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Als ihr attraktiver Retter durch den strömenden Regen auf ihr Auto zuläuft, vergisst Jacey einen Moment lang alles: groß, muskulös, blaue Augen - so steht Rafferty vor ihr und lässt ihr Herz schneller schlagen! Jacey ist auf der Flucht vor ihrem alten Leben hochschwanger in einen Sturm geraten und froh, dass jemand ihr zur Hilfe eilt. Doch so sexy Rafferty ist, so abwehrend verhält er sich auch! Trotzdem bietet er ihr an, die Nacht unter seinem Dach zu verbringen. Und Jacey sagt freudig zu: Sie träumt vom Familienglück und ist fest entschlossen, sein Herz zu erobern …
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Seitenzahl: 193
IMPRESSUM
Küsse, Baby und Familienglück erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2008 by Cathy Gillen Thacker Originaltitel: „A Baby in the Bunkhouse“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCABand 1752 - 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Valeska Schorling
Umschlagsmotive: "Shutterstock"
Veröffentlicht im ePub Format in 08/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733727246
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Ich habe mir schon gedacht, dass du noch hier steckst.“
Rafferty Evans hob den Kopf vom Computerbildschirm zu seinem Vater, der in der Arbeitszimmertür stand. Der vierundsiebzigjährige Eli Evans hatte sich erst vor Kurzem nach langem Zögern endlich in den Ruhestand zurückgezogen, was jedoch bedeutete, dass er jetzt mehr Zeit hatte, seine Nase in die Angelegenheiten seines Sohnes zu stecken.
Rafferty ahnte schon, warum er gekommen war. „Irgendjemand muss vor dem Zusammentreiben der Herde ja schließlich die Buchhaltung machen“, sagte er irritiert.
Eli setzte sich in einen der ledernen Clubsessel. „Das schlechte Wetter scheint dir offenbar die Laune vermiest zu haben.“
So wie jeden November, dachte Rafferty. Einen Blitz draußen ignorierend, betrachtete er wieder die Zahlen vor ihm. „In den nächsten sechs Wochen ist noch eine Menge zu erledigen.“
Es donnerte ohrenbetäubend. Eli erhob seine Stimme. „Zum Beispiel, eine neue Köchin für die Rancharbeiter zu finden.“
„Die Männer haben die letzten drei Köche mit ihrem ewigen Genörgel vertrieben. Sollen sie doch für sich selbst sorgen, bis ich Ersatz gefunden habe.“
„Du weißt genau, dass sie nicht kochen können.“
„Dann sollten sie dankbar für jeden sein, der zumindest etwas von dem Handwerk versteht.“
Eli öffnete den Mund, um etwas darauf zu entgegnen, besann sich dann jedoch eines Besseren. „Was Weihnachten angeht …“, fuhr er fort.
Rafferty versteifte sich. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich mich aus den ganzen Festlichkeiten raushalte.“ Zumindest seit dem Unfall.
Eli runzelte die Stirn. „Das Ganze ist jetzt schon zwei Jahre her.“
Rafferty schob seinen Stuhl zurück, stand auf und schob die Hände in die Jeanstaschen. „Ich weiß selbst, wie lange es her ist, Dad.“ Er ging zum Kamin, nahm den Schürhaken und stocherte in den brennenden Holzscheiten, dass die Funken stoben.
„Das Leben geht schließlich weiter“, fuhr Eli fort.
„Weihnachten ist nur etwas für Kinder.“
Eli schwieg.
Rafferty kniff die Lippen zusammen. Er legte ein Scheit nach, ging zum Fenster und sah hinaus in den Sturm. Regen trommelte auf das Dach, und ein weiterer Blitz durchzuckte den Himmel, gefolgt von lautem Donner. In der Dunkelheit tauchten plötzlich die Lichtkegel zweier Scheinwerfer auf und richteten sich auf das Hauptgatter.
Rafferty zog die Augenbrauen zusammen und warf einen Blick auf die Uhr. Schon Mitternacht. Er drehte sich zu seinem Vater um. „Erwartest du noch Besuch?“
Eli schüttelte den Kopf. „Wahrscheinlich nur Touristen, die sich verfahren haben.“
Rafferty murmelte ein paar Flüche vor sich hin.
Sein Vater stellte sich neben ihn. „Soll ich rausgehen und ihnen den Weg erklären?“
Rafferty schlug Eli kameradschaftlich auf die Schulter und versuchte zu ignorieren, wie zerbrechlich sie sich anfühlte. Nicht auszudenken, wenn er seinen Vater auch noch verlor! Hastig verdrängte er diesen beunruhigenden Gedanken. „Lass nur, ich übernehme das schon“, antwortete er. „Geh ruhig ins Bett“, fügte er fürsorglich hinzu.
„Bist du sicher?“
Rafferty wusste, dass die nasse Kälte draußen die Arthritis seines Vaters verschlimmern würde. „Ich kümmere mich darum, dass der Fahrer zur Hauptstraße zurückfindet.“
„In den Nachrichten haben sie vor Hochwasser am Fluss gewarnt“, sagte Eli.
Rafferty ging in die Diele, nahm seinen Regenmantel und seinen Hut von der Garderobe und zog sich an. Dann öffnete er die Haustür und trat hinaus auf die Veranda. Die kühle Luft und der frische Geruch des Regens waren belebend.
Jacey Lambert hatte heute mit allem gerechnet, aber nicht damit, plötzlich am Ende der Welt festzustecken. Doch genau das war passiert. Nach etlichen Kilometern über eine immer holpriger und schmaler werdende Landstraße stand sie jetzt in der Einfahrt zur Lost Mountain Ranch.
Offensichtlich hatte sie sich total verfahren.
Sie war müde und hungrig, und ihr Tank war so gut wie leer.
Und zu allem Überfluss funktionierte ihr Handy schon seit einigen Kilometern nicht mehr.
Ob es sehr aufdringlich wäre, an die Tür des großen Ranchhauses da vorn zu klopfen?
Noch bevor sie sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte, hörte sie plötzlich das Starten eines Motors.
Sie starrte nach vorn und sah einen Pick-up auf sich zufahren, der kurz vor ihrem Volvo Kombi stehen blieb.
Ein Cowboy mit schwarzem Hut und gelbem Regenmantel kletterte aus dem Wagen und kam direkt auf ihre Fahrertür zu.
Bei seinem Anblick musste Jacey plötzlich schlucken.
Das lag weder an seiner beeindruckenden Körperlänge noch an den breiten Schultern, den langen Beinen oder dem muskulösen Körper. Was ihr den Atem verschlug, war das markante Gesicht unter der breiten Hutkrempe. Mit seinen regelmäßigen Gesichtszügen, der geraden Nase, den leuchtend blauen Augen und dem hellbraunen Haar sah er verdammt gut aus. Und er war glatt rasiert, in ihren Augen ein gewaltiges Plus. Jacey hasste nämlich Männer mit wildem Bartwuchs.
Sie kurbelte die Windschutzscheibe nach unten. Offensichtlich hatte der Mann kurz zuvor etwas gefragt, denn er schien auf eine Antwort zu warten.
Sie schluckte nochmals. „Was haben Sie gesagt?“, fragte sie.
„Das hier ist Privatbesitz. Sie sind nicht befugt, das Gelände zu befahren“, erklärte er, sichtlich alles andere als begeistert davon, im strömenden Regen mit einem Eindringling fertigwerden zu müssen.
So viel zur legendären texanischen Gastfreundschaft, dachte Jacey und seufzte innerlich auf.
Sie zeigte auf die über dem Lenkrad ausgebreitete Straßenkarte, die ihren voluminösen Körperumfang verbarg. „Ich habe mich verfahren.“
Er sah sie aus schmalen Augen an. „Das habe ich mir fast schon gedacht.“
„Ich wollte eigentlich zur Indian Lodge im Davis Mountains State Park.“
Der Cowboy zeigte mit dem Daumen in die entgegengesetzte Richtung. „Sie sind mindestens noch sechzig Meilen davon entfernt“, sagte er mürrisch.
Er hätte genauso gut sechshundert sagen können, so schlecht war die Sicht bei diesem Regen und Nebel. Selbst unter guten Bedingungen lag die Höchstgeschwindigkeit auf diesen gewundenen Bergstraßen bei höchstens fünfunddreißig Meilen pro Stunde.
Das war nicht gut.
Zu allem Überfluss hatte sie Rückenschmerzen. Alles, was sie jetzt wollte, war ein bequemes Bett mit einem weichen Kissen.
Offensichtlich war es keine gute Idee gewesen, sich unterwegs auf dem Weg zu ihrer Schwester in El Paso noch etwas die Gegend ansehen zu wollen. „Wie weit ist das nächste Hotel entfernt?“, fragte Jacey.
„Ungefähr genauso weit“, antwortete er schroff.
Jacey unterdrückte ein Stöhnen. „Können Sie mir den Weg erklären?“
Er schüttelte den Kopf. „Ausgeschlossen, selbst bei gutem Wetter wäre das viel zu kompliziert. Ich bringe Sie lieber zurück zur Hauptstraße und zeige Ihnen von da die richtige Richtung.“
Jacey lächelte dankbar. Sie würde sicher noch eine oder zwei Stunden durchhalten. „Danke.“
Sie faltete ihre Straßenkarte zusammen, während der attraktive Cowboy zurück zu seinem Pick-up marschierte. Er wies sie mit einer Handbewegung an, rückwärts aus der Einfahrt zu fahren, und kletterte in sein Fahrerhäuschen.
Jacey gehorchte. Sie hatte Rückenschmerzen von den unerwartet vielen Stunden im Auto. Jetzt schaltete sie die Scheibenwischer auf Höchstgeschwindigkeit und folgte dem Pick-up vor ihr. Als sie nach etwa zwei Meilen über einen Hügelkuppe fuhren, bremste er plötzlich so abrupt, dass sie fast aufgefahren wäre. Irritiert trat sie auf die Bremse. Was war denn nun passiert?
Sie brauchte nicht lange auf eine Antwort zu warten. Der Cowboy sprang aus dem Pick-up und kam zu ihr rüber. „Die Brücke ist überflutet!“, rief er durch das Fenster.
Jacey konnte die Steinbrücke von ihrem Wagen aus nicht erkennen. „Wie hoch steht das Wasser?“, rief sie zurück.
„Etwa vierzig Zentimeter.“
Jacey fluchte. Wenn sie jetzt weiterfuhr, würde die Strömung sie mit Sicherheit von der Brücke reißen. Nervös sah sie ihn an. „Und was jetzt?“
„Die Straße ist wegen der Straßengräben zu schmal zum Wenden. Sie müssen den Hügel rückwärts zurückfahren.“
Jacey war nicht gut im Rückwärtsfahren. Schon gar nicht unter diesen Bedingungen. „Kann ich nicht stattdessen …“
„Tun Sie einfach, was ich sage!“, befahl er schroff.
„Leichter gesagt als getan“, murmelte Jacey und legte den Rückwärtsgang ein.
Zum einen hatte sie nämlich keine Rückfahrscheinwerfer, was bedeutete, dass sie praktisch ins Nichts fuhr, und zum anderen war die Straße alles andere als gerade. Außerdem war sie körperlich nicht so beweglich wie sonst. Sich umzudrehen, über die Schulter zu gucken und dabei gleichzeitig zu lenken, war für sie in ihrem jetzigen Zustand nicht nur schwierig, sondern praktisch unmöglich.
Es überraschte sie daher nicht, dass die Reifen auf der rechten Seite ihres Kombis plötzlich ins Rutschen kamen. Sie drosselte das Tempo und drehte das Lenkrad in die Gegenrichtung, um wieder auf die Straße zurückzufahren.
Leider vergebens. Da der Regen den Straßenrand total aufgeweicht hatte, sanken die Reifen nur noch tiefer ein.
Jacey bremste unschlüssig.
Der Cowboy stieg wieder aus seinem Truck.
Er warf einen Blick auf ihre Reifen und murmelte etwas vor sich hin, was sie Gott sei Dank nicht verstand. „Festsitzen tun Sie nicht. Zumindest noch nicht“, sagte er.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Jacey lächelte schwach.
„Geben Sie einfach nur etwas Gas, und fahren Sie langsam weiter“, befahl er.
Jacey setzte den Fuß auf das Gaspedal und drückte ganz schwach. Der Wagen bewegte sich kein Stück.
Er runzelte die Stirn. „Etwas mehr.“
Jacey verstärkte den Druck. Plötzlich drehten die Reifen durch, und die rechte Seite ihres Wagens sackte noch ein Stück tiefer. Jetzt saß sie doch fest, und zwar am Rande einer einsamen texanischen Landstraße und in Gesellschaft eines schlecht gelaunten Rinderbesitzers, der so aussah, als wolle er überall sein, nur nicht hier.
Sie verstand nur zu gut, wie er sich fühlte.
Schnaubend marschierte er zurück zu ihrem Auto, während über ihm ein Blitz den Himmel durchzuckte. Er stapfte um den Wagen herum, um sich die Reifen näher anzusehen und kam zu ihr zurück. „Vor morgen früh können wir Ihr Fahrzeug nicht holen“, sagte er.
Das hatte Jacey schon befürchtet.
„Sie können in der Arbeiterbaracke übernachten.“
Sie blinzelte. Die Nacht wurde ja immer merkwürdiger. „Zusammen mit … Cowboys?“, fragte sie ungläubig.
„Das Quartier des Kochs ist gerade frei geworden“, sagte er kurz angebunden. „Sie wären dort ungestört.“
Jacey schwankte innerlich. Jemanden nach dem richtigen Weg zu fragen, war eine Sache. Ein Nachtquartier anzunehmen, eine andere. „Ich weiß nicht recht …“
„Sie haben keine andere Wahl, wenn Sie nicht im Wagen übernachten wollen.“
Jeder Idiot konnte auf den ersten Blick erkennen, dass dort zum Schlafen kein Platz war. Ihre Habseligkeiten nahmen jeden freien Zentimeter ein.
Als Jacey nach ihrer Handtasche und ihrer Reisetasche griff, fiel ihr ein, dass sie sich noch gar nicht vorgestellt hatte.
Sie schob sich und ihre Sachen mühsam aus dem Wagen und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich bin Jacey Lambert“, sagte sie lächelnd.
Sein Händedruck war warm und fest. Dann fiel sein Blick auf ihren gerundeten Bauch. Sein höfliches, aber reserviertes Lächeln erlosch. „Sie sind ja schwanger!“
„Das merken Sie erst jetzt?“ Der Geburtstermin war in etwa zwei Wochen. Jacey kam sich so voluminös vor wie eine Kuh.
Irritiert presste er die Lippen zusammen. „Ich habe nicht so genau hingesehen.“
„Offensichtlich.“
Sie starrten einander an, während der Regen auf sie hinabströmte.
Er trug einen Regenmantel, sie nicht. Das vom Himmel prasselnde Wasser durchnässte daher in Windeseile ihr Haar und ihre Kleidung.
Als ihm das auch endlich auffiel, legte er einen Arm um ihre Schultern und brachte sie rasch zu seinem Truck.
„Hoffentlich sind Sie besser im Rückwärtsfahren als ich“, witzelte sie, als er sie in das Fahrerhäuschen hob.
Er sah sie nur kühl an. „Ich glaube schon“, entgegnete er und kletterte hinters Steuer.
„Sie haben mir immer noch nicht Ihren Namen genannt“, sagte Jacey, nachdem er seinen Truck sicher an ihrem Auto vorbeigelenkt hatte und sie sich wieder der Lost Mountain Ranch näherten.
„Rafferty Evans.“
„Schön Sie kennenzulernen, Rafferty.“
Er blieb stumm.
Seine Laune hatte sich auch nicht gebessert, als sie vor einem lang gestreckten Lehmgebäude hielten. Sie stiegen aus und legten die kurze Entfernung bis zum Eingang der Arbeiterbaracke im noch immer strömenden Regen zurück – dieses Mal jedoch unter einem großen Regenschirm, den Rafferty Evans hinter dem Beifahrersitz hervorgezogen hatte. Als sie ankamen, schüttelte er den Schirm aus, klappte ihn zu und stellte ihn neben die Tür.
Dann drehte er sich zu ihr um. „Die Arbeiter schlafen schon. Wenn Sie also bitte so leise wie möglich sein würden …“
Jacey nickte. Sie war wahnsinnig erleichtert, endlich wieder in Sicherheit zu sein. Egal, ob dieser gut aussehende Fremde ihr und ihrem ungeborenen Baby hatte helfen wollen oder nicht – Hauptsache, er hatte es getan.
„Kein Problem“, flüsterte sie.
Rafferty hielt ihr die Eingangstür auf und winkte sie herein. Sie betraten einen großen Gemeinschaftsraum mit einem langen Holztisch und Stühlen, einem Steinkamin, in dem das Feuer fast erloschen war, und einer Sitzecke mit Sofa, Polstersesseln und Großbildfernseher. An drei Wänden befanden sich je drei geschlossene Türen, hinter denen wahrscheinlich die privaten Schlafräume lagen. Alles war ruhig.
„Die Küche ist hinten im Haus, falls Sie etwas brauchen. Bedienen Sie sich einfach“, flüsterte Rafferty Evans ihr ins Ohr.
Er griff nach ihrem Ellenbogen und führte sie zu einer Tür. Wie erwartet öffnete sie sich zu einem geräumigen Schlafzimmer mit Kleiderschrank, Lehnstuhl und eigenem Badezimmer. Ein Stapel sauberer Bettwäsche lag am Fußende eines nicht bezogenen Bettes.
„Ich sehe gleich morgen früh noch mal nach Ihnen“, sagte er.
Dann drehte er sich um und ging.
Eli war noch wach, als Rafferty ins Haupthaus zurückkehrte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er.
Rafferty hängte seinen nassen Hut und den Regenmantel auf und ging in die Küche. „Nicht ganz.“ Er nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und öffnete die Flasche.
Dann trank er einen großen Schluck. „Die Brücke ist überflutet, was wir wegen des Nebels erst im letzten Moment gesehen haben. Beim Rückwärtsfahren ist die Frau im Schlamm stecken geblieben. Wir haben morgen früh also noch reichlich zu tun.“
Eli brauchte ein Weilchen, bis er alles verdaut hatte. „Und wo ist sie jetzt?“, fragte er schließlich.
So weit weg von mir wie unter den gegebenen Umständen nur möglich.
Rafferty trank noch einen Schluck Bier und versuchte zu verdrängen, wie unglaublich schön diese Jacey Lambert war. „In den Unterkünften des Kochs.“
Eli brauchte diesmal noch länger, um zu begreifen. Er musterte seinen Sohn missbilligend. „Du hast eine Lady in der Arbeiterbaracke untergebracht?“
Sogar noch schlimmer, dachte Rafferty. Eine schwangere Lady. Aber das brauchte sein Vater ja noch nicht zu wissen.
Rafferty zuckte die Achseln und ging zurück zum Kühlschrank, um sich etwas zu essen zu holen. Dabei versuchte er, nicht an Jacey Lamberts reife Madonnenfigur in durchnässtem Zustand zu denken.
In der Arbeiterbaracke war es schließlich warm, sie hatte zwei Decken, einen Stapel Laken und Handtücher, die Möglichkeit, warm zu duschen, und eine Reisetasche, in der sich mit Sicherheit trockene Kleidungsstücke befanden. Es ging ihr gut. Und falls nicht, war sie unter Garantie genauso fähig, die Arbeiter um Hilfe zu bitten, wie ihren Wagen in den Graben zu manövrieren. Und jetzt musste er schleunigst sie und alles andere, woran er noch immer nicht denken wollte, aus seinem Kopf verbannen.
„Sie wirkte ganz zufrieden“, sagte Rafferty. Hungrig verschlang er ein Stück Cheddar.
„Trotzdem gehört es sich nicht“, sagte Eli vorwurfsvoll.
Diese Reaktion hatte Rafferty schon erwartet. Dem Blick seines Vaters ausweichend, warf er die leere Bierflasche in den Müll. „Hör mal, sie war todmüde. Wahrscheinlich schläft sie schon. Und ich werde jetzt das Gleiche tun.“
„Wir reden morgen früh weiter“, sagte Eli scharf.
Von ihm aus. Hauptsache nicht jetzt. Nicht, wenn so viele unerwünschte Erinnerungen in ihm hochstiegen.
„Gute Nacht, Dad.“ Rafferty umarmte seinen Vater und ging zu seinem Zimmer.
Erst als er dort ankam, traf ihn der Verlust mit erneuter Wucht.
Doch statt seiner eigenen Familie sah er beim Ausziehen und Zähneputzen nur den weiblichen Eindringling vor seinem inneren Auge.
Sie hatte glänzendes dunkles Haar, eine oder zwei Nuancen dunkler als seines, das ihr sexy über die schlanken Schultern fiel. Leider war das nicht ihr einziger Pluspunkt. Ihre lebhaften Augen mit den vollen Wimpern waren nicht weniger faszinierend.
Gott sei Dank würde sie verschwinden, sobald er ihren Kombi aus dem Schlamm gezogen hatte.
Und je eher das passierte, desto schneller konnte er ihr fröhliches Lächeln und ihre grünen Augen vergessen.
Es musste nur endlich aufhören zu regnen!
Als Jacey am nächsten Morgen aufwachte, hatte sie Schmerzen – wie immer, wenn sie zu lange hinterm Steuer gesessen hatte. Außerdem meldete sich ihr Magen.
Sie schlug die Augen auf und wusste im ersten Moment nicht, wo sie sich befand.
Doch dann brachte ihr der aufs Dach prasselnde Regen das Unwetter der vergangenen Nacht in Erinnerung. Und ihren Retter mit dem schwarzen Hut.
Jacey kniff die Augen zu, um das Bild seines markanten Gesichts und seines durchtrainierten Körpers abzuschütteln.
Sie wusste selbst nicht, was sie an Rafferty Evans so attraktiv fand. Schließlich hatte sie schon jede Menge gut aussehender Männer mit dunklem Haar und leuchtend blauen Augen gesehen. Jedes Detail seines Gesichts für sich genommen war keineswegs bemerkenswert. Und dass jeder Zentimeter von ihm pure Männlichkeit, Kraft und Selbstsicherheit ausstrahlte und seine breiten Schultern so aussahen, als würden sie jede Frau vor dem heftigsten Sturm beschützen, war noch lange kein Grund, dass ihr Körper beim bloßen Gedanken an diesen Mann von Kopf bis Fuß kribbelte.
Aber leider war das ihre Reaktion. Nicht gut.
Ihr Volvo Kombi steckte noch immer im Schlamm fest. Und das in ihr heranwachsende Baby brauchte Nahrung.
Barfuß ging sie ins Badezimmer und zog ihren tannengrünen Umstandsrock und einen cremeweißen Pullover über. Da sie heute besonders gut aussehen wollte, trug sie sorgfältig Make-up auf und band ihr Haar zu einem wippenden Pferdeschwanz.
Sie schlüpfte in ihre braunen Lederschuhe mit Absatz, die in dieser Umgebung völlig fehl am Platze wirkten, und packte ihre Reisetasche. Dann öffnete sie die Tür zum Hauptraum und traute ihren Augen kaum.
Fünf Cowboys unterschiedlicher Größe und Alters starrten sie an. Anscheinend warteten sie auf irgendetwas. „Hi, ich bin Jacey Lambert.“ Verlegen streckte sie die Hand aus.
Der dünnste und längste von ihnen schüttelte ihr zuerst die Hand. „Ich bin Stretch.“
Es war nicht zu übersehen, warum man ihn so nannte.
„Und ich Curly.“ Ein Mann von Mitte zwanzig mit blonden Locken und Schlafzimmerblick folgte Stretchs Beispiel.
Anscheinend ist er der selbst ernannte Ladykiller der Truppe, dachte Jacey, als er ihre Hand etwas zu lange festhielt.
„Alle nennen mich Red“, sagte ein dritter.
Er sah aus wie höchstens neunzehn und hatte leuchtend rotes Haar und Sommersprossen.
„Ich bin Hoss“, sagte ein großer Typ mit rundem Bauch und Halbglatze. Wahrscheinlich hieß er so wegen der verblüffenden Ähnlichkeit mit dem gleichnamigen Charakter der Bonanza-Serie.
„Und ich heiße Gabby“, sagte der letzte.
„Wir freuen uns sehr, dass Sie hier sind“, fuhr er fort und schüttelte enthusiastisch ihre Hand.
„Stimmt. Wir hatten schon gar nicht mehr damit gerechnet, jemand Neues zu bekommen, und wir sind am Verhungern.“
Jacey hatte nicht die geringste Ahnung, wovon sie überhaupt sprachen. „Ehrlich gesagt geht es mir genauso“, sagte sie.
„Wir wissen, dass Sie gerade erst angekommen sind“, sagte Stretch und klopfte seinen vorgewölbten Bauch. „Könnten Sie sich vielleicht trotzdem erbarmen und uns Frühstück machen?“
Jacey blinzelte überrascht. „Jetzt sofort?“
„Ja.“ Die fünf zuckten die Achseln. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht?“
Jacey hielt es nur für angemessen, sich irgendwie für die Gastfreundschaft zu bedanken. „Klar“, antwortete sie lächelnd. „Sehr gern sogar.“
Rafferty entschied sich dagegen, zur Arbeiterbaracke zu fahren – der unerwartete Gast verschlief wahrscheinlich ohnehin den halben Vormittag – und fuhr zunächst zum Fluss. Die Betonbrücke stand komplett unter Wasser, und da der Regen noch immer vom Himmel strömte, war es nicht allzu wahrscheinlich, dass sie bald passierbar sein würde.
Rafferty war sich der Bedeutung dieser Tatsache vollauf bewusst, als er zurück zum Pick-up marschierte. Auf dem Rückweg zur Ranch kam er an dem roten Kombi vorbei, dessen rechte Reifen bis über die Schutzkappen im schlammigen Graben steckten.
Noch dazu schien der Wagen bis obenhin mit Küchenutensilien, einem Kinderwagen und einer Babyschale vollgestopft zu sein. Es würde ein hartes Stück Arbeit werden, den überlasteten Wagen rauszuziehen, aber die Alternative, all diese Habseligkeiten aus- und dann wieder einzuladen, war auch nicht gerade verlockend.
Kurz entschlossen fuhr Rafferty zur Arbeiterbaracke.
Beim Anblick der erleuchteten Fenster hellte seine Stimmung sich etwas auf. Offensichtlich waren die Männer schon auf den Beinen.
Rafferty schüttelte das Wasser vom Regenmantel und trat ein, blieb jedoch angesichts der Szenerie vor sich wie angewurzelt stehen. Stretch deckte gerade den Tisch, Curly schenkte Kaffee ein und Red, Gabby und Hoss stellten Schüsseln mit dampfendem und köstlich duftendem Essen auf den Tisch. So etwas hatten sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr vorgesetzt bekommen.
Und mittendrin war Jacey Lambert.
Sie sah womöglich noch hübscher aus als in der Nacht zuvor. Ihre Wangen waren gerötet – ob von der Hitze des Herds oder den hingerissenen Blicken der Männer um sie herum, konnte Rafferty nicht erkennen.
„Hey Boss!“, rief Stretch.
„Ich hole dir einen Teller.“ Red eilte davon.
„Mann, riecht das lecker!“ Hoss schob Jacey einen Stuhl zum Kopfende des Tisches.
Noch mehr errötend, murmelte sie einen Dank und setzte sich so anmutig hin, wie ihr Babybauch es erlaubte.
Rafferty spürte, wie sich etwas in ihm regte. Hastig verdrängte er das Gefühl.
„Wir hätten nicht gedacht, so schnell wieder eine Köchin zu bekommen“, sagte Curly und nahm sich eine großzügige Portion Rührei mit Tortillastreifen, Peperoni und Cheddarkäse.
Er reichte die Schüssel an Jacey weiter, während die anderen sich Bratkartoffeln, Kekse und Bratäpfel auf die Teller luden.
Gabby sprach ein kurzes Tischgebet, und dann aßen sie andächtig.
Zu Raffertys Leidwesen war das Essen mindestens genauso lecker, wie es aussah. Er warf Jacey einen neugierigen Blick zu. „Sind Sie etwa Köchin?“
Sie hob die Augen zu ihm und schüttelte den Kopf. „Ich bin eigentlich Immobilienverwalterin. Das heißt … ich war es bis vor Kurzem noch. Kochen macht mir einfach Spaß.“
„Kein Wunder“, sagte Gabby charmant. „Sie sind nämlich verdammt gut.“
„Danke.“
„Und genau deshalb sind wir auch so froh, Sie hier zu haben“, fügte Stretch hinzu.
Rafferty konnte an Jacey Lamberts Lächeln erkennen, dass sie keine Ahnung hatte, wovon die Männer sprachen. Dann musste er jetzt wohl oder übel die unangenehme Aufgabe übernehmen, ihnen ihre Illusionen zu rauben. „Jacey ist nicht die neue Köchin“, sagte er.
Verständnislos starrten die Arbeiter ihn an.
Rafferty stieß einen leisen Fluch aus und versuchte es noch einmal. „Ich habe sie nicht angeheuert. Sie arbeitet hier nicht.“
„Warum schläft sie dann hier?“, fragte Hoss verwirrt.