Craving Sunlight: Zusammen erstrahlt - Annie C. Waye - E-Book

Craving Sunlight: Zusammen erstrahlt E-Book

Annie C. Waye

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Beschreibung

***Ein romantischer Neuanfang unter der Sommersonne Kretas***

Hat ihre Liebe eine zweite Chance?

Sofia und Kalin kommen aus verschiedenen Welten: Sie die ambitionierte, mittellose Studentin, er der reiche Hotelierssohn, der sie mit seiner charmanten und selbstbewussten Art in den Bann zieht.  Als sie sich auf einer Party kennenlernen, ist es sofort um sie geschehen.
Doch dann begeht Kalin einen unverzeihlichen Fehler, und ihre Liebe zerbricht. Um zu heilen und sich selbst wieder lieben zu lernen, spendiert sich Sofia einen Urlaub in einem Luxushotel – und begegnet am Strand von Kreta ausgerechnet Kalin wieder. Er hat sich verändert. Aber können Salz und Sonnenlicht alte Wunden und gebrochene Herzen heilen?

Seasons of Love: Alle Bände sind unabhängig voneinander lesbar.
 

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Craving Sunlight

Zusammen erstrahlt

Impressum

Annie Waye

c/o JCG Media

Freiherr-von-Twickel-Str. 11

48329 Havixbeck

© 2023 Annie Waye

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Emily Bähr

Lektorat und Korrektorat: Lektorat Tintenglanz

ISBN (E-Book): 978-3-911068-17-8

ISBN (Taschenbuch): 978-3-911068-08-6

Am Ende dieses Buchs findest du ein Glossar.

Bisher erschienen:

Dancing Snowflakes: Zusammen eingeschneit (Winterroman)

Painting Flowers: Zusammen erblüht (Frühlingsroman)

Craving Sunlight: Zusammen erstrahlt (Sommerroman)

Falling Leaves: Zusammen geträumt (Herbstroman)

Chasing Snowfall: Zusammen verloren (Winterroman)

Faking Butterflies: Zusammen berühmt (Frühlingsroman)

Changing Tides: Zusammen erwacht (Sommerroman)

ANNIE WAYE

Annie Waye ist eine junge Autorin mit einer alten Seele. Sie ist auf der ganzen Welt zu Hause und seit jeher der Magie der Bücher verfallen. Sie schreibt, um fremde und vertraute Welten zu erschaffen, sympathischen und zwiespältigen Charakteren Leben einzuhauchen und Dunkelheit und Stille aus den Herzen der Menschen zu vertreiben. Wenn sie nicht gerade an Romanen arbeitet, veröffentlicht sie Kurzgeschichten und bereist die Welt auf der Suche nach ihrem nächsten Sehnsuchtsort.

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1. Petaloúdes

 

März: vor 5 Monaten

 

Die Musik dröhnte laut in meinen Ohren und der tiefe Bass schien sogar mein Herz aus dem Takt zu bringen. Meinen Geldbeutel fest umklammert, lehnte ich mich an die Bar und wartete. Mit angespannten Schultern warf ich immer wieder einen nervösen Blick in Richtung Toilette. Ich hatte meiner Kommilitonin Melissa versprochen, dass ich uns was zu trinken besorgen würde, bis sie zurück war. Leider war das einfacher gesagt als getan. Das hier war die Semesterabschlussparty, und die Location war brechend voll – und das, obwohl sie aus ganzen drei Tanzflächen bestand.

Leider war ich auch nicht annähernd so auffällig wie eine Discokugel, als die sich manche Frauen hier verkleidet hatten. Ich trug ein enganliegendes, schwarzes Kleid, das mir bis zu den Knien reichte, dazu schwarze Strumpfhosen (es war eine ziemlich kühle Märznacht), schwarze Schuhe und … na ja, zumindest meine Tasche war nicht schwarz. Sondern grau.

Alles in allem war ich anscheinend besonders leicht zu übersehen. Und zu überhören, denn so laut ich dem Barkeeper auch hinterherrief, während er wie ein ICE auf der anderen Seite der Theke an mir vorbeirauschte, er nahm einfach keine Notiz von mir.

Stöhnend legte ich den Kopf in den Nacken, sodass mir meine langen, braunen Haare über die Schultern fielen. Warum passierte mir das immer wieder? Ich war einundzwanzig Jahre alt und bekam nicht mal eine blöde Party auf die Reihe!

Frustriert fischte ich mein Handy aus meiner kleinen, grauen Umhängetasche und begann, eine Nachricht an Melissa zu tippen.

 

SOFIA

Ich glaube, ich versuchs auf der Hiphop-Tanzfläche

 

Weiter konnte ich nicht schreiben – denn im nächsten Moment ergoss sich ein Schwall aus Wasser über mich. Es traf auf meine Schulter, spritzte auf mein Gesicht und meine Haare und ließ mich erschrocken quietschen. Entgeistert wirbelte ich herum – und starrte dem Mann neben mir aus weit aufgerissenen Augen entgegen, der mit demselben Schock zurückblickte, als wüsste er nicht, wie ihm geschah. In dem durchsichtigen Becher in seiner Hand schimmerte eine dunkle Flüssigkeit, die mir verriet, dass er mich doch nicht einfach nur mit Wasser übergossen hatte.

»S-sorry!«, stieß er hervor. Noch während er mich scannte, hatte ich das Gefühl, dass er blass um die Nase wurde. »Der Typ da hat mich –« Er deutete hinter sich, realisierte dann aber offensichtlich, dass es vollkommen egal war, wer wann was getan hatte – im Resultat stand ich nun da, besudelt mit seinem Cola-Mischgetränk.

Der Mann hatte dunkle Haare, die er vor ein paar Stunden feinsäuberlich gegelt haben musste, die ihm jetzt aber trotzdem strähnenweise in die Stirn hingen, dazu einen frisch gestutzten Dreitagebart. Er trug dunkle, hoffnungslos zerrissene Jeans zu einem hellen Shirt und einer schwarzen Lederjacke. Auch wenn er dem Anlass der Party nach an meiner Uni studieren musste, hatte ich ihn noch nie zuvor gesehen.

Abwehrend hob er die freie Hand und bedachte mich dabei mit einem Blick wie für ein Atomkraftwerk, das kurz vor der Explosion stand. »Tut mir leid, wirklich! Ich bezahl dir die Reinigung. Und dein nächstes Getränk. Und dein übernächstes –«

Irritiert runzelte ich die Stirn. Ich wollte mich ärgern, aber so eine Reaktion hatte die Angelegenheit dann doch nicht verdient. »Schon gut«, winkte ich belustigt ab.

Er stutzte. »Was?«, rief er gegen den Lärm hinweg an, sodass ich nicht wusste, ob er mich nicht verstanden hatte oder mich nicht verstehen wollte. Unwillkürlich lehnte er sich stärker in meine Richtung, und ein Hauch seines Aftershaves drang in meine Nase. Ich konnte die Noten keinen klassischen Inhaltsstoffen zuordnen. Stattdessen roch ich einfach nur: Freiheit.

»Schon gut!«, entgegnete ich lauter und zuckte die Achseln. »Das Kleid ist schwarz. Sieht man sowieso nicht wirklich.« Ich blickte an mir herab. »Nur, wenn man es weiß.«

Fassungslos musterte mich der Mann. »Sicher, dass du mir nicht den Kopf abreißen willst? Oder – hier!« Er hielt mir sein Glas hin, in dem nur noch etwa zwei Schlucke zurückgeblieben waren. »Gieß es mir über, wenn du willst.«

Verdattert lehnte ich mich in die andere Richtung. »Warum sollte ich das denn machen?«

Er ließ die Schultern hängen. »Na, weil du wütend bist.«

Ich schnaubte belustigt. »Bin ich das?«

Mein Gegenüber geriet ins Stocken, und auf einmal war sein bloßer Anblick so präsent für mich, dass alles andere um mich herum verblasste. Spätestens dann, als er lächelte. Fast schon ungläubig schüttelte er den Kopf. »Du bist nicht wütend?«

»Bin ich nicht«, bestätigte ich und kapierte nicht, warum er mir das einfach nicht abkaufte. Stieg etwa Rauch aus meinen Ohren, ohne dass es mir auffiel?

Sein Lächeln wurde breiter. »Okay«, antwortete er überschwänglich. Sein Blick zuckte auf einen Punkt hinter mich, und er hob einen Finger – das war alles, was es brauchte, um den Barkeeper mir nichts, dir nichts zu uns zu beamen. »Was willst du trinken?«

Ein Zucken ging durch mein Augenlid, als ich den Barkeeper ansah, der offenbar aus seinem Tunnelblick gerissen worden war. »Ist mir inzwischen so was von egal«, brummte ich und hoffte, dass der Kerl das hörte.

»Okay«, fragte er nicht weiter und beugte sich über den Tresen, um zu bestellen.

Ich nutzte die Gelegenheit, um mein Handy zu checken – und tatsächlich hatte ich eine Nachricht verpasst.

 

MELISSA

Wo bist du????

 

Ich stutzte und antwortete ihr schnell.

 

SOFIA

An derselben Stelle wie gerade eben

 

Aus dem Augenwinkel beobachtete ich meinen neuen Gesprächspartner, der zu meiner Überraschung keinen Geldbeutel aus seiner Hosentasche zog, sondern einfach nur sein Handgelenk an ein Kartenlesegerät hielt, um mit seiner Uhr zu zahlen.

Eigentlich konnte ich froh sein, dass er mich angeschüttet hatte. In meinem Freundeskreis war ich die reinste Langweilerin: Wo auch immer in München eine Party stieg, tauchte ich nur zum Vorglühen auf und seilte mich dann ab, bevor es in die nächste Bar gehen konnte. Warum? Weil die Getränke dort so unglaublich teuer waren und ich ohnehin schon jeden Cent umdrehen musste, um über die Runden zu kommen. Mein Stipendium war begrenzt, und ein kleines bisschen zurücklegen musste ich schließlich auch noch …

»Ich find‘s echt krass«, gab mein Gegenüber zu, als er sich mit zwei neuen Gläsern zu mir umwandte. »Ich glaube, jede andere Frau hätte mir schon längst in die Eier getreten.«

Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, fragte mich aber, mit welcher Art Frau er sich sonst so abgab. Und ob in seiner Hose überhaupt noch was zu retten war, wenn er solchen Frauen ständig sein Getränk überschüttete. »Danke für die Inspiration.«

Er grinste schief und reichte mir eines der beiden Gläser. »Wie heißt du?«

Ich sah mich nach Melissa um, aber ich konnte sie weit und breit nicht entdecken. »Sofia.«

»Sofia wer?«

Ich zog die Brauen zusammen. Warum wollte er denn jetzt meinen Nachnamen wissen? »Aldea.« So, wie ich es aussprach, klang es eher wie eine Frage.

»Aldea«, sagte er nachdenklich, und ich konnte förmlich sehen, wie er seine innerliche Kontaktliste damit abglich. Dann schüttelte er knapp den Kopf. »Noch nie gehört.«

Ich zog die Schultern hoch. »Ich bin ja auch kein Promi.«

Er lachte und hielt mir die freie Hand hin. »Ich bin Karin.«

Ich stutzte. Hatte ich mich gerade verhört? »Karin?«, wiederholte ich irritiert.

»Ja!« Er geriet ins Stocken. »Warte, was hast du gesagt?«

Ich schluckte. Auf einmal kam mir die Musik lauter denn je vor. »Was hast du gesagt?«

Sein Mund öffnete und schloss sich wieder. Er wirkte etwas verzweifelt. »Ka-l-in«, schrie er mir förmlich entgegen. »Mit L!«

Erleichtert ließ ich die Schultern hängen. »Jetzt hab ich‘s verstanden!« Glaubte ich zumindest. »Aus welcher Sprache kommt das?«

Lässig lehnte sich Kalin mit einem Arm gegen die Bar. »Aus dem Griechischen.«

Meine Augen wurden groß. »Du hast griechische Wurzeln?«

Sein Mundwinkel hob sich leicht. »Fysiká omorfiá«, raunte er und jagte einen wohligen Schauer über meinen Rücken.

Ich legte den Kopf schief. »Was bedeutet das?«

Verheißungsvoll führte Kalin einen Finger an die Lippen. »Freut mich, dich kennenzulernen, Sofia.«

Wir stießen an und ich nippte an meinem neuen Getränk, das sich als Rum-Cola entpuppte. Eigentlich absolut nicht mein Geschmack – ganz im Gegensatz zu dem Lächeln, das mir Kalin schenkte.

»Studierst du hier?«, rief er über den Lärm hinweg, und ich fragte mich, ob er nicht mit anderen Leuten hier war, zu denen er hatte zurückgehen wollen, bevor ihm das Malheur passiert war. Aber so, wie er mich ansah, hatte er seine Begleiter ganz vergessen.

Ich nickte. »User Experience Design.«

Seine Brauen schossen in die Höhe. »Wow, nicht schlecht.«

Kalins volle Aufmerksamkeit schien auf mir zu liegen – ein Gefühl, mit dem ich kaum umgehen konnte. Es fiel mir schwer, Blickkontakt zu halten, weshalb ich umso erleichterter war, die Pause zwischen uns mit einem Schluck Rum-Cola überbrücken zu können. »Und du?«

Ein neckisches Zucken ging durch seine Braue. »Das verrate ich dir später.«

Ich runzelte die Stirn. »Später?«

»Später.« Der forsche Ausdruck in seinen Augen sandte ein leichtes Prickeln durch meine Magengrube. »Tanzt du gerne, Sofia?«

»Hey!« Jemand drehte mich an der Schulter herum – es war Melissa. Mit ihren welligen, blonden Haaren und ihren blauen Augen war sie das absolute Gegenteil von mir. Sie trug eine enganliegende Hose zu einem ausladenden Oberteil, und ich wettete, dass sie deshalb so lange auf der Toilette gebraucht hatte, weil sie sich ihre Fake-Wimpern erst wieder hatte zurechtzupfen müssen. »Ich war kurz an der Hip-Hop-Bar«, kreischte sie mir unnötig laut entgegen. »Da ist die Stimmung so viel besser! Let‘s go!« Vielleicht hatte sie nicht bemerkt, dass ich mich gerade noch unterhalten hatte, vielleicht kümmerte es sie auch nicht – sie ergriff mein Handgelenk und zog mich einfach mit sich.

Hin- und hergerissen stemmte ich mich dagegen und schenkte Kalin einen Blick. Dieser nickte mir nur zu, wie zu einem stillen Einverständnis, dass ich ihm rein gar nichts schuldig war.

Dennoch blieb ich einen Augenblick länger stehen als notwendig. »Kalin wer?«

Er lächelte. »Hadrian.«

Das war der Anfang vom Ende gewesen. Kapitel eins in einem Buch, das von meinem entscheidenden Fehler handelte. Einen, den ich nur zu gerne rückgängig machen würde. Der mich mehr schmerzte als alles andere.

Ich hätte mich niemals in einen Hadrian verlieben dürfen.

Das Getränk, das mir Kalin ausgegeben hatte, war bei Weitem nicht das Letzte gewesen, das ich trank. Mit der Zeit wurde mir so heiß und schummrig, dass ich Melissa irgendwann stehenließ und mich zum engen Treppenhaus begab, über das man auf eine schmucklose, teilweise auch echt dreckige Dachterrasse gelangte. Sofort wurde ich von der kühlen Märzluft umhüllt, die wieder etwas mehr Klarheit in meinen Kopf brachte.

Ich war von einigen rauchenden, trinkenden und knutschenden Studenten umgeben. Sie waren allein, zu zweit oder auch in Gruppen da, und obwohl das ganze Dach voll von ihnen war, fühlte ich mich plötzlich wie in eine Blase der Einsamkeit eingeschlossen. Ja, ich war mit Melissa hier. Ja, ich kannte auf dieser Party viele andere Leute. Aber all das kam mir auf einmal oberflächlich vor. Als hätte es keine Bedeutung.

Ich bewegte mich bis zum Ende des Dachs auf der gegenüberliegenden Seite zum Treppenhaus und lehnte mich gegen das solide Geländer. Von hier aus konnte man diesen Ortsteil von München gut überblicken – ein paar Wohnhäuser hier, einige Firmengebäude da, in der Ferne erspähte ich sogar die Umrisse der Bäume, die einen Park flankierten. Ich lebte in einer der größten Städte Deutschlands und war von der ganzen Welt umgeben – und doch fühlte ich mich allein.

»Nanu, du auch hier?«, ertönte plötzlich eine fremd-vertraute Stimme zu meiner Rechten, und im nächsten Moment lehnte sich niemand Geringeres als Kalin neben mich ans Geländer.

Ich stieß ein halb erstauntes, halb amüsiertes Lachen aus, und ein Anflug der Erleichterung überkam mich. Unser letztes Treffen hatte viel zu schnell geendet. »Verfolgst du mich etwa?«

»Das sollte ich dich fragen!«, entgegnete er lässig. Inzwischen trug er einen pechschwarzen Strohhut mit einem roten Band darum, das den Namen einer Rum-Marke zeigte. »Ich war schon vor dir hier oben.«

Unschlüssig hob ich eine Braue. »Ganz sicher nicht. Ich hab dich gar nicht gesehen.«

»Und ich hab dich nicht gesehen.« Er grinste. »Einigen wir uns darauf, dass wir es nie wissen werden.«

Sein Lächeln ließ die Blase mit einem Mal platzen. Auf einmal hatte ich wieder ein Gefühl für die Menschen, die Geräusche, die Gerüche um mich herum, und kam mir wie ein rechtmäßiger Teil des großen Ganzen vor. Der Anflug der Traurigkeit, der mich überkommen hatte, verflog, bevor er Schaden anrichten konnte.

Ich stützte mich mit einem Ellbogen auf das Geländer und bettete mein Kinn darauf. »Seit wann bist du Markenbotschafter von Jack Daniels?«

»Was?« Kalin tastete seinen Kopf ab, als würde ihm erst jetzt auffallen, dass er den Hut aufhatte. »Ach, das. Seit ich unsere Getränke bestellt habe. Ist heute wohl ein Spezialangebot.«

Ich stellte mich wieder gerade hin. Interessiert beäugte ich ihn, sog seine dunklen Haare und den Anblick seiner warmen braunen Augen in mich auf. »Steht dir echt gut.«

Kalin lächelte – und zog plötzlich eine Grimasse. »Moment mal. Ich weiß, was du vorhast.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf mich, als wäre er einem finsteren Plan von mir auf die Schliche gekommen. »Du hast mich auf der Tanzfläche gesehen und willst dich jetzt einschleimen, damit ich dir meine besten Moves beibringe.«

Ich prustete und bedeckte meinen Mund mit einer Hand. »Schuldig! Du hast mich erwischt.«

Kalin rückte seinen Hut zurecht. »Wo ist dein Getränk?«

»Getrunken. Wo ist deins?«

»Auch.« Er legte leicht den Kopf schief. »Du siehst so aus, als könntest du ein neues gebrauchen.«

Er stieß sich bereits von der Brüstung ab, doch ich hob abwehrend die Arme. »Nein, schon gut! Ich … brauch ne kurze Pause.« Auch wenn ich nicht anders konnte, als ein wohliges Kribbeln zu verspüren, das nichts mit dem Alkohol zu tun hatte – sondern mit der Tatsache, dass dieser Kerl ganz versessen darauf war, mir ein Getränk nach dem anderen auszugeben. Um uns herum waren so viele Frauen mit schöneren Klamotten, kunstvolleren Frisuren und attraktiveren Figuren als ich – zumindest redete ich mir das ein. Aber aus irgendeinem Grund hatte Kalin keinen Blick für sie.

»Oh.« Er blieb, wo er war, lehnte sich jetzt jedoch mit dem Rücken gegen die Brüstung. »Alles in Ordnung? Brauchst du irgendwas?«

Schnell schüttelte ich den Kopf. »Nein, es ist alles gut. Wenn ich noch ein bisschen an der frischen Luft bleibe, geht es bestimmt gleich wieder.« Während ich es aussprach, überkam mich plötzlich der Eindruck, dass sich die Welt in die falsche Richtung zu drehen begann. Na toll.

»Weißt du was?« Kalin stieß sich vom Geländer ab und legte mir im Vorbeigehen eine Hand auf die Schulter. »Ich hol dir ein Wasser.«

Mein Mund öffnete sich, um ihn zurückzuhalten, doch da war er schon von meiner Seite verschwunden. Hin- und hergerissen sah ich ihm nach, wandte mich dann aber wieder nach vorn und begrub meine Hoffnungen, dass er seine Ankündigung wahrmachen würde.

Er würde nicht zurückkommen. Ich war eine Langweilerin, die eine Pause vom Alkohol brauchte und bei der sich Mann keine Chancen ausrechnen konnte, sie schnell und leicht abzufüllen. Das hatte ich ihm ganz nebenbei klargemacht, und er würde sich jetzt interessanteren Objekten zuwenden.

Ich blieb noch ein paar Minuten draußen, aber auf einmal war mir nicht mehr nach Feiern zumute. Kalin hatte mich mit unserem Gespräch aus meiner Blase befreit, doch nun hatte sie sich nach und nach aufs Neue um mich herum gebildet. Er hatte diese Energie, diese Aura mitgebracht, die mir ein Hochgefühl verschafft hatte. Umso schlimmer jetzt, wo er wieder weg war.

Mit einem stummen Seufzer drehte ich mich um – und entdeckte Kalin, der sich mit einem Glas Wasser und einem neuen Cola-Mischgetränk einen Weg durch die Menge bahnte.

Meine Augen weiteten sich und meine Kinnlade klappte immer weiter herunter, während er auf mich zukam. »Wirklich?«, hauchte ich ungläubig, als er mich erreichte. »Du hast mir echt ein Wasser geholt?«

Verwirrt blinzelte er. »Hab ich doch gesagt.« Er hielt mir das Glas hin. »Dafür gab‘s leider keinen zweiten Hut.«

Ich musste lächeln, und das Prickeln, das er schon vorhin in mir ausgelöst hatte, kehrte mit einem Mal zu mir zurück. Er war nur für mich nach drinnen gegangen, hatte sich an der Bar angestellt, ewig gewartet und war wieder nach draußen in die Kälte gekommen. Nur, um mir ein blödes Glas Wasser zu besorgen. Entweder er hatte immer noch ein verdammt schlechtes Gewissen wegen der Nummer mit dem Kleid, oder … er war einfach nett.

»Danke.« Ich nahm ihm das Wasser ab und trank einen großen Schluck davon. »Sag mal«, bohrte ich nach. »Warst du nicht auch mit Freunden hier?«

»Ja, die sind hier irgendwo.« Er zuckte die Achseln. »Unten. Keine Ahnung.«

Ich runzelte die Stirn. »Was denken sie darüber, wenn du den ganzen Abend mit mir verbringst?«

Er schnaubte amüsiert. »Ist mir doch egal. Die sehe ich ständig.« Ein selbstbestimmter Glanz legte sich in seinen Blick. »Dich sehe ich heute zum ersten und vielleicht auch letzten Mal.«

Belustigt schüttelte ich den Kopf und versuchte, nicht zu viel auf das Vielleicht zu geben. »Na und? Für alle anderen hier gilt doch genau dasselbe.«

»Von allen anderen rede ich aber nicht.« Genüsslich schlürfte Kalin sein Getränk durch den Strohhalm. »Ich mag dich.« Er senkte sein Glas und taxierte mich mit einem so durchdringenden Blick, dass mir das Herz in den Rock rutschte. »Du wirkst so … cool. So locker. Aber nicht unsicher.«

Nur sorgten seine Worte dafür, dass ich mich auf einmal wie ein unsicheres Mäuschen fühlte. Schnell, sag was total Selbstbewusstes! »Ich wünschte, ich könnte jetzt irgendwas zurücksagen«, kam es mir über die Lippen. »Aber ich weiß nicht mal mehr, wie du heißt.«

Mit gespieltem Schock griff sich Kalin an die Brust. »Wie bitte? Habe ich vorhin etwa keinen bleibenden Eindruck hinterlassen?«

Ich blickte an mir herab. »Dein Getränk hat zumindest einen bleibenden Eindruck auf meinem Kleid hinterlassen.«

Kalin stöhnte verzweifelt. »Könntest du das nicht auch ganz schnell vergessen?« Seine Miene erhellte sich. »Ich hab‘s! Als Entschuldigung …«, hob er an und zog sich den Hut vom Kopf, »… perfektioniere ich dein Outfit.« Mit diesen Worten setzte er ihn einfach mir auf und nickte anerkennend. »Na, aber hallo!«

Zweifelnd beäugte ich ihn. »Du legst es wirklich drauf an, dass ich dir doch noch in die Eier trete, oder?«

»Nein, ich meins ernst!« Er fuhr sich mit einer Hand durchs leicht zerzauste Haar, und etwas Nachdenkliches legte sich in seinen Blick, als er mich musterte. »Ein Traum.«

So sehr ich es auch versuchte, ich konnte es nicht mehr ignorieren: Das unbeschreibliche Kribbeln, das mich geradewegs ins nächste Hochgefühl warf. Was hatte dieser Mann nur an sich, das in mir auszulösen? Und was hatte ich an mir, dass es ihm offenbar ganz ähnlich ging?

Auf einmal verloren sich all meine Pläne im Nichts, die Party zeitnah zu verlassen. »Weißt du«, hob ich zaghaft an. »Wenn du willst, dass ich die Sache wirklich, wirklich vergesse, dann müsstest du mir vielleicht doch noch ein paar deiner Tanzmoves zeigen.«

Ein breites Lächeln erhellte seine Miene. »Das lässt sich einrichten.« Er bot mir seine Hand an, und ich ergriff sie. Bevor wir losgingen, schenkte er mir einen tiefen Blick. »Kalin«, erinnerte er mich. »Mein Name ist Kalin.«

Was danach passierte, würde ich im Nachhinein nicht mehr wissen. Meine Erinnerung würde erst dann wieder ansetzen, als Kalin und ich schon längst auf der Tanzfläche waren. Mein Wasserglas war Geschichte, und Kalins Getränk, das ich ungefragt geleert hatte, schmeckte auf meiner Zungenspitze nach süßer Cola. Genau wie seine Lippen, als diese auf meine trafen.

Ich trug den Hut nicht mehr und hatte keine Ahnung, wo der abgeblieben war, aber das spielte auch keine Rolle mehr. Kalin war hier. Ich war hier. Und es war einfach perfekt.

Er beide Hände auf meine Taille gelegt, während meine seine Schultern berührten. Uns war heiß. Wir waren verschwitzt und außer Atem. Die schiere Energie, die er ausstrahlte, mobilisierte eine Kraftreserve in meinem Inneren, von der ich nicht gewusst hatte, dass sie existierte. Es musste schon nach drei Uhr morgens sein, aber die Tanzfläche war immer noch brechend voll. Einmal mehr blendete mein Unterbewusstsein sie alle aus – doch nicht wie vorhin, als würde ich mich nicht wie ein Teil von ihnen fühlen. Sondern weil sie alle bedeutungslos für mich waren, solange ich mit Kalin tanzte.

Kalin Hadrian. Das war doch sein Nachname gewesen, oder? Er kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich konnte ihn nicht zuordnen. Und wann immer ich in seine Augen blickte, versuchte zu ergründen, was es mit diesem mysteriösen Mann auf sich hatte, gerieten meine Gedanken jäh ins Stocken. Seine ganze Aufmerksamkeit lag auf mir, und ich konnte mir nicht erklären, warum. Schließlich kannten wir uns nicht, hätten uns nie kennengelernt, hätte er mir nicht aus Versehen eine Coladusche verpasst …

Meine Augen weiteten sich leicht, als eine verräterische Vorstellung in mir aufstieg. Konnte es wirklich sein?

Ich befeuchtete meine Lippen. »Sag mal«, rief ich heiser gegen die Musik an. Wir befanden uns auf der Hip-Hop-Tanzfläche, und der Takt, in dem wir uns bewegten, hatte rein gar nichts mit dem Beat des aktuellen Songs zu tun – egal. »War das mit dem Getränk vorhin etwa Absicht?«

»Was?«, fragte er eine Spur zu langsam und mit einem viel zu süffisanten Lächeln im Gesicht, als dass er mich wirklich nicht verstanden hatte.

»Das mit dem Getränk!«, wiederholte ich lauter und gleichzeitig kraftloser. »Hast du das mit Absicht gemacht?«

»Warum hätte ich das denn tun sollen?« Es war für ihn viel leichter, den wummernden Bass zu übertönen.

Unwillkürlich zog er mich dichter an sich heran. Ich konnte gar nicht anders, als die Arme umso mehr um seinen Hals zu schlingen, bis da kein Abstand mehr zwischen unseren Oberkörpern war.

Was war das denn für eine Frage? »Na, weil du –« Ich stockte. Ich wollte es nicht aussprechen, weil ich mir auf einmal nicht mehr sicher war, ob ich wirklich auf dem richtigen Dampfer war. Das wäre eine ganz schön krasse Nummer, oder? Absichtlich ein Kleid ruinieren, nur um einen Grund zu haben, eine Frau anzusprechen?

Ich geriet ins Stocken. »Du wolltest doch –« Ich brach ab und versuchte, jede noch so kleine Regung in seiner Miene zu verarbeiten, aber je mehr davon ich in mich aufsaugte, desto unschlüssiger wurde ich.

»Ja?« Langsam lehnte Kalin seine Stirn gegen meine, und sein Lächeln wurde tiefer. »Was wollte ich?«

Was auch immer ich hatte sagen wollen, der Gedanke verpuffte mit einem Schlag. Und doch spiegelte er sich jetzt umso deutlicher in Kalins Miene wider. In seinem Lächeln, in dem warmen, fast schon neugierigen Ausdruck in seinen Augen, die meine vollends in ihren Bann zogen. In denen ich zu versinken drohte, Stück für Stück, so lange, bis unsere Lippen aufeinandertrafen.

Wo ich mich vorhin nicht für eine Discokugel gehalten hatte, änderte sich das mit einem Schlag. Ich fühlte mich wie eine glitzernde Discokugel, die in einem Schwall aus Licht und Glimmer explodierte. Begierig stellte ich mich auf die Zehenspitzen und reckte mich Kalin entgegen. Er schlang die Arme enger um mich und verzauberte mich mit seinem Kuss, der keine Sekunde lang durchscheinen ließ, wie viel Alkohol er schon intus haben mochte, und brachte mich bereits ins Träumen, lange bevor er geendet hatte. Genau das war dieser Moment vielleicht – der Beginn eines wunderschönen Traumes, aus dem ich niemals erwachen wollte.

Doch Kalin würde das alles nie verstehen. Weil er ein Hadrian war.

Juni: vor 2 Monaten – nach der Trennung

 

»Sofia.«

Ich sah meine Mutter nicht an, die neben mir auf der Bettkante saß. Ihre braunen, mit grauen Strähnen durchzogenen Haare hatte sie zu einem wuchtigen Dutt gebunden, und obwohl ich den Blick abgewandt hatte, konnte ich spüren, was für ein trauriger Ausdruck in ihren Augen lag.

»Bitte sprich mit mir.«

Ich schloss die Lider und unterdrückte ein Schluchzen. Es war okay. Die meiste Zeit über war es okay. Ich konnte mich beherrschen, die Urgewalt an Gefühlen im Zaum halten, die in meinem Herzen tobte, mir nichts anmerken lassen. Aber wenn ich die dünne Stimme meiner Mutter hörte, die so getränkt von Sorge um mich war, dann drohte alles aus mir herauszubrechen. Das wollte ich nicht. Ich wollte nicht um ihn weinen. Keine Träne. Weil er es nicht verdient hatte.

»Was hat er getan?«

Ich schluckte schwer. Ich wollte nicht darauf eingehen. Wenn ich es aussprechen würde, würde die Wahrheit mit einer Urgewalt über mich hereinbrechen und mein Herz endgültig zum Brechen bringen.

Ich musste mich ablenken. Von ihm. Es verdrängen. So lange, bis ich stark genug wäre, um mich selbst damit zu konfrontieren.

Meine Gedanken schweiften zu meiner Mutter. Ob sie auch schon einmal so sehr verletzt worden war?

Meine Eltern hatten sie bereits mit sechzehn Jahren gesucht und gefunden – die Liebe, aber nicht unbedingt das Glück. Weil es in Rumänien nicht so ausgesehen hatte, als würden sie jemals darauf stoßen, waren sie mit neunzehn, zwanzig Jahren nach Deutschland gekommen, mit nicht mehr als ihren Berufsausbildungen im Gepäck, die in ihrer neuen Heimat nur schwer anerkannt wurden. Und das, obwohl man ihre Arbeitskraft wirklich hatte gebrauchen können: als Maurerin und Krankenpfleger.

Die Hadrians könnten sich nicht einmal in ihren schaurigsten Träumen ausmalen, wie es war, zu den Aldeas zu gehören. Sicher, Kalins und meine Eltern hatten beide hart gearbeitet – aber während es seinen nur darum gegangen war, ihr Vermögen zu vermehren, hatten meine Mutter und mein Vater darum gekämpft, sich auch nur über Wasser zu halten. Sich und schließlich mich, ihr Kind, das alles andere als geplant gewesen war. Sie waren keine Sekunde lang davon überzeugt gewesen, mich ernähren, mir gerecht werden zu können. Sie hatten mich weggeben wollen.