fletcher so schnell?
Sieben Nächte lang will Taylor die Leidenschaft mit Jack auskosten – und ihn dann vergessen! Doch ihre Pläne haben einen unerwarteten Haken: Seit sie Jack wiedergesehen hat, ihn das erste Mal erneut küsst und mit ihm durch die Straßen von Las Vegas bummelt, ist ihr Herz endgültig verloren. Nun muss sie alles wagen, um ihn für immer zu erobern …
Das erste Zeichen war das Parfum ihrer Großmutter. Das zweite das Kribbeln in ihrem Nacken. Während sie Grannys Duft mit etwas Freundlichem und Vertrautem verband, jagte ihr das zweite Zeichen kalte Schauer über den Rücken.
Carissa Grace ignorierte niemals Zeichen.
Ängstlich blickte sie sich vor dem Cove Hotel von Sydney um. Ihre Stiefschwester Melanie hatte darauf bestanden, Carissa nach ihrem Auftritt in der Pianobar heute Abend abzuholen – um kurz nach zwölf. Das war vor zwanzig Minuten gewesen.
Beeil dich, Mel. Hier ist irgendetwas …
Das Kreischen von Autobremsen hallte durch die Nacht und übertönte die sanften Saxofonklänge aus dem nahe gelegenen Nachtklub. Als der verbeulte Holden auf den Kantstein rauschte, überstrahlten dessen Scheinwerfer die Szene für einen Moment wie silberne Laser.
Carissa stand wie angewurzelt da, bis der Wagen gleich wieder verschwand und eine Wolke beißenden Abgas- und Gummigestanks zurückließ.
„Jemand verletzt?“, fragte eine tiefe Stimme hinter ihr. Dann trat ein Mann aus der Menge der Hotelgäste.
Er war groß und breitschultrig. Sein Kinn wies einen dunklen Bartschatten auf, das braune Haar war ungekämmt und kräuselte sich im Nacken. Er trug ausgeblichene schwarze Jeans und ein T-Shirt. Kurz: Er verkörperte sämtliche „Bad Boy“-Fantasien Carissas.
„Jemand soll einen Krankenwagen rufen“, kommandierte er.
Da erst sah Carissa die Gestalt, die auf dem Pflaster lag. Mit zwei großen Schritten war der Mann bei ihr, beugte sich über sie und sprach leise mit ihr. Es handelte sich um eine alte Frau, wie Carissa jetzt erkannte. Sie hatte kurz zuvor beobachtet, wie die Frau eine Mülltonne in der Nähe durchwühlte. Trotz der Hitze war sie in einen schmutzigen Mantel gehüllt. Nun versuchte sie zitternd, sich aufzurichten.
Ohne zu zögern stützte der Mann ihren Kopf mit einer Hand, hielt sie hoch und redete beruhigend auf sie ein.
Carissa lief hinüber, um die vollgestopfte Tasche der Frau aufzuheben. Dann hockte sie sich neben sie. „Hier sind Ihre Sachen.“
Die Frau warf ihr einen misstrauischen Blick zu und griff nach der Plastiktüte.
„Ist alles okay?“, fragte Carissa.
„Ich glaube schon“, sagte er. „Aber sie sollte lieber untersucht werden.“ Er war so beschäftigt, dass er Carissa gar nicht ansah.
Neben dem strengen Geruch der Stadtstreicherin nahm Carissa eine männliche Note wahr. Es war lange her, seit sie unverfälschten männlichen Körperduft gerochen hatte. Alasdair duftete immer nach französischem Rasierwasser. Allerdings konnte sie sich auch nicht vorstellen, dass ihr Verlobter diese Situation so ruhig und selbstbewusst gemeistert hätte.
Der Mann setzte die Frau auf und strich ihr über den Rücken. Dabei bemerkte Carissa die teure Uhr an seinem Handgelenk. „Meinen Sie, Sie können …“ Eine Autohupe verschluckte den Rest seiner Worte.
Carissa sah zur Straße. Das Hupen galt ihr. Sie winkte Melanie zu und stand auf. Da der Fremde hier alles unter Kontrolle hatte, wurde sie wohl nicht mehr gebraucht.
„Tut mir leid, dass ich zu spät bin“, sagte Mel, als Carissa zu ihr ins Auto stieg. „In der Notaufnahme tobte der Bär. Was ist hier eigentlich los?“
„Hier tobt auch gerade der Bär“, antwortete Carissa, die immer noch Herzklopfen hatte. „Aber jetzt dürfte alles geregelt sein.“ Dank dem Helden des Tages.
Sie sah immer noch zu dem Mann, der in diesem Moment die Stadtstreicherin in die Lobby des Cove führte.
Ein Mann mit gefährlich viel Sex-Appeal. Er sah aus, als wäre er geradewegs einem erotischen Traum entsprungen, einem dieser Träume, die Carissa in letzter Zeit mit erschreckender Regelmäßigkeit heimsuchten.
Sie seufzte. Seit einem Jahr hatte sie Alasdair nicht gesehen, wen wunderte es da, dass jeder Mann mit nur halb so viel Sex-Appeal wie der Fremde ihr gefährlich erschien?
Nicht dass sie nicht warten wollte, bis Alasdair seine Doktorarbeit in Frankreich beendet hatte. Aber aus den versprochenen zwölf Wochen waren inzwischen zwölf Monate geworden.
„Alasdair kommt nicht zurück.“
Mit seinem Brief in der Hand hockte Carissa sich neben Melanie auf die Verandatreppe. Der erste Schock war überstanden, und nun traute sie sich zu, darüber zu reden – ruhig und vernünftig.
„Oh, Carrie!“, sagte Mel mit großen Augen, stellte ihren Eistee ab und nahm Carissas Hand. „Da tut mir leid. Ihr zwei wart sieben Jahre zusammen, oder? Was ist passiert?“
„Er hat jemanden kennengelernt. Ich hätte damit rechnen müssen, wo er so weit weg ist und den ganzen Tag von hübschen jungen Forschungsassistentinnen umgeben.“ Sie schloss die Augen. „Ich hätte allerdings nie damit gerechnet, dass seine neue Liebe Pierre heißt.“
„Oh Gott.“ Mel atmete langsam aus. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Alles in Ordnung mit dir?“
„Es geht schon wieder.“ Carissa drückte die Hand ihrer Schwester, dann stand sie auf und lief umher. „Ich habe ihm vertraut und auf ihn gewartet. Obwohl ich mir nicht mehr sicher war, dass er der Mann meines Lebens ist, habe ich gewartet, zumindest bis ich ihn wiedersehe. Wie konnte ich nur so dumm und naiv sein!“
„Mach dir keine Vorwürfe. Es ist nicht deine Schuld, dass er dich betrogen hat – noch dazu auf die schlimmstmögliche Art. Bist du sicher, dass du klarkommst?“
„Bestens.“ Sie knüllte den Brief zusammen und blinzelte in den dunklen Garten. Der heiße Sommerwind nahm zu und brachte das lose Regenrohr zum Klappern, das Carissa immer noch nicht repariert hatte.
„Ich bin schon so lange allein, dass es praktisch keinen Unterschied mehr macht. Mein Leben geht weiter wie bisher. Ich habe mein eigenes Haus.“ Sie sah auf die durchhängende Veranda. An dem Haus, das sie von ihren Großeltern geerbt hatte, mussten dringend einige Reparaturen vorgenommen werden. „Und ich habe Arbeit.“
„Außerdem hast du mich“, sagte Mel leise.
„Ich weiß.“ Sie blickte ihre Stiefschwester liebevoll an. „Soll ich dir mal ein Geheimnis verraten, Mel? Ich bin immer noch Jungfrau.“
„Du meinst, Alasdair und du, ihr habt nie …?“
Carissa ging weiter auf und ab. „Jetzt wird mir auch klar, warum Alasdair so zurückhaltend war.“
„Du wirst in wenigen Tagen sechsundzwanzig und bist noch Jungfrau? Wow!“
Am liebsten hätte Carissa auf irgendetwas eingeschlagen. Sie musste ihre überschüssige Energie loswerden. Klavierspielen half.
Melanie folgte ihr ins Haus. „Willst du wirklich, dass dein Leben weitergeht wie bisher? Ohne Mann, ohne Sex, ohne Spaß?“
Carissa blieb stehen. Antworte nicht.
„Carrie, du brauchst einen Lover, wenigstens für eine Nacht.“
Was für ein abwegiger Vorschlag! Aber im Augenblick war Carissa frustriert genug, um ernsthaft darüber nachzudenken. „Vielleicht hast du recht.“ Sie warf die zerknüllte Nachricht in den Mülleimer.
„Du solltest es allerdings nicht überstürzen“, warnte Mel sie, als wäre ihr nicht mehr ganz wohl dabei. „Ruf dir jemanden, der dir dein Klavier stimmt, nicht gleich einen Klempner.“
In der Pianobar des Cove Hotels tummelten sich die üblichen Sonntagabendgäste. Carissa sah sich um, während sie ihre Auswahl verträumter Chopin-Nocturnes spielte. Einige der Anwesenden waren Stammgäste, die meisten aber Touristen, die ein paar Stunden totschlagen wollten, ehe sie in die Nachtclubs von Sydney weiterzogen.
So viel zu ihrem tollen Plan, einen Mann für eine Nacht zu finden! Wer sechs Abende die Woche arbeitete, hatte nicht mehr viel Privatleben. Carissa hatte schon verlernt, wie man sich in der Dating-Szene bewegte.
Sie sah ihn in dem Moment, in dem er hereinkam.
Er füllte den gesamten Türrahmen aus. Carissa geriet fast ins Stocken, als sie wie gebannt den über einsneunzig großen Mann in den verblichenen Jeans und dem schwarzen T-Shirt betrachtete.
Wie von selbst spielten ihre Finger die Mondscheinsonate, während sie ihn beobachtete, wie er ein Bier bestellte und zu einem der Tische am Fenster ging.
Oh! Es war der Mann, den sie gestern Abend vorm Hotel gesehen hatte.
Er musste etwa Mitte dreißig sein. Sein dunkelbraunes Haar war kürzer als gestern, wirkte aber immer noch ein bisschen zerzaust.
Ben Jamiesons Blick huschte flüchtig über die Pianistin, bevor er gleich darauf zu ihr zurückkehrte und sie genauer ansah. Dieser Abend ließ sich weit angenehmer an als erwartet. Warum sollte er ihn allein verbringen und über sein Leben nachgrübeln, wenn die Ablenkung, die er brauchte, direkt vor seiner Nase war?
Rave würde sagen, dass er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen durfte. Beinahe glaubte Ben, seinen Freund vor sich zu sehen.
Er nahm einen Schluck Bier. So wie ihre Hände über die Tasten tanzten, waren sie sicher auch in anderen Dingen recht geschickt.
Ihr langes saphirblaues Abendkleid schrie buchstäblich danach, ausgezogen zu werden. Langsam, Zentimeter für Zentimeter. Bei einem solchen Körper überstürzte man nichts.
Als Carissa die nächsten leichten Klassiker anstimmte, konnte sie nicht umhin, noch einmal einen Blick zu riskieren. Der Mann sah nicht aus, als hörte er gern Klassik, aber sein Musikgeschmack tat nichts zur Sache. Als hätte er gespürt, dass sie ihn ansah, drehte er sich zu ihr um. Ihre Blicke begegneten sich über dem aufgeklappten Deckel des kleinen Flügels. Carissa wurde heiß.
Sie senkte den Kopf und fluchte leise, als sie beinahe einen falschen Ton spielte. Seit zwei Jahren spielte sie freitags und samstags in der Cocktailbar und hatte noch nie danebengegriffen.
Konzentrier dich aufs Wesentliche, ermahnte sie sich. Wie zum Beispiel darauf, dass sie diesen Job nicht verlieren durfte. Ihr Montags- bis Freitagsjob im Café brachte nur halb so viel ein wie dieser hier. Außerdem brauchte sie dringend einen Untermieter, um das Haus halten zu können. Deshalb hatte sie einen Zettel ans Schwarze Brett in der Mitarbeiter-Cafeteria gehängt. Per Anzeige zu suchen, schien ihr zu riskant.
Beim Klavierspiel konnte sie normalerweise alles andere vergessen. Nicht so heute Abend. Ihr Schutzschild gegen die Welt schien nicht zu funktionieren. Sie konnte weder die üblichen Geräusche in der Bar ausschalten, noch die Gedanken an ihn.
Um halb elf klappte Carissa den Flügel zu und steckte ihre Noten ein.
„Darf ich dir einen Drink spendieren?“ Beim Klang der tiefen Stimme fuhr sie erschrocken zusammen.
Sie drehte sich um und atmete eine Mischung aus Aftershave und Bier ein. Eigentlich wollte sie höflich ablehnen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken.
Ein Anflug von Panik erfüllte sie. „Tut mir leid, das Management gestattet den Angestellten keinen Kontakt zu Gästen.“
Sie lehnte ab? War sie verrückt? Carissa atmete tief durch und lächelte. „Zumindest nicht im Hotel.“
Er lächelte ebenfalls. „Dann machen wir einen Spaziergang und trinken woanders etwas. Ich heiße übrigens Ben Jamieson.“ Beim Lächeln zeigte sich ein Grübchen auf seiner rechten Wange, das absolut bezaubernd aussah. Seine Augen waren leuchtend grün und funkelten interessiert.
Carissa umklammerte ihre Notentasche, damit er das Zittern ihrer Hände nicht bemerkte. „Ich muss eine Bahn und einen Bus erwischen, und ich möchte nicht zu spät fahren.“
„Ich zahle dir das Taxi nach Hause.“
„Oh … ich …“
„Komm mit mir. Es ist ein schöner Abend, und wir werden nicht weitergehen, als du möchtest.“
Wieder erschienen sehr erotische Bilder in ihrem Kopf, dabei ließ der Mann durch nichts erkennen, dass er sich absichtlich zweideutig ausgedrückt hatte.
Sie schob die Klavierbank halb unter den Flügel und nickte.
„Verrätst du mir deinen Namen?“
„Carissa.“ Sie sah ihn an. Gefährlich, warnte sie sich im Stillen. „Nur Carissa.“
Wieder lächelte er, und Carissa schmolz dahin. „Also, Nur-Carissa, hast du eine Tasche oder so etwas?“
„Ja, in der Personalgarderobe. Ich ziehe mich schnell um und treffe …“
„Nein.“ Das grüne Feuer in seinen Augen drohte sie zu verbrennen. „Bitte zieh dich nicht um.“
Er begleitete sie bis ins Foyer, wo er seine Nachrichten abfragte – aha, ein Gast also – und dann wartete, während sie in die Garderobe ging.
Sie war hoffnungslos durcheinander. So etwas hatte sie noch nie getan.
„Wie wär’s, wenn du mich zur Bahn begleitest?“, schlug sie vor, als sie gemeinsam hinaus in die Sommernacht traten.
Er sah sie an. „Warum? Wirst du zu Hause erwartet?“
Falls sie einen Rückzieher machen wollte, war dies der passende Moment. Andererseits war er mit dem Empfangschef per Du, wohnte im Hotel, und man hatte sie zusammen weggehen sehen. „Nein.“
„Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass eine Frau nachts allein mit der Bahn fährt. Fährst du immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln?“
„Seit ich meinen Wagen verkauft habe, ja.“
Er legte ihr die Hand auf den Rücken und schob sie sanft zu einem freien Tisch in einem Straßencafé. Allein die leichte Berührung jagte ihr heiße Schauer über den Körper.
„Was möchtest du?“
Dich. „Mineralwasser mit Eis, bitte.“ Sie setzte sich auf den Plastikstuhl, den er ihr hinrückte, und stellte ihre Handtasche unter den Tisch. Etwas Stärkeres brauchte sie nicht, denn sie war schon berauscht.
Er zahlte am Tresen, reichte ihr das Glas und setzte sich mit einer Flasche Bier ihr gegenüber hin. „Ich schau dir in die Augen, Kleines.“
Bei diesen Worten bekam sie fast eine Gänsehaut. Um ihn davon abzulenken, fragte sie: „Magst du Musik?“ Er antwortete nicht, und ein Schatten huschte über seine Augen. Sie beobachtete, wie sich seine Hand fest um den Hals der Bierflasche schloss. „Okay, du magst keine Klassik, bist aber zu höflich, es zu sagen.“
„Es tut nichts zur Sache, solange sie von einer Frau gespielt wird, deren … was würdest du sagen, welche Farbe deine Augen haben?“
Sie blinzelte. „Blau.“
„Blau.“ Er rieb sich das Kinn und betrachtete sie. „Ich würde sagen ultramarin. Tief und rätselhaft. Womit sich die Frage aufdrängt: Was tust du, wenn du nicht am Klavier sitzt, Nur-Carissa?“
„Sechs Tage die Woche kellnere ich und spiele Klavier. Da bleibt nicht viel Zeit für anderes.“
Es erstaunte sie, dass sie eine normale Unterhaltung mit diesem Mann führte, während sie an nichts anderes denken konnte als daran, wie er aussehen mochte, wenn er sich einzig zu ihrem Vergnügen vollkommen entblätterte, bereit für … Hör auf damit. „Und du?“
Er blickte hinaus aufs Wasser. „Ich bin an ein paar Geschäften beteiligt.“
Sie sah ihn über ihr Glas hinweg an. „Wenn du nicht gerade ein Held bist.“
„Wie bitte?“
„Gestern Abend. Ich war draußen vorm Cove. Ich habe dich gesehen.“
Er trank einen Schluck Bier. „Ich bin kein Held.“
„Falsch. Du hast einer alten Dame geholfen, um die andere Leute einen weiten Bogen gemacht hätten.“
„Das war doch nichts Besonderes. Das Auto wurde übrigens nicht gefunden. Diese dummen Gören …“ Er schüttelte den Kopf. „Über kurz oder lang landen die alle im Graben.“
„Klingt nicht gerade optimistisch.“
Er schien sich an etwas Trauriges zu erinnern, denn er kniff die Lippen zusammen und lächelte verbittert. „Ich bin eher Realist. Da wird man seltener enttäuscht.“
Womit er recht hatte. Ein realistischer Mensch hätte gewusst, dass Alasdair sie verlassen würde. „Was ist mit deiner Familie?“ Gibt es irgendwo eine Verlobte, die du gerade betrügen willst?
„Ich bin in Melbourne aufgewachsen, habe nie geheiratet und will es auch in Zukunft nicht tun. Eine ganze Weile habe ich im Outback gelebt und bin vor ein paar Jahren in die Stadt zurückgekehrt.“
„Und deine Eltern?“
„Meine Mutter wohnt noch in Melbourne. Mein Vater ist tot.“
Ende der Geschichte. Carissa beobachtete, wie er sein Bier austrank. „Bleibst du länger im Cove?“
„Das weiß ich noch nicht genau.“
Der Mann hatte Probleme. Wollte sie damit etwas zu tun haben? Dann dachte sie an gestern Abend. Er war einer von den Guten. Außerdem wollte sie ja keine Beziehung mit ihm.
„Komm mit“, sagte er. „Am Wasser ist es kühler.“
Sie schlenderten hinunter an den Strand, weg von den grellen Lichtern. Der Duft von Salzwasser und Sommer erfüllte die Luft. Carissa zog ihre hochhackigen Sandalen aus und hielt den Kopf in die sanfte Brise. „Ich arbeite seit zwei Jahren im Cove, aber hier war ich noch nie.“
„Wie schön, dass ich dir etwas Neues bieten kann.“
Sie hätte beinahe gelächelt. Wenn er wüsste!
Er blieb stehen. „Weißt du, woran ich dachte, als ich dich spielen sah?“
„Woran?“
Er beugte sich zu ihr, bis sein Mund nur noch Millimeter von ihrem entfernt war. „Daran.“ Er strich ganz sacht mit den Lippen über ihre. „Dich zu berühren und zu schmecken.“
Oh ja, dachte sie, ich auch.
Sanft nahm er ihre Hand und zog Carissa ganz nah zu sich, sodass sie seine Erregung spürte.
Sie wich nicht zurück. Er war groß und männlich, und im Gegensatz zu ihrem Exverlobten begehrte er sie. Als er sich erneut zum Kuss zu ihr beugte, ließ sie ihre Sandalen fallen und schlang die Arme um ihn.
In diesem Moment setzte ihr Verstand aus. Sie schmeckte seinen Mund, fühlte seine Zunge, als er den Kuss vertiefte, und seine Fingerspitzen, die über ihre Arme strichen.
Nach ihrer anfänglichen Nervosität entspannte sie sich und merkte, wie erregt er war.
Ihr ging es genauso. Sie wollte diesen Mann. Wollte wissen, wie es war, einen Mann auf ihrem Körper und in sich zu spüren. Ob die Wirklichkeit mit ihrer Fantasie mithielt? Dieser Mann sollte derjenige sein, der es ihr zeigte.
Danach würde sie ihn nie wiedersehen. Es wären keine Gefühle im Spiel. Und sie würde sich damit selbst ein Geburtstagsgeschenk machen. Viel zu lange schon hatte sie sich nichts mehr gegönnt.
Ihr wurde heiß, und ihre Knie drohten nachzugeben, während ihr Puls hämmerte.
Sex mit einem Fremden. Durch sein T-Shirt hindurch streichelte sie seine Brust, bevor sie die Hände über seinen Bauch bis zum Saum wandern ließ. Dann glitt sie unter den Stoff und fühlte feste, heiße Haut. Sie hakte mit den Daumen hinter seinen Hosenbund und zog.
Sie spürte, wie sich seine Bauchmuskeln anspannten, und er hielt hörbar den Atem an. Ja, er würde sie für unverkrampft und erfahren halten. Beinahe musste sie lachen.
„Carissa, ich kann dich auf der Stelle in ein Taxi setzen, oder wir gehen in mein Zimmer. Du entscheidest.“ Ungeduldig rieb er die Hüften an ihren Händen. „Aber entscheide dich bitte schnell.“
Sie brauchte es nur zu sagen, und schon wäre sie in seinem Zimmer, in seinem Bett.
Im Cove Hotel.
Sie seufzte enttäuscht. „Mitarbeitern ist es nicht gestattet, zu Gästen mit aufs Zimmer zu gehen.“
„Ist das ein Nein oder ein Problem?“
„Ein … Problem“, antwortete sie zögernd. „Regeln sind Regeln.“
Sein Lächeln begann in seinen Augenwinkeln und breitete sich von dort bis zu seinem Mund aus. „Dann werden wir eben ein paar Regeln brechen müssen.“
Vor der Eingangstür trennten sie sich und trafen sich vor den Fahrstühlen wieder. Staunend beobachtete Carissa, wie Ben seine Karte in das Schaltbrett des Fahrstuhls einführte. „Das Penthouse?“
„Ich hab’s gern geräumig und mit einer hübschen Aussicht.“
Sekunden später glitten die Fahrstuhltüren wieder auf, und sie betraten direkt das Penthouse. Carissa blickte sich sprachlos um. Die gedämpfte Beleuchtung brachte die Aussicht über Sydneys alte „Kleiderbügelbrücke“ und das Opernhaus sehr gut zur Geltung. Der große Raum war ganz in Schwarz und Weiß gehalten. Alles schrie förmlich nach Geld. „Wow.“
Er ging zur großen Glastür, die auf die Dachterrasse führte, und schob sie auf. Die dünnen Organzavorhänge blähten sich in der Abendbrise. „Für mich ist das der schönste Ausblick der Welt“, sagte er.
Carissa war aber nicht wegen der Aussicht hier. Auch nicht, um Romantik zu erleben.
Sie war hergekommen, weil sie Sex wollte.
Und der Mann der Stunde lehnte lässig am Terrassengeländer, ließ sich den Wind durchs Haar wehen und wirkte verführerisch gelassen und distanziert. Ihr erster Liebhaber.
Er musste ihr ansehen, was ihr durch den Kopf ging, denn auf einmal sagte er: „Entspann dich und komm her.“
Sie schluckte und blieb, wo sie war. „Du solltest wissen, dass ich normalerweise nicht … ich meine, das ist nicht …“ Jetzt stotterte sie auch noch! Diese Sache wuchs ihr über den Kopf.
„Ich mag es, wenn du rot und nervös wirst. Das ist ein sehr interessanter Kontrast zu der coolen, klassischen Schönheit am Flügel.“
Sofort meldete sich ihr Trotz. „Ich bin nicht nervös.“ Aber immerhin entspannte sie sich, als sie ein humorvolles Blitzen in seinen Augen bemerkte, während er auf sie zukam.
„Na gut.“ Er ließ die Finger an ihrem Hals hinauf und in ihr Haar gleiten.
Ein Summer ertönte. Carissa sah sich erschrocken zum Fahrstuhl um.
„Hey“, flüsterte er. „Entspann dich. Genieß die Aussicht, ich bin gleich wieder da.“
Sie wandte sich ab und wartete, bis sie hörte, wie sich die Fahrstuhltüren wieder schlossen.
„Fröhlichen Valentinstag! Rote Rosen für die Blue Lady.“ Er hielt ihr ein Dutzend langstielige rote Rosen hin.
Kein Mann hatte ihr jemals Blumen geschenkt. „Die sind wunderschön, danke. Aber Valentinstag war gestern.“
„Irgendwo auf der Welt ist er auch heute noch.“
„Wo hast du die herbekommen? Es ist nach Mitternacht.“
„Für die richtigen Leute macht die Boutique unten zu jeder Tages- und Nachtzeit auf.“
Was meinte er? Wer war Ben Jamieson? Nun, offensichtlich jemand, der Geld im Überfluss besaß.
Dennoch, mit ihm hier zu sein, umgeben vom lieblichen Blumenduft, rührte sie fast zu Tränen. Sie würde nie wieder an den Valentinstag denken können, ohne sich an Ben Jamieson zu erinnern. Er hatte eine Saite tief in ihrem Innern zum Klingen gebracht, die sie am liebsten für immer vergraben hätte. Sehnsucht. Die Sehnsucht nach mehr als simpler Lustbefriedigung.
Aber mit der Sehnsucht kam auch Verletzlichkeit. Halt deine Gefühle da raus. Du gehst noch heute Nacht wieder weg und siehst ihn nie wieder. „Das wäre nicht nötig gewesen“, sagte sie.
„Warum nicht?“ Er hob sanft ihr Kinn an. „Wenn ich dich in diesem blauen Kleid ansehe, möchte ich dich auf den Sydney Tower entführen, wo es nur uns und die Sterne gibt.“
Er nahm ihre Hand und führte sie zur einen Seite der Dachterrasse, von wo aus sie besagten Tower aufleuchten sahen.
Das war nicht geplant. Wieso verwandelte Ben alles in ein romantisches, kompliziertes Erlebnis?
Er nahm ihr die Rosen ab und legte sie auf den Rauchglastisch. Dann küsste er Carissa.
Sein Mund fühlte sich fest und weich zugleich an, und der Kuss war so ruhig und sinnlich, dass Carissa an nichts anderes mehr denken konnte als die unvorstellbaren Freuden, die sie erwarteten.
Auf einmal war ihre Welt nur noch Intensität, Leben, Farbe und Bewegung. Sie hörte den gedämpften Verkehrslärm, und Ben zog sie näher zu sich. Weil sie das Gefühl hatte, zu fallen oder sich zu schnell zu drehen, hielt sie sich an ihm fest.
„Komm mit.“ Er führte sie in das angrenzende Zimmer.
Das Schlafzimmer war ebenso eindrucksvoll wie der Rest der Suite. Eine einzelne Tischlampe mit einem schwarzen Schirm tauchte den Raum in ein verführerisch mattes Licht. Die Tagesdecke des extrabreiten Doppelbetts war bereits für die Nacht zurückgeschlagen, und Carissas Herz machte einen kleinen Hüpfer angesichts der unverhohlenen Einladung.
Da spürte sie auch schon, wie er mit geübten Fingern unter den Rückenausschnitt ihres Kleides griff und langsam den Reißverschluss aufzog. Als Nächstes löste er den Hakenverschluss ihres BHs. Dann schob er ihr die Träger sanft über die Schultern, sodass beide Kleidungsstücke zu ihren Füßen landeten. Nun stand sie nur noch in ihrem winzigen saphirblauen Slip und den hochhackigen Sandalen vor ihm.
Seine Augen wurden eine Nuance dunkler, als er zurücktrat. „Lass die an“, sagte er und strich über ihre Schenkel. „Ich will dich ansehen.“
Sie bekam eine Gänsehaut, und ihre Brustspitzen richteten sich pochend auf. Alles war irgendwie unwirklich.
Er stieß langsam seinen Atem aus und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du bist eine lebende Fantasie. Jetzt zieh deinen Slip aus. Ganz langsam.“
Mit einer Erregung, die sie nie zuvor gekannt hatte, hakte sie die Finger hinter die dünnen blauen Stoffbänder und ließ sie ganz langsam über ihre Schenkel gleiten. Dabei sah sie, wie sich winzige Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten und er die Haltung wechselte, worauf ihr unwillkürlich auffiel, dass die Wölbung in seiner Jeans noch größer wurde.
Er zeigte auf den Slip. „Leg ihn aufs Bett.“
Wieso? Dann spürte sie, wie er ihren Körper mit seinen Augen verschlang, als sie sich hinunterbeugte, um seiner Bitte nachzukommen.
„Jetzt lass dein Haar herunter. Mit beiden Händen.“
Bei der Bewegung hoben sich ihre Brüste. Carissa hatte Mühe zu atmen, löste aber den locker geflochtenen Zopf, bis ihr die blonden Locken weich über den Rücken fielen. Ben hatte sie kaum berührt, aber sie glühte bereits.
„Vorfreude ist schon der halbe Genuss“, murmelte er.
Carissa entflammte buchstäblich. Sie sah ihn sehnsüchtig an.
Trotzdem berührte er sie nicht. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog er sein T-Shirt aus, warf es auf den Boden und sah sie an. „Fass mich an.“
Sie schluckte ihre Angst herunter. Angezogen war alles kein Problem, aber allein mit einem halb nackten Mann und zu wissen, dass er jede Minute noch nackter sein würde … Was, wenn er wollte, dass sie … etwas tat, von dem sie nicht wusste, wie es ging?
Reiß dich zusammen. Er will bloß, dass du ihn anfasst. Bisher. Vorsichtig berührte sie sein dunkles Brusthaar. Sie wagte sich sogar weiter vor, folgte der dunklen Spur zu seinem Nabel und tiefer …
Er nahm ihre Hand und legte sie auf seine empfindsamste Stelle. Sehr bald würde sie ihn in sich spüren. Aber … das Letzte, was sie gebrauchen konnte, war eine ungewollte Schwangerschaft. Sie sah ihn verängstigt an. „Du hast doch Kondome da, oder?“
„Schon gut, Carissa. Dir wird nichts passieren. Versprochen.“ Tief stöhnend schob er sie aufs Bett. Einer ihrer Schuhe fiel zu Boden, und Ben öffnete den Reißverschluss seiner Jeans. Er streifte sie zusammen mit seinen Boxershorts ab und zwängte sich gleich darauf zwischen Carissas Beine.
Sanftes Licht spielte auf bronzener Haut und harten Muskeln. Seine rastlosen Hände glitten über ihren Bauch und hinauf zu ihren Brüsten, bevor er ihr Haar zerzauste.
Er neigte den Kopf und küsste ihre Brustspitzen. Carissa spürte ein leichtes Ziehen bis in die Fußsohlen. Stöhnend bog sie sich ihm entgegen, überwältigt von der Vielzahl von Empfindungen, die Ben in ihr weckte.
Als Nächstes streichelte er ihre Beine und bedeckte sie mit unzähligen Küssen, bis es keinen Millimeter Haut mehr gab, der nicht kitzelte. Ausgenommen die Stelle, an der sie ihn am sehnlichsten wollte.
Sie glaubte schon, es nicht mehr aushalten zu können, da liebkoste er sie dort, wo sie noch nie jemand berührt hatte. Wieder stöhnte sie. In ihren kühnsten Träumen hatte sie sich nicht ausgemalt, dass es sich so unglaublich gut anfühlen würde.
Er schien sich mit dem weiblichen Körper weit besser auszukennen als sie selbst. Carissa staunte, wie überaus erregend die langsamen Bewegungen seiner Hand waren.
„Ben …“ Da war noch mehr, etwas, was sie nicht kannte, und nach dem es sie dennoch instinktiv verlangte. „Ben, ich will …“
„Ich weiß.“ Er beschleunigte das Tempo, und auf einmal explodierte ein Feuerwerk hinter Carissas geschlossenen Lidern. Zum ersten Mal in ihrem Leben erlebte sie einen Orgasmus. Sie schien zu fliegen.
Ben war immer noch da, als sie langsam auf die Erde zurückkehrte. Dann rollte er sich zur Seite und griff nach etwas auf dem Nachttisch. Carissa hörte das Reißen von Plastikfolie und schloss die Augen, als er sich wieder auf sie legte. Sie fühlte seinen Herzschlag auf ihren Brüsten, seinen heißen Atem an ihrem Ohr, und bereitete sich darauf vor, von ihm in noch luftigere Höhen entführt zu werden.
Als sie ihn jedoch zwischen ihren Schenkeln spürte, wichen alle rosigen Träume einer grellen Realität, und ihr wurde klar, was sie hier tat.
Zu spät. Mit einem einzigen Stoß, der ihr den Atem raubte, drang er in sie ein. Dann erstarrte er – und fluchte plötzlich.
Sie hielt die Luft an, als sie den kurzen, stechenden Schmerz fühlte, und versuchte, nicht in Panik zu geraten.
„Warum hast du mir nichts gesagt?“
„Du hast nicht gefragt.“ Sie konnte kaum sprechen, so sehr war sie auf ihren eigenen Körper konzentriert und auf das, was gerade mit ihr geschah. Der Schmerz war bereits fort, und sie wollte mehr, aber zugleich bekam sie Angst. Vielleicht mochte er keine Jungfrauen. War er enttäuscht? „Ist es denn wichtig?“
„Und ob.“ Er zog sich vorsichtig zurück und stützte sich auf die Ellbogen. „Es gibt Regeln …“
„Wir … ich … habe schon die Regeln gebrochen, indem ich mit herkam.“
„Meine Regeln. Das ist etwas anders.“ Er strich mit dem Finger über ihre Wange und ihre Lippen. „Warum jetzt ? Warum ich?“
„Weil ich es will, und weil du hier bist.“ Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihren Busen. „Weil du mir das Gefühl gibst, schön und lebendig zu sein.“
Er schien verärgert. „Mach es nicht zu etwas, was es nicht ist, Carissa. Ich bin nicht der Mann deiner Träume, und ich bin auch nicht der Typ, der auf etwas Dauerhaftes aus ist. Das hier ist alles, was zwischen uns sein wird.“
Sie schluckte. „Mehr will ich gar nicht. Ich suche keine Beziehung. Damit wären wir also die idealen Partner für heute Nacht.“ Sie legte die Arme um seinen Hals und bewegte die Hüften.
Er biss die Zähne zusammen, und seine Arme zitterten unter der Anstrengung, sein Gewicht zu halten. „Carissa, ich will dir nicht wehtun …“
„Erzähl mir jetzt nicht irgendwelchen Quatsch von wegen, für Männer wäre es anders.“ Sie glitt mit den Fingernägeln über seinen Rücken und seinen Po, dass er erschauerte.
„Na gut. Du willst etwas, an das du dich gern erinnerst. Das kann ich dir geben.“
Und er hielt Wort.
Carissa nahm alles mit Freuden. Sie entspannte sich, je vertrauter sie damit wurde, Ben überall zu spüren. Diese Nacht mit ihm würde sie niemals vergessen, denn der Mann gab ihr alles, was sie sich je erträumt hatte.
Danach lag er still da, hielt sie in den Armen, schien aber zugleich weit weg. Er distanzierte sich von ihr.
Genau wie es sein soll, sagte sie sich. Er würde weiterziehen und sie zu ihren beiden Jobs und ihrem baufälligen Haus zurückkehren.
Ich wollte gar nicht einschlafen. Das war ihr erster Gedanke, als sie aufwachte und eine Hand auf ihrem Bauch spürte. Bilder der Nacht und wundervolle Erinnerungen gingen ihr durch den Kopf.
Dann meldete sich ihr Verstand zurück. Der perlmuttgraue Himmel kündigte den bevorstehenden Sonnenaufgang an, und Carissa wurde plötzlich panisch. Ihr Ruf und ihr Job standen auf dem Spiel. Sie widerstand dem Impuls, aus dem Bett zu springen. Es leise und behutsam anzugehen, war wesentlich weiser. Schließlich wollte sie Ben nicht wecken.
Einen letzten Blick konnte sie sich dennoch nicht verkneifen. Er war der erste Mann, den sie nackt sah. Zwischen ihren Schenkeln begann es zu pulsieren, als sie ihn betrachtete. Erschrocken sah sie zu seinem Gesicht, doch er war vollkommen entspannt und hatte die Augen geschlossen.
Mit klopfendem Herzen wandte sie sich ab. Verschwinde von hier, solange du noch kannst. Sich seinem Arm zu entwinden, war nicht leicht, aber zum Glück schlief er tief und fest.
Sie hob ihre Sachen vom Boden auf, streifte sich das Kleid über und stopfte ihren BH in die Handtasche. Dann steckte sie sich das Haar hoch und suchte dabei nach ihren Sandalen.
Ihr Slip war nirgends zu sehen. Er musste irgendwo unter den zerknautschten Laken liegen – möglicherweise unter Ben. Nun, unter den gegebenen Umständen war der Verlust wohl das geringere Übel.
Sie bemerkte seine Brieftasche auf dem Nachttisch. Geld. Gott sei Dank. Sie holte einen Stift und einen kleinen Notizzettel aus ihrer Handtasche, schrieb ihm eine kurze Nachricht, in der sie versprach, ihm das Geld morgen am Empfang zu hinterlegen, und steckte sich einen Geldschein ein. Es ging nicht anders, denn sie würde auf keinen Fall um sechs Uhr morgens im Abendkleid in den Zug steigen.
Sehnsüchtig betrachtete sie die Rosen, die sie leider zurücklassen musste. Leb wohl, Ben Jamieson. Ohne ihn noch einmal anzuschauen, stahl sie sich aus der Suite und aus seinem Leben.
Ben beobachtete durch halb geschlossene Augen, wie sie leise durch sein Schlafzimmer ging. Er hatte die ganze Nacht wach gelegen, aus Angst, er könnte einen seiner üblichen Albträume haben.
Es war hell genug, um ihre aufregenden Kurven zu erkennen. Sie bückte sich, um ihre Sachen aufzuheben, und als sie sich wieder aufrichtete, waren ihm ihre Brüste für einen kurzen Moment verführerisch nahe.
Dann drehte sie sich um und schlüpfte in ihr langes blaues Kleid. Bens Blut geriet in Wallung. Aber dann zog sie den Reißverschluss hoch.
Er fragte sich, ob sie vorhatte, um diese Zeit noch mit der Bahn nach Hause zu fahren. Als sie ihm etwas aufschrieb und sich einen Geldschein aus seiner Brieftasche nahm, war er erleichtert. Sie hätte ihn ausrauben können, aber dass sie es nicht tat, bestätigte ihm nur, was er bereits zu wissen glaubte. Carissa war eine ehrliche, wenn auch naive junge Frau.
Vielleicht war sie zu verlegen, um ihm noch einmal ins Gesicht zu sehen. Offensichtlich hatte sie keinerlei Erfahrungen damit, wie man sich am Morgen danach benahm. Ben begriff beim besten Willen nicht, wieso eine Frau sich einen Fremden für ihr erstes Mal aussuchte.
Er sah, wie sie aus dem Zimmer und zum Fahrstuhl ging, dann streckte er sich, schlug das Kissen auf und verschränkte die Hände unter dem Kopf. Das Problem bei Jungfrauen war gewöhnlich, dass sie nach dem ersten Mal einen Verlobungsring erwarteten. Auf Carissa traf das nicht zu.
Er hörte, wie die Fahrstuhltür aufglitt und sich wieder schloss. Plötzlich fühlte er sich einsam. Als hätte Carissa einen Teil von ihm mitgenommen. Was natürlich Blödsinn war. Keine Frau nahm Ben Jamieson irgendetwas weg.
Er warf die Decke beiseite und ging zum Fenster. Sie kam aus dem Hotel, winkte ein Taxi heran, stieg ein und fuhr fort. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Verdammt, er wollte keine Beziehung, weder mit ihr noch mit sonst jemandem. Und schon gar nicht jetzt.
Er hob seine Jeans auf und nahm das Goldarmband heraus, das er Carissa abgenommen hatte. Es sah antik aus. Eine Rückversicherung, sagte er sich und steckte es wieder ein. Er könnte sie wiedersehen, wenn er wollte. Außerdem wusste er ja, wo sie sich freitags und samstags aufhielt. Es wäre also einfach.
Und er könnte es noch einfacher haben. Nur-Carissa war eine Fremde, die für eine Nacht sein Bett geteilt hatte.
Sie wusste nicht, dass er ihr Armband hatte. Und ihren Slip, wie er feststellte, als er einen Fetzen blauer Seide bemerkte. Na gut, er würde ihn ihr als Geschenk verpacken und am Empfang hinterlegen. Das Armband hingegen sollte sie schon persönlich zurücknehmen.
Ein Mädchen mit ihrem klassischen Hintergrund wusste wahrscheinlich nichts über eine Band wie XLRock, vermutete er, während er die Karte vom Zimmerservice studierte. Raves Band hatte am Anfang finanzielle Unterstützung gebraucht, und Ben war gern bereit gewesen, ihnen Geld zu geben.
Vor vierzehn Jahren hatte Ben den fünfzehnjährigen Ausreißer in einem winzigen Pub am Rand der Nullabor Plain unter seine Fittiche genommen und ihm das Gitarrenspiel beigebracht. Aus dem Ausreißer war ein Star geworden.
Ben starrte an die Decke. Alles, was er sah, war Rave. Vor ein paar Wochen war er mit seiner eigenen Gitarre eingesprungen, als eines der Bandmitglieder am Abend vor einem Open-Air-Konzert in Desert Rock ausgestiegen war. Auf dem Heimweg hatte Ben nicht widerstehen können, kurz im Broken Hills Musikklub vorbeizusehen.
Die Erinnerung verfolgte ihn, und schlagartig hatte er überhaupt keinen Hunger mehr. Verärgert hob er seine Jeans auf und ging ins Bad.
Er stellte das Wasser auf lauwarm und seifte sich ab. Immer noch sah er die Wut in Raves Augen. Aber er hatte sich längst an die kleinen Ausbrüche gewöhnt. „Jess wird ein weiterer Abend nichts ausmachen, Rave. Ruf sie an und gib mir die Schuld. Hier, nimm den Porsche und mach eine kleine Spritztour.“ Er hatte ihm die Autoschlüssel gegeben.
Ben drehte den Wasserhahn zu und presste sich die Hände auf die Augen. Er hätte bei Rave nie damit gerechnet, dass er betrunken ins Auto stieg. Das war ein folgenschwerer Fehler gewesen. Er versuchte, die Bilder zu verdrängen, aber die Schuldgefühle blieben.
Und die Albträume kehrten immer wieder.
Für einen kurzen Moment hatte Carissa ihn alles vergessen lassen.
Als er ins Wohnzimmer kam, hatte ihm ein unsichtbarer Nachtportier den Sydney Morning Herald unter der Tür durchgeschoben. Er warf die Zeitung weg, ohne auch nur auf die Schlagzeilen gesehen zu haben. Wie sehr er die unpersönliche Atmosphäre von Hotelzimmern leid war!
Nur ein einziges Mal wollte er aus einem Fenster blicken und einen unordentlichen kleinen Garten sehen, einen halb verkümmerten Eukalyptus oder einen Holzbriefkasten, von dem die Farbe abblätterte. Wie viele Jahre war es her, seit er in einem Haus geschlafen hatte? In einem echten Zuhause? Viel zu viele.
Er brauchte dringend einen Ort, an dem ihn niemand von seinen Leuten finden würde. Dort könnte er ein paar Tage in Ruhe nachdenken, bevor er mit Jess sprach.
Selbst wenn er ein paar Monate Miete für wenige Tage zahlen musste, das Zimmer an der Küste von Sydney, das am Schwarzen Brett in der Personal-Cafeteria inseriert war, könnte genau der vorübergehende Unterschlupf sein, den er suchte.
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