Ich will seinen Kopf - Alex Mann - E-Book

Ich will seinen Kopf E-Book

Alex Mann

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Beschreibung

Abgebrannt bis auf eine Handvoll Dollar versucht Tim Mullen sein Glück südlich des Rio Grande. Doch in Mexiko wird er wegen einer Nichtigkeit verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Als der lokale Polizei-Offizier erfährt, dass Tim Mullen ein Kopfgeldjäger ist, stellt er ihn Don Salvador Guenaro vor. Der reiche Haciendero bietet Tim seine Freiheit und eine große Belohnung, wenn er einen seiner ehemaligen Vaqueros findet, der seine Frau verführt hat und anschließend in die Vereinigten Staaten geflohen ist. Nur widerwillig nimmt Tim Mullen diesen Auftrag an, denn er kennt den Gesuchten und war bereits mit ihm zusammengetroffen. Eine lange Jagd beginnt, und in deren Verlauf wird Tim Mullen bewusst: Es geht entweder um den Kopf des Vaquero oder um seinen eigenen!

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Seitenzahl: 168

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Ich will seinen Kopf!

Alex Mann

1

Seine Zunge klebte am trockenen Gaumen. Sämtlicher Schweiß auf seinem Körper war von der Sonne weggebrannt worden nur der feine Staub, der sich mit ihm verbunden hatte, blieb als feste schmutzige Kruste darauf zurück. Der Staub verklebte auch Nase und Augen. Sein Pferd trottete müde durch den feinen Wüstensand, beinahe taumelnd einen Huf vor den anderen setzend.

Er ritt über eine hohe Düne, wankte im Sattel und erkannte plötzlich vor sich eine Wasserstelle mit einem kleinen einfachen Adobebau in einer flachen Niederung. Um den trüben Tümpel erhoben sich drei Bäume, deren lichte Kronen nur wenig Schatten spendeten. Vor dem Gebäude waren fünf Pferde angebunden, die gelangweilt mit dem Schweif Fliegen vertrieben und aus einem vollen Wassertrog tranken.

Tim Mullen presste seinem Tier die Spuren in die Seite. Es wieherte auf, weniger wegen des Schmerzes, als wegen des für ihn deutlich wahrnehmbaren Geruchs von Wasser. Als er den Trog erreichte, taumelte Tim fast aus dem Sattel, steckte den Kopf in die Tränke und genoss die von der Sonne erhitzte und mit Pferdespucke vermengte Feuchtigkeit in seinem Gesicht. Nach einer ganzen Weile zog er den Kopf wieder hinaus und musterte die fünf anderen Pferde. Vier davon waren müde Klepper, bei denen er sich wunderte, wie sie es durch die Wüste geschafft hatten. Sie waren verschwitzt und unter ihren Sätteln zeichneten sich wunde Stellen ab. Der fünfte war ein sehr stolzer schwarzer Mustang und trug einen mit Silber beschlagenen mexikanischen Sattel. Irgendetwas sagte Tim, dass sein Reiter sich in der kleinen in dem Adobebau untergebrachten Taverne nicht sehr wohl fühlen würde. Er band sein Pferd gegenüber den anderen an. Es steckte das Maul in den Trog, soff und wieherte dann abfällig, so als ob es noch nie schlechteres Wasser getrunken hätte.

„Nach so einem langen Ritt durch die Wüste solltest du besser keine Ansprüche stellen“, sagte Tim, tätschelte ihm liebevoll den Nüstern und zog seinen Revolver, der, wie alles was er besaß und bei sich trug, von einer leichten Staubschicht überzogen war. Er spannte den Hahn und spürte dabei ein sanftes Schleifen. Die Trommel drehte sich. Er bliess den Staub aus der Waffe, doch die hartnäckigsten Körner hatten sich bereits mit dem Öl verbunden. Dennoch schien sein Revolver funktionstüchtig zu sein. Tim steckte ihn wieder ins Halfter.

Dann ging er langsam auf den Adobebau zu, über dessen Tür in verwitterten blauen Buchstaben „Taberna“ zu lesen war, und öffnete die Tür.

Es war davon auszugehen, dass der gutaussehende schlanke Mann mit dem mexikanischen Gesicht, dem vollen schwarzen Schnurbart, der reich verzierten Vaquerokluft und den mit silbernen Sporen besetzten Stiefeln der Besitzer des schwarzen Mustangs war. Zumindest noch, denn das würde sich vermutlich schnell ändern, sobald er das Gleichgewicht verlor, von dem Fass rollte, auf dem er stand und der Strick, der seinen Hals mit einem Dachbalken verband, ihm das Genick brechen würde. Zumindest würde er den Kopf dann nicht mehr so unnatürlich zur Seite knicken müssen, denn um den armen Mann auf diese Weise zu drapieren, hatte man den Henkersknoten fast direkt am Balken befestigen müssen.

Um den Mexikaner herum saßen vier abgerissene, struppige Gestalten, mit verschwitzter Cowboykleidung. Der Besitzer der Taverne, bei dem Tim Mullen spekulierte, ob es sich um ein Halbblut handelte, stützte das Kinn auf die Hand und den Ellbogen auf die Theke, die aus einem breiten über zwei bauchhohe Fässer gelegten Brett bestand.

Als die Tür in ihren Angeln knarrte, wandten die fünf Männer ihre Aufmerksamkeit schlagartig Tim Mullen zu. Nur der Vaquero schien weiterhin sichtlich bemüht, nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

„Guten Tag, Gentleman“, sagte Tim gelassen, die Hand nahe am Revolver, „wem gehört dieses prächtige schwarze Pferd da draußen.“

„Das pokern wir aus, sobald der verdammte Bohnenfresser sich das Scheiß-Genick gebrochen hat“, sagte der Kerl, der Tim am nächsten stand. Er hatte ein hochrotes Gesicht mit einer Narbe über der rechten Wange.

„Ich verstehe. Also gehe ich recht in der Annahme, dass es das Pferd jenes armen Gentleman ist?“

„Hör zu du Landstreicher. Ich weiß nicht, ob du´n bisschen blöde bist oder uns verschaukeln willst“, sagte der mit dem roten Gesicht. „Aber du solltest zusehen, dass du Land gewinnst.“

„Ja, das wäre mir auch lieb, denn das Etablissement scheint nicht das reinlichste zu sein und da sich schon mein Pferd über die Qualität der Getränke beklagte, will ich diese gar nicht erst probieren. Allerdings ist mein Pferd müde und verbraucht und ich habe mich gefragt, ob das Pferd dieses Gentlemans vielleicht zum Verkauf steht?“

„Es steht nicht zum Verkauf“, sagte ein anderer der Kerle, der sich eine kleine Zigarette zwischen die wulstigen Lippen gezwängt hatte. „Außerdem gehört es dem Mexen gleich gar nicht mehr.“

„Naja, noch gehört es ja ihm und so lange würde ich es gern kaufen, ehe ihm was geschieht und irgendwelche Erben Ansprüche anmelden.“

Der Mann erhob sich langsam und drückte seine Zigarette auf dem Tisch aus.

„Wir sagten doch schon, dass Sie das ganze hie nichts angeht.“

Tims Stimme wurde ernst und fest. „Sind Sie die Besitzer des Pferdes? Nein? Also rede ich gar nicht mit ihnen. Das Ganze ist eine Sache zwischen mir und diesem Gentleman und wenn Sie sich einbringen wollen, dann nur, indem Sie ihn losbinden.

Die zwei Kerle, die bisher noch gar nichts gesagt hatten, fingen an zu lachen, aber Tim hatte vor allem die Hand des Rauchers im Auge, die jetzt langsam in Richtung seines Revolvers wanderte.

„Hör zu, Arschloch. Pack dein Geld auf den Tisch. Dann setzt du dich auf deinen Klepper und verschwindest wieder in der Wüste, oder…“

Bevor er die Hand am Revolver hatte, hörte er das unverkennbare dreifache Klicken eines Abzugs, der in die Feuerrast gedrückt wurde. Erstaunt, fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht, denn Tim Mullen stand auf einmal mit gezogenem Revolver vor ihm.

„Unser Gespräch langweilt mich“, sagte Tim. „Da du schon stehst, kannst du den armen Mann von seinem Fass runterholen. Die anderen legen derweil ihre Waffen auf den Tisch. Die Rotbacke hier vorn fängt an und dann kommt ihr beiden da hinten. Rechtshänder greifen ihre Waffe mit links und Linkshänder anders herum oder für die, die nicht wissen, wo links und rechts ist: zieht sie einfach mit der Hand, mit der ihr sie sonst nicht zieht. Und denkt dran, dass das kein Wettbewerb ist. Wer meint, er müsste schnell sein, fängt sich höchstens ´ne schnelle Kugel ein.“

Die vier Männer starrten ihn einfach nur an und schienen unsicher zu sein, was sie tun sollten. Als der Rotbäckige die Augen zusammenkniff und Maß zu nehmen schien, schwenkte Tims Revolverlauf herum. Ein Schuss krachte, Pulverdampf erfüllte den Raum und eine Kugel zerfetzte eines der vier ungleichen Beine des Stuhls, auf dem der Mann saß. Er kippte zur Seite und landete auf dem nur schlecht gestampften Boden der Taverne, wo er kurz mit Beinen und Armen strampelte, wie ein auf dem Rücken liegender Käfer.

„Ich verschwende ungern Kugeln für Spielereien und da ich nur noch fünf in der Trommel habe, wird die nächste auf jeden Fall mehr Schmerzen verursachen, wenn ihr mich versteht.“ Er richtete die Mündung auf den Raucher. „Fang endlich an. Der Mann läuft schon blau an!

Während die beiden hinteren Banditen langsam ihre Revolver auf den Tisch legten, stellte der Raucher seinen Stuhl neben das Fass, klettere hinauf und durchtrennte mit seinem Taschenmesser den Strick. Befreit verlor der Vaquero das Gleichgewicht, doch ehe er nach hinten wegrutschen konnte, gelang es ihm, sich zur Seite wegzudrehen, sodass er auf den mit leeren Whiskygläsern übersäten Tisch krachte, der unter ihm zusammenbrach.

„Schneide ihm noch die Fesseln durch“, sagte Tim und deutete auf die auf den Rücken gefesselten Hände.

Der Mann befolgte seine Anweisung und dann kam der Vaquero langsam auf die Beine. Er rieb sich den Hals, auf dem sich ein blauschwarzer, teilweise blutender Striemen gebildet hatte. Dann rieb er sich die Handgelenke, sah dem Raucher tief in die Augen und verpasste ihm einen kräftigen Aufwärtshaken. Der Mann wurde am Kinn getroffen, wankte zurück, stolperte über den Stuhl, auf dem er gerade noch gestanden hatte und schlug mit dem Schädel hart gegen das Brett der Theke, ehe er bewusstlos in den Staub sank. Der Vaquero beugte sich über ihn und gürtete ein mit Silber beschlagenes Halfter ab, dass er sich rasch um die Hüften schlang.

„Gehen wir, Señor“, sagte Tim gelassen. „Ihr anderen wartet hier. Wenn ihr eure Pferde wiehern hört, macht euch keine Sorgen. Wir schicken sie nur ein wenig spazieren. Wer seinen Kopf durch die Tür steckt, bevor wir im Sattel setzen, stirbt.“

Der Vaquero eilte zur Tür, wobei er es nicht unterlassen konnte, dem am Boden liegenden Rotschopf noch einen kräftigen Fußtritt zu verpassen.

Dann drängte er sich wortlos an Tim vorbei und eilte zu seinem Pferd. Tim ging langsam rückwärts aus der Taverne und schloss die Tür. Als er draußen war, sagte er, ohne sich umzudrehen: „Binden Sie ihre Pferde los und jagen Sie sie auseinander.“

Der Mexikaner tat, wie ihm geheißen. Tim hörte vier Mal, wie seine Hand auf einen dicken Pferdehintern niedersauste und ein Tier nach dem andern laut wiehernd verschwand. Viel Zeit würde ihnen das nicht verschaffen, denn die Klepper sahen müde aus und schaumiger Schweiß stand noch auf ihren Flanken. Ihr Instinkt würde sie bald wieder in die kühle Nähe des kleinen Wasserlochs zurückführen.

Der Mexikaner schwang sich in seinen Sattel und auch Tim löste die Zügel seines Pferdes. Niemand wagte es, die Taverne zu verlassen. Kurz darauf, verschwanden die beiden in der Wüste.

„Wissen Sie, wo hier die nächste Wasserstelle ist?“, fragte Tim, nachdem sie etwa eine viertel Stunde lang schweigend nebeneinander her geritten waren.

„No, Señor“, lautete die knappe Antwort.

„Schätze, ich habe ein Recht darauf, ihren Namen zu erfahren.“

Der Mexikaner presste die Lippen zusammen. Tim musterte ihn scharf.

„Es ist immer schlecht, wenn ein Mann seinen Namen verschweigt, denn dann hat er etwas zu verbergen. Wenn dem so ist, sollten Sie sich einen falschen Namen ausdenken. Erspart ihnen vielleicht die eine oder andere unangenehme Situation.“

„Mein Name ist José Gonzales“, sagte der Mexikaner.

„Okay, verstehe. Und ich bin Joe Smith. Wie heißen Sie denn jetzt richtig, José Gonzales?“

Der Mann musterte ihn von oben bis unten.

„Ich bin nicht einer von denen, die glauben, dass jeder Mexikaner José heißt.“

„Ich heiße Fernando José Maria Valdez.“

„In Ordnung. Ich verstehe.“

„Was verstehen, Sie, Señor?“

„Warum Sie mir ihren echten Namen nicht nennen wollten.“

„Tatsächlich?“

„Ja, natürlich. Und wenn ich mir Sie jetzt so anschaue, dann passt es alles zusammen. Ich bin vor drei Tagen durch Greenville geritten und habe mir dort die Steckbriefe angesehen. Tatsächlich gab es nur einen einzigen. Darauf hieß es, dass ein groß gewachsener Mexikaner, auf den ihre Beschreibung passt, für hundert Dollar gesucht wird. Wegen Pferdediebstalls. Ich dachte erst, dass ihr Tier aus echter mexikanischer Zucht entstammt und so wie sie gekleidet sind, war ich auch sicher, dass es ihres ist. Aber ich habe mich getäuscht, oder?“

Wieder schwieg der Mexikaner und nötigte Tim ein Grinsen ab.

„Sie können einem Mann wirklich kaum besser über sich Auskunft geben, als durch ihr Schweigen. Ich hatte tatsächlich im ersten Moment geglaubt, Sie seien vielleicht irgendein mexikanischer Geschäftsmann, der vom Weg abgekommen und in schlechte Gesellschaft geraten ist. Ich meine, diese Spelunke da scheint ja nur zwielichtiges Gesindel anzulocken. Oder weswegen sind Sie in die Wüste geflohen?“

„Weswegen sind Sie denn in der Wüste und weswegen waren Sie in dieser Spelunke?“

„Es war der kürzeste Weg nach Purgatory und ich war so unclever, den Rat eines Mannes in den Wind zu schlagen, der meinte, ich sollte lieber den längeren Weg nehmen. Greenville ist ein langweiliges Nest, was man allein daran sieht, dass ihr Steckbrief der einzige war, der aushing. Und das bei gerade einmal hundert Dollar. In Purgatory soll es dagegen noch richtig zur Sache gehen. Ich habe gehofft, dort ein paar besser dotierte Kopfprämien zu kassieren. Ich bin nämlich zurzeit mächtig abgebrannt.“

„Sie sind Kopfgeldjäger?“, fragte Fernando.

„Ja.“

Der Mexikaner zögerte.

„Das ist ärgerlich“, sagte Tim.

„Was?“

„Naja, jetzt überlegen Sie, ob ich ihnen gefährlich werden könnte und ob Sie mich besser los werden sollten. Das wiederum würde mich dazu zwingen, Sie nach Greenville zu bringen, obwohl ich eigentlich keine Lust habe, umzukehren.“

„Sie schätzen mich falsch ein, Señor.“

„Ihre Blicke sind so beredsam, wie ihr Schweigen, mein Freund. Also passen Sie auf. Sie schulden mir ja ohnehin etwas. Da auf dem Steckbrief ausdrücklich nur „lebend“ stand, würde ich vorschlagen, wir machen kehrt, ich übergebe Sie dem Sheriff von Greenville, sie klären ihre Angelegenheit und wir sind quitt.“

„Dann hätten Sie mich auch in der Taverne hängen lassen können.“

„Warum?“

„Weil Pferdediebe in diesem Land gehängt werden.“

Tim wog den Kopf hin und her. „Ja. Das Gesetz gibt´s schon her. Aber die harten Zeiten sind vorbei. Die meisten Richter verfahren heute milder und ich denke kaum, dass gerade der von Greenville da eine Ausnahme machen wird.“

„Ja, mit Amerikanern vielleicht. Ich bin aber Mexikaner. Sie haben es doch eben gesehen? Für euch Americanos sind wir doch nur Dreck, kaum besser als die stinkenden Indianer.“

„Ihre Sicht auf die Indianer finde ich sehr interessant“, sagte Tim. „Aber was Sie selbst betrifft haben Sie natürlich recht. Aber das wussten Sie sicherlich auch schon. Immerhin sind Sie nicht zum ersten Mal in den Staaten.“

„Wie kommen Sie darauf?“

„Intuition.“

„Und selbst, wenn der Richter mich nicht hängen lässt, kann ich es unmöglich riskieren, hier ins Gefängnis zu gehen.“

„Dann hätten Sie es vielleicht nicht riskieren sollen, das Pferd zu stehlen.“

Tim zog an seinen Zügeln. „So. Jetzt halten Sie an.“

Auch der Mexikaner zügelte sein Pferd und drehte sich so, dass er Tim jetzt genau gegenüberstand. „Was wollen Sie?“

„Wenn wir zurück nach Greenville wollen, müssen wir umkehren. Das ist die falsche Richtung.“

„Aber ich will ja gar nicht nach Greenville zurück.“

„Pech gehabt. Wie gesagt. Sie haben das Pferd gestohlen. Vielleicht mag das Gesetz Sie anders behandeln, weil Sie Mexikaner sind. Gebrochen haben Sie es aber ganz allein.“

„Ich gehe nicht ins Gefängnis“, sagte Fernando und lehnte sich über das Sattelhorn.

„Ich musste dieses Pferd stehlen, weil mich sein Besitzer vorher beim Spielen über den Tisch gezogen hat. Es war mein Pferd.“

„Soweit sollte man es eben beim Spielen nie kommen lassen.“

„Was ist, wenn ich mich weigere, mit ihnen mitzukommen?“

„Dann haben wir beide ein Problem. Sie, weil Sie sterben werden und ich, weil auf dem Steckbrief eben nur „Lebend“ stand und das sicherlich ein verwaltungstechnisch enormer Aufwand wird, dem Sheriff und dem Richter zu erklären, warum es nun mal nicht anders ging.“

„Na dann lassen Sie´s eben sein.“

„Ja, aber ich hab´ ihnen doch schon erklärt, dass ich die hundert Dollar gut brauchen kann und dass Sie mir was schulden.“

„Weil Sie mich von einem Strick losgeschnitten haben, soll ich meinen Kopf gleich durch die nächste Schlinge stecken, nur damit Sie lumpige hundert Dollar kassieren?“

„Hören Sie. Wir reiten jetzt beide entspannt nach Greenville. Dort erzählen wir dem Sheriff, dass Sie sich freiwillig gestellt haben…“

„Aber ich stelle mich ja gar nicht freiwillig.“

„Lassen Sie mich doch ausreden. Wir sagen ihm das so und ich werde für Sie sprechen. Außerdem erzählen wir ihm von den vier Halsabschneidern, die wir hier gefunden haben und von denen jeder bestimmt mehr wert ist, als Sie.“

„Wenn das so ist, warum schleppen Sie die dann nicht an den Galgen?“

„Erstens, weil ich von denen noch keine Steckbriefe gefunden habe und zweitens, weil ich nicht mit vier Leichen eine halbe Woche durch die Wüste ziehen will.“

„Vielleicht ist es das Beste, wir trennen uns einfach.“

„Ich bin nicht bereit, darüber zu diskutieren“, sagte Tim und klang plötzlich sehr ernst.

Fernando José Maria Valdez musterte ihn kritisch und setzte dann ein schiefes Grinsen auf. „Du wirst nicht schießen, Gringo. Du bist nicht der Typ, der einen Mexikaner vor dem Lynchtod bewahrt, nur um ihn dann abzuknallen.“

„Ich habe persönlich was gegen das Lynchen. Aber als ich dich vom Strick befreit habe, wusste ich auch noch nicht, wer du bist.“

„Jedenfalls niemand, mit dem du dich anlegen solltest. Ich werde jetzt gehen.“

„Wenn du dein Pferd wendest, schieße ich dich aus dem Sattel“, sagte Tim kalt, aber seine Hand baumelte noch immer leger an seiner Seite herab.

„Was, wenn ich schneller bin?“, fragte Valdez. „Ich hab´ dich schießen sehen, Gringo. Zugegeben, du bist schnell. Aber du weißt nicht, wie schnell ich bin. Schätze, ich bin im Vorteil.“

„Ich habe schon Männer gesehen, die vielleicht schneller sind als ich. Sogar südlich vom Rio Grande. Du gehörst nicht dazu.“

„Was macht dich da so sicher?“

Tim zuckte mit den Schultern. „Erfahrung. Du siehst nicht so aus. Und du redest zu viel.“

„Du redest auch nicht wenig.“

„Ich halte es für besser, dich zu überzeugen, als dich abzuknallen.“

„Weil du dann kein Kopfgeld kassierst, richtig?“

„Und weil es einfach nicht notwendig ist.“

„Du hast ja keine Ahnung“, sagte Fernando José Maria Valdez und zog seinen Colt. Er war schnell, doch er hatte sich spontan entschieden zu ziehen. Tim hatte ihn genau beobachtet. Als er das Funkeln in seinen Augen sah, wusste er, dass seine rechte Schulter gleich nach oben zucken würde.

In der Zeit hatte er bereits gezogen. Der Schuss krachte, der schwarze Hengst bäumte sich wiehernd auf, Valdez stieß einen dumpfen, überraschten Laut aus und stürzte in den heißen Sand, wo er leblos liegen blieb.

„Ach, verdammt“, zischte Tim Mullen und steckte seinen Revolver wieder ins Halfter.

2

Er hatte eine Weile hin und her überlegen müssen, ob er den Mexikaner einfach beisetzen und weiterreiten oder kehrt machen sollte. Aber er besaß gerade einmal noch elf Dollar und war zuversichtlich, die Kopfprämie für Fernando José Maria Valdez kassieren zu können, auch wenn er ihn nicht ganz im gewünschten Zustand ablieferte.

Greenville war eine kleine Farmerstadt am Rand der Wüste, die hier nahezu nahtlos in fette, saftige grüne Weiden überzugehen schienen, die der Stadt ihren Namen gegeben hatten. Obwohl sie schon zwanzig Jahre alt war, hatte sie immer noch das Flair einer Frontiertown. Alle Häuser waren aus Holz gebaut. Nur zwei der Saloons in der Stadt bestanden lediglich aus großen Zelten mit bunt bemalten hölzernen Fronten.

Der Ritt durch die Wüste war für Tim die Hölle gewesen. Er war nicht dazu gekommen, an der Taverne seine Feldflasche aufzufüllen und konnte es kaum riskieren, dorthin zurückzukehren. Zum Glück hatte Valdez einen gefüllten Ziegenledersack am Sattel hängen, den er jedoch für die beiden Pferde benötigte.

Als er Greenville erreichte, war er fast am Ende und auch sein Pferd konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Nur der schwarze Mustang wirkte frisch und ausgeruht.

Tim Mullen war ein Mann, der seine Geldangelegenheiten sehr sorgfältig erledigte. Wenn er mit einem gesuchten Flüchtling in einer Stadt auftauchte, ging er als erstes zum Sheriff, um die Finanzen zu klären.

Doch als er Greenville erreichte, quälte ihn der Durst so sehr, dass er vor dem ersten Zelt, das als Saloon ausgewiesen war, anhielt, die beiden Tiere an der Tränke festband und nach drinnen wankte, wobei er die neugierigen Blicke der Bewohner, die vor allem der Leiche galten, geflissentlich ignorierte.

Das Innere des Saloons war angenehm hell, da die weiße Zeltleinwand das Licht der Sonne ebenso hindurchließ, wie die leichte Brise, die von den Weiden herüberwehte. Tim wankte an den von nur wenigen Cowboys besetzten Tischen vorbei an die Theke, nahm seinen Hut ab, fuhr sich mit der Rechten durch das verschwitzte Haar und bestellte ein Bier.

„Sind Sie etwa durch die Wüste gekommen?“, fragte der Barkeeper, während sich das Glas langsam füllte und Tims Durst beim Anblick der wachsenden Schaumkrone beinahe unerträglich wurde.

„Ja.“

„Wie kommt man denn auf so eine Idee?“

„Hab´ den Rat drum rum zu reiten ignoriert.“

„Und haben es bereut?“

„Hatte schon bessere Ideen.“

Der Barkeeper setzte das Glas vor Tim auf den Tresen.

„Fünfzig Cent.“

Obwohl er sonst nie ein Glas anrührte, ohne zuvor bezahlt zu haben, hob Tim jetzt einhaltgebietend einen Finger und leerte das Bier fast in einem Zug. Dann griff er in seine Westentasche, holte seinen Geldbeutel hervor und packte eine abgegriffene Dollarnote auf den Tresen.

„Wenn das hier leer ist, nehme ich gleich noch eins.“

Und damit leerte er den Rest des Glases.