Colts und Kugeln - 7 wüste Western November 2019: Wildwest Sammelband 7014 - Pete Hackett - E-Book

Colts und Kugeln - 7 wüste Western November 2019: Wildwest Sammelband 7014 E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Western: John F. Beck: Apachenwüste John F. Beck: Der Silberbaron von Whitehill John F. Beck: Die Rache der Clayton-Brüder Glenn Stirling: Teufelskerl Jimmy Copper Jasper P. Morgan: Die sündige Falle Pete Hackett: Stirb! Pete Hackett: Goldrausch am Rio Bonito Der mächtige Wade Denver betreibt florierende Geschäfte an der Grenze zwischen Mexiko und Arizona: Waffen, Mädchen, alles, was man für Geld kaufen kann. Als Denver den Vater von Tom und Jack Clayton ermorden lässt, um sich dessen Ranch unter den Nagel zu reißen, macht er sich mächtige Feinde. Der Berufsspieler und der ehemalige Sheriff waren einst als Revolvermänner gefürchtet. Doch heute regiert der Hass zwischen ihnen, weil Tom von seinem Bruder ins Gefängnis gesteckt wurde. Alleine die Sorge um ihren jüngeren Bruder Sid, der für Denver arbeitet, schweißt die beiden zusammen. Doch Denvers Schießer lauern überall, und dann ist da auch noch Scarface-Jim, der versucht, die beiden Claytons für seine eigenen finsteren Pläne gegeneinander auszuspielen. Über Arizona zieht ein bleihaltiges Gewitter auf …

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Seitenzahl: 943

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Pete Hackett, John F. Beck, Glenn Stirling, Jasper P. Morgan

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Inhaltsverzeichnis

Colts und Kugeln - 7 wüste Western November 2019: Wildwest Sammelband 7014

Copyright

Apachenwüste

Der Silberbaron von Whitehill

Die Rache der Clayton-Brüder

Teufelskerl Jimmy Copper

Die sündige Falle

​Stirb!

​Goldrausch am Rio Bonito

Colts und Kugeln - 7 wüste Western November 2019: Wildwest Sammelband 7014

John F. Beck, Glenn Stirling, Pete Hackett, Jasper P. Morgan

Dieser Band enthält folgende Western:

John F. Beck: Apachenwüste

John F. Beck: Der Silberbaron von Whitehill

John F. Beck: Die Rache der Clayton-Brüder

Glenn Stirling: Teufelskerl Jimmy Copper

Jasper P. Morgan: Die sündige Falle

Pete Hackett: Stirb!

Pete Hackett: Goldrausch am Rio Bonito

Der mächtige Wade Denver betreibt florierende Geschäfte an der Grenze zwischen Mexiko und Arizona: Waffen, Mädchen, alles, was man für Geld kaufen kann. Als Denver den Vater von Tom und Jack Clayton ermorden lässt, um sich dessen Ranch unter den Nagel zu reißen, macht er sich mächtige Feinde. Der Berufsspieler und der ehemalige Sheriff waren einst als Revolvermänner gefürchtet. Doch heute regiert der Hass zwischen ihnen, weil Tom von seinem Bruder ins Gefängnis gesteckt wurde. Alleine die Sorge um ihren jüngeren Bruder Sid, der für Denver arbeitet, schweißt die beiden zusammen. Doch Denvers Schießer lauern überall, und dann ist da auch noch Scarface-Jim, der versucht, die beiden Claytons für seine eigenen finsteren Pläne gegeneinander auszuspielen. Über Arizona zieht ein bleihaltiges Gewitter auf …

Copyright

COVER WERNER ÖCKL

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER DIETER ROTTERMUND

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Apachenwüste

Ein Western von John F. Beck

IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author / Cover 2019: Werner Öckl

© dieser Ausgabe 2019 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Eigentlich hatte ich nichts weiter im Sinn gehabt als ein kühles Bier, ein Bad und ein weiches Bett, in dem ich mich ausstrecken konnte, ohne dauernd den Colt in Griffweite zu haben. Dann hatte ich nach El Paso weiterreiten und mir einen Job besorgen wollen. Statt dessen lag ich nun hier, mitten in der heißesten „Apachenwüste“, die Winchester in den Händen, entschlossen, mich bis zum letzten Atemzug meiner Haut zu wehren. Die Krieger, die da auf mich losdonnerten, ließen mir keine andere Wahl. Und alles nur, weil ich wieder mal den Helden spielen wollte – und weil ich glaubte, dass ich einer Frau namens Susan Shannon noch etwas schuldig war, weil ich ihren Mann Lee bei einem Pokerspiel in Notwehr hatte erschießen müssen. Jetzt steckte ich deswegen selbst verdammt tief in der Klemme. Denn die Apachen hatten es auf meinen Skalp abgesehen!

Kurz vor Mitternacht raste Hufgetrommel die einzige Straße von San Simon herab. Es verstummte vor Baxters Saloon. Ich fächerte gerade mein Pokerblatt auseinander. Doch die Karten interessierten mich nun nicht mehr. Denn die Tür flog auf, und ein Mann stampfte herein, der aussah, als hätte die Hölle ihn schon gehabt und wieder ausgespuckt. Er war groß und breitschultrig. Eine Kruste aus Schweiß und Staub bedeckte sein bärtiges Gesicht. Der rötliche Staub der Wildnis lag auch auf seiner fransenverzierten Lederkleidung. Ein Kugelloch „zierte“ seine Hutkrempe, und um seinen linken Oberarm war ein blutgetränkter Verband gewickelt.

Meine drei Mitspieler ließen ebenfalls die Karten sinken und beobachteten, wie der Fremde zwischen den qualmumnebelten Tischen zur Theke stiefelte. Seine Stahlsporen klirrten. Gleich darauf war er von Männern umlagert. Fragen schwirrten durcheinander. Aber er leerte erst einmal durstig das volle Glas, das der Keeper ihm hinschob. Dann schnappte ich etwas von „Apachen“ und „verdammt eilig“ auf. Das machte mich hellhörig. Bevor ich jedoch zu weiteren Überlegungen kam, riss Shannons Stimme mich aus meinen Gedanken. Sie klang gereizt und ungeduldig.

„Du bist dran, Callahan! Weiter, verdammt noch mal, mach deinen Einsatz, Mann!“

Lee Shannon saß mir gegenüber an dem runden Tisch neben dem Treppenaufgang. Rechts von mir war Jake Meritt, der junge Mietstallbesitzer. Links hockte der glatzköpfige, schweratmige Cal Fletcher, dem der Store gehörte. Shannons Augen funkelten in dem tiefgebräunten, eigentlich recht gut geschnittenen Gesicht. Das schwarze Haar hing ihm schweißfeucht in die Stirn. Seine Mundwinkel waren verkniffen. Er war Ende Zwanzig. Ein großer, drahtiger Bursche, der irgendwo draußen in den Hügeln westlich von San Simon eine eigene kleine Ranch besaß. Es war ein unwirtliches Gebiet, das hier allgemein nur „die Apachenwüste“ genannt wurde.

Shannon machte mir Sorgen. Nicht nur, weil er seinen Revolver tiefer geschnallt trug als alle anderen Männer, denen ich in diesem einsam gelegenen Nest begegnet war. Er hatte an diesem Abend schon eine Menge getrunken. Und vor allem: er war dauernd am Verlieren. Er hatte nun schon an die zweihundert Dollar verspielt. Für einen Smallrancher war das ein Haufen Geld, und die Hälfte davon war an mich gegangen. Statt endlich aufzuhören, schien Shannon entschlossen, sein Glück so oder so zu zwingen.

Ich verwünschte schon meine Idee, mir den sonst langweiligen Abend hier am Pokertisch zu vertreiben. Ich war keineswegs das, was man einen leidenschaftlichen Spieler nannte. Klar, ich konnte das Geld gebrauchen. Gerade jetzt, wo es noch einige Zeit dauern würde, bis ich drüben in El Paso einen neuen Job bekam. Aber auch tausend Dollar waren mir den Verdruss nicht wert, auf den das Ganze hinauslaufen würde, wenn nicht irgend etwas geschah.

Ich war deshalb nicht besonders scharf darauf, weiterzuspielen. Doch Shannons glühender Blick verhieß mir die Hölle, wenn ich jetzt auf den Gedanken kam, auszusteigen. Dieser Hitzkopf wartete nur auf einen Grund, mir an die Kehle zu fahren. In seinen Augen war ich ja nur ein Satteltramp, der von irgendwoher kam und der irgendwohin reiten wollte. Einer, nach dem kein Hahn krähen würde, wie er wohl dachte. Lustlos setzte ich fünf Dollar. Ich hatte zwei Paare und ein Ass, aber ich war entschlossen zu passen, wenn die anderen weiterboten. Da stockte das Spiel abermals.

Der Bärtige mit der verstaubten Fransenjacke kam von der Theke zu uns herüber. Aus der Nähe waren die dunklen Linien in seinem Gesicht trotz der Staubmaske deutlich zu erkennen. Eine scharfe Ausdünstung nach Schweiß und Pferd umgab ihn.

„Meritt?“, fragte er rau.

Der schlanke Mietstallbesitzer lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Das bin ich.“

„Der Keeper sagt, ich würd’ ein frisches Pferd bei Ihnen kriegen. Meins schafft keine halbe Meile mehr. Bin geritten wie der Teufel und muss, so schnell es geht, wieder in den Sattel. Mein Name ist Joe Wilburn. Meldereiter aus Fort Thomas. Hab ’ne Botschaft für die Burschen in Fort Bowie. Bis morgen früh soll ich dort sein.“

Meritt pfiff durch die Zähne. „Da haben Sie sich allerhand vorgenommen, Wilburn! Ärger mit den Apachen?“

„Kann man wohl sagen!“, grinste der bärtige Kurier. Er nahm den Stetson ab und steckte einen Finger durch das Loch in der Krempe. „Mehrere Banden sind kürzlich aus der San Carlos Reservation abgehauen. Wahrscheinlich steckt wieder mal Geronimo dahinter. Jedenfalls ist seitdem kein Weißer mehr seines Lebens sicher in den Hügeln da draußen. Verdammte Sauerei ist das! Wenn ich Ihnen ’nen Rat geben darf, Gents, dann rühren Sie sich nur ja nicht aus der Stadt hier weg!“

„Ist denn die Armee nicht längst hinter den Kerlen her?“

„Gewiss! Nur ein halbes Hundert in alle Winde versprengter Apachen einzufangen, ist nicht gerade ein Kinderspiel. Da ist es fast noch leichter, ’nen Sack voll Flöhe zu hüten. Die sind verschwunden, als hätt’ der Erdboden sie verschluckt. Alles, was wir in Fort Thomas wissen, ist, dass ein paar von ihnen ’nen Goldsuchertrupp drüben am Rand der Santa Teresa Mountains geschnappt haben. Fünf skalpierte und bis aufs Hemd ausgeplünderte Tote! Und wenn Sie mich fragen, Gents: Das ist erst der Anfang einer verdammt blutigen Rechnung, die uns die roten Burschen da aufmachen! Die sind zwar schlecht ausgerüstet und haben nicht mal genug Gäule, aber das wird sie nicht hindern, zwischen den White Mountains und der Mexiko-Grenze in nächster Zeit den Deckel der Hölle aufzustoßen!“

Er stülpte sich schwungvoll den Hut aufs verfilzte Haar. „Mich hätten sie beinahe droben am Wolf Mountain erwischt. Plötzlich waren sie da. Vier Mann. Zum Glück hat nur einer ein Gewehr gehabt, und ihre klapprigen Ponys haben mit meinem braven Grauen nicht mithalten können. Weiß der Satan, ob ich sonst hier stehen würde!“

„Am Wolf Mountain?“, krächzte der dicke Fletcher erschrocken. „Teufel, das ist aber nah!“

„Sag ich ja, Mister! Bleiben Sie bloß in der Stadt! Schätze, dass in den nächsten Wochen nicht mal mehr ’ne Postkutsche durchkommt, höchstens unter Armeeschutz. Aber wie steht’s nun? Krieg’ ich ein Pferd, Meritt? Selbstverständlich kommt die Armee dafür auf.“

„Klar doch, sofort!“ Meritt wollte seinen Stuhl zurückschieben und aufstehen, da rief Shannon: „Erst das Spiel, Jake! Pablo macht das schon. Der braucht dich doch auch sonst nicht, wenn jemand sich ein Pferd leiht.“

Meritts Kopf zuckte herum, seine Miene spannte sich, und plötzlich stand die Feindschaft deutlich zwischen diesen beiden Männern. „Zum Teufel mit den Karten, Lee, nach allem, was Wilburn uns da eben erzählt hat!“

„Wieso denn? Wir sind mitten im Spiel, und ich hab knapp zweihundert Bucks verloren. Die will ich zurückgewinnen. Jetzt, Jake, nicht irgendwann! Denn so ein Blatt, wie ich es grade hab, bekommt man nicht alle Tage in die Hand!“

Er grinste zwar, aber in seinen dunklen Augen brannte eine wilde Herausforderung.

Meritt presste die Lippen zusammen. Eine Falte erschien zwischen seinen Brauen. Da mischte sich ein schnauzbärtiger Typ ein, der dem Meldereiter gefolgt war.

„Wenn’s dir recht ist, Jake, erledige ich das und sag Pablo Bescheid.“

„Danke, Tom!“, murmelte Meritt, den Blick noch starr auf den etwa gleichaltrigen Smallrancher gerichtet. „Kannst dir nachher einen Drink dafür genehmigen. Sag Pablo, er soll Wilburn den Falben mit der Stirnblesse geben. Der ist schnell und ausdauernd dazu. Wilburn kann natürlich auch jeden anderen Gaul haben, den er will. Außerdem soll Pablo sich dann auch gut um Wilbums Armeepferd kümmern. Wenn Sie mögen, Wilburn, trinken Sie auch noch einen Whisky auf meine Rechnung.“

„Werd’ auf dem Rückweg dran denken“, versprach der Bärtige grinsend. „Wie gesagt, ich hab’s verflixt eilig.“ Er legte zwei Finger an den Hut. „Viel Spaß noch, Gentlemen!“

Ich nickte ihm zu, und Meritt rief noch „Viel Glück auf dem Trail!“, dann waren wir wieder unter uns. Ringsum kam keine rechte Stimmung mehr auf. Die Gäste sprachen aufgeregt durcheinander. Wilburns Nachricht war ihnen gehörig in die Knochen gefahren. Allein das Wort „Apache“ wirkte auf die meisten Bewohner dieses Teils von Arizona sowieso schon wie ein rotes Tuch.

Auch Meritt war die Lust am Pokern restlos vergangen. Als ich passte, schloss er sich an. Shannon trieb den Einsatz auf fünfzig hoch, und Fletcher ging mit. Das Resultat war, dass Lee Shannon zum erstenmal nach über zwei Stunden mit triumphierendem Grinsen einen ansehnlichen Pott kassierte.

„Na, das war’s dann wohl für heute!“, seufzte der dicke Storekeeper. Ich steckte mein gewonnenes Geld ein, und Meritt trank seinen Whisky aus.

Shannon versteifte sich. „Ihr wollt doch nicht etwa schon aufhören!“, sagte er scharf.

Fletcher zögerte. Ich dachte schon, nun würde es doch an mir hängen bleiben, für reinen Tisch zu sorgen. Da meinte Meritt betont: „Ich denke, es wird Zeit, dass du dich auf die Socken machst, Lee. Es ist ein verteufelt weiter Weg zum Little Owl Creek hinaus.“

Einen Moment glaubte ich, Shannon würde gleich aufspringen und den Revolver ziehen. Verdammt, was war nur los mit den beiden? Den halben Abend spürte ich schon die Spannung zwischen ihnen, obwohl jeder so getan hatte, als würde ihn bloß das Spiel interessieren. Fletcher schwitzte, wagte jedoch nicht, seinen Platz zu verlassen. Er wusste offenbar Bescheid und war auf das Schlimmste gefasst.

Shannon legte die Karten, die er ergriffen hatte, langsam auf den Tisch zurück. Er lächelte angestrengt.

„Du weißt doch, Jake, dass ich ein Zimmer drüben in Claymores Hotel hab. Wie kommst du da auf die Idee, dass ich heute Nacht noch San Simon verlasse? Du wirst es nicht glauben, Jake, aber es gefällt mir hier. Sogar jetzt noch, nachdem ich fast zweihundert Dollar beim Pokern verloren hab. Aber so ist das nun mal, wenn man nur einmal im halben Jahr in die Stadt kommt. Da wird sogar aus einem Kaff wie San Simon ein halbes Paradies. Außerdem bin ich hier mit ’nem alten Freund verabredet. Tate Haskin. Erinnerst du dich? Damals, als Kirkland seine Ranch in der ,Apachenwüste' aufgebaut hat, war er auch mit von der Partie. Nein, Jake, ich seh’ beim besten Willen nicht ein, weshalb ich auf einmal schon wieder von hier verschwinden soll. Kannst du mir etwa einen Grund nennen?“

Die ganze Zeit saß Meritt wie auf glühenden Kohlen. Er starrte Shannon halb ungläubig und betroffen und halb mit zunehmender Verbitterung an. Nun explodierte er.

„Mein Gott, wie kannst du bloß dasitzen und so reden, als würden draußen am Little Owl Creek nur ein paar Kühe auf dich warten! Das Leben deiner Leute hängt womöglich davon ab, dass du rechtzeitig zurück bist! Und du ...“

Er verstummte, als er merkte, dass er so nur das Gegenteil erreichte, nämlich eisige Ablehnung. Beschwörend beugte er sich vor. „Lee, du glaubst doch nicht etwa, Wilburn hat uns vorhin nur ein Märchen erzählt!“

Shannon reagierte mit einem Achselzucken. „Soviel ich weiß, ist der Wolf Mountain ein ganzes Stück von meiner Ranch entfernt. Und zur Reservationsgrenze ist es noch weiter.“

„Nicht weit genug, dass du sicher sein kannst, da draußen keinen Ärger mit den Rothäuten zu bekommen! Menschenskind, Lee, Susan und dein alter Vater sind nicht nur allein auf der Ranch, sondern auch völlig ahnungslos! Wenn du nicht ...“

„Das langt, Jake!“, unterbrach Shannon ihn heftig. „Das fehlt noch, dass ausgerechnet du mir sagst, was ich zu tun und zu lassen hab! Zur Hölle damit!“

„Jeder hier im Saloon weiß, dass ich recht habe! Nur haben die meisten Angst vor deinem schnellen Schießeisen. Deshalb halten sie lieber den Mund. Aber sie tun dir nichts Gutes damit. Fletcher, zum Teufel, sag wenigstens du etwas!“

Der Dicke fuhr zusammen, schluckte und keuchte dann: „Ich will nichts damit zu tun haben! Das geht mich nichts an! Shannon muss selber wissen, was er tut!“

Hastig stand er auf, warf fast sein Glas um und entfernte sich watschelnd in Richtung Theke.

Shannon lachte spöttisch. Er blickte mich an. Da war wieder dieses verteufelte Funkeln in seinen Augen. Sein Schnapsatem wehte über den Tisch. „Mach dir nichts draus, Callahan. Ich habe nicht vergessen, dass du mir noch Revanche schuldest. Los, Pokern wir weiter!“

Nun war es Meritt, der gute Lust zu haben schien, hochzuschnellen und sich auf ihn zu stürzen. „Lee!“, keuchte er. „Wenn du unbedingt dein Geld zurück willst - die siebzig Dollar, die du an mich verloren hast, kannst du haben. Ich will nur ...“

„Denkst du, ich kann’s mir nicht leisten, zweihundert Bucks zu verlieren? Und wenn, Jake - was geht’s dich an? Ich pfeif auf dein Almosen!“

„Lee, begreif doch, es geht nicht um ...“

„Ich will dir sagen, worum es geht!“, zischte Shannon wütend. „Es geht immer noch nur um eine Sache: Du kannst dich nicht damit abfinden, dass Susan sich damals nicht für dich, sondern für mich entschieden hat! Ausgerechnet mich hat sie genommen, den Hungerleider, den armseligen Drei Kühe-Rancher! Das bin ich doch in deinen Augen, Jake, oder nicht? Diese Entscheidung von Susan wirst du wohl nie verdauen! Das ist auch der Grund, weshalb du Stunk mit mir suchst. Also, Jake, du kannst ihn haben, wenn du unbedingt willst!“

*

An den Nachbartischen wurde es still nach diesen laut hervorgestoßenen Worten. Der hagere Keeper schaute besorgt herüber. Eine ölige Schweißschicht glänzte auf Meritts schmalem Gesicht. Seine Stimme war tonlos.

„Du verdrehst alles, Lee. Ich suche keinen Streit. Du sollst nur kapieren, wie sehr es auf jede Stunde ankommt, die du hier verplemperst! Susan und dein Vater ...“

„Hör endlich auf, so zu tun, als wollte ich sie kaltblütig den Apachen opfern!“, fauchte Shannon. „Übertreib die Gelegenheiten nur nicht, mich zum Bösewicht zu stempeln! Irgendwann könnte das schlimm für dich ausgehen, Jake! Und was die paar jämmerlichen Rothäute betrifft, die aus San Carlos abgehauen sind: Die werden genug damit zu tun haben, auf dem schnellsten Weg nach Mexiko zu verduften. Dass Wilburn mit vieren von denen zusammengerasselt ist, bedeutet noch lange nichts. Im Gegenteil. Das beweist doch nur, dass die bei weitem nicht so gefährlich sind. Sonst hätten sie ihn wohl geschnappt, glaubst du nicht? Aber die sind ja nicht mal richtig bewaffnet, wie du gehört hast. Und ihre Gäule sollen lahme Krücken gewesen sein. Wegen dieser Burschen willst du mich zum Schwitzen bringen? Dass ich nicht lache!“

Vielleicht hätte Shannon nicht so dummes Zeug verzapft, wenn ihm nicht ausgerechnet Meritt ins Gewissen geredet hätte. Eigentlich konnte ja nur ein Mann, der von den Apachen keine Ahnung hatte, die Gefahr, die von ihnen drohte, mit solcher Leichtfertigkeit abtun. Ein alter Mann und eine junge Frau mutterseelenallein auf einer Ranch irgendwo da draußen in den Hügeln! Schon bei dieser Vorstellung bekam ich ein Kribbeln im Genick. Ändern erging’s wohl ähnlich. Ein Murren und Raunen kam vom Nebentisch. Damit hatte es sich aber schon. Offenbar besaß Shannon tatsächlich den Ruf eines Mannes, mit dem „nicht gut Kirschen essen“ war.

Meritt schüttelte den Kopf. Ehe er wieder etwas sagen konnte, hieb Shannon zornig die Faust auf den Tisch. „Was willst du eigentlich, Jake? Mich fortekeln? Mir Angst einjagen? Das schaffst du nicht! Kirkland ist ein guter Nachbar, und auf seiner Ranch finden Susan und mein Old Man jederzeit Unterschlupf, wenn’s mal nötig wird. Die paar Meilen zwischen seiner und meiner Ranch sind doch nur ein Klacks!“

„Nicht, wenn die Apachen kommen!“

Shannon lachte verzerrt. Wahrscheinlich schürte es seine Wut, weil er sich überhaupt auf eine Rechtfertigung eingelassen hatte. „Die haben da draußen am Little Owl Creek nicht die geringste Chance! Kirklands Reiter sind Tag und Nacht unterwegs. Gegen diese Raubeine kommt nicht mal Geronimo mit seinen Kriegern an. Ich muss es ja wissen. Ich bin schließlich selber in paar Jahre lang in Kirklands Crew geritten. Und ohne Kirklands Nachbarschaft hätte ich mich auch nie allein am Little Owl Creek angesiedelt. Auch das weißt du sehr genau, Jake! Dir passt nur nicht, dass Susan so weit draußen ist. Du kapierst verdammt schwer, dass sie jetzt meine Frau ist. Der Teufel soll dich holen, wenn du sie dir nicht endlich aus dem Kopf schlägst, Mann!“

Die Worte hallten wild durch den verräucherten Raum. Totenstille folgte. Niemand rührte sich. Meritt war aschfahl. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. Es war fast ein Flüstern. Dennoch war er bis in den entferntesten Winkel zu verstehen.

„Du taugst viel weniger, als ich je für möglich gehalten hab’, Lee! Nicht mal dein Vater ...“

Shannons Stuhl knallte auf die Bretter, so jäh federte der schwarzhaarige Mann hoch. Gleichzeitig zog er. Sein Gesicht war hassverzerrt. Whisky und Wut waren von jeher ein explosives Gemisch, und ich bezweifelte nicht, dass er tatsächlich schießen wollte. Meritts Hände lagen noch auf dem Tisch. Er hatte keine Chance.

„Lee!“, schrie irgendwo eine entsetzte Stimme. Doch ebenso hätte man versuchen können, eine Büffelstampede mit Zurufen zu stoppen. Da gab’s nur eins. In dem Augenblick, bevor Shannon abdrückte, schleuderte ich ihm die noch halbvolle Whiskyflasche ins Gesicht. Ein Volltreffer! Mit einem heiseren Aufschrei prallte Shannon zurück. Sein Revolver krachte.

Die Kugel hieb mehrere Yards hinter Meritt in einen Stützpfosten. Ein Mann, den das Blei nur knapp verfehlte, fluchte erschrocken. Ich wartete lieber nicht ab, wie Shannon auf meine Einmischung reagieren würde. Ich sauste hoch, und ehe er die Waffe wieder auf Meritt oder mich richten konnte, pfefferte ich ihm die geballte Rechte ans Kinn. Damit war die Sache entschieden. Shannons Beine knickten durch. Er sank auf die Knie, starrte mich noch glasig an, ließ dann den Sechsschüsser fallen und kippte nach vorn.

Alles war blitzschnell gegangen. Ich hatte noch das Dröhnen der Detonation in den Ohren. Mit einem Druck in der Kehle blickte ich auf die schlaffe, nun friedliche Gestalt. Das war höllisch knapp gewesen! Für mich ebenso wie für Meritt! Ich rieb die schmerzenden Knöchel meiner rechten Faust, während mich alle anstarrten.

Wie einen Verurteilten, der die Stufen zum Galgen hinaufgezerrt wird! schoss es mir durch den Kopf. Plötzlich hatte ich eine Ahnung, dass hier nicht eben etwas zu Ende gegangen war, sondern gerade erst anfing. Etwas, was eine Menge Verdruss für mich bedeutete! Shannon war verflixt schnell mit seiner Kanone gewesen, und ganz bestimmt war dieser Mann nicht nur im Rausch gefährlich ...

Meritt trat zu mir. Er sah noch ziemlich blass um die Nase aus. „Er muss den Verstand verloren haben, dass er das versucht hat! Du lieber Himmel, ich hab’ nicht mal ’ne Waffe bei mir! Callahan, ich weiß nicht, wie ich mich bedanken soll.“

„Am besten gar nicht!“ Ich versuchte zu grinsen.

„Bringt ihn ’raus!“, rief der Keeper besorgt. „Wenn der aufwacht, und Meritt und Callahan sind noch da, geht alles von vorn los! Schafft ihn auf sein Hotelzimmer und nehmt ihm den Revolver weg, bis er wieder nüchtern ist!“

Ich hatte meine Zweifel am Erfolg dieses Rezepts. Aber die Männer drängten nun von allen Seiten heran. Raue Stimmen brandeten durch den Saloon. Meritt fasste mich am Arm. „Kommen Sie, Callahan! Brauchen Sie jetzt nicht auch einen Schluck?“

Und ob! Aber ich nickte nur.

*

Meritt war nicht da, als ich am nächsten Tag staubbedeckt und von der Sonne ausgedörrt aus den Hügeln zurückkam. Pablo, der für den Mietstall zuständig war, nahm mir schweigend das Pferd ab. Meine Rückkehr schien für ihn die selbstverständlichste Sache der Welt zu sein. Er war ein reinblütiger Pima-Apache. Einer von den wenigen, die seit langem getauft und „zivilisiert“ waren. Er steckte in einem verschlissenen, ehemals weißen Leinenanzug, wie ihn auch die mexikanischen Peones trugen. Sein Alter war unbestimmbar. Sein breitknochiges, zerfurchtes Gesicht war ewig ausdruckslos. Ein paar graue Strähnen durchzogen sein Haar, das unter seinem verbeulten Hut hervorquoll. Um den Hals trug er eine Kette mit einem kleinen Messingkreuz. Ein Andenken an die Padres, die ihn aus seiner Welt in die ihre geholt hatten. Mit dem Ergebnis, dass er nun in keiner von beiden mehr richtig zu Hause war.

„Richte Meritt aus, dass ich im Saloon bin und ihn sprechen möchte“, sagte ich zu ihm. Ein wissender Ausdruck war in seinen Augen. Er nickte nur und führte meinen Braunen in die Box.

Ich dachte wieder an die Spur eines unbeschlagenen Pferdes, die ich nur vier Meilen von der Stadt entfernt in einer Senke gefunden hatte. Vier Meilen, das war ein Katzensprung von hier. Grund genug, meinen Ritt nach El Paso noch eine Weile aufzuschieben. Ich war kein Feigling, aber ebensowenig hatte ich den Ehrgeiz, mich in der Gegend zwischen San Simon und der Grenze von New Mexiko als einsamer Indianerkämpfer hervorzutun. Dafür war mir erstens mein Skalp zu kostbar, und zweitens war dieser verfluchte Kleinkrieg, den die Armee seit Jahren und Jahrzehnten mit den Ureinwohnern dieses Landes führte, nicht mein Krieg.

Außerdem war ich der Meinung, dass die Bewohner von San Simon Bescheid wissen sollten. Ein Rudel versprengter Apachen würde zwar keinen Angriff auf die Stadt riskieren. Doch wenn es stimmte, dass die Rothäute schlecht bewaffnet waren und Pferde brauchten, dann konnte es immerhin sein, dass Fletcher oder Meritt eines Nachts ungebetenen Besuch bekamen. Das wollte ich dem Mietstallbesitzer sagen. Er konnte dann die anderen warnen.

Zuerst einmal war ich hungrig und durstig. Dazu konnte ich es kaum erwarten, den Staub loszuwerden, den ich wie eine zweite Haut mit mir herumschleppte. Mein Ziel war Baxters Saloon. Tagsüber war der Betrieb hier gleich Null. Ich hatte nichts dagegen. Ich konnte nur davon profitieren, dass ich Baxters einziger Gast war. Als ich dann frischgebadet, mit einem sauberen Hemd und rundum satt an einem der Saloontische saß, sah die Welt gleich wesentlich freundlicher aus. Endlich! dachte ich, als ich die Schritte auf dem Vorbau hörte. Ich erwartete, dass nun Meritt hereinspazieren würde.

Weit gefehlt! Es gab mir einen Stich, als Shannon plötzlich in der offenen Tür stand. Mit zusammengekniffenen Augen durchsuchte er den Raum. Prompt blieb sein Blick an mir hängen. Übrigens war er nicht allein. Ein sehniger, adlernasiger Typ mit einer Krähenfeder am Hut und ebenfalls tiefgeschnalltem Revolver tauchte hinter ihm auf. Die Art, wie er grinste, war mir nicht gerade sympathisch. Etwas Hungriges, Ruheloses war in seinem Blick. Wahrscheinlich war das jener Tate Haskin, mit dem Shannon hier verabredet war. Er hatte es gestern erwähnt.

Der Keeper machte ein erschrockenes Gesicht. Seine Hände verschwanden unter der Theke. Bestimmt lag dort die obligate Schrotspritze mit den abgesägten Läufen. Shannon nahm jedoch keine Notiz von ihm. Zwei, drei Sekunden starrten wir uns an. Dann gab Shannon sich einen Ruck. Mit verkniffenem Lächeln kam er auf mich zu. Natürlich steckte sein Sechsschüsser wieder in der tiefhängenden, bei jedem Schritt schaukelnden Halfter.

Ich schob den leeren Teller zur Seite und lehnte mich zurück. Heute früh hatte ich noch gehofft, diesen schwarzhaarigen, wildäugigen Kerl nie wiederzusehen. Es war schon ein verdammt starkes Stück, dass er sich noch immer in der Stadt aufhielt. Gestern war er ja angetrunken und vom Spielfieber gepackt gewesen. Aber spätestens bei Sonnenaufgang hätte er im Sattel sitzen und unterwegs zu seiner Ranch am Little Owl Creek sein müssen.

„Ich will hier keinen Ärger mehr, Lee!“, rief Baxter nervös. „Sei vernünftig!“

„Wieso Ärger?“, stellte Shannon sich dumm. Sein Lächeln war wie eingemeißelt, sein Blick an mir festgebrannt, während er unbeirrt weiterging. „Keine Ahnung, von was du redest, Sam!“

Dann blieb er vor meinem Tisch stehen. „Ich will nichts weiter als die Poker-Revanche, die Callahan mir schuldet. Mein gutes Recht. Nicht wahr, Callahan? Du hast doch hoffentlich nichts dagegen, dass mein Freund Tate mit von der Partie ist.“

„Epst brauch’ ich einen Drink!“, rief der andere, der zur Theke stiefelte. „Whisky, Keeper! Vom besten, den du hast!“

Eine Münze schepperte. Das Ganze lief wie einstudiert. Darüber konnte mich auch Shannons Lächeln nicht wegtäuschen. Seine Augen verrieten ihn. Der blanke Hass glühte in ihnen. Die Revanche, die er wollte, betraf bestimmt nicht nur sein im Spiel verlorenes Geld! Baxter blieb keine Wahl, als die Hände von seiner Schrotflinte zu nehmen und dem Adlernasigen einen Drink einzugießen.

Ich schüttelte den Kopf, als Shannon nach einer Stuhllehne langte und sich setzen wollte. „Nicht jetzt, nicht hier.“

Darauf hatte er nur gewartet. Ein Aufblitzen war in seinen Augen. Er zeigte mir die Zähne. „Du meinst, du willst mir keine Chance geben, meine Moneten zurückzugewinnen? Obwohl ich gestern so voll war, dass es ein Kinderspiel gewesen sein muss, mir das Fell über die Ohren zu ziehen?“

Ich erwiderte ausdruckslos seinen Blick, auch wenn es in meinen Fingern kribbelte. „Ich hab’ nicht den Eindruck, dass du gestern nicht gewusst hast, um was es ging“, erklärte ich kalt. „Ich habe neunzig Dollar von dir kassiert. Wenn du das nicht verkraften kannst, hättest du nicht spielen sollen. Von einer Revanche war keine Rede.“

„Jetzt ist die Rede davon!“

Ich griff in die Tasche und zog mehrere zusammengeknäulte Geldscheine heraus. „Da hst du dein Geld! Aber nur, damit es für dich keine Ausrede mehr gilt, länger in San Simon festzukleben, während draußen am Little Owl Creek vielleicht schon die Hölle los ist.“

Sein Gesicht hatte sich verdunkelt, sein Lächeln war weg. „Fang bloß nicht auch noch so an wie Meritt!“

„Mach, was du willst! Alles, was ich dir noch zu sagen hab’, ist, dass ich heute Vormittag die Spur eines Apachenpferdes in den Hügeln vor der Stadt gefunden hab’. Nur vier Meilen von hier!“

Einen Moment flackerte Unsicherheit in Shannons Augen. Er duckte sich und starrte mich misstrauisch an.

„Was ist nun mit dem Spiel?“, fragte Haskin bei der Theke. „Kneift er etwa?“

Das war wie Öl aufs Feuer. Shannon vergaß, was ihn eben getroffen hatte. Er grinste wieder. Es war eine wilde Grimasse. „Er versucht es!“, rief er höhnisch. „Aber das hat nichts zu bedeuten. Komm nur her, Tate! Bring den Whisky und die Karten mit!“

Er beugte sich vor. Mit einer blitzschnellen Bewegung wischte er Teller, Bierglas und Geldscheine vom Tisch. Ein lautes Klirren füllte den Raum. Haskin setzte zum Lachen an. Doch mehr als einen abgerissenen Belllaut brachte er nicht heraus. Denn kaum hatte Shannon sich aufgerichtet, da war auch ich auf den Füßen.

Mein Schwinger trieb Shannon mehrere Schritte weit zurück. Er warf einen Stuhl um. Ich wollte um den Tisch herum und es zu einem schnellen Ende bringen, weil ich eher ja doch keine Ruhe vor ihm hatte. Da fing er sich wieder, und obwohl er sah, dass ich mich darauf eingestellt hatte, es mit den Fäusten auszutragen, griff er mit genauso wutverzerrter Miene wie gestern zum Revolver.

Es gab mir einen Schock, als ich seine Waffe aus der Halfter fliegen sah. Wahnsinn! war alles, was ich noch denken konnte. Verzweifelt schleuderte ich mich zur Seite. Da krachte es schon, dass ich glaubte, mein Trommelfell würde platzen. Ich spürte den Luftzug der Kugel, verhakte mich mit einem Fuß an einem Stuhl oder Tischbein und knallte wuchtig auf die Bretter.

Eine Pulverdampfwolke brodelte schräg vor mir. Shannons geduckte Gestalt war darin ein drohender Schatten. Sein Revolver schwenkte nach rechts, die Mündung folgte mir wie ein schwarzes Todesauge. Erst als ich den Rückstoß meines 45ers in der Faust spürte, wurde mir bewusst, dass ich instinktiv ebenfalls die Waffe gezogen und geschossen hatte. Dröhnend raste die Flamme aus dem Lauf. Bei der Geschwindigkeit, mit der alles geschah, war es unmöglich, genau zu zielen. Der reine Selbsterhaltungstrieb bestimmte mein Handeln. Es ging um Sekundenbruchteile. Er oder ich! Der nächste Feuerstoß aus seinem Remington konnte mein Tod sein.

Aufprall, Schuss und sofort zwei schnelle Drehungen. Dann sah ich ihn wieder. Er hielt noch die Waffe, aber sie zielte nicht mehr auf mich. „Lee!", schrie der Kerl an der Theke. Shannon hörte ihn nicht mehr. Er streckte noch eine Hand aus, um sich irgendwo festzuhalten. Dann fiel er. Sein Revolver rutschte unter einen Tisch.

Ich stemmte mich auf die Knie. Nun erst wurde mir voll bewusst, was passiert war. Da riss ein Scheppern bei der Theke mich herum. Tate Haskin hatte sein Glas fallen gelassen. Seine Hand war schon am Revolver. Ich richtete sofort den Peacemaker auf ihn. War die Waffe oder mein Gesichtsausdruck daran schuld, dass er erschrocken zusammenfuhr? Er schluckte, zog rasch die Hand zurück.

„Es war sein Kampf“, krächzte er. „Ich hab’ nichts damit zu tun!“

Ich dachte an seine gehässige Bemerkung von zuvor, presste die Lippen zusammen und behielt den Colt in der Faust, als ich mich erhob. Hinter meinen Schläfen hämmerte es. Shannon lag auf dem Gesicht. Ich ging zu ihm. An meinen Stiefelsohlen schienen Bleiplatten zu kleben. Vorsichtig wälzte ich ihn herum. Eine verzweifelte Hoffnung war noch in mir. Sie erlosch, als ich seine aufgerissenen, blicklosen Augen und das Einschussloch genau über seinem Herzen sah. Haskin war mir jetzt egal. Mit zittriger Hand schob ich den Peacemaker ins Leder zurück.

„Um Himmels willen, ist er tot?“, kam Baxters Stimme wie von weit her. Ich konnte nur nicken. Meine Kehle war wie zugeschnürt.

Sicher, ich hatte schon oft um mein Leben kämpfen müssen. Auch Lee Shannon hatte mir keine Wahl gelassen. Das änderte nichts daran, dass ich mich hundeelend fühlte. Shannons Tod erschien mir zum Verzweifeln sinnlos. Ich hob seine Brieftasche auf, die ihm beim Sturz aus der Jackentasche geglitten war. Eine Fotografie lag dabei. Ich nahm sie. Das Bild einer großäugigen, hübschen jungen Frau lächelte mich an.

„Susan“, erklang eine zerrissene Stimme hinter mir. Ich hob den Kopf. Meritt war hereingekommen. Er blickte nicht auf mich, sondern auf das Foto in meiner Hand. Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn. Ich stand auf, schob das Bild in die Ledermappe und legte sie auf den Tisch.

Ich wollte, ich hätte dieses lächelnde Gesicht nicht gesehen. Ich wusste, dass ich es nun nie mehr vergessen würde - dieses Gesicht einer jungen, hoffnungsfrohen Frau, die am Little Owl Creek vergeblich auf ihren Mann wartete. Weil ich ihn, wenn auch in Notwehr, getötet hatte!

Ein heißes Aufwallen war in mir. Einen Moment hatte ich den Wunsch, hinauszustürmen, mein Pferd aus Meritts Mietstall zu holen und davonzupreschen. Irgendwohin, wo ich vergessen konnte, was eben geschehen war. Aber den Ort gab es nicht. Schließlich fasste ich mich. Was blieb, war Bitterkeit. Baxter trat neben Meritt, schaute zuerst auf Shannon, dann auf mich. Er schüttelte den Kopf.

„Wenn Sie auch nur einen Herzschlag zu langsam gewesen wären, Callahan, lägen Sie jetzt hier. Niemand wird Ihnen einen Strick draus drehen!“ Er blickte zu Haskin hinüber. Der angelte sich eine Flasche und spülte hinab, was ihm vielleicht auf der Zunge lag.

Ich wusste, dass es keinen Sternträger in San Simon gab. Trotzdem war es seltsam, dass niemand kam, um nachzusehen, was die Schüsse zu bedeuten hatten. Meritt räusperte sich. „Ich bin der festen Meinung gewesen, dass er längst auf dem Weg zum Little Owl Creek ist“, murmelte er, nur um etwas zu sagen.

Dann wurden ihm die eigenen Worte erst richtig bewusst. Er zuckte zusammen. „Du lieber Himmel! Susan und Old Man Shannon sind ja noch immer allein da draußen! Und niemand ...“ Jäh griff er nach meinem Arm. Der Druck war schmerzhaft. „Warum sind Sie zurückgekommen, Callahan?“, keuchte er.

Ich erwähnte die Spur und sagte, dass ich ihn und die anderen Stadtbewohner hatte warnen wollen. Seine Augen weiteten sich dabei. Ich erkannte deutlich, wie die heiße Furcht ihn packte. Nicht die Angst um die eigene Sicherheit, sondern um die Frau, die Shannon ihm „weggenommen“ hatte und die nun allein mit einem alten Mann in der „Apachenwüste“ war.

Im nächsten Moment fuhr er zur Theke herum. „Haskin, zum Teufel, warum hast du Lee nicht zur Vernunft gebracht? Hat er dir denn nichts von seiner Ranch und seiner Familie erzählt?“

Haskin stellte hart die Flasche zurück. „Lee wollte nur sein Geld“, verteidigte er sich und den Toten. „Er brauchte es, um Lebensmittel, Werkzeuge und Pferde zu kaufen. Hätte er denn mit leeren Händen zurückkommen sollen?“

„Besser mit leeren Händen als gar nicht!“, brummte Baxter beklommen. „Ich kann nur hoffen, dass Old Man Shannon und Susan sich rechtzeitig auf Kirklands Ranch in Sicherheit gebracht haben. Denn um Kirklands Besitz werden die Apachen einen weiten Bogen machen, das steht fest. Außerdem ...“

Auf der Main Street waren hastige Tritte. Aber sie kamen nicht zum Saloon. Eine Tür wurde heftig zugeschlagen, ein Hund jaulte, dann rief eine aufgeregte Stimme: „Es ist ein Wagen von der Kirkland-Ranch. Es sind Kirklands Reiter. Sie kommen vom Arroyo Blanco herauf!“

Wir starrten uns an. Zufall, dass auch der Keeper gerade von Kirkland gesprochen hatte? Entlang der verwitterten Häuserfront wurde es lebendig. Türen klapperten, Schritte polterten auf den hölzernen Gehsteigen.

Meritt atmete tief durch. „Vielleicht ist Susan mit dabei!“, hoffte er inbrünstig. Er wandte sich der Tür zu, bemerkte mein Zögern und drehte sich nochmals um. „Ich werd’ ihr schon klarmachen, wie alles geschah, Callahan! Sie wird auf mich hören und begreifen, dass Sie keine Schuld trifft!“

Und der Oldtimer, dessen Sohn hier liegt? dachte ich verzweifelt. Aber ich schwieg. Vielleicht war es doch besser, ich holte mein Pferd und verließ die Stadt. Trotz der Apachen, die sich irgendwo dort draußen herumtrieben! Ich wollte nur noch abwarten, ob Meritts Vermutung auch wirklich stimmte. Dann gab es nichts mehr, was mich hier noch hielt.

*

Ich blieb im Schatten des Saloonvordachs, während sich die Straße vor dem Gebäude mit Neugierigen füllte. Alle starrten dem vom Ortsrand heranrumpelnden Planwagen entgegen. Ein ziegenbärtiger Oldtimer lenkte das staubbedeckte Gespann. Zwei lederhäutige Cowboys auf ebenfalls staubgepuderten Pferden flankierten es. Ein hartes Tempo und ein langer Weg hatten Männer und Tiere gezeichnet. Schaum klebte an den Nüstern der Gäule. Während das Malmen der Hufe und Knarren der Räder lauter wurde, verebbte nach und nach das Stimmengewirr. Eine dumpfe Beklommenheit zeigte sich auf den Gesichtern der Stadtbewohner.

Inzwischen war auch dem letzten klar, dass die Männer der Kirkland-Ranch nicht zu einer gewöhnlichen Einkaufsfahrt kamen. Sie sahen aus, wie Wilburn gestern ausgesehen hatte: wie von der Hölle ausgespuckt, nur viel mitgenommener, kaputter. Zusammengesunken, ohne nach links oder rechts zu schauen, hockten sie in den Sätteln.

In San Simon gab es zwar keinen Sheriff oder Town Marshal, dafür aber einen Arzt. Vor seinem Haus - es war mit einem knalligen Schild über der Tür gekennzeichnet - hielt der schwerfällig holpernde Prärieschoner. Steifbeinig saßen die beiden Reiter ab. Ihre dornenzerkratzten Chaps schwappten. Der Fahrer verharrte noch wie in Trance auf dem Bock, die Zügel in den Fäusten, den stieren Blick auf die Gäule gerichtet. Ein Tuscheln durchlief die Schar der Gaffer, als seine Gefährten einen auf einer Bahre liegenden Mann vom Wagen hoben.

„Kirkland!“, keuchte Meritt neben mir. Entsetzt starrte er auf die massige, nur mit Hose und Stiefeln bekleidete Gestalt. Der Verband, der den Oberkörper des Mannes umschlang, war mit Blutflecken übersät. Jemand öffnete von innen die Tür des Arzthauses. Die Cowboys verschwanden mit dem offenbar ohnmächtigen Verletzten.

Meritt hatte sich vorgebeugt, atmete schnell und wartete darauf, dass sich unter der Plane wieder etwas rührte. Als nichts geschah, hastete er die Vorbaustufen hinab und überquerte die Straße. „Jackman!“ Sein Ruf schreckte den Ziegenbärtigen auf.

Später erfuhr ich, dass es Kirklands Ranchkoch war. Er wickelte die Zügel um die Seitenlehne und kletterte schwerfällig herab. Seine Beine waren so wacklig, dass er sich festhalten musste. Plötzlich setzte wie auf Kommando wieder das Durcheinander der Stimmen ein. Meritt drängte sich nach vorn. Rücksichtslos setzte er seine Ellenbogen ein.

„Wo sind die Shannons, Jackman?“, schrie er. „Was ist passiert?“

Die Antwort des Oldtimers ging im Lärm der Menge unter. Gleich drauf flog ein Fenster an der Front des Arzthauses auf. Eine hexenhafte Frau streckte den grauhaarigen Kopf heraus. „Wollt ihr wohl aufhören, hier wie die Wilden herumzutoben?,“ keifte sie. „Wie soll der Doc da was leisten können? Kirkland stirbt ihm noch unter den Händen weg, wenn ihr keine Ruhe gebt!“

Die Menge verstummte betroffen, dann begann sie sich aufzulösen. Die meisten Männer strebten dem Saloon zu. Shannon lag noch drinnen, und ich wollte alles, nur jetzt nicht immer wieder dieselben Fragen beantworten müssen. Ich ging Meritt entgegen. Mit hängenden Schultern kam er auf mich zu.

„Sie sind nicht mitgekommen“, erklärte er überflüssigerweise. Er vermied es, mich anzusehen. Seine Stimme war mühsam, gepresst. „Jackman sagt, von der Kirkland-Ranch gibt es nur mehr einen verkohlten Trümmerhaufen. Außer diesen Männern ist niemand mehr am Leben. Die Apachen ließen ihnen keine Chance. Keiner war drauf gefasst, als sie plötzlich die Ranch stürmten. Keine Spur, kein Rauchzeichen, kein Späher in all den Tagen zuvor.“ Meritt wischte sich mit dem Ärmel der Anzugjacke den Schweiß von der Stirn. „Jackman hat keine Ahnung, wie’s auf der Shannon-Ranch aussieht.“

Mein Herz klopfte hart. Der Gedanke an den Toten in Baxters Saloon belastete mich noch mehr als zuvor.

„Ich werd’ ein Aufgebot zusammentrommeln!“, rief Meritt heiser. „Wir müsssen versuchen, da draußen am Little Owl Creek zu retten, was es noch zu retten gibt! Ich rechne damit, dass auch Sie mitkommen, Callahan! Sie müssen es! Das sind Sie Susan und Old Man Shannon schuldig, nachdem...“ Er erschrak. „Entschuldigen Sie! Ich rede schon dummes Zeug. Ich wollte Ihnen keinen Vorwurf machen, Callahan. Aber diese verdammte Angst macht mich ganz krank. Die Angst, dass wir zu spät kommen, dass Susan ...“ Er fuhr zu ein paar Männern herum, die vorbeigingen. „Bennet, Hoogster, Crawford!“

Sie blieben stehen, ahnten wohl schon, was er wollte und starrten ihn düster an. Er ging schnell auf sie zu. Jede Bewegung verriet, unter welcher Anspannung er stand.

„Leute, jetzt ist nicht die Zeit für einen Drink in Baxters Whiskyburg! Holt eure Pferde und Gewehre! Wir müssen zu Shannons Ranch hinaus, bevor die Apachen auch dort zuschlagen!“ Dann sagte er ihnen noch, dass Shannon tot und wie das passiert war.

Ich war nicht sicher, ob sie das noch mitbekamen. Denn sie starrten ihn schon vorher an, als würde ihm Mesquite aus den Ohren wachsen. Der in der Mitte, ein bulliger Typ mit Stirnglatze und Backenbart, kratzte sich schließlich hinterm Ohr.

„Glaub’ kaum, dass das noch viel Sinn hat. Wenn die Kirkland-Ranch beim Teufel ist, dann steht die von Shannon erst recht nicht mehr. Ein alter Mann und ’ne Frau, die ...“ Er verstummte, als Meritts Miene vereiste.

„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast, Bennet?“

„Nicht alles!“ Der Bullige spuckte trotzig in den heißen Sand. „Wenn du da draußen in der ,Apachenwüste‘ deinen Skalp riskieren willst, Meritt, weil du denkst, du kannst Susan vielleicht doch noch kriegen, dann hält dich niemand. Aber verlang’ von uns nicht, dass wir diesen Wahnsinn mitmachen. Wenn die Rothäute nämlich immer noch da sind, dann schaffst du vielleicht im besten Fall den Weg zu Shannons Ranch - aber zurückkommen wirst du garantiert nicht mehr! Wir haben Shannon oft genug davor gewarnt, sich draußen am Little Owl Creek niederzulassen, solange die Armee mit den Apachen nicht reinen Tisch gemacht hat. Mehr haben wir nicht tun können. Auch jetzt nicht. Alles andere war’ Selbstmord.“

„Oder Feigheit!“, stieß Meritt hervor.

Bennet trat einen Schritt zurück. Seine Hand suchte den Revolver, den er mit dem Kolben nach vorn hoch an der linken Hüfte trug. Einer seiner Begleiter legte ihm mahnend eine Hand auf die Schulter. Da riss Bennet sich zusammen. Er spuckte wieder, diesmal Meritt genau vor die Stiefel.

„Denk, was du willst! Mit Kindern und Narren zu streiten, hat ja doch keinen Zweck!“

Ruckartig drehte er sich ab. Die anderen folgten ihm. Die Fahrbahn lag nun verlassen. Die Sonne knallte herab. Lärm kam aus der offenen Saloontür.

Der junge Mietstallbesitzer ballte die Fäuste. „Geh schon voraus, Callahan. Pablo soll dir helfen, die Pferde zu satteln. Er soll auch für sich selber eins aussuchen. Wenn’s sein muss, reiten eben nur wir los.“ Und ohne auch nur im entferntesten auf den Gedanken zu kommen, dass ich dagegen etwas einwenden könnte: „Aber es müsste ja mit dem Teufel zugehen, wenn alle so denken wie Bennet! Ich versuch’s nochmal!“

Er marschierte auf den Saloon zu. Es hatte keinen Sinn, ihm klarmachen zu wollen, dass er da drinnen sein blaues Wunder erleben würde. Der Schock darüber, dass von der als unbesiegbar geltenden Kirkland-Crew nur mehr drei Mann übrig waren, hatte die Städter zu tief getroffen. Achselzuckend machte ich mich auf den Weg zum Mietstall. Vielleicht war es wirklich Wahnsinn, was Meritt vorhatte. Ich würde trotzdem mitkommen. Denn alle Zweifel und Bersorgnisse verblassten, wenn ich an das Foto der lächelnden jungen Frau dachte.

Überrascht blieb ich im Stalltor stehen. Pablo war schon dabei, die Pferde zu satteln. Fertig gerollte Deckenbündel lagen auf der Futterkiste. „Mann, bist du Hellseher?“, entfuhr es mir.

Er blickte mich nur kurz und ausdruckslos an und arbeitete ruhig weiter. Wahrscheinlich war er vorhin ebenfalls draußen gewesen. Vielleicht kannte er Meritt so gut, dass er sich ausrechnen konnte, was der wollte. Ich ging zu meinem Braunen, der mich mit einem Schnauben begrüßte und seine Nüstern an meiner Schulter rieb. Ich legte ihm den Texassattel auf und streifte ihm das Zaumzeug über. Dabei hatte ich das Gefühl, dass Pablo mich verstohlen beobachtete. Als ich mich aber umdrehte, wandte er mir schon wieder den Rücken zu. Ein gesprächiger Gesellschafter war er ja nicht gerade. Mir konnte das nur recht sein. So hatte ich Zeit für meine eigenen Gedanken. Ich lehnte mich gegen eine Boxwand, drehte mir eine Zigarette, rauchte und wartete auf Meritt.

Ich rechnete damit, dass er allein zurückkommen würde, täuschte mich jedoch. Mir fiel fast die Zigarette aus dem Mund, als Haskin mit ihm hereintrat. Der adlernasige Kerl warf mir einen halb spöttischen, halb feindseligen Blick zu. Meritt sah niedergeschlagen aus.

„Diese Feiglinge!“, schnappte er. „Jeder von denen hat Angst, auch nur einen Fuß vor die Stadt zu setzen. Die glauben wohl, hinter jedem Hügel lauert ein Apache, der sich ihren Skalp holen will.“

Mit einem düsteren Brennen in den Augen blieb er vor mir stehen. Ich sah, dass er sich eine Waffe besorgt hatte. Einen schwerkalibrigen Colt, der in einer Halfter an einem Büffelledergurt steckte. Irgendwie passte das Schießeisen nicht recht zu ihm. Ich konnte mir Meritt auch besser an einem Schreibtisch als auf dem Rücken eines seiner Pferde vorstellen. Vielleicht war es aber auch nur sein Stadtanzug, der diesen Eindruck hervorrief. Entschlossen straffte Meritt sich nun.

„Na gut, dann reiten wir eben ohne diese Kerle! Haskin wird mitkommen. Er sagt, das ist er seinem alten Freund Lee schuldig.“

Skeptisch zog ich die Brauen hoch.

Haskin grinste. „Ich will mich ja nicht aufdrängen, glaub’ aber, dass ihr da draußen in den Hügeln jeden zusätzlichen Mann gut brauchen könnt. Meinst du nicht auch, Callahan?“

Es klang herausfordernd. Er wartete jedoch nicht auf meine Reaktion, schob zwei Finger in den Mund und pfiff schrill. Da kam die nächste Überraschung. Auf dem Heuboden über uns rumorte es. In der dämmrigen Luke, in der eine Leiter lehnte, tauchte ein derbes, bärtiges Gesicht auf.

„He, zum Teufel, kann man sich denn in diesem Kaff keine Stunde aufs Ohr legen?“

Tate Haskin lachte. „Tu nicht so, als hättest du geschlafen und nicht jedes Wort mitgehört, Clem, alter Sattelquetscher! Los, los, 'raus aus den Federn, Amigos! Wir gehn wieder mal auf den Trail!“

Das Gesicht verschwand. Gleich darauf ächzte die Leiter unter dem Gewicht des massig gebauten bärtigen Mannes. Nach ihm kletterte ein kleiner, wieselflinker Bursche auf krummen Beinen herab. Heuhalme hingen an ihrer Kleidung, die deutliche Spuren eines langen Aufenthalts in der Wildnis zeigte. Der Bärtige machte ein mürrisches Gesicht. Der Kleine grinste schief. Er hatte eine spitze Nase, vorstehende Zähne und kleine schwarze Knopfaugen. Wie eine Ratte auf zwei Beinen, dachte ich unwillkürlich.

„Meine Freunde Clem Brookfield und Sid Destry“, stellte Haskin sie gleichmütig vor. In seinem Blick war ein Lauern. „Damit sind wir immerhin zu sechst.“

Brookfield, der Massige, kratzte sich im Bartgestrüpp. „Was immer du vorhast, Tate, altes Haus, ich seh’ hier nur fünf Leute.“ Er zwinkerte und tat, als würde er nun erst Pablo entdecken. Angewidert verzog er das Gesicht. „Oder willst du etwa behaupten, dass dieses rote Stinktier auch mitkommt?“

Pablo stand ein Stück entfernt. In der Dämmerung, die im Stall herrschte, erkannte ich seinen Gesichtsausdruck nicht. Er stand reglos. Das kleine Messingkreuz auf seiner Brust glänzte matt. Meritt schnellte herum.

„Halten Sie den Mund! Auf Pablo ist vielleicht mehr Verlass als auf jeden anderen hier in der Stadt. Natürlich reitet er mit!“

„Tate“, grunzte der Bärtige, „du kannst die Sache vergessen. Zumindest was meine Teilnahme betrifft. Schlimm genug, dass ich’s mir bieten lassen muss, dass diese dreckige Rothaut die Luft in meiner Nähe verpestet!“

Er wollte wieder die Leiter hinauf. „Sei kein Narr, Clem!“, lachte Haskin blechern. „Dieser Gent da, Meritt, hat mir fünfzig Dollar versprochen, wenn ich ihn zu Lees Ranch am Little Owl Creek begleite. Schätze, soviel ist für dich und Sid auch drin, wenn du nicht unbedingt auf deinen Dickschädel bestehst.“

Ich blickte Meritt an. Er zuckte die Achseln, als wollte er sagen: Was hätt’ ich sonst tun sollen?

Immerhin begriff ich nun besser, dass Haskin auf einmal soviel Freundschaft zu Lee Shannon bewies. Er war genau der Bursche, der sich und seinen Revolver schon für zehn Dollar verkaufte, wenn er das Geld dringend benötigte. Und weder er noch seine Freunde sahen danach aus, als wären sie mit Reichtümern gesegnet in die Stadt gekommen.

Der Hinweis auf die Prämie wirkte auch bei Brookfield. Er blickte erst Haskin, dann Meritt an und grinste plötzlich: „Hm, das ist natürlich was anderes! Für fünfzig Bucks vergesse ich schon mal, dass ich eigentlich keine verdammte Rothaut riechen kann. Aber für keinen Cent weniger, Mister!“

„Einverstanden“, sagte Meritt schnell und nervös. „Fünfzig Dollar für Sie und Destry, wenn Sie mit uns zur Shannon Ranch reiten.“

„Für jeden von uns?“, vergewisserte sich Brookfield. In Destrys Augen war ein gieriges Glitzern. Die beiden Kerle gefielen mir immer weniger. Ich war überzeugt, dass Meritt einen Fehler beging in seiner Verzweiflung, dass er sonst niemand bekam, ausgerechnet diese Typen anzuheuern. Aber ich konnte jetzt nicht mehr tun, als mir vorzunehmen, draußen in den Hügeln zwischen San Simon und dem Little Owl Creek auf der Hut zu sein.

„Gewiss doch!“, nickte Meritt dem Bärtigen ungeduldig zu.

„Na denn!“ Brookfield zeigte zwei Reihen gelber, hässlicher Zähne. „Bring die Pferde her, Rothaut, wir haben es eilig! Wenn du dich nicht sputest, Freundchen, zieh ich dir dein räudiges Fell ab!“ Er lachte roh.

Ich war drauf und dran, ihm die Faust aufs Maul zu setzen. Haskin witterte es. Ein Funkeln erschien in seinen Augen. Seine Hand lag am Revolver. Ich dachte daran, wie entsetzt er in Baxters Saloon gewesen war, als ich meinen Peacemaker auf ihn gerichtet hatte. Er würde mir das nie verzeihen. Schweigend nahm ich meinen Braunen am Zügel und ging hinaus.

*

Eine halbe Stunde später überquerten wir die erste Hügelkette westlich von San Simon. Es war, als ritten wir über die Grenze zu einer anderen Welt. Eben noch waren unsere Pferde durch kniehohes Gras gestampft. Vorbei an dichtbelaubten Cottonwoods und Wacholdersträuchern, aus denen zwitschernde Vogelschwärme aufgeflattert waren. Nun lag ein Gebiet vor uns, in dem es kein Fleckchen Grün gab, so weit das Auge reichte. Nichts als Sand, Fels und von der Sonne hartgebackener Lehm. Ein Meer von Hügeln. Dazwischen gleißten Geröllfelder. Tief eingeschnittene Arroyos verästelten sich. Da und dort ragten grotesk zerklüftete Felsenburgen empor. Dornbüsche, Mesquite- und Yuccastauden - das war die ganze Vegetation. Überall furchten Risse die seit Wochen ausgetrocknete Erde. Die hochstehende Sonne übergoss das Land wie mit weißem Feuer. Alles atmete hier Dürre und Tod.

Ich konnte mir schwer vorstellen, dass irgendwo da drüben, wo die blaue Silhouette der Pinaleno Mountains in den Hitzeschleiern des Horizonts dämmerte, Rinder grasten, Menschen auf einer einsamen Ranch lebten. Die Sonne schien hier noch heißer zu brennen als auf der Main Street von San Simon. Der Himmel wölbte sich wie eine glühende Messingkuppel über uns.

„Huh!“, machte Brookfield, als wir für ein paar Sekunden unsere Pferde zügelten und den Blick über die rotbraunen Anhöhen schweifen ließen. „Sid, Amigo, ich fürchte, das werden verflucht sauer verdiente Bucks, die uns Freund Meritt da andrehen will!“

Er lachte, schnalzte mit der Zunge und jagte sein Pferd in einer Staubwolke den Hang hinab. Schweigend ritten wir hinterher. Von da an waren das monotone Stampfen der Hufe, das Janken des Sattelleders und das gelegentliche Klappern der Gebissstangen die einzigen Geräusche. Jeder Huftritt trieb eine Staubwolke hoch. Die Luft um uns flimmerte. Dann und wann huschte eine Eidechse zwischen den Steinen davon. Sonst gab es kein Leben in diesen verbrannten Hügeln, die aussahen, als würden sie allmählich zu Staub zerfallen.

Oder doch? Ich dachte wieder an die Spur, die ich heute Vormittag entdeckt hatte. Mein Blick suchte die Hügelkämme und Felsmassive ab, die langsam an uns vorbeiwanderten. Nichts! Kein Schatten einer Bewegung. Kein noch so flüchtiges Aufblinken von Metall.

Es war eine Leere, ein Schweigen, wie es sie nur in der Wildnis gab. Es gab vielleicht Menschen, die durchdrehten, wenn man sie aus ihrer gewohnten Umgebung in diese Weite und Einsamkeit hineinstellte. Hier draußen war alles gigantisch, grenzenlos. Wer da keinen Halt in sich selber hatte, war verloren.

Im Angesicht dieser Wildnis zählten die Maßstäbe nicht mehr, die die Zivilisation sich gebildet hatte. Wasser war hier immer noch kostbarer als Gold. Entfernungen wurden hier nicht nach Meilen, sondern nach Tagesritten gemessen. Ein Land, das grausam und hart war, aber auch ein Gefühl unendlicher Freiheit vermittelte. Und ein Land voller Schlupfwinkel! Wie geschaffen für die Krieger, die dem Dahinsiechen in der Reservation entflohen waren. „Apachenwüste“ nannten die Bewohner von San Simon es. Ich hatte eine Ahnung, dass dieser Name für uns noch eine besondere Bedeutung gewinnen würde.

Die Hitze und Stille waren einschläfernd. Immer wieder schienen es die gleichen Dornbüsche, Yuccas und Felshänge zu sein, an denen wir vorbeizogen. Ich kannte dieses Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen. Meritt, der neben mir ritt, drehte sich anfangs immer wieder um und spähte zurück, als wollte er sich vergewissern, dass die Entfernung zwischen uns und der Stadt auch tatsächlich wuchs.

Aber San Simon war nur mehr die Erinnerung an etwas, was weit und endgültig hinter uns lag. Unerreichbar, wenn die Luft um uns plötzlich im Hufgetrommel und Kriegsgeschrei erzitterte. Aber auch diese Vorstellung wurde unwirklich, je länger wir in diesem vom Staub und von der Hitze durchdrungenen Schweigen unterwegs waren.

Erbarmungslos schleuderte die Sonne ihre Feuerpfeile auf uns. Meritt versank in dumpfes Brüten, aus dem er ab und zu aufschreckte und seinen Rotfuchs zu einer schnelleren Gangart antrieb. Haskin und seine Freunde wirkten mürrisch und keineswegs mehr begeistert von der Aussicht, innerhalb von zwei Tagen das Doppelte eines normalen Cowboy-Monatslohns zu verdienen. In dieser Zeit wollten wir es nämlich hin und zurück geschafft haben. Mussten wir es geschafft haben, wenn es noch Hoffnung für Susan und Old Man Shannon gab!

Der einzige, dem die Hitze nichts ausmachte, war Pablo. Er saß auf einem kurzbeinigen, struppigen Pinto, der den zähen Ponys der Apachen verblüffend ähnelte. Sein Zaumzeug bestand aus einem einzigen Seil. Mann und Pferd waren wunderbar aufeinander eingespielt. Pablo brauchte keine Sporen. Seine Füße steckten auch bloß in mexikanischen Ledersandalen. Eine Machete, ein mexikanisches Haumesser, hing an seinem Sattel. Die einzige Waffe, die Pablo besaß. Seit die ersten Hügel hinter uns lagen, war er von einer geradezu unerschöpflichen Geduld durchdrungen.

Während wir eine Meile zurücklegten, ritt er zwei oder drei. Das machte weder ihm noch dem Pinto etwas aus. Er war abwechselnd vor oder neben uns, immer in Sicht oder Hörweite, wie ein Hirtenhund, der auf seine Herde aufpasst. Manchmal verschwand er wie weggezaubert und tauchte gleich darauf auf einer Hügelkuppe hinter uns wieder auf. Seine Nähe verlieh mir ein Gefühl der Sicherheit. Von Haskin, Brookfield und Destry konnte ich das nicht behaupten.

Die drei waren inzwischen ein Dutzend Yards hinter Meritt und mir zurückgeblieben. Ich hörte, wie sie miteinander sprachen. Brookfield lachte ein paarmal. Meritt schaute dann immer ein bisschen zu krampfhaft geradeaus. Wahrscheinlich war ihm längst ebenfalls klar, dass wir besser ohne dieses saubere Trio losgeritten wären. Der Ärger ließ auch tatsächlich nicht lange auf sich warten.

Mit der Zeit wurden die Kerle nämlich immer lauter und ausgelassener. Als ich einmal über die Schulter sah, trank Brookfield gerade aus seiner lederüberzogenen Sattelflasche. Er setzte sie ab, prostete mir grinsend zu. Auch Destry hatte die Flasche in der Hand und strahlte über sein ganzes Rattengesicht.

Verdammt wollte ich sein, wenn diese Burschen mit solcher Begeisterung nur blankes Wasser in sich hineinschütteten! Ich biss die Zähne zusammen. Whisky auf so einem Trail, das war der nackte Wahnsinn, wenn nicht gar Selbstmord! Diese Narren! Dachten sie denm, dass wir auf einem Spazierritt waren? Oder legten sie’s darauf an, Meritt und mich zu nerven? Haskin hielt sich offenbar zurück. Von Meritt wusste ich außerdem, dass es zwischen San Simon und dem Little Owl Creek eine Wasserstelle gab. Wir wollten sie noch vor Sonnenuntergang erreichen. Deshalb wartete ich ab.

Das tat ich auch noch, als Brookfield und Destry im Takt der gleichmäßig pochenden Hufe zu grölen begannen. Kurz darauf krachte ein Schuss. Einfach so hingepfeffert, als gäbe es weit und breit keine Gefahr, die damit angelockt werden konnte. Da platzte mir der Kragen. Ich zog meinen Braunen herum.

Doch Meritt kam mir zuvor. Mit wütenden Hackenstößen trieb er sein Pferd die kurze Strecke zu Haskin und seinen Freunden zurück. Ich folgte ihm wachsam. Meine Rechte hing locker herab. Die Kerle hatte sofort angehalten. Es war bezeichnend, dass Haskin sein Pferd von den beiden anderen weglenkte und nicht auf Meritt, sondern auf mich schaute. Er hatte wieder jenen hungrigen, wilden Blick, der mir gleich anfangs bei ihm aufgefallen war. Wie zufällig berührte seine rechte Hand den Kolben des tiefhängenden Revolvers.

Brookfield, der geschossen hatte, ließ gemächlich seinen Colt in der Halfter verschwinden. Er rülpste und hielt Meritt grinsend die Flasche hin. „Auch ’nen Schluck, Amigo?“

Sein bärtiges Gesicht war nicht nur von der Hitze gerötet. Er hatte tatsächlich schon allerhand hinter die Binde gekippt, und als ich näherkam, roch ich den Fuseldunst, der ihn und Destry umgab. Der Mietstallbesitzer ritt dicht an die beiden heran. Mit einer unerwarteten, heftigen Bewegung schlug er Brookfield die Flasche aus der Hand. In hohem Bogen flog sie in den Sand. Gluckernd lief die restliche Flüssigkeit aus.

Brookfield war einen Moment verblüfft. Dann fluchte er. „Zum Teufel, was ...“

Meritt schlug abermals zu. Keiner, auch ich nicht, war darauf gefasst. Seine Faust traf den stämmigen Reiter mitten ins Gesicht. Ein heiserer Schrei brach über Brookfields Lippen. Sein Gaul ging vorn hoch, Brookfields Füße verloren die Bügel. Wuchtig stürzte der schwere Mann herab. Staub wolkte. Brookfield rollte noch zwischen den stampfenden Hufen, da ließ Destry seine Flasche los und langte nach dem Sechsschüsser.

„Überleg dir gut, was du tust!“, rief ich scharf.

Sein Kopf flog herum, seine Augen glühten, er hatte die Oberlippe zurückgezogen. Eine in die Enge getriebene Ratte, die gleich zubeißen wird! durchzuckte es mich. Aber dann zögerte er. Etwas an mir warnte ihn ebenso wie Haskin heute schon in Baxters Saloon im letzten Augenblick gewarnt worden war.

Meritt hielt die Zügel kurz. Sein Rotfuchs tänzelte nervös auf der Stelle. Auch Meritts Hand lag nun an der Waffe. Mit bleicher, angespannter Miene blickte er auf Clem Brookfield. Der stemmte sich auf die Knie, spuckte Sand aus, fluchte abermals und stand dann schwerfällig auf.

Ich traute dieser Schwerfälligkeit nicht. Brookfield hielt den Kopf gesenkt wie ein Bulle, der gleich angreift. Seine Augen waren blutunterlaufen. Er winkelte den rechten Arm an, bis die Hand sich auf gleicher Höhe mit dem auch nach dem Sturz noch in der Halfter steckenden Colt befand. Sein Pferd war zu Seite getrottet. Es schnaubte aufgeregt, warf den Kopf hin und her.

„Na warte, Bürschchen! So kann keiner mit mir umspringen! Das bezahlst du mir!“, keuchte Brookfield hasserfüllt.

Meritts Fuchshengst hatte sich beruhigt. Meritt saß mit durchgedrücktem Kreuz im Sattel. Viel zu steif, viel zu verkrampft! Plötzlich begriff ich, wie neu diese Situation für ihn war. Gegen einen Kerl wie Brookfield hatte er wahrscheinlich nicht die Spur einer Chance. Teufel noch mal, da war ich ja mit einer großartigen Gesellschaft losgezogen! Ich musste etwas tun.

Da mischte sich Haskin ein. „Lass es, Clem!“, sagte er kalt. „Denk an die fünfzig Bucks, die du übermorgen kassieren willst, wenn wir wieder in San Simon sind.“

„Scheiß drauf!“, zischte Brookfield. „Er hat kein Recht, so ...“

„Du bist betrunken, Clem“, unterbrach Haskin ihn gelassen. Er blickte dabei immer noch nur mich an.

„Na und?“, schnappte Brookfield wütend. „Denkst du, ich schaff ihn deswegen nicht?“ Er rülpste wieder. „Na los, Meritt! Wozu schleppst du ’ne Kanone mit dir herum, wenn du gar nicht ...“

„Ich hab’ gesagt, du sollst aufhören, Clem! Wenn’s hier zu einer Schießerei kommt, ist Meritt garantiert nicht der einzige, den’s erwischt!“

Das also war es! Ich sah den Hass in Haskins Augen. Er fieberte förmlich danach, mit mir abzurechnen. Vielleicht hatte er seine Freunde deshalb zum Saufen angestiftet und selber keinen Tropfen angerührt. Er hatte gewollt, dass es Krach gab. Aber Meritt war dazwischengekommen. Nun lief die Rechnung anders, und Haskin war gerissen genug, zurückzustecken. Brookfield hatte zu viel Alkohol geschluckt, um das mitzukriegen. Für ihn war es eine Sache, die nur ihn und Meritt anging. Er kämpfte mit sich.

„He, seht doch! Die Rothaut will was von uns!“, krächzte Destry.

Zuerst dachte ich, es wär’ ein Trick, oder Destry versuchte Brookfield nun abzulenken. Da wieherte Pablos Pinto auf einem Hügel rechts von uns, und als ich den Kopf drehte, sah ich, dass Pablo uns zuwinkte. Dann zog er sein Pferd herum. Nur mehr eine Staubfahne zitterte dort, wo er eben gehalten hatte.

„Los!“, entschied Haskin. „Steig auf, Clem, verdammt noch mal! Weiß der Henker, was es da gibt!“

Er trieb seinen Gaul an. Erst als Meritt wendete, entspannte der Bärtige sich und schloss sich brummend den anderen an. Wir fanden Pablo in einer staubigen Senke. Er richtete sich gerade neben einem dunklen Bündel auf, trat mit ausdrucksloser Miene zu seinem Pinto und landete mit einem katzenhaften Satz wieder im Sattel.

„Himmel!“, entfuhr es Meritt, als wir näherritten und erkannten, dass das Bündel ein Mann war. Er war schrecklich zugerichtet und skalpiert. Hemd und Hose bestanden nur mehr aus Fetzen. Alles andere hatten ihm die Apachen weggenommen. Ungefähr zehn Schritte entfernt lag ein von mehreren Schüssen niedergestrecktes Pferd. Es trug ein K als Brandzeichen, K für Kirkland.

Mein Blick schnellte zu Meritt. Er saß zusammengekrümmt auf seinem Pferd und sah aus, als müsste er sich gleich übergeben. „Diese verdammten roten Schweine!“, knirschte Brookfield.

Er war jäh ernüchtert. Aber nicht der Tod des Kirkland-Cowboys ging ihm nahe. In seinen Augen war jetzt erst das Begreifen der Gefahr, die uns schon die ganze Zeit drohte. Auch Haskin und Destry machten Gesichter, als erwarteten sie jeden Moment den Angriff einer heulenden Apachenhorde. Nervös blickten sie zu den Senkenrändern hinauf. Keine Spur mehr von Leichtsinn und Übermut. Hatten sie denn tatsächlich geglaubt, dass wir hier draußen nur auf ein paar Eidechsen und Klapperschlangen stoßen würden?

Destry schüttelte sich. „Wenn ihr mich fragt, Jungs: wir hätten in San Simon bleiben sollen! Der Mann da liegt noch keinen halben Tag hier. Das heißt, die roten Teufel sind noch immer in diesen verdammten Hügeln unterwegs. Mensch, Clem, und da hast du auch noch mit deinem Colt losgeballert!“

Brookfield schoss ihm einen giftigen Blick zu. „Wessen Idee war’s denn, statt Wasser Whisky in die Sattelflaschen zu füllen, eh?“

„Hört auf, euch zu streiten!“, fuhr Haskin dazwischen. Er zögerte, dann meinte er achselzuckend: „Wenn wir uns beeilen, schaffen wir’s bis Mitternacht zur Stadt zurück.“

Ich hatte nichts dagegen. Am liebsten wär’ ich ja allein mit Pablo zum Little Owl Creek weitergeritten. Aber der Anblick des Toten war dem jungen Mietstallbesitzer ebenfalls ziemlich in die Knochen gefahren. „Kommt nicht in Frage!“, rief er sofort. „Haskin, ich verlange, dass Sie sich an unsere Abmachung halten!“

Haskin runzelte die Stirn. „Heißt das, Sie wollen weiter?“

„Was sonst? Und ich bezahle Sie dafür!“

Der sehnige Reiter musterte ihn argwöhnisch. „Was, zur Hölle, versprechen Sie sich eigentlich davon? Weshalb kümmern Sie sich so um Lees alten Vater und die Frau, die ... Ha, dass ich nicht gleich drauf gekommen bin! Die Frau! Lee hat erzählt, wie jung und hübsch sie ist, und dass er sie ’nem Kerl weggeschnappt hat, der ... Sind Sie vielleicht dieser Typ, Meritt, hm?“

Er grinste jetzt. Meritt wurde zuerst rot, dann blass. Ich fürchtete schon, er würde alle Bedenken über Bord schmeißen und ziehen. „Wir reiten weiter!“, presste er schließlich heraus.

Haskin schüttelte den Kopf. „Nicht für fünfzig Dollar pro Mann!“

Meritt duckte sich etwas, starrte ihn an. Ich hoffte, er würde jetzt endlich sagen, dass Haskin sich zum Teufel scheren sollte. Doch nach kurzem Zögern erklärte er: „Also gut, hundert für jeden.“

Es war wie eine Zauberformel. Ein Aufleuchten erschien in den Augen der drei Kerle. Destry öffnete schon den Mund zu einer hastigen Zustimmung. Da sagte Haskin kühl: „Verstehen Sie mich nicht falsch, Meritt. Sicher sind Sie ein Mann, der zu seinem Wort steht. Aber so ein Geschäft hat seine Risiken. Könnte ja immerhin sein, dass wir ohne Sie nach San Simon zurückkommen was wir natürlich nicht hoffen wollen.“

Er grinste falsch. Statt ihm übers Maul zu fahren, zückte der Mietstallbesitzer seine Brieftasche. Er öffnete sie, und Haskins Freunden quollen die Augen hervor, als sie einen Blick auf den Inhalt erhaschten. Ich hätte heulen mögen über so viel Leichtsinn. Meritt reichte jedem eine Fünfzig Dollar-Note.

„Den Rest, wenn wir wieder in der Stadt sind“, bestimmte er und hielt sich auch noch weiß der Kuckuck für wie smart. Die Burschen ließen die Geldscheine blitzschnell verschwinden.

„Einverstanden“, grinste Haskin. Er spähte zur Sonne, die schon weit im Westen stand. „Auf, Amigos! Sehen wir zu, dass wir noch ein paar Meilen machen, bevor’s Nacht wird!“

„Wir können den Mann da nicht einfach so liegen lassen!“, rief Meritt betroffen.

„Und ob wir das können!“ Haskin lachte hart. Er ritt an. Brookfield und Destry folgten ihm.

Pablo wartete noch. Er hatte den Kopf gehoben, die Augen halb geschlossen. Es schien, als versuchte er zu wittern, ob wir auch wirklich noch allein hier draußen waren. Meritt schaute mich an. Ich erkannte die Frage in seinen Augen.

„Tut mir leid“, murmelte ich rau. „In dem Fall hat Haskin recht. Wenn wir den Lebenden helfen wollen, dürfen wir mit einem Toten keine Zeit verlieren.“

Meritt presste die Lippen zusammen, nickte. Die Hufe seines Fuchshengstes schleuderten Staub hoch. Ich verließ als Letzter die Senke. Dabei fragte ich mich, ob Meritt wohl auch noch weitergeritten wäre, wenn nicht ausgerechnet die Frau, die er liebte, da draußen am Little Owl Creek in Gefahr war. Shannons Witwe ... ich spürte einen Druck in der Brust, wenn ich dran dachte, dass ich ihr vielleicht morgen schon gegenüberstehen würde. Ihr und dem alten Mann. Verdammt, ich konnte nichts dafür, dass Shannon in San Simon mit dem Schießeisen auf mich losgegangen war! Trotzdem graute mir vor dem Augenblick, an dem sie die Wahrheit erfahren würden.

*

Der Himmel im Westen färbte sich allmählich blutrot. Die Hügel und Felsburgen wurden wie von einer Feuersbrunst angeleuchtet, als wir die einzige Wasserstelle auf dem Trail zum Little Owl Creek erreichten. Es war ein runder Tümpel. Seine Oberfläche glänzte wie ein Spiegel zwischen Fettholzstauden und niedrigen Mesquites. Harthalmiges Gras wuchs an seinem Pfad. '

Die Pferde schnaubten durstig. Wir mussten sie nicht antreiben, sie wurden von selber schneller. „Haltet sie zurück!“, rief Pablo, als wir den Hang hinabpreschten.