Die Todesliste - Alex Mann - E-Book

Die Todesliste E-Book

Alex Mann

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Beschreibung

Phil Bishop kippte den Whisky herunter, wischte sich den Mund mit dem staubigen Ärmel ab und knallte das Glas selbstbewusst auf die Theke. »Noch einen.« Während Al nachschenkte, fiel Phils Blick auf einen Fremden, der etwas abseits am anderen Ende der Bar saß. Er trug einen eleganten schwarzen Anzug mit blauer Seidenweste, Krawatte und einem blütenweißen Hemd. Er schien ganz darin vertieft zu sein, die halbvolle Flasche, die vor ihm stand, zu leeren. Dennoch fragte Phil: »Hey, Fremder. Kann ich Sie vielleicht auf einen Drink einladen?« Der Fremde hob den Kopf, und erst jetzt konnte Phil Bishop seine Augen sehen, die bisher im Schatten der Hutkrempe verborgen gewesen waren. So klare, helle Augen hatte er bis dahin noch nie gesehen...

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Seitenzahl: 152

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Die Todesliste

Die Todesliste

Alex Mann

Impressum

Copyright: Novo-Books im vss-verlag

Jahr: 2024

Lektorat/ Korrektorat: Peter Altvater

Cover: Hermann Schladt

Verlagsportal: www.novobooks.de

Gedruckt in Deutschland

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

1

„Hast du´n Drink für mich, Al?“

„Klar. Das ist ein Saloon. Ich habe für jeden einen Drink, der zahlen kann. Außer für Nigger natürlich.“

„Verstehe.“ Philipp Bishop griff in die ausgebeulte Tasche seiner Jacke und tastete nach den fünf Dollarmünzen, den letzten fünf Dollar, die er besaß. Er ließ sie einzeln durch seine Finger gleiten und dachte sorgfältig nach.

Dann zog er kurz entschlossen eine der Münzen hervor und legte sie auf den Tresen.

„Gib mir einen. Vom billigsten.“

Al der Barkeeper verzog keine Miene, griff unter die Theke und holte eine volle Flasche Whisky hervor. Er zog den Korken heraus, nahm ein Glas und füllte es bis zum Rand. Dann schob er es Phil Bishop zu und nahm den Dollar.

„Macht fünfundzwanzig Cent. Willst du raushaben oder hast du vor, noch ein paar mehr zu trinken?“

Phil Bishop kippte den Whisky herunter, wischte sich den Mund mit dem staubigen Ärmel ab und knallte das Glas selbstbewusst auf die Theke. „Noch einen.“

Während Al nachschenkte, fiel Phils Blick auf einen Fremden, der etwas abseits am anderen Ende der Bar saß. Er trug einen eleganten schwarzen Anzug mit blauer Seidenweste, Krawatte und einem blütenweißen Hemd. Er schien ganz darin vertieft zu sein, die halbvolle Flasche, die vor ihm stand zu leeren. Dennoch fragte Phil: „Hej, Fremder. Kann ich Sie vielleicht auf einen Drink einladen?“

Der Fremde hob den Kopf und erst jetzt konnte Phil Bishop seine Augen sehen, die bisher im Schatten der Hutkrempe verborgen gewesen waren. So klare, helle Augen hatte er bis dahin noch nie gesehen.

„Reden Sie mit mir?“, fragte der Fremde mit einer weichen Stimme, die einen markanten Kontrast zu seiner kantigen, kalten Erscheinung bildete.

„Ja. Ich lad´ Sie ein.“

„Es tut mit leid.“ Der Fremde senkte den Blick wieder auf sein Glas und hielt das Gespräch somit für beendet.

„Was tut ihnen leid?“, fragte Phil Bishop.

Der Fremde seufzte schwer.

„Es tut mir leid, dass ich ihnen offenbar fälschlicherweise den Eindruck vermittelt habe, ich stünde ihnen für ein Gespräch zur Verfügung. Ich will einfach nur meinen Drink genießen. Also lassen Sie mich gefälligst in Ruhe.“

„Ich wollte ja nur höflich sein“, sagte Phil Bishop beleidigt.

„Nein. Sie wollten jemanden, bei dem sie ihre Probleme abladen und den Sie damit vollquatschen können, nur damit Sie nicht wirklich dran denken müssen. Und um ihr Gewissen zu erleichtern, weil das eigentlich `ne unhöfliche und ziemlich miese Nummer ist, laden Sie mich auf einen Drink ein. So ist es doch, nicht wahr?“

„Dann lassen Sie es eben bleiben“, sagte Phil Bishop und zischte beleidigt ein „Arschloch“ hinterher. Er leerte sein zweites Glas und schaute dann zu Al dem Barkeeper.

„Was kostet die ganze Flasche?“

„Zwei Dollar Fünfzig. Also noch Eins Fünfzig, wenn du Sie behalten willst.“

„Kannst du rausgeben?“, fragte Phil Bishop und holte noch zwei Münzen aus seiner ausgebeulten Jackentasche hervor.

Al strich das Geld ein, schob Phil Bishop die Flasche zu und öffnete dann eine Kassette unter dem Tresen, in der er die drei Ein-Dollar-Münzen verschwinden ließ und eine Fünfzig-Cent-Münze hervorholte, die er Phil Bishop zuschob.

Dieser griff hastig nach der Münze, steckte sie in seine ausgebeulte Jackentasche und fühlte auch noch einmal nach den anderen beiden Dollarstücken. Mit einem Schlag hatte er sein verbliebenes Vermögen halbiert. Und wofür? Für billigen Fusel. Aber das war ihm jetzt auch egal.

Er warf dem Fremden, der sich bereits wieder vollständig auf seinen eigenen Drink zu konzentrieren schien, einen letzten wütenden Blick zu und suchte sich dann einen Tisch in dem nahezu verlassenen Saloon, wo er sich sein Glas wieder füllte und seufzend überlegte, über welches seiner vielen Probleme er als erstes nicht nachzudenken versuchen sollte.

Dabei fiel ihm wieder der Fremde ein. Eigentlich hatte der Mann ja Recht gehabt. Eigentlich wollte er ihn nur auf ein Glas einladen, um sich seinen Frust von der Seele zu reden, ein wenig Mitleid einzuheimsen und vielleicht als Dank einen etwas besseren Drink spendiert zu bekommen, als er selbst ihn sich gerade leisten konnte.

Während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, bemerkte Phil Bishop, dass er wieder zu dem Fremden hinüberblickte. Und seltsamerweise schaute der Fremde zu ihm. Er hatte sein Glas in der linken Hand und musterte ihn mit ausdruckslosem Gesicht. Kein Vorwurf, aber auch keine Entschuldigung ließen sich darin erkennen.

Plötzlich leerte er sein Glas, griff seine Flasche und kam mit langsamen, eleganten Schritten durch den Raum auf Phil Bishops Tisch zugeschritten. Nervös kippte Phil seinen eigenen Drink herunter.

Seine Hände fingen an zu zittern. Kalter Schweiß brach ihm aus. Suchte der Fremde etwa Streit mit ihm? Hatte er sich provoziert gefühlt, weil er zu lang zu ihm herübergestarrt hatte? Dabei war es ihm selber doch gar nicht aufgefallen.

Die Sporen des Fremden klirrten bei jedem Schritt und Phil Bishop fiel auf, dass er einen braunen Coltgürtel trug. Das Holster saß quer vor seiner linken Hüfte und der weiße Griff eines 45er ragte heraus.

Phil schluckte nervös. Was, wenn der Fremde gleich nach diesem Griff langte? Er selbst war unbewaffnet. Er besaß gar keinen Revolver.

Dann stand der Fremde vor ihm am Tisch und stellte seine mittlerweile nur noch zu einem Drittel gefüllte Whiskyflasche leise darauf ab.

„Ich möchte mich bei ihnen entschuldigen, Mister“, sagte er mit seiner samtweichen, so angenehm und freundlich klingenden Stimme und in seinem Gesicht zeichnete sich tatsächlich ein nettes Lächeln ab. „Schätze, wir alle, die in einem Saloon eine ganze Flasche für uns selbst kaufen, haben so unsere Probleme. Die einen wollen einfach nur allein sein und sie ertränken. Die anderen suchen dabei noch ein bisschen Gesellschaft. Man kann dem einen nicht verübeln, dass er dem anderen nicht anmerkt, nicht dasselbe zu wollen, oder?“

„Nein. Nein. Ganz und gar nicht“, stotterte Phil Bishop. „Sie haben Recht. Aber ich wollte Sie auch wirklich nicht belästigen, Mister.“

Der Fremde zuckte mit den Schultern. „Nun, vielleicht hat das Schicksal es ja so gewollt, dass wir uns heute hier unterhalten. In dem Fall kann ich doch das Schicksal nicht wieder vor die Tür setzen, oder nicht?“

„Ich weiß nicht“, sagte Phil Bishop unsicher. „Wenn ich daran denke, was anscheinend mein Schicksal ist, dann würde ich es nur liebend gern vor die Tür setzen.“

Der Fremde lachte hell auf. „Der war gut. Sie haben Humor. Das ist gut. Es ist wichtig, dass man seinen Humor nicht verliert, auch wenn man zur Flasche greift. Sonst wird man noch zum Trinker. Wie heißen Sie, mein Freund?“

„Philipp Bishop.“

„Philipp Bishop. Nennt man Sie Phil? Der Barkeeper nannte Sie Phil. Darf ich Sie Phil nennen?“

„Natürlich“, sagte Phil und vergaß ganz, den Fremden nach dessen Namen zu fragen. Er würde ihn nie erfahren.

„Darf ich mich setzen, Phil?“

„Natürlich.“

Der Fremde nahm sich einen Stuhl, stellte sein Glas auf den Tisch und entkorkte seine Flasche. Dann schenkte er sich und Phil ein.

„Ich bin so frei“, sagte er. „Ich glaube, meiner ist besser, als ihrer. Cheers.“

Sie stießen an und tranken.

Der Fremde sog mit geschlossenen Lidern die Luft ein. Dann öffnete er sie, zeigte seine himmelblauen Augen, bei denen man nicht wusste, ob sie besonders freundlich oder besonders kalt wirkten und fragte: „Also Phil. Worüber wollten Sie sich mit mir unterhalten?“

„Hm. Ich weiß nicht“, sagte Phil und schaute auf das leere Gläschen, dass er mit beiden Händen umklammert hielt. „Ich wollte Sie wie gesagt nicht belästigen. Und wenn Sie lieber alleine trinken wollen…“

„Aber jetzt trinke ich doch hier mit ihnen, Phil. Wir teilen uns einen Tisch und ich habe Sie nach ihren Problemen gefragt. Dass ist etwas vollkommen anderes, als wenn Sie mich zu einem Glas billigen Fusel einladen, um sie mir anschließend einfach ungefragt aufdrängen zu können. Sehen Sie das nicht auch so?“

„Da haben Sie recht.“

„Sie sind Farmer?“

„Ja.“

„Das sieht man ihnen an. Was ist das Problem? Wird die Ernte schlecht?“

Phil Bishop schüttelte mit dem Kopf. „Nein. Viel schlimmer. Ich habe draußen in den Comanche Plains ein Stück Land mit einem kleinen Wasserloch. Es ist das einzige Wasserloch weit und breit und es gehört mir. Da ich allein nur einen kleinen Teil meines Landes bebauen könnte, was mit viel harter Arbeit verbunden wäre und außerdem kaum Gewinne abwirft, habe ich beschlossen, mir Land dazu zu pachten und einen Kredit aufzunehmen, um eine Herde von fünfhundert Kühen und ein paar Bullen zu kaufen. Die wollte ich auf meinem Land weiden lassen. Die Bullen sollten schön die Kühe besteigen und nächstes Frühjahr, wenn die Herde sich dann vergrößert hat, wollte ich einen Teil zum doppelten Einkaufspreis abstoßen und so weiter. Ich würde die Viecher sich immer schön vermehren lassen und einen Teil verkaufen. So könnte ich mit wenig Aufwand gutes Geld verdienen.“

„Es ist immer schön, wenn man ohne Arbeit Geld verdient, was Phil?“

„Ja genau. Ich meine, schauen Sie sich die großen Rancher an oder die Bankleute. Was haben die den für Arbeit? Sie befehlen und delegieren und müssen am Ende nur ihr Geld zählen. Das wollte ich auch. Nur nicht so groß.“

„Verstehe. Sie sind bescheiden.“

„Ja, ich bin bescheiden. Also, ich habe diese Rinder gekauft und von meinem Nachbarn Land gepachtet, damit sie genügend Weidegrund haben. Irgendwann, wenn meine Kredite zurückbezahlt wären, wollte ich es ihm abkaufen.“

„Aber kostet die Pacht nicht auch Geld?“

Phil nickte. „Ja. Das tut sie, zum Teufel. Darauf komme ich gleich noch zurück.“

„Entschuldigung“, sagte der Fremde, griff in die Tasche seiner Jacke und holte eine Pfeife hervor, die er ohne hinzusehen zu stopfen begann. Seine blauen Augen waren weiterhin interessiert auf Phil Bishop gerichtet.

„Ich brauchte einen großen Kredit von der Bank. Zum einen für die Rinder, zum anderen für die Pacht. Will McLean, der hier die größte Ranch besitzt, hat mich ausgelacht und gesagt, nie würde es jemandem gelingen, draußen in den Comanche Plains eine große Herde aufzubauen. Aber ihm wollte ich es schon zeigen.“

„Und die Bank hat ihnen einen Kredit gegeben?“, fragte der Fremde und zog ein Streichholz über die Tischplatte, das er anschließend in seinen Pfeifenkopf hielt.

„Natürlich. Immerhin habe ich ein gutes Stück Land, das etwas wert ist, dazu sollten die Rinder kommen. Für die Bank sah alles solide aus. Aber ich war zuversichtlich, meinen Kredit nach dem ersten Jahr zurückzahlen zu können.“

„Doch es kam anders“, sagte der Fremde, sog an seiner Pfeife und blies langsam eine weiß-graue Wolke zur Decke.

Phil nickte, kippte seinen Whisky herunter und schniefte. „Ja. Das verdammte Wasserloch ist ausgetrocknet. Es lag mit Sicherheit an dem trockenen Winter, den wir hatten. Fünfhundert Rinder können schon eine ganze Menge saufen. Na und wenn so ein Wasserloch irgendwann keinen Nachschub bekommt, dann ist es eben alle.“

„Verstehe. Und Sie haben ein Problem.“

„Ein Riesenproblem. Ich hatte kein eigenes Wasser mehr. Die einzige andere Quelle ist der Blue Creek, aber der fließt ausschließlich durch McLean Land.“

„Ich verstehe“, sagte der Fremde mit einer vielsagenden Kopfbewegung. „McLean hat ihren Rindern jedoch nur für weiteres Geld Zugang zu seinem Wasser gewährt.“

„Stimmt genau. Ich musste also einen zusätzlichen Kredit bei der Bank aufnehmen. Max Taylor, der die Filiale hier leitet, hat ihn mir auch nur sehr widerwillig gegeben. Ich sagte ihm, dass ich eben einen größeren Teil der Herde verkaufen würde, als ich ursprünglich vorgehabt hatte, um ihm sein Geld zurückzuzahlen. Also hat er letztendlich zugestimmt.“

„Hatte sich die Herde den inzwischen vermehrt?“

Phil Bishop wog den Kopf hin und her. „Ja schon. Das Problem war eben nur, dass die Kühe natürlich auch unter dem Wassermangel litten. McLean hat sich jedes Mal, wenn ich meine Tiere zu ihm an den Bach trieb, ordentlich entlohnen lassen. Ich habe ihn gefragt, ob ich ihn nicht später bezahlen könnte, wenn ich meine Tiere verkauft hatte, doch er ließ nicht mit sich reden. Er meinte, er bezweifle, dass meine Rinder es je so weit bringen würden und dann hätte ich bei ihm einen Haufen Schulden und könnte sie niemals abbezahlen. Naja und deswegen konnte ich meine Tiere nicht so oft zu ihm bringen, wie es nötig gewesen wäre. Und es wäre oft nötig gewesen. So manche trächtige Kuh ist mir deswegen eingegangen und so manches Jungtier später verreckt, weil seine Mutter ihm keine Milch geben konnte. Ich wollte ein paar selber aufziehen, aber wenn ich mir schon kaum McLeans Wasser leisten konnte, wie sollte ich dann so viel Milch bezahlen?“

„Klingt, als sei dieser McLean ein verdammt schlechter Christ und ein noch viel schlechterer Nachbar.“

„Da haben sie Recht. Er ist ein mieses Arschloch. Aber er ist nicht allein für meine Sorgen verantwortlich.“

„Was haben Sie denn letztendlich für ihre Herde bekommen?“

„Das ist ja das schlimme. Als im Frühjahr die Viehkäufer kamen, boten sie mir hundsmiserable Preise, weil meine Tiere sich natürlich in keinem guten Zustand befanden. Tiere, die Durst haben fressen eben auch nicht gut. Da hilft mir das saftigste Weideland nichts.“

„Das heißt, Sie haben sie nicht verkaufen können?“

„Ich hätte. Aber für weniger, als ich selbst dafür bezahlt hatte und wie sollte ich dann meine Kredite zurückzahlen?“

„Verstehe, verstehe. Jetzt wächst ihnen das alles über den Kopf. Der Kredit, die Rinder, die Pacht.“

„Die Pacht gehört ausnahmsweise nicht zu meinen Sorgen. Die hat Hank mir erlassen.“

„Hank ist ihr Nachbar?“

„Genau.“

„Na das war doch sehr freundlich von ihm.“

„Könnte man annehmen. Aber das miese Arschloch hat das nicht mir zuliebe getan, sondern um sich an meine Frau ranzumachen.“

„Autsch. Na dann sollten Sie Hank mal lieber gut auf die Finger sehen. Oder auf den…“ der Fremde grinste, was irgendwie so gar nicht zu seiner eigentlich gesetzten Erscheinung passte.

Phil Bishop machte eine wegwerfende Handbewegung. „Zu spät. Meine Frau hat mir vorhin gestanden, dass sie … und er.“

Der Fremde legte die Stirn in Falten. „Achso. Deswegen sind Sie jetzt also hier. Nicht wegen ihrer Schulden.“

„Ach, eigentlich bin ich wegen allem hier.“ Phil Bishop füllte sein Glas und leerte es sogleich wieder. Der Fremde paffte weiter seine Pfeife.

„Ich weiß jetzt, was ihr Problem ist, Phil. Sie sind ein Schwächling.“

Phil Bishop funkelte den Fremden wütend an. „Es ist nicht nett von ihnen, so etwas zu sagen.“

„Doch, dass ist es, Phil. Denn es ist ehrlich. Ich bin ehrlich mit ihnen und sage ihnen, dass Sie ein Schwächling sind. Die anderen, dieser McLean, der Bankdirektor, Hank oder ihre Frau, die wissen das und nutzen es einfach aus. Auf ihre Kosten. Ich bin ihr Freund, Phil. Vermutlich bin ich sogar ihr einziger Freund. Deswegen will ich ihnen gerne helfen.“

„Mir kann keiner mehr helfen“, sagte Phil Bishop und ließ das nächste Glas folgen. „Ich meine, was kann jemand in meiner Lage noch tun? Sich ´ne Kugel verpassen.“

Der Fremde schüttelte langsam mit dem Kopf. „Das ist der Ausweg der Schwächlinge. Und ganz ehrlich, Phil, ich zweifle so ein bisschen daran, dass Sie den Mut dafür haben. Ich meine“, er goss Phil Bishop jetzt etwas von seinem besseren Whisky nach, „Sie sind anscheinend gerade auf dem besten Weg, sich Mut anzutrinken, aber ich würde ihnen nicht raten, sich in dem Zustand eine Kanone in den Mund zu stecken. Ich hab´ mal einen Mann gesehen, der war so betrunken, dass er den Revolver viel zu steil angesetzt hat. Vielleicht war ihm die Hand zu schwer. Die Kugel ist ihm durch die Munddecke geschossen, hat ihm die Nase zertrümmert und ein Auge gekostet. Ich weiß nicht, ob man in seinem Fall von Glück reden kann, dass er wirklich einen ganz ausgezeichneten Arzt erwischt hat, der ihn soweit zusammengeflickt hat, dass er eigentlich noch Jahre hätte leben können. Pech, dass er genau das ja gar nicht gewollt hatte, na und mit dem Schädel hatte er erst recht Grund, sich das Leben zu nehmen.“

„Wieso erzählen Sie mir das?“, fragte Phil Bishop, trank den Whisky des Fremden und wollte sich aus seiner eigenen Flasche nachfüllen, doch da schob ihm der Fremde seine kaum noch zu einem Viertel gefüllte Flasche zu. „Hören Sie wenigstens auf, diesen billigen Mist zu trinken. Machen Sie die alle. Ich bin raus.“

Gierig griff Phil Bishop nach der Flasche. Seine Hände zitterten, also verzichtete er auf ein Glas.

„Ich frage Sie noch einmal, warum Sie mir das alles erzählen?“

„Na ich will Sie davor bewahren, eine Riesendummheit zu begehen, Phil. Wenn Sie kein Schwächling sind, richten Sie ihren Revolver nicht gegen sich selbst, sondern gegen die Menschen, die Sie wie Dreck behandeln. Ganz einfach.“

„Ganz einfach, sagen Sie. Das sind mächtige Leute.“

„Vor einer Revolvermündung sind wir alle gleich Phil. Dessen sollten Sie sich bewusst werden. Vertrauen Sie mir. Ich habe Erfahrung darin.“

„Was soll das heißen?“

„Ich habe meinen Lebensunterhalt damit verdient, meine Knarre auf andere Menschen zu richten. Und glauben Sie mir, die mächtigsten Männer und härtesten Hunde werden ganz anders, sobald ihnen klar wird, dass alles mit dem nächsten Wimpernschlag vorbei sein kann.“

„Sind Sie ein Kopfgeldjäger?“

„Nein. Wir haben höchstens gemein, dass wir für Geld arbeiten. Allerdings arbeiten Kopfgeldjäger fürs Gesetz. Und das zahlt zu wenig.“

„Sie… Sie sind…“, stammelte Phil und seine Augen wurden größer, als er endlich erkannte, mit wem er es zu tun hatte.

„Reden wir nicht von mir, Phil. Reden wir von ihnen. Versuchen Sie doch einmal zu verstehen, dass Sie zwei Möglichkeiten haben. Das was Sie hier versuchen, sich zu betrinken und alles zu vergessen, ist wirklich das dümmste, was sie tun können. Das einzige, was sie davon haben, ist ein mächtiger Schädel, der doppelt so schwer brummt, sobald die Gedanken an all ihre Probleme zurückkehren. Das muss schlimmer sein, als die Kugel, die Sie sich ins Hirn pusten können. Denn das wäre die wirkliche Variante Nummer eins. Aber was soll das? Das Leben ist dann vorbei, also was haben Sie davon? Sie sind gesund und noch nicht allzu alt. Das Leben kann für Sie doch immer noch eine Wendung zum Guten nehmen. Kommen wir also zu Variante Nummer zwei. Jetzt wo ihr Leben in Scherben liegt und Sie wissen, wer ihre Feinde sind, wird es Zeit, den Schwächling Phil Bishop zu begraben und den neuen Mann Phil Bishop aus der Taufe zu heben. Sie kennen ihre Feinde. Also wehren Sie sich gegen sie.“

„Wie denn?“