Crater Lake: Schlaf NIEMALS ein (Crater Lake 1) - Jennifer Killick - E-Book

Crater Lake: Schlaf NIEMALS ein (Crater Lake 1) E-Book

Jennifer Killick

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Beschreibung

Eine höllisch gefährliche Klassenfahrt – mit Alien-Attacken und Grusel-Grinse-Garantie! Nur wer echte Freunde und gute Ideen hat, wird diesen Schultrip überstehen … Ein Ausflug zusammen mit Katja, Big Mak und Chets? Tolle Sache, findet Lance. Aber eine Klassenfahrt mit der fiesen Miss Hoche … eher gruselig! Und kaum erreicht ihr Bus Camp Crater Lake, geht der Horror richtig los: Da ist der brabbelnde, blutige Kerl, der über die Zufahrt stolpert. Und der Camp-Chef mit dem verdächtig fleckigen Hemd, der alle viel zu früh aufs Zimmer schickt. Als Lance und seine Freunde beim nächtlichen Geheimtreff dann lauter schlafwandelnde Schüler mit Wespen-Augen sichten, wird schnell klar: In Crater Lake passieren außerirdische und lebensgefährliche Dinge – vor allem wenn man sich schlafen legt. Jetzt heißt es: Pläne schmieden, das Unheil stoppen – und nie, nie, NIEMALS einschlafen! »Schwungvoller Grusel vom Feinsten, dazu jede Menge Humor.« The Bookseller

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JENNIFER KILLICK: CRATER LAKE – SCHLAF NIEMALS EIN

Aus dem Englischen von Gabriele Haefs

Ein Ausflug mit Katja, Big Mak und Chets? Tolle Sache, findet Lance. Aber eine Klassenfahrt mit der fiesen Miss Hoche … eher gruselig! Und kaum erreicht ihr Bus Camp Crater Lake, geht der Horror richtig los: Da ist der brabbelnde, blutige Kerl, der über die Zufahrt stolpert. Und der Camp-Chef mit dem verdächtig fleckigen Hemd, der alle viel zu früh aufs Zimmer schickt. Als Lance und seine Freunde beim nächtlichen Geheimtreff dann lauter schlafwandelnde Schüler mit Wespen-Augen sichten, wird schnell klar: In Crater Lake passieren außerirdische und lebensgefährliche Dinge – vor allem wenn man schlafen geht. Jetzt heißt es: Pläne schmieden, das Unheil stoppen – und nie, nie, NIEMALS einschlafen!

»Schwungvoller Grusel vom Feinsten, dazu jede Menge Humor.« The Bookseller

WOHIN SOLL ES GEHEN?

Buch lesen

Viten

 

Für meine liebsten Freundinnen:

Nic, Laura und Emma.

Wenn ich je im Crater-Lake-Zentrum lande,

möchte ich euch bei mir haben.

1.

Geek, Roboter, Herrscher

»Spielt irgendwer Geek, Roboter, Herrscher um den letzten Keks?«, frage ich, während der Bus scharf rechts auf eine Landstraße abbiegt.

»Aber wenn du gewinnst, dann gibst du Katja den Keks.« Big Mak schaut sich auf seinem Sitz vor uns um. »Wenn Kat gewinnt, gibt sie ihn dir, wenn ich gewinne, quengelt Chets so lange rum, bis er den Keks kriegt …«

»Und Chetan hat ihn ohnehin schon gegessen.« Katja lugt über ihren Sitzrand zu uns herüber. »Oder was, Chets?«

»Wie kommst du darauf, ich könnte den gegessen haben?«, fragt Chets.

Ich sehe ihn an und lache. »Dir kleben noch die Krümel des Verbrechens um den Mund, Kumpel.«

Ich gebe vor, nicht zu bemerken, wie Chetan scheinbar Keksstückchen wegwischt, während er sie sich in Wirklichkeit in den Mund schiebt.

»Klar hat Pummel-Chets den letzten Keks gefressen«, brüllt Trent aus der hintersten Reihe. Trent ruiniert einfach alles. »Geek, Roboter, Herrscher. Drei Versuche«, sagt er zu seinen Freunden. »Wer verliert, muss das Zimmer mit Reißzahn teilen und wird die Nacht wahrscheinlich nicht überleben. Wer spielt mit?«

Alle in der letzten Reihe lachen, als wäre Trent der größte Witzemacher aller Zeiten. Ich kenne ihn seit der Vorschule, und ich kann euch sagen, echt, das ist er nicht. Und nicht nur, weil die meisten seiner blöden Sprüche auf mich abzielen. Er ist einfach ganz allgemein nervig.

»Wenn irgendwer das Zimmer mit Lance teilt, dann ja wohl ich«, meldet sich Chets zu Wort und hat die Sache total missverstanden. »Ich bin sein bester Freund.«

»Pummel und Reißzahn teilen das Bett. Reißzahn wird bleich, und Pummel wird fett.« Trent schmeißt sich johlend über die Lehne vor ihm. Ich lasse mich ja gern beeindrucken, wenn eine Sache das verdient hat, aber seien wir doch mal ehrlich, dieser Witz-Slash-Reim ist absolut nicht intelligent oder komisch.

»Wow – Trent hat gedichtet«, sage ich und verdrehe die Augen, als ich sein selbstgefälliges Gesicht sehe. »Du kannst über mich sagen, was du willst, aber lass Chetan da raus.«

»Ist schon okay, Lance – ich kann einen Witz vertragen.« Chets kniet auf seinem Sitz und schaut nach hinten in den Bus. Alles an ihm ist ordentlich und vernünftig, und er hat Augen wie Schokokugeln – total treu und ehrlich.

»Ja, reg dich runter, Lance«, sagt Trent, und sie machen wieder weiter mit Geek, Roboter, Herrscher, der Schere-Stein-Papier-Variante, die an der Montmorency-Schule von allen in unserer Klasse gespielt wird. Trent behauptet, er hätte das Spiel irgendwann letzten Oktober in einer verregneten Pause erfunden, aber in Wirklichkeit waren das Chets, Big Mak, Katja und ich. Und seither wird es für jede wichtige Entscheidung genutzt.

»Herrscher versklavt Geek, da hab ich wieder gewonnen«, brüllt Trent.

Trent nimmt fast immer Herrscher, deshalb ist er leicht zu schlagen. Aber seine Kumpels haben das entweder noch nicht gerafft oder wollen ihn nicht wütend machen, deshalb wählen sie ständig den Geek. Die sind allesamt so vorhersagbar.

»Gut gemacht, Trent«, ruft Chets, dreht sich um und setzt sich wieder.

»Warum tust du das, Chets?«

»Tu ich was?«

»Bei Trent schleimen. Der ist nicht dein Freund und wird es auch nie sein. Ich kapier nicht, wie du dir das überhaupt wünschen kannst.«

»Mum sagt, er ist ein wunderbarer Junge. Und wo wir doch beide zur Bing Academy gehen werden, ist es nur sinnvoll, dass wir zusammenhalten.«

»An der Bing werden Hunderte von Leuten sein. Da brauchst du Trent nicht.«

»Hoffentlich rückst du total schnell auf der Warteliste nach oben und kannst mit mir an die Bing gehen.« Chetan lächelt mich an.

»Kumpel, die Liste ist lang. Es kann ewig dauern, bis ich es da reinschaffe.« Das sage ich zu Chets, aber im Grunde weiß ich ja, dass es niemals passieren wird. Ich habe die Aufnahmeprüfung nicht gemacht, und ich stehe nicht auf der Warteliste. Aber das kann ich Chets nicht eingestehen.

»Und wenn du dann kommst, können Trent und ich dich rumführen und dir alles erklären.«

Die Wolken in Chets’ Welt sind besonders fluffig.

»Klasse 6, jetzt setzt euch ordentlich hin und seid ruhig.«

Miss Hoche, die stellvertretende Schulleiterin, ist vorn im Bus aufgestanden und versucht, nicht zu fallen, während der Bus über die huckelige Landstraße rumpelt. Ich finde ja, ihr Name klingt, als ob man was Scheußliches hervorhusten muss, und das passt gut, denn genau das Gefühl krieg ich bei ihr immer.

»Ich werde euch jetzt mit einigen Informationen versehen«, sagt sie und spricht die langen Wörter besonders langsam und deutlich aus, für diejenigen unter uns, die zu blöd sind, um zu begreifen, was jemand in normalem Tempo sagt – also für mich. Jedenfalls bildet sie sich das ein.

»Diese Informationen sind von äußerster Wichtigkeit, um euch einen sicheren und produktiven Aufenthalt zu garantieren. Einige hier …«, (sie schaut mich an), »sollten den Informationen über die Regeln ganz besondere Aufmerksamkeit schenken.«

Verdammt, wenn sie noch einmal »Informationen« sagt …

»Es wird Sticker geben für die Kinder, die ein mustergültiges Verhalten an den Tag legen.« Sie strahlt Trent, Adrianne und Chets an. »Und Strafarbeiten für diejenigen, die den Rest der Klasse im Stich lassen, indem sie sich unkooperativ zeigen.« Einmal dürft ihr raten, wen sie anschaut, als sie das sagt.

Sie öffnet einen Prospekt und fängt an, vorzulesen. »Crater Lake ist ein neues und innovatives Freizeitzentrum, das mit Blick auf die Bedürfnisse und die Sicherheit Ihrer Kinder eine unvergessliche Lernerfahrung bietet.« Sie schaut auf. »Wir sind übrigens die erste Schule, die dieses Zentrum ausprobieren wird, wir haben also ungeheures Glück.«

»Meine Mum ist im Elternbeirat«, sagt Trent, laut genug, damit ich es höre, »und sie hat mir erzählt, dass wir in Crater Lake gelandet sind, weil die Eltern einiger Leute hier zu geizig sind, um für die guten Freizeitanlagen zu blechen.« Wieder prusten die Idioten ganz hinten los.

»Das Zentrum wurde inmitten des ländlichen Sussex angelegt, in einem Krater, der vor vielen Jahrhunderten durch einen Meteoreinschlag entstanden ist«, fährt Hoche fort.

»Ein Meteor aus dem All, Miss?«, fragt jemand.

»Ja, natürlich. Woher soll ein Meteor denn sonst kommen?«

»Aus einer meterhohen Meteorschleuder«, flüstert Big Mak in der Reihe vor mir, und wir lachen uns schlapp.

Miss Hoche starrt uns wütend an.

»Im tiefsten Teil des Kraters findet sich der eigentliche Kratersee, da der Fluss Whist, der früher an dem Gelände vorbeigeflossen ist, sich vor vielen Jahren einen neuen Weg gesucht hat und sich nun in den Krater ergießt. Der See ist der perfekte Schauplatz für viele unserer aufregenden Wasseraktivitäten, wie Schwimmen, Paddeln und unser legendäres Spiel ›Letzter Mann‹.«

»Total sexistisch«, seufzt Adrianne. Adrianne ist Klassensprecherin, superclever und sieht aus wie ein wütender Sperling. Mit der legt ihr euch besser nicht an. Wenn irgendwer in unserer Klasse ein Spiel namens »Letzter Mann« gewinnen kann, dann setze ich alles auf Adrianne.

»Zu weiteren Outdoor-Aktivitäten laden unter anderem eine Kletterwand, eine Hindernisstrecke und der Schicksalssprung ein.«

»Das klingt überhaupt nicht gut«, sagt Chets.

»Chets«, murmele ich und lege ermutigend die Hand auf seinen Arm. »Die werden uns nichts machen lassen, was auch nur im Entferntesten gefährlich sein könnte.«

»Das stimmt.« Katja nickt. »Es gibt Gesetze.«

»Ich hab gehört, man muss da über eine Schlucht voller hungriger Krokodile springen«, sagt Big Mak. Chets macht ein entsetztes Gesicht.

»Die Schlafsäle, der Freizeitbereich«, (die ganze Klasse verdreht die Augen), »der Speiseraum und die Waschräume befinden sich im Hauptgebäude, welches auf einem Vorsprung im Krater errichtet wurde.« An dieser Stelle gleite ich ins Koma. Miss Hoche sagt immer mindestens hundert Dinge mehr als unbedingt nötig.

»Habe ich deine Aufmerksamkeit, Lance Sparshott?« Plötzlich steht sie genau in unserer Reihe.

»Ja, Miss Hoche.«

Sie beugt sich viel zu weit zu meinem Gesicht vor. Ich sitze am Fenster, deshalb muss Chets sich gegen die Sitzlehne quetschen, um unangenehmen Körperkontakt zu vermeiden. Miss Hoches Atem riecht nach Kaffee und schmutzigem Hund.

»Du kannst von Glück sagen, dass du bei diesem Ausflug dabei sein darfst. Wenn ich irgendwie beweisen könnte, was du, wie wir beide wissen, zu Beginn des Schuljahrs getan hast, wärst du ausgeschlossen worden. Wenn du dir auch nur den kleinsten Fehltritt leistest, bist du erledigt, und du wirst einen Verweis in deinem Zeugnis haben, noch bevor du an der Latham High angefangen hast.«

Sie zieht sich aus meinem und Chets’ Sitzbereich zurück wie ein Sumpfmonster, das in seinem Schlammloch versinkt, und geht wieder nach vorn im Bus. Chets ist erstarrt, er hat sich so tief in das Sitzpolster eingegraben, dass er komplett darin verschwinden würde, wenn er lila Haut mit blauen Dreiecken hätte.

»Bisschen zu nah für dich?«, frage ich.

»Ohne Worte«, murmelt er, die Augen weit aufgerissen.

Katja kichert, und Big Mak hüstelt, um eine Art schnaubendes Lachen zu verbergen.

»Ist hier irgendetwas komisch?« Miss Hoche fährt herum.

Wir starren den Boden an.

»Sticker für alle fürs aufmerksame Zuhören«, sagt Miss Hoche. »Außer für Lance, Maksym und Katja.«

Wow, keine Aufmerksamkeitssticker für uns – diese Strafe trifft wirklich ins Mark.

»Die Crater-Lake-Regeln lauten wie folgt.« Sie kippt fast um, als sie zu ihrem Sitz zurückstöckelt, wo sie den Prospekt hingelegt hat. Katja und Big Mak versuchen verzweifelt, nicht zu lachen. Chets ist bewegungslos. Vermutlich noch immer unter Schock.

»Sechs Kinder – entweder Jungen oder Mädchen, nicht gemischt – pro Raum …«

(Bitte, sag jetzt nicht, was du bestimmt gleich sagen wirst, Hoche).

»Außer Lance, der aufgrund persönlicher Probleme ein Zimmer für sich braucht.«

Um mich herum Getuschel und Gekicher. Ich hasse sie.

»Niemand darf einen fremden Schlafraum betreten. Ihr müsst während der Nacht in eurem Zimmer bleiben. Mr Tomkins, Miss Rani und ich werden euch die ganze Zeit im Auge behalten.« Sie legt eine Pause ein und starrt uns alle an, nur um uns daran zu erinnern, wie gut sie darin ist, Leute im Auge zu behalten.

»Lauft niemals allein auf dem Gelände herum«, fährt sie dann fort. »Ihr müsst immer von einem Crater-Lake-Mitarbeiter begleitet werden.«

Sie versaut einem wirklich noch die kleinste Freude, wie üblich.

»Ihr müsst absolut allen Anweisungen folgen, die ihr vom Crater-Lake-Personal bekommt. Das dient nur eurer eigenen Sicherheit.«

Chets nickt begeistert.

»Also dann – viel Spaß! An euren Aufenthalt in Crater Lake werdet ihr euch für den Rest eures Lebens erinnern.«

Sie lächelt – ich glaube, sie wartet darauf, dass wir applaudieren oder so was. Es folgt ein peinlicher Moment der Stille, und dann bricht das Chaos aus.

Der Bus gerät ins Schlingern, und im selben Moment brüllt der Fahrer los und die Bremsen kreischen. Wir werden nach vorn geschleudert und knallen mit den Köpfen gegen die Sitze vor uns. Miss Hoche haut es mit voller Wucht um und sie kullert über den Boden. Taschen, Bücher und Butterbrote fliegen durch die Luft. Atuls Einhornkissen bekommt Mayonnaise ab. Eine von Jordans WWE-Wrestling-Sammelkarten (die limitierte Edition) fliegt durch das offene Fenster und flattert in die Freiheit davon. »Möge die Macht mit dir sein, John Cena«, rufe ich, als sie zwischen den Bäumen verschwindet. Eine Scheibe Schinken verfängt sich in Chets’ Haaren, was für ihn als Vegetarier besonders schlimm ist. Chaos eben.

Der Bus kommt rutschend zum Stillstand.

»Was ist passiert?«, fragt Hoche keuchend den Fahrer.

»Da ist jemand auf der Straße.«

Natürlich stürzen alle nach vorn, um durch die Frontscheibe zu schauen.

»Zurück auf eure Sitze!«, kreischt Hoche durch den ganzen Krach und bildet mit Miss Rani und Mr Tomkins eine menschliche Barrikade.

»Ich rufe einen Rettungswagen«, sagt der Fahrer, schnappt sich sein Telefon und schlägt auf die Tasten ein. (Es ist eins von diesen altmodischen Teilen ohne Touchscreen, die man kaum noch zu sehen kriegt.) »Hat hier irgendwer Netz? Ich hab kein Netz!«

Die Lehrer sehen auf ihren Handys nach und schütteln die Köpfe.

»Warum brauchen wir einen Rettungswagen?«, fragt Chets. »Hier ist doch niemand verletzt?«

»Ich glaube nicht, dass der für uns gedacht ist«, sage ich und schiebe meinen Kopf so weit wie möglich durch den schmalen, offenen Spalt am Fenster. »Ich glaube, der ist für wer auch immer da draußen ist.«

Ich kann nur die leere Straße sehen und sonst nichts als Bäume. Ich presse mein Gesicht wieder an die Fensterscheibe, die so heiß ist, dass ich mir fast die Haut verbrenne, und in diesem Moment schlägt auf der anderen Seite eine blutige Hand gegen das Glas.

2.

Zombie

»Argh!« Ich springe zurück und knalle gegen Chets. Katja schreit auf.

Draußen ist ein Mann. Er trägt ein zerfetztes Polohemd mit dem Crater-Lake-Logo. Seine Jeans sind verdreckt und zerrissen. Er blutet an mindestens sechs Stellen, die ich sehen kann; am schlimmsten ist die klaffende Wunde an seinem Kopf. Während ich ihn noch anschaue, läuft ihm ein frischer Blutschwall übers Gesicht. Ich habe in meinem Leben schon allerlei Scheußlichkeiten gesehen, aber etwas dermaßen Blutiges noch nie.

Abgesehen von dem Blut, den Wunden und den Klamotten, die aussehen wie vom Rasenmäher zerschreddert, sind seine Augen das Schlimmste an ihm. Sie sind knallrot und geschwollen, und die Haut darum ist lila-schwarz. Sie sackt herunter wie eine schlaffe Hüpfburg auf einer schrägen Halloweenparty. Dieser Typ ist total erledigt.

»Zombie!«, brüllt Chets, und das Chaos nach dem Beinahe-Zusammenstoß wirkt wie ein verdammtes Teekränzchen im Vergleich zu dem, was als Nächstes passiert.

Die halbe Klasse schreit los und gerät in Panik. Sie grabschen nach ihren kostbarsten Besitztümern, ehe ihnen aufgeht, dass sie ja nur Müll dabeihaben, weil das hier ein Schulausflug ist, und da darf man nichts Gescheites mitbringen, also verstecken sie sich stattdessen unter den Sitzen. Die andere Hälfte der Klasse drängt sich aufgeregt zu meinem Fenster durch und versucht verzweifelt, den Crater-Lake-Zombie zu sehen, ehe die Lehrer uns zu unserem eigenen »Schutz« wegziehen, als ob sie uns auf irgendeine Weise vor einer Zombie-Apokalypse retten könnten.

»Ich glaube nicht, dass er ein Zombie ist«, sage ich. »Wenn er ein Zombie wäre, würde er Leute fressen, und zwischen seinen Zähnen hängen keinerlei Reste von Innereien.«

»Da hast du recht, Lance«, sagt Katja. »Der hat sogar tadellose Zähne. Ich glaube, er ist einfach verletzt. Vielleicht haben wir ihn überfahren.«

»Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir mit irgendetwas zusammengestoßen sind, und ich vermute, wenn doch, dann wäre er noch viel übler zugerichtet«, sagt Big Mak. »Dieser Bus wiegt doch mindestens zehn Tonnen. Wenn wir den Typen angefahren hätten, wäre er jetzt über den ganzen Boden verschmiert.«

»Jemand sollte da rausgehen und ihm helfen.« Adrianne drängt sich nach vorn durch. »Dieser Mann braucht Erste Hilfe, und zwar dringend.«

»Dale. Er heißt Dale«, sagt Katja.

»Ich hab immer schon gewusst, dass Katja eine Hexe ist«, johlt Trent. »Sie hat so unheimliche Augen, die offenbar im Dunkeln sehen. Und jetzt wissen wir, dass sie auch Gedanken lesen kann.«

»Halt die Klappe, Trent, du Idiot.« Ich drehe mich zu ihm um und würde ihm so gern in seine miese Fresse hauen. »Katja ist keine Hexe. Da auf seinem Namensschild steht Dale.«

Endlich raffen sich die Lehrer auf, öffnen die Bustür und steigen aus. Dale taumelt mit halb geschlossenen Augen umher. Er ist so gut wie bewusstlos, als Mr Tomkins ihn anspricht.

»Dale? Alles in Ordnung, Kumpel?«

Ganz klar ist nicht alles in Ordnung, aber da Mr Tomkins ansonsten kein übler Kerl ist, lasse ich das durchgehen.

Dale reagiert nicht.

»Dale? Gehen wir doch einfach hier an den Straßenrand. Da können Sie sich hinlegen, während wir Hilfe holen.«

»NEIN!« Plötzlich erwacht Dale zum Leben. »Brauch Wasser!«

»Kann mir jemand Wasser für ihn geben?«, ruft Mr Tomkins.

»Bären!«, brüllt Dale und packt Mr Tomkins mit seinen blutverkrusteten Händen. Er schmiert Blut und eine Art grünen Matsch auf das rosa T-Shirt, das Mr Tomkins bei allen Schulfesten trägt, weil er es für total trendy hält.

»Ganz ruhig, Dale. Sie sind verletzt, Sie haben sich den Kopf angestoßen.«

»Steigt in den Bus und dreht um. Bringt uns weg von hier!« Dale schreit und schwankt. »Die kriegen uns, wenn wir hierbleiben. Die kriegen uns alle!«

Dann verliert er seinen Kampf um Vernunft-Slash-Bewusstsein und kippt auf die Straße, er fällt in sich zusammen wie der Sack des Weihnachtsmanns am Ende der Lieferrunde. Miss Rani stürzt mit einem Handtuch dazu, um es ihm unter den Kopf zu schieben. Er fuchtelt hilflos mit den Händen und sieht aus, als wollte er aufstehen, aber am Ende lässt er alles fahren und liegt einfach nur schlaff und still da.

»Wie ein verwesender Goldfisch«, sage ich, als Mr Tomkins anfängt, eine Decke über ihn zu breiten.

»Du lieber Himmel, der ist tot!«, schreit Atul.

»Ich glaube nicht, dass er tot ist. Vermutlich einfach bewusstlos, durch den Blutverlust oder den Schock.« Big Mak scheint sich mit lebensgefährlichen Verletzungen seltsam gut auszukennen.

»Oder er hat eine Gehirnerschütterung«, sagt Adrianne.

»Ich hoffe, dass er nicht tot ist«, sagt Katja und reibt das verdreckte Fenster mit ihrem Ärmel sauber, um besser sehen zu können. »Nein, schaut mal! Mr Tomkins hat sein Gesicht nicht zugedeckt. Wenn jemand tot ist, wird immer die Decke über das Gesicht gezogen.«

»Wenn er nicht tot ist«, sage ich, »dann wird er das bald sein, unter der Decke da. Heute haben wir doch ungefähr eine Million Grad über null. Armer Kerl.«

Wir sehen zu, wie die Erwachsenen, die angeblich genau wissen, was sie in solchen Situationen zu tun haben, besorgt miteinander reden. Endlich steigt Hoche wieder in den Bus.

»Also, Kinder – heute ist euer Glückstag. Euer Crater-Lake-Abenteuer beginnt früher als gedacht.«

»Gehört der Tote auch zum Erlebnisprogramm?«, fragt Big Mak.

»Sei nicht albern, Maksym. Der Mann da draußen hat sich einfach irgendwo den Kopf gestoßen, und jetzt hat er sich hingelegt, während er auf medizinische Versorgung wartet. Dem geht es absolut gut.«

Wir schauen durch das blutverschmierte Fenster den halb toten Zombie Dale an. Miss Hoche redet wirklich ganz schön viel Müll.

»Der Fahrer wird bei ihm warten, während wir den restlichen Weg zum Freizeitzentrum zu Fuß zurücklegen. Mit dem Gepäck. Wie bei einer Art Querfeldeinwanderung.«

Natürlich stöhnt alles los. Es ist zu heiß, um sich zu bewegen, ganz zu schweigen davon, riesige Taschen und Rucksäcke über einen Kiesweg zu schleppen.

Zehn Minuten später gehen wir in Zweiergruppen die Landstraße entlang und sind mit jeder Menge Kram bepackt.

»Dann sehen wir uns in ein, zwei Tagen«, ruft Miss Hoche dem Fahrer zu. »Wir werden Hilfe anfordern, sowie wir wieder telefonieren können.«

»Viel Spaß, Leute.« Der Fahrer nickt uns zu und dabei tropft ihm Schweiß von der Nase.

»Augen nach vorn, bitte, Kinder«, sagt Hoche, als wir an dem nicht-toten Dale und seinem blutbespritzten Straßenteil vorbeikommen. »Was haben wir für ein Glück, von einer so lieblichen Landschaft umgeben zu sein, noch dazu an einem so strahlend schönen Tag.«

»Für Dale ist es kein so strahlend schöner Tag.« Katja mustert ihn mit traurigem Blick.

»Was glaubt ihr, wie weit das ist?«, fragt Chets und schaut sich besorgt um. »Glaubt ihr, da sind Banditen im Wald?«

Big Mak, Katja und ich prusten los.

»Was ist denn? Was ist so komisch?«

»Außer dir würde kein Mensch das Wort ›Banditen‹ verwenden, Chets«, sagt Mak.

»Ich glaube, Banditen gibt es nur im Wilden Westen«, sage ich und schiebe mir den Rucksackriemen höher auf die Schulter, weil er mir schon in die Haut schneidet.

»Also, irgendwer hat den Typen angegriffen«, sagt Chets.

»Und habt ihr gehört, was er zu Mr Tomkins gesagt hat?«, fragt Katja. »Dass wir umkehren sollen, sonst kriegen sie uns alle?«

»Vielleicht hatte er Halluzinationen – durch einen Hitzschlag oder den Schlag auf den Kopf.« Big Mak ist der Einzige unter uns, dem sein Gepäck offenbar keine Mühe macht. Ich schwöre, der Kerl hat Riesengene.

»Vielleicht ist er überfallen worden«, sagt Katja.

»Glaub ich nicht. So was passiert in dunklen Gassen oder im Gebüsch im Park. Leute, die andere überfallen, lungern nicht im Wald rum. Die müssen in der Nähe der Imbissbuden bleiben, da kriegen sie schließlich ihre Verpflegung her.«

Chets sagt das, ohne eine Miene zu verziehen. Deshalb lieben wir ihn.

Wir müssen dermaßen lachen!

»Dann haben wir also Zombies und einen Überfall ausgeschlossen«, sage ich. »Was bleibt dann? Dachs auf Rachefeldzug?«

»Orcs«, sagt Mak.

»Baummonster«, sagt Katja.

»Body-Snatcher-Aliens«, scherze ich, und diesmal lacht sogar Chets. »Du hattest wahrscheinlich von Anfang an recht, Chets. Das waren wohl diese nervigen Banditen. Also machen wir, dass wir dieses verdammte Freizeitzentrum finden, und rufen wir den Sheriff.«

Als wir uns um die Ecke schleppen, sehe ich die bedrohlichen Tore des Crater-Lake-Zentrums, die sich tiefschwarz vor dem klaren blauen Himmel abzeichnen.

3.

Zutritt zum Krater

Als wir am Tor ankommen, ist uns dermaßen heiß, dass wir uns schon nicht mehr daran erinnern können, was kalt für ein Gefühl ist. Wir lassen unsere Taschen und Rucksäcke auf den Boden fallen, während Hoche nach einer Möglichkeit Ausschau hält, das Gelände zu betreten. Auf beiden Seiten des Tores zieht sich Stacheldrahtzaun durch den Wald, so weit das Auge reicht. Und hinter dem Tor gibt es nur die staubige Landstraße und Unmengen von weiteren blöden Bäumen.

»Müsste nicht jemand hier sein, um das Tor zu öffnen?«, fragt Mr Tomkins. »Ich dachte, wir würden erwartet.«

Jetzt, da der Augenblick voller Schock und Entsetzen hinter uns liegt, kann ich sehen, dass er wegen seines Lieblings-T-Shirts stocksauer ist.

»Ich finde es gut, dass sie es mit der Sicherheit so ernst nehmen. Den Kindern kann hier nichts passieren«, sagt Hoche.

»Dafür verpasst sie denen wahrscheinlich einen Sticker«, sage ich, und die anderen lachen.

Ohne Vorwarnung bebt das Tor und fängt an, sich zu öffnen.

»Wie durch Zauberhand.« Hoche strahlt.

»Da sind Kameras, Miss Hoche«, sagt Adrianne und zeigt nach oben zu den Torpfosten.

»Hogwarts ist das hier nicht, oder?«, flüstert Katja.

»Wohl eher Arkham Asylum«, sage ich, als die Torflügel scheppernd zum Stillstand kommen und uns die Öffnung dazwischen auf eine unheimliche, lautlose Weise hereinzurufen scheint.

»Wo genau befindet sich denn dieses Zentrum?«, fragt Mr Tomkins und schaut die Landstraße an, die sich bis hinter den Horizont windet. »Ist es noch weit? Mir kommt es vor, als wären das noch mehrere Kilometer.«

»Der will sein T-Shirt in die Wäsche geben«, sage ich.

»Ehe die Flecken trocknen.« Katja kichert.

»Ich bin sicher, dass es nicht mehr sehr weit ist.« Hoche packt den Griff ihres Rollkoffers. »Na los – dann singen wir doch mal ein paar motivierende Lieder, um uns den Weg angenehmer zu machen.«

Wir stöhnen allesamt auf. Unsere Münder sind kaninchenkacketrocken, und das Letzte, was wir wollen, ist singen. Miss Hoche marschiert vor uns her und zieht ihren Koffer, der cremefarben und mit Glitzer beklebt ist, wie ihr Blazer (echt, sie trägt einen blöden Blazer!) und ihre Schuhe. Niemand hat Miss Hoche jemals ohne Stöckelschuhe gesehen. Sie trägt sie im Schnee. Sie trägt sie am Sporttag. Und offenbar trägt sie sie auch auf dem Weg zu Freizeitzentren mitten im Nirgendwo. William Breeming aus der Vierten schwört, dass er sie gesehen hat, als er in der Schweiz in den Ferien war, und dass sie in Stöckelschuhen Ski gelaufen ist. Niemand glaubt wirklich, dass er sie gesehen hat, denn wir wissen alle, dass Lehrer und Lehrerinnen außerhalb der Schule kein Leben haben, aber die Vorstellung, wie sie in High Heels auf ihren Skiern steht, fällt gar nicht schwer.

Also schleppen wir uns weiter dahin, bis nach einer Ewigkeit die Straße endlich abwärts führt und wir den ersten richtigen Blick auf das Crater-Lake-Zentrum werfen können.

Der Krater ist größer, als ich erwartet hatte – er ist wie eine in den Boden eingelassene Schüssel, und auch ein neuer Jurassic Park würde problemlos da reinpassen. Ein Fluss windet sich auf der flacheren Seite den Abhang hinab und fließt unten in den See. Eine Art hölzerner Steg, an dem Kanus befestigt sind, zieht sich von einer Hütte am Seeufer bis zur Wassermitte. Auf halber Höhe des steileren Abhangs befindet sich ein großes Gebäude, das aussieht wie eine Schule oder ein Gefängnis, was ja mehr oder weniger dasselbe ist. Neben diesem Gebäude gibt es eine mit Gras bewachsene Fläche, und ich kann eine Kletterwand sehen, die sich am hinteren Rand befindet, außerdem die Hindernisstrecke, die sich darüber verteilt. Insgesamt sieht es aus wie ein Ort, wo man wahnsinnig viel Spaß haben kann, oder wie der perfekte Schauplatz für einen Gruselschocker.

»Meint ihr, hier gibt es Schlangen?«, fragt Chets und tritt vorsichtig an den Rand, um hinab in den Krater zu schauen. Er bleibt mit dem Fuß an einem Moosbüschel hängen und kullert fast den Hang hinunter.

»Oh Mann!«

Chets ist kein Naturliebhaber.

»Kleine vielleicht«, sage ich. »Keine giftigen.«

»Ich wünschte, wir könnten das Zimmer teilen.«

Ich sollte euch vielleicht erzählen, wie Chets und ich Freunde geworden sind. Chets kam mitten im Schuljahr von Klasse 1 zu uns, als sich alle Cliquen eigentlich schon gebildet hatten. Niemand gab sich besondere Mühe mit Chets. Seine Uniform war viel zu ordentlich, und er hatte was von einem verirrten Eulenbaby. Irgendwie tat er mir ja leid, aber ich hatte genug eigene Sorgen. Jedenfalls stand er einmal in der Essenspause allein da, als eine Wespe auf seinem Ohr landete. Alle anderen kreischten und lachten und rannten in sichere Entfernung, aber Chets regte sich nicht. Abgrundtiefe Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. So wie er sich in diesem Moment gefürchtet hat, so habe ich mich noch nie in meinem ganzen Leben gefühlt, und ich konnte das einfach nicht aushalten. Ich rannte rüber und schnippte die Wespe weg. Ich habe Chets gerettet und bin dabei dann selbst gestochen worden. Und so ist es seither mehr oder weniger weitergegangen.

Aber es gibt eine Sache, die ich nicht für Chets tun kann, nämlich das, woran Hoche alle so unfreundlich erinnert hat; ich kann mit ihm nicht das Zimmer teilen. Ich hatte noch nie Freunde zum Übernachten bei mir, und ich habe auch nie bei Freunden übernachtet, weil … aus Gründen. In der Schule heißt es, das liegt daran, dass ich ein Vampir bin, und es war keine Hilfe, als einige meiner Zähne beim Herauswachsen irgendwie spitz aussahen. Sie sind inzwischen ziemlich abgewetzt, aber so was gerät ja nicht so leicht in Vergessenheit. Deshalb werde ich Reißzahn genannt. Aber da ich die Wahrheit nicht erzählen kann, finde ich mich eben damit ab und hoffe, dass mein Leben eines Tages normal sein wird.

Also sage ich einfach: »Tut mir leid, Chets.«

Wir klettern nun den Hang hinab auf das Gebäude zu. Die Hitze staut sich hier dermaßen, dass wir uns richtig durchbeißen müssen, und alles, was ich höre, ist der Kies, der unter unseren Füßen knirscht.

»Es ist so still«, sagt Katja.

»Still wie vor dem Ende der Welt«, stimme ich zu.

»Wenn das hier das Ende der Welt wäre«, Big Mak bleibt stehen, um einen Schluck Wasser zu trinken, »glaubt ihr, dass Hoche dann noch immer diese Schuhe tragen würde?«

»Wahrscheinlich«, sagt Chets.

»Stellt euch vor, sie zieht Turnschuhe an«, sage ich. »Das wäre doch das erste Signal der Apokalypse.«

»Mum sagt, es kommt auf den richtigen Auftritt an, und dass es beeindruckend ist, welches hervorragende Beispiel Miss Hoche uns gibt.«

»Schon, aber deine Mum steckt dich auch an uniformfreien Tagen in Schlips und Kragen, obwohl wir anderen es uns in Jeans gemütlich machen«, sage ich. »Weiß ja nicht, ob wir allem zustimmen sollten, was sie so von sich gibt.«

»Weise Worte«, sagt Chets, und wir prusten allesamt wieder los.

Ende der Leseprobe