Coronagangster - Alex Mann - E-Book

Coronagangster E-Book

Alex Mann

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Beschreibung

"Ich denke, du brauchst dir da keine Sorgen machen. Mein Freund will etwas Geld anlegen. Gut, du zahlst ein bisschen mehr Zinsen, als bei ´ner Bank, aber du verschaffst dir Zeit. Ich meine, wie lang soll der ganze Coronakack noch gehen? Einen Monat, zwei?" "Ich hab` das Gefühl, das hört nie wieder auf. Besonders für uns kleine Restaurantbesitzer. Erst erzählen sie uns, tut dies, tut das, kauft Wegwerfbesteck und schiebt die Tische auseinander, halbiert eure Kapazitäten und dann, wenn alles läuft und man alles arrangiert hat, um wenigstens ein bisschen Geschäft zu machen, heißt es, ´Sorry, die verfickten Zahlen gehen gerade wieder hoch, ihr müsst leider doch zu machen.` Zweihundert Arbeitsstunden musste ich bezahlen, um alles vorzubereiten, ich habe zwei Säcke voller Scheiß-Plastebesteck, ´nen beschissenen Luftfilter hab` ich gekauft, weil alle sagten, so was hilft und dann kommt so 'n Scheißer vom Gesundheitsamt und sagt, ´Zumachen`." Frank Becker, Besitzer des Diners ARIZONA, steht aufgrund des Corona-Lockdowns kurz vor der Pleite, als der georgische Gangsterboss Jascha Robakidse anbietet, ihm Geld zu leihen, um sich eine Gnadenfrist zu verschaffen. Frank zögert, da er genau weiß, dass das Angebot einen Haken hat, als einer von Jaschas Geldeintreibern ihm ein neues Geschäft vorschlägt: Er will Jascha beklauen, um mit dessen Cousine durchzubrennen. Frank sieht seine Chance, doch dafür muss er sich nicht nur mit einem gefährlichen Gangster, sondern auch mit der Camorra anlegen. Und schließlich hat sich auch noch die Polizei an seine Fersen geheftet. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

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Alex Mann

Coronagangster

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Coronagangster

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Impressum neobooks

Impressum

Alex Mann

Coronagangster

Alex Mann

Coronagangster

Thriller

Texte: © 2020 Copyright by Alex Mann

Umschlag: © 2020 Copyright by Alexander Eisfeld

Verantwortlich

für den Inhalt: Alex Mann

Druck: neobooks – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Coronagangster

Alex Mann

1

Einen Laden wie das Arizona hätte man nie im Keller des alten, etwas heruntergekommenen Neustädter Jugendstilhauses erwartet. Es war einem typischen amerikanischen Diner nachempfunden, mit knalligen grün-gelben Sitzbänken, die einen angenehmen Kontrast zu dem grellen Neonlicht abgaben, welches von den langen kastenförmigen Deckenstrahlern herableuchtete. Die Wände waren voll mit alten Reklametafeln, Nummernschildern, allen möglichen amerikanischen Souvenirs, die überall sonst kitschig gewirkt hätten, dem Laden aber ein gewisses Flair gaben. Und natürlich alte Kinoplakate und großformatige Fotos von Hollywoodstars. Charles Bronson als Vince Majestyk. Paul Newman als Hombre. Der Duke in irgendeinem seiner unzähligen Western. Clint Eastwood als Dirty Harry. Tim Olyphant als Raylan Givens. Es waren die Leinwandhelden des Besitzers, Frank Becker, der mit einer Flasche Radler in der Hand gelangweilt auf der Sitzbank an einem seiner Tische saß und auf jemanden wartete. Frank war Mitte vierzig, sein einst kastanienbraunes Haar war blasser und struppiger geworden, seine Haut trockener und faltiger. Er trug ein leichtes Jeanshemd, dass er sauber in seine braune Cordhose gesteckt hatte, deren weite Enden über ein paar abgewetzte Cowboystiefel gestülpt waren. Er passte gut zu diesem Laden, aber weder er noch sein Laden schienen in diese Stadt mit ihrem alten, barocken Charme zu passen, den man auf der anderen Seite der Elbe in Disneylandmanier neuaufleben lassen wollte.

Er hörte, wie die Tür geöffnet wurde und von allein wieder zuschlug, während weiche Gummisohlen die Treppe heruntertippelten. Ein Mann, der gute zehn Jahre jünger war als Frank, aber ohne Probleme auch für zwanzig Jahre jünger gehalten werden konnte, kam in den Raum, sah sich um, sah all die Stühle, die mit den Beinen nach oben auf den Tischen abgestellt waren, damit man darunter wischen konnte, sah die im Dunkel liegende Bar mit dem riesigen Spiegelregal voller Whiskyflaschen aller möglichen Sorten. Dieser junge Mann schien so gar nicht in den Laden zu passen. Eher in die Plastikwelt von Neu-Disneydresden mit seinem Hipsterdress, dem markenlosen Jackett, blassblauen Hemd, dem ein Bügeleisen gut getan hätte, der roten Hose und der ebenso markenlosen Kopie italienischer Schuhe, die nur dann gut aussahen, wenn sie frisch geputzt waren, was bei diesen hier schon eine Weile her war.

„Wie geht´s dir, Franky?“, fragte der junge Mann grußlos und schlenderte auf den Tisch zu.

Frank breitete die Arme aus. „Wie soll´s mir schon gehen? Ich hab` so viel Freizeit wie noch nie und hab` die besten Serien auf Netflix schon zwei Mal gesehen. Mir scheint die Sonne aus dem Arsch, Mann. Corona ist das Beste, was mir passieren kann.“

„Schon gut, Mann“, sagte der junge Kerl und zog sich den Stuhl zurecht, der am Kopfende des Tisches für ihn bereit stand. „War nur so ´ne Höflichkeitsfloskel. Kannst du mir vielleicht ´n Burger oder so was machen? Ich hab tierisch Kohldampf.“

„Was willst du, Seb?“

„´n Burger. Sagte ich doch.“

„Du kriegst jetzt keinen Scheiß-Burger. Weißt du, was mich der verdammte Laden kostet, Tag für Tag, nur weil er existiert? Miete, Versicherungen, Bereitstellungskosten für Strom und Wasser, obwohl ich nichts davon nutze.“

„Na dann nutz ihn doch und mach mir ´n Burger.“

„Du hast echt den Arsch offen, oder? Sobald ich die Küche anschmeiße, explodiert mein Energieverbrauch und das für ´nen Scheiß-Burger, den du als Freund wahrscheinlich auch noch umsonst-gratis haben willst?“

„Das ist doppelt gemoppelt?“

„Was?“

„Umsonst-gratis. Das sind zwei Worte, die das gleiche bedeuten.“

„Ja und die brauch´ ich, weil du´s beim ersten Mal anscheinend nicht raffst.“

„Also gibt´s keinen Burger?“

„Nein Mann!“, sagte Frank genervt.

„Kann ich dann wenigstens ´n Radler oder so haben? Durst hab` ich nämlich auch.“

Fluchend stand Frank Becker auf und ging zur Bar. Der junge Kerl hörte das Klappern eines Kühlschrankes, der anscheinend mit kleinen Flaschen vollgestopft war.

„Hast du vielleicht wenigstens was zu knabbern? ´n paar Erdnüsse oder so was, Frank?“

„Hast du Geld?“, fragte Frank hinter der Theke hervor.

„Nein, Mann.“

Der Kühlschrank wurde mit mehr Wucht, als notwendig war, wieder zugestoßen. Ein Zischen, als der Kronkorken von der Flasche gehebelt wurde und eine kleine Tüte Erdnüsse flog durch den Raum, klatsche vor Sebastian Hilbert auf den Tisch, rutschte über die lackierte Tischplatte und fiel ihm direkt in den Schoß.

„Bedien` dich“, sagte Frank Becker und kam mit zwei Radlerflaschen an den Tisch zurück. „Geht auf´s Haus.“

„Du bist zu großzügig.“

„Na an ´ner Scheißtüte mit Erdnüssen geh ich jetzt auch nicht pleite.“

„Dir geht´s dreckig, was?“

„Bist du gekommen, um mir was zu erzählen, was ich schon weiß?“, fragte Frank Becker genervt und leerte den Rest seiner ersten Flasche. „Der Laden lief richtig gut. Ich hatte schon einen Großteil meiner Küche abbezahlt, ich hatte ein Team zusammen, das brauchbar war und dann kam die verfickte Kung-Flu-Seuche.“

„Kung-Flu-Seuche?“

Frank Becker grinste breit. „Ja. Is´n Wortspiel. Kapierst du?“

Sebastian Hilbert überlegte einen Moment. „Ach so. Verstehe. Flu ist englisch für Grippe und Kung Flu, weil´s aus China kommt. Passt in den Laden. Guter Gag.“

„Ne. Scheißgag. Ich war schon oft pleite im Leben, aber gerade dachte ich, ich hab´s geschafft und könn´t mir ´ne schöne Rente aufbauen, da passiert so´n Scheiß. Ich hab ´n Arsch voll Schulden, die von Tag zu Tag wachsen, weil ich nicht einen Cent mehr einnehme und der Laden Kohle frisst und frisst.“

„Verkauf ihn doch.“

Frank seufzte schwer und nahm einen tiefen Schluck aus seiner neuen Flasche. „Ganz ehrlich? Ich hab` schon drüber nachgedacht. Das Problem ist, dass jetzt keiner ein Restaurant kauft und wenn, dann nur zu Dumpingpreisen. Statt großer hätt´ ich dann nur kleine Schulden. Aber wenn man nicht zahlen kann, ist´s letztlich scheißegal, ob man mit 200 oder 200.000 in der Kreide steht. Die Bank hat einen an den Eiern.“

„Was ist denn mit diesen ganzen staatlichen Hilfsprogrammen?“

„Die garantieren mir, dass ich nicht unter der Brücke leben oder verhungern muss, aber sie nützen mir einen Scheiß mit dem Laden.“

„Ehrlich? Ich hab´ mal gelesen, dass das gar nicht so wenig Geld ist, dass viele nur nicht die richtigen Summen abrufen, die ihnen zustehen.“

„Kann sein und weißt du, woran dass liegt? Weil´s hunderte Formulare gibt und keiner auf so einem Scheißamt, der einen eigentlich beraten soll, einem erklärt, was man machen muss. Sie erklären einem nur, dass man in die Zeile, wo Name steht, seinen Namen eintragen muss, als wäre man zu blöd zum Lesen. Aber wo, wann und wie ich vielleicht noch einen anderen Antrag besorgen kann, von dem ich nichts weiß, der mir aber helfen würde, dass wissen die Pfeifen nicht. Interessiert die ja auch nicht. Beamte werden ja schön weiter bezahlt.“

„Ja, die Welt ist ungerecht.“ Sebastian riss die Tüte auf, streute ein paar Erdnüsse auf den Tisch und fing an, sie zu essen.

„Und wie zum Hohn muss mir mein Nachbar das dumme Arschloch immer vorschwärmen, was für eine Chance ihm Corona doch bietet, weil er Zeit für die Kinder hat. Seine Frau ist Lehrerin im Elternurlaub, er ist freischaffender Künstler – also defacto schon immer arbeitslos – und jetzt machen sie sich jeden Tag einen Bunten, weil Sie für´s Nichtstun bezahlt wird. Sie fahren ins Gebirge, sie fahren in die Lausitz zum Baden oder nach Leipzig. Sie machen all das, was man noch machen darf, was – so schwärmt mir der Wichser immer vor – gar nicht mal so wenig ist. Er hat gerade ein tolles Leben, der Honk, und das Einzige, was bei mir weiterläuft, ist die Scheiß-Schuldenuhr. Jede Sekunde, die ich hier mit dir quatsche, nehmen meine Schulden zu. Ist wie mit dieser Scheiß-Anzeige, die dir zeigt, wie die Staatsschulden wachsen.“

„Wie groß sind denn deine Schulden?“

„Ich war mal runter auf vierzigtausend. Ein Klacks. In spätestens zwei Jahren wäre ich schuldenfrei gewesen und hätte noch jemanden eingestellt. Dann wäre ich nur noch zum Essen in meinen eigenen Laden gekommen. Jetzt haben sie sich mehr als verdreifacht. Müssten jetzt gute hundertfünfzigtausend sein. Aber wie gesagt, es wird sekündlich mehr. Am Ende des Quartals werden es um die hundertachtzigtausend sein. Aber das ist scheiß egal, weil ich keine Einnahmen hab`, weder für vierzig, noch für hundertachtzigtausend.“

„Wie lange hälst du noch durch?“, fragte Sebastian, holte eine angerissene Schachtel Zigaretten unter seinem Jackett hervor und ließ eine davon in seine linke Hand gleiten.

„Keine Ahnung. Schätze mein einziges Glück ist im Moment, dass die Scheiß-Banken nicht wissen, welchen ihrer vielen Gläubiger sie zuerst ins Grab bringen sollen. Theoretisch bin ich mit drei Raten im Rückstand, mein Dispo ist aufgebraucht und seit zwei Wochen bezahle ich meine Einkäufe durch meine Plattensammlung, die ich bei Ebay verhökere.“ Frank hielt inne und runzelte die Stirn, als Sebastian sich die Zigarette zwischen die Lippen schob und ein Feuerzeug hervorholte. „Ey, das ist ein Nichtraucherladen.“

„Ist doch eh grad´ keine Sau da“, sagte Sebastian und breitete die Arme aus, um die Leere des Raumes zu betonen.

„Ist mir scheißegal, ob jemand da ist, oder nicht, das ist mein Laden und hier wird nicht geraucht.“

„Ich will dir helfen Mann, da kannst du mich auch eine rauchen lassen.“

„Bisher trinkst du nur mein Bier, frisst meine Erdnüsse und klaust mir die Zeit.“

„Ach, hast du Termindruck?“

„Das geht dich ´n Scheiß an und jetzt pack die verdammte Fluppe weg. Ich bin kurz vor´m Explodieren und du bist grad dabei, mir ´n Grund zu liefern, meine Scheiß-Wut an dir auszulassen.“

„Okay, okay.“ Sebastian hob beschwichtigend die Hände, nahm die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger der Rechten, hielt sie Frank vor das Gesicht und ließ sie demonstrativ in der Brusttasche seines Jacketts verschwinden. „Also wie gesagt, ich will dir helfen. Ich hab` da ´nen Freund, der bereit wäre, dir etwas Geld zu leihen.“

„Und was soll mir das bringen?“

„Naja, du könntest erst mal deine Raten bei der Bank abbezahlen und wärst bei denen aus dem Schneider. Könntest deine Miete bezahlen, den Strom und den ganzen Quatsch.“

Franks linkes Auge verzog sich zu einem schmalen Schlitz als er Sebastian Hilbert musterte. Sie waren keine guten Freunde. Sebastian war nicht der Typ guter Freund. Er war der Typ, der sich an andere ranhing, sie irgendwie kannte und ab und zu von seinen Bekanntschaften profitierte. Aber er war sicherlich kein selbstloser Freund und Helfer und diese Erkenntnis machte Frank misstrauisch.

„Und was soll das bitte für ein Freund sein? Ich hab` keinen Bock auf irgendwelchen illegalen Scheiß. Mit so was bin ich durch.“

„Ich denke, du brauchst dir da keine Sorgen machen. Mein Freund will etwas Geld anlegen. Gut, du zahlst ein bisschen mehr Zinsen, als bei ´ner Bank, aber du verschaffst dir Zeit. Ich meine, wie lang soll der ganze Coronakack noch gehen? Einen Monat, zwei?“

„Ich hab` das Gefühl, das hört nie wieder auf. Besonders für uns kleine Restaurantbesitzer. Erst erzählen sie uns, tut dies, tut das, kauft Wegwerfbesteck und schiebt die Tische auseinander, halbiert eure Kapazitäten und dann, wenn alles läuft und man alles arrangiert hat, um wenigstens ein bisschen Geschäft zu machen, heißt es, ´Sorry, die verfickten Zahlen gehen gerade wieder hoch, ihr müsst leider doch zu machen.` Zweihundert Arbeitsstunden musste ich bezahlen, um alles vorzubereiten, ich habe zwei Säcke voller Scheiß-Plastebesteck, ´nen beschissenen Luftfilter hab` ich gekauft, weil alle sagten, so was hilft und dann kommt so ‘n Scheißer vom Gesundheitsamt und sagt, ´Zumachen`.“

„Ja, ich kann mir vorstellen, dass das nervig ist.“

„´n Scheiß kannst du!“, sagte Frank genervt und leerte sein Radler.

„Ja, vielleicht kann ich´s auch nicht. Die Sache ist die, wenn jetzt auch noch deine Bank kommt, bist du fertig, Franky. Dann ist dein Laden nicht nur zu, sondern auch weg. Mit Hilfe meines Freundes verschaffst du dir Zeit. Ich sag nicht, dass die Lage dadurch soviel besser wird. Aber noch hast du ´ne Chance. Ich meine, denk mal weiter, dein Laden lief super, die Leute wollen alle wieder weiter leben, wie vorher. Sobald die Kacke vorbei ist, werden sie dir die Bude einrennen und dann kannst du das kleine Darlehen auch schnell zurückzahlen.“

Frank fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Ihm gefiel die Sache nicht. Wenn er eins in seinen siebenundvierzig Jahren gelernt hatte, dann dass Leute, die dir ihr Geld anboten, meist mehr zurückverlangten, als du bereit bist, zu geben. Eine Bank ist schon ein harter Geschäftspartner. Aber die nimmt dir wenigstens nur den Laden weg und bricht dir nicht die Beine.

„Was springt für dich dabei rum?“, fragte Frank.

Sebastian zuckte mit den Schultern. Er wollte lässig und cool wirken. Und das war das Problem. Er wollte lässiger und cooler wirken, als er war. Frank war sich sicher, dass er selber irgendwelche Probleme hatte. Und jetzt versuchte er, ihn da mit reinzuziehen und es auch noch wie einen Freundschaftsdienst aussehen zu lassen.

„Wenn ihr beide ins Geschäft kommt, schuldet mir dieser Freund einen kleinen Gefallen.“

„Verstehe. Und was ist das für Geld?“

Sebastian lächelte schräg. „Frag lieber nicht so viel, Frank.“

„Ich tu´s aber. Ich hab` Zeit zu fragen.“

„In Ordnung. Es ist Geld, dass er so nicht ausgeben kann. Aber du kannst es. Und wenn du es ihm zurückzahlst, kann er es endlich auch.“

„Verstehe. Ich helfe also irgendeinem Gangster, seine Kohle zu waschen.“

„Wie gesagt, du solltest nicht zu viel drüber nachdenken. Ich meine, was soll dir passieren? Nehmen wir mal an, irgendjemand fragt dich nach dem Geld. Dann sagst du, du hast es von einem Freund geliehen. Du kannst sogar sagen, von wem du es geliehen hast, denn es ist ja nichts Illegales dabei, wenn ein Mann einem anderen Geld leiht. Und dass jemand in deiner Situation in den Zeiten in denen wir gerade leben, einen Privatkredit aufnimmt, kann ihm ja wohl auch niemand verübeln. Ist also kein Risiko dabei.“

„Kein Risiko? Hälst du mich für bescheuert? Natürlich ist da ein Risiko dabei, denn wenn die Scheiße hier noch ein Jahr weiter geht und ich deinem Freund seine Kohle nicht zurückzahlen kann, was passiert dann?“

„Mach dir keine Sorgen, Franky. Mein Freund ist etwas geduldiger, als irgend ´ne Bank. Mit dem kann man reden.“

Frank seufzte und lehnte sich zurück gegen das Kunststoffpolster des Stuhls. Er wusste, dass auf diese Art und Weise Probleme anfingen. Wenn man weiß, dass der Weg, denn man gehen wird, mit Ärger verbunden ist. Aber wenn es nun mal keinen anderen Weg gab.

„Ich will deinen Freund kennen lernen.“

2

Ein paar Stunden zuvor.

Mirko Banowani klopfte an die Tür, rieb sich mit dem Zeigefinger die Nase und schob dann beide Hände in die Taschen seiner Sportjacke.

„Wer ist da?“, fragte eine männliche Stimme von der anderen Seite der Tür.

„Mach auf Seb“, sagte Mirko, ohne die Frage direkt zu beantworten.

Für ein paar Sekunden war es still.

„Du weißt schon, dass diese Tür gleich aufgehen wird? Aber es wird entspannter laufen, wenn du sie aufmachst, kapierst du das?“

Es war immer dasselbe, dachte Mirko. Wenn er seinen zweiten oder dritten Besuch machte und die Leute seine Stimme erkannten, zögerten sie, zu öffnen. Als ob das dann noch irgendetwas zu bedeuten hätte. Immerhin wohnte Sebastian Hilbert im vierten Stock und Mirko glaubte nicht, dass er ein so guter Fassadenkletterer war, als dass er über das Fenster entkommen konnte.

Tatsächlich hörte er gleich darauf, wie ein Speerriegel geöffnet wurde, ein Schlüssel sich zwei Mal im Schloss drehte und dann ging die Tür auf.

Sebastian Hilber schaute unsicher durch den Türspalt.

„Ich musste mir nur noch was anziehen“, sagte der Hipster und zog, wie um seine Worte zu unterstreichen, am Kragen seines Hemds.

„Schon klar.“ Mirko trat durch die Tür und rüffelte die Nase. „Mann, du solltest echt öfter mal lüften. Von dem Mief allein wird man ja schon high. Ist ‘n Wunder, dass deine Nachbarn den Bullen noch nichts gesteckt haben.“

Sebastian grinste. „Och, das sind alles Studenten. Die haben sogar schon des Öfteren bei mir geklingelt und mir was abgekauft“, sagte er. Immer noch trug er lediglich das Hemd und eine Boxershorts.

„Ach ehrlich?“ Mirko ging durch die Tür ins Wohnzimmer. Die Wohnung war mit schlichten IKEA-Möbeln eingerichtet, nicht unelegant, aber eben auch billig. Ein großer Flachbildfernseher hing an der Wand. Auf einem Sideboard stand eine zertrümmerte Stereoanlage.

„Immer noch kaputt?“, fragte Mirko, ließ sich auf einen grauen Sessel fallen und nickte in Richtung der Stereoanlage.

„Ja, Mann, das war echt scheiße. Mit dem Fernseher hätte ich eher leben können, als mit meiner Anlage, zumal sie doppelt so teuer war.“

Sebastian knöpfte sein Hemd zu und steckte es sich in die Shorts.

Mirko zog eine Schachtel Zigaretten aus der Jackentasche, klopfte zweimal auf die Lehne des Sessels, steckte sich dann eine in den Mund und holte ein Klappfeuerzeug hervor.

„Ej, Mann“, sagte Sebastian. „Kannst du das lassen? Das ist ‘n Nichtraucherhaushalt.“

„Nichtraucherhaushalt?“, fragte Mirko lachend und zündete die Zigarette an. „Mann, hier riechts, als hätten zwanzig Kiffer ´ne Woche lang Party gefeiert und du regst dich über ´ne Fluppe auf? Ernst jetzt?“

„Ist halt was anderes.“

„Durchaus.“ Mirko nahm einen tiefen Zug, wandte den Kopf zu der Stereoanlage und bliess dabei blauen Rauch durch das halbe Zimmer. „Was das anbelangt, ist´s nun mal Pech, aber ´ne erste Warnung ist ´ne erste Warnung. Die muss halt auch schon weh tun. Was sollte ich denn deiner Meinung nach zertrümmern? ´n Blumentopf?“

„Nein, Mann. Siehst du hier irgendwelche Scheißblumen? Man muss sich ja aber auch steigern können.“

„Hast du ´n Aschenbecher?“

Sebastian schüttelte mit dem Kopf, woraufhin Mirko einmal mit dem Zeigefinger auf seine Zigarette klopfte und ein Aschwölkchen auf den braunen Flokati rieselte.

„Du willst mir also sagen, ich hätte erst deinen Fernseher und dann deine Anlage zertrümmern sollen? Das heißt, du hast Jaschas Geld immer noch nicht?“

„Man woher denn? Es ist Scheiß-Corona. Alles hat dicht. Wie soll man denn jetzt Geschäfte machen?“

„Keine Ahnung. Hättest in ein Scheiß-Restaurant einbrechen können, die Einrichtung klauen und bei Ebay verhökern. Hast du keine Eltern?“

„Die haben schon vor Jahren aufgehört, mir Geld zu leihen.“

„Tja, Mann, dann sieht´s wirklich schlecht für dich aus, denn in dem Fall wird das heute die zweite Warnung. Und wie du selbst schon festgestellt hast, kann ich mich mit dem Fernseher nicht wirklich steigern.“

Sebastian schluckte schwer und musterte Mirko. Er war ein junger Georgier, vielleicht Ende zwanzig, mit breiten Schultern und muskulösen Armen, die durch drei Fitnessstudiobesuche pro Woche in Form gehalten wurden. Er trug Sportklamotten, ein Goldkettchen und sah wie so viele der weißen Jungs aus, die mit ihrem Look schwarze Rapper imitieren wollten, wobei sein kurzer Bürstenhaarschnitt und die kantige Physiognomie immer noch den Osteuropäer verrieten.

„Was schaust du mich so an, wie ein Schweinchen den Schlachter? Ich werd` dich ja nicht gleich umlegen.“

„Und was willst du mir abschneiden?“

„Abschneiden? Mann, du guckst zu viele Scheißfilme. Ich werd` dir nichts abschneiden und ich werd` dir auch nicht das Gesicht zu Brei schlagen. Elimar, der hätte dir schon zwei Rippen gebrochen, einfach weil er dich für ´n schwulen Hipster hält und für die Sache mit der Tür hätte er dir gleich die nächste reingewürgt. Nein, wenn man was abschneidet oder das Gesicht zu stark malträtiert, musst du ins Krankenhaus und die dort rufen gleich die Bullen und auch wenn´s echt dumm wäre, würde dabei immer das Risiko bestehen, dass die was aus dir rauskitzeln und darauf hab ich echt keinen Bock. Ich brech´ dir einen oder zwei Finger. Das kann dir auch bei ´nem x-beliebigen Unfall passiert sein.“

Sebastian schluckte vor Angst und räusperte sich sogleich, um es zu überdecken. „Kann … Jascha mir nicht ´n kleinen Aufschub gewähren? Ich meine, bis der verdammte Lockdown vorbei ist und ich wenigstens ´ne Chance hab, Kohle zu verdienen?“

„Was brauchst du denn für ´ne Chance? Mann, Seb, dein Problem ist, dass du faul bist und dich dann auch noch blöder anstellst, als du bist. Ich meine, den Fernseher, den ich dir gelassen habe, der ist doch bestimmt immer noch seine vier-, fünfhundert Tacken wert. Dann erzählst du mir, dass diese Studenten hier dir Stoff abkaufen. Ich an deiner Stelle hätte Jascha längst ein Geschäft vorgeschlagen. Gerade jetzt sind Studenten gute Kunden, die kriegen ihr Bafög nämlich auch unabhängig von Corona.“

„Ich bin kein Dealer.“

„Wenn ich mit zwei Riesen bei Jascha in der Kreide stehen würde und soviel Schiss vor zwei gebrochenen Fingern hätte, wie du, dann würde ich langsam anfangen, abzuwägen.“ Mirko hob die Hände auf und nieder, warf einen Blick auf seine fast aufgerauchte Zigarette, ließ den Stummel in den Flokati fallen und zog die Schachtel wieder aus der Tasche.

Sebastian räusperte sich abermals. „Meinst du, du könntest da was anleiern?“

Mirko seufzte, zog die Augenbrauen hoch und zündete sich die neue Zigarette an. „Man, das kommt jetzt ´n bisschen spät. Zumal du so gar nichts hast, um ihn zu besänftigen.“

„Du würdest mir wohl kaum helfen, jetzt noch ein Restaurant leerzuräumen“, sagte Sebastian im Versuch eines Scherzes.

Mirkos Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Nicht bei Tag.“

Sebastian nickte langsam. Und dabei kam ihm eine Idee.

„Vielleicht hätte ich doch was für Jascha.“

„Ich bin ganz Ohr. Hab´ auch nicht sonderlich Lust, dir die Finger zu brechen.“

„’nem alten Kumpel von mir gehört ein Restaurant. Das Arizona. ´n American Dinner.“

„Du willst ´n alten Kumpel beklauen?“

„Nein, Mann. Aber wie alle Gastronomen steckt dieser Kumpel, sein Name ist Frank Becker, gerade richtig in der Scheiße. Hat Schulden bei der Bank, laufende Kosten und den ganzen Hickhack. Müssten so um die zwanzigtausend sein und er hat keine Chance, sie zurückzuzahlen.“

„Und was hat Jascha damit zu tun?“

„Wenn er ihm die Kohle leiht, damit er die Bank bezahlen kann, hat er seine Hand auf dem Laden.“

„Glaub` nicht, dass Jascha daran großes Interesse hat. Was soll er denn mit ´ner Frittenbude?“

„Ej Mann, das ist nicht einfach ´ne Frittenbude. Ist ´n echt geiler Laden. Worauf ich aber hinaus will ist, dass es ein Laden ist, in dem – wenn er dann irgendwann mal wieder aufmachen darf – ein Haufen Bargeld hin- und herbewegt wird.“

„Und?“

„Verstehst du das nicht? Ich hab mal davon gelesen. Die Italiener machen das so. Ich meine die Mafia. Die nutzen ihre Pizzerias um Geld zu waschen. Und gleichzeitig machen sie damit weiter Kohle.“Mirko nahm zwei tiefe Züge von seiner Zigarette und dachte nach. So etwas war eigentlich nicht sein Ding. Er war kein Geschäftsmann. Er war Geldeintreiber und er war gut darin, weil er die meisten von Jaschas Kunden dazu brachte, zu bezahlen, ohne die Aufmerksamkeit der Bullen auf sich zu ziehen.

„Und du meinst, dass ist ´n sicheres Ding?“, fragte er nach einer Weile in der ihn Sebastian mit weit aufgerissenen, hoffnungsvollen Augen angesehen hatte.

„Klar. Ich meine, er kriegt ´nen fertigen Laden, der sofort wieder loslegen kann, wenn die Scheiße hier vorbei ist. Er könnte sogar meinen Kumpel als Geschäftsführer einsetzen. Der hat ´ne komplette Mannschaft, ´n guten Koch. Null Arbeit für Jascha.“

Mirko rauchte den Rest seiner Zigarette auf, warf den Stummel auf den Flokati und drückte ihn mit der Fußspitze aus. Dann tippelten seine Hände nervös auf der Armlehne.

Jascha war eigentlich nicht der Typ für so etwas. Wenn er sagte, ´Hol mir mein Geld`, dann hieß das ´Hol mir mein Geld` und eben nicht ´Hol mir mein Geld oder bring irgend ´ne dumme Idee mit.` Wenn ihm die Sache nicht gefiel, konnte man sich ganz schnell bei ihm unbeliebt machen. Andererseits war Mirko jetzt auch nicht irgendein Geldeintreiber. Einen Ausrutscher konnte er sich bestimmt leisten, wenn Jascha die Sache nicht gefiel und wenn doch, dann umso besser.

„Alles klar Mann, ich rede mit ihm“, sagte Mirko langsam und erhob sich aus dem Sessel. „Aber an deiner Stelle würde ich trotzdem zusehen, dass ich zügig ´n bisschen Kohle ranschaffe, denn wenn Jascha deine Idee Scheiße findet und ich wieder herkommen muss, dann werd` ich dir nicht nur zwei Finger brechen. Echt Mann, ich mach´ so was nicht gern, aber ich würd´s tun, denn ich häng` an meinem Job, hast du mich verstanden?“

„Schon klar.“

„Ich fahr jetzt gleich zu Jascha und rede mit ihm. Wenn ihm die Sache gefällt, rufe ich dich an, also hab´ dein Handy griffbereit.“

„Hab´ ich.“

Mirko ging zur Tür und drehte sich noch mal um. „Ej, Mann, du hast doch nicht etwa vor, abzuhauen?“

„Nein. Wo sollte ich auch hin?“

„Ist gut. Wär´ auch ´ne beschissene Idee.“

Vor der Tür blieb Mirko stehen und durchwühlte die Taschen seiner Jacke.

„Suchst du was?“, fragte Sebastian.

„Ja, Mann. Meine Maske.“

„Wozu?“

„Für die Straßenbahn.“

„Du fährst Straßenbahn?“

„Jo, warum nicht? Der Verkehr über die Elbe kann zu Stoßzeiten echt nervtötend sein. Außerdem schau ich mir beim Straßenbahnfahren gern einfach die Stadt an. Das entspannt mich. Es gibt keine schönere Stadt zum Straßenbahnfahren.“

„Na wenn du denkst“, sagte Sebastian kopfschüttelnd, als Mirko seine FFP-2 Maske aus der Tasche zog und die Wohnung verließ.

3

Es war ein schöner Tag zum Straßenbahnfahren. Die Sonne schien und die Plätze waren eng besetzt, als gäbe es keinen Virus, der das Leben der Menschen einschränkte. Nur die Masken der anderen Fahrgäste in der Straßenbahn erinnerten daran. Aber wenn Mirko aus dem Fenster sah, entdeckte er geschlossene Restaurants, abgedunkelte Läden und nur selten Mal einen Fußgänger.

Mirko fuhr hinaus bis Laubegast, wo Jascha Robakidse eine alte Villa mit Blick auf die Elbe bewohnte. Jascha lebte seit etwa zehn Jahren in der Stadt und hatte sich seitdem ein respektables Leben aufgebaut. Sein Aushängeschild war ein Gebrauchtwagenhandel mit dem er alte deutsche Autos nach Osteuropa verschob. Alles legal und durchaus nicht unlukrativ. Damit bezahlte er seine Steuern und präsentierte sich als integriertes Mitglied der Gesellschaft. Seine großen Geschäfte machte er jedoch mit Drogen und Frauen, die er beide über sein offizielles Geschäft nach Deutschland holte. Das brachte noch mehr gutes Geld, wobei Jascha clever genug war, den ganz Großen der Branche nicht zu sehr auf die Füße zu treten. Er hatte nur zwei Mädchen in der Stadt und ein halbes Dutzend in den kleineren Städten im Umland, wo er auch einen Großteil seiner Drogengeschäfte abwickelte. Die Gewinne verlieh er, zum Einen, um sie zu waschen und zum anderen, um noch mehr Geld daraus zu machen.

Hast du einmal etwas Geld über, um es zu investieren, ist es gar nicht so schwer, mehr daraus zu machen, wenn du nicht so doof bist, es zur Bank zu bringen, dachte Mirko während er an dem rostigen mit vertrockneten Ranken überwucherten gusseisernen Zaun entlang ging, der das Grundstück umgab. Von außen machte die Villa einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Die Fenster waren mal erneuert worden, aber es fehlte an frischer Farbe, der Putz bröckelte an einigen Stellen. Der Garten war ungepflegt, das Gras stand hoch und fing an zu vertrocknen, da es bereits seit mehreren Tagen nicht mehr geregnet hatte. Es hätte Jascha keine Mühe gekostet, dass alles mit einem Gärtner und einer Hausfrau auf Vordermann zu bringen. Doch ihm gefiel es so. Er war es von zu Hause nicht anders gewohnt, wo man Häuser bewohnte und nicht ständig renovierte. Allenfalls verbesserte man sie durch den Kauf eines moderneren Kühlschranks oder eines größeren und besseren Fernsehers.

Mirko hörte das Planschen von Wasser und als er vor der gusseisernen Gittertür neben dem Tor stand, erkannte er ein halbes Dutzend Kinder in Badesachen, die um einen großen, aquablauen Pool herumsprangen, der in dem unkrautüberwucherten Garten mit Blick auf den Fluss aufgebaut war. Mirko drückte auf die elektrische Klingel, auf der mit Kugelschreiber ROBAKIDSE geschrieben stand, und wartete. Als das elektrische Surren ertönte, welches die ganze Gittertür unter Strom zu setzen schien, stieß er vorsichtig mit seinem Fuß dagegen. Die Tür schwang auf und Mirko ging, leicht nervös durch den Garten.

Am hinteren Ende des Hauses befand sich eine großzügige Veranda, von der aus die Bauherren ebenso wie der neue Besitzer den Blick auf die Elbe genossen. Etliche Radfahrer zogen am Flussufer entlang. Nur Dampfer waren seit einer Weile keine mehr zu sehen, denn auch die Weiße Flotte hatte pandemiebedingt ihren Betrieb einstellen müssen und das, obwohl der Fluss ausreichend Wasser führte, was durchaus nicht in all den letzten Jahren der Fall gewesen war.

Auf der Veranda stand ein Campingtisch der billigsten Sorte, umgeben von drei weißen Plastikstühlen. Ein kleines Radio stand in einem Fensterrahmen und spielte Ostrock. Jascha Robakidse saß mit einer aufgeschlagenen Zeitung in der Hand in einem der Stühle. Er trug eine grüne Badehose, deren Bund von seinem herabhängenden Bauch verdeckt wurde, denn zumindest seiner Körperfühle konnte man den Wohlstand ein wenig ansehen. Jascha war nicht sehr groß. Als junger Kerl musste er einmal recht ansehnlich gewesen sein, doch davon war nicht mehr viel übrig geblieben. Sein schütteres weißes Haar war streng nach hinten gekämmt. Die große Hakennase war das Einzige, was in seinem sonst etwas eingefallen wirkenden Gesicht noch die Form gewahrt hatte. Er trug eine Steve McQueen Sonnenbrille, die wohl jedermann gestanden hätte, nur nicht ihm und die er sich jetzt von der Nase zog, als Mirko die drei Stufen zur Veranda erklomm.

„Mirko, mein Bester“, sagte Jascha gut gelaunt und wies auf einen der Plastikstühle. „Setz dich. Willst du was trinken? Einen Eistee?“

„Sehr gern“, sagte Mirko und setzte sich.

Jascha wandte den Kopf um und schrie durch die geöffnete Flügeltür ins Innere des Hauses: „Daria, bring mal noch ein Glas raus. Und einen Aschenbecher.“ Dann wandte er sich wieder Mirko zu. „Rauch ruhig eine. Dir erlaube ich das.“

Mirko nickte dankend. Jascha erlaubte es durchaus nicht allen seinen Gästen auf seiner Veranda oder gar in seinem Haus zu rauchen und es war ein Zeichen der Wertschätzung für Mirkos Arbeit, welches ihm zumindest ein bisschen die Angst nahm.

Als er sich eine Zigarette anzündete, erschien eine Frau von Mitte dreißig in einem weiten geblümten Sommerkleid, welches die wenigen kleinen Rundungen geschickt verdeckte, die sie nach sechs Schwangerschaften an Bauch, Hüfte und Hintern angesetzt hatte. Dennoch war Daria immer noch eine viel zu schöne Frau für einen hässlichen Mann, wie Jascha einer war und es war offensichtlich, das Geld die Grundlage dieser Ehe bildete. Allerdings musste man es Jascha zugutehalten, dass seine liebevolle Art als Ehemann und Vater durchaus dazu beigetragen hatte, den Respekt, den Daria ursprünglich nur seinem Geld entgegengebrachte, auch auf ihn übergehen zu lassen.

Sie begrüßte Mirko mit einem Lächeln, stellte den Aschenbecher neben ihm ab und füllte das Glas aus der bereits bereitstehenden Karaffe mit Eistee, ehe sie wieder im Haus verschwand.

Jascha sah ihr zufrieden hinterher und wandte sich dann Mirko zu, der schnell einen Schluck Eistee nahm.

„Und, hat der kleine Hipster geweint, als du ihm die Finger gebrochen hast?“, fragte er mit einem vorfreudigen Lächeln. Obwohl Jascha sehr vielen Leuten Geld verlieh und bei weitem nicht mit allen persönliche Bekanntschaft machte, wusste er doch sehr genau über sie Bescheid. „Oder hat er irgendwoher Geld beschafft?“