Shining Starlight: Zusammen befreit - Annie C. Waye - E-Book

Shining Starlight: Zusammen befreit E-Book

Annie C. Waye

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Beschreibung

Was passiert, wenn sich die Tochter eines Freizeitparkbesitzers in dessen größten Star verliebt?

Als Mia das Angebot ihres Stiefvaters annimmt, im Themenpark „7Seas“ zu arbeiten, hat sie keine Ahnung, was sie erwartet. Doch als sie dem Piratendarsteller "Rodrigo Sturmherz" begegnet, ist es sofort um sie geschehen. Stück für Stück geben sie dem verräterischen Knistern nach, das mit jedem Tag stärker wird. Aber damit gehen sie ein großes Risiko ein: Denn der Superstar in einem internationalen Freizeitpark darf keine Liebesbeziehungen führen – und auf keinen Fall erfahren, dass Mia die Tochter des Chefs ist …

New Adult Romance auf Deutsch: Die Liebesromane der "Lovely Fall"-Reihe sind unabhängig lesbar.

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Shining Starlight

Zusammen befreit

ANNIE WAYE

Annie Waye ist eine junge Autorin mit einer alten Seele. Sie ist auf der ganzen Welt zu Hause und seit jeher der Magie der Bücher verfallen. Sie schreibt, um fremde und vertraute Welten zu erschaffen, sympathischen und zwiespältigen Charakteren Leben einzuhauchen und Dunkelheit und Stille aus den Herzen der Menschen zu vertreiben. Wenn sie nicht gerade an Romanen arbeitet, veröffentlicht sie Kurzgeschichten und bereist die Welt auf der Suche nach ihrem nächsten Sehnsuchtsort.

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Impressum

Annie Waye

c/o JCG Media

Freiherr-von-Twickel-Str. 11

48329 Havixbeck

© 2024 Annie Waye

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Emily Bähr

Lektorat und Buchsatz: Kaja Raff

Korrektorat: Franziska Hornhues

Am Ende dieses Buchs findest du ein Glossar.

Bisher erschienen:

Falling Leaves: Zusammen geträumt

Für alle, die hören müssen, dass es nie zu spät ist, sein Leben zu verändern.

1. Minha linda

Tag 1 im 7Seas

»O mein Gott«, seufzte Franzi neben mir, als wir den Ausgangsbereich der Achterbahn verließen. »Das war der Wahnsinn!«

»Und wie.« Ich war immer noch dabei, meine langen braunen Haare zu sortieren, die durch den Fahrtwind hoffnungslos durcheinandergekommen waren. Warum hatte ich mir heute Morgen keinen Zopf gebunden? »Blackthorns Rache ist eine der beliebtesten Attraktionen hier drinnen. Die gewinnen jedes Jahr neue Preise damit.«

»Kein Wunder.«

Im Gegensatz zu mir hatte Franzi mit ihrem blonden Flechtzopf eine deutlich bessere Entscheidung getroffen. Sie war auch viel lockerer angezogen als ich, mit einem dicken Kapuzenpullover und kurzen Hosen, in denen ich sogar jetzt am späten Nachmittag gefroren hätte. September war eben doch nicht mehr ganz Sommer.

Ich hingegen trug eine lange, locker sitzende beigefarbene Hose mit einem geknoteten hellen Hemd darüber. Schließlich war ich gewissermaßen beruflich hier. Beinahe hätte ich noch einen Hut aufgesetzt, bis ich mich in einem lichten Moment eines Besseren besonnen hatte. Ich hatte wirklich nicht genug Erfahrung mit Freizeitparks.

»Das waren die dreißig Minuten Anstehen wert.« Sie schenkte mir einen schiefen Seitenblick und fügte scharf hinzu: »Wobei die ja eigentlich überhaupt nicht nötig gewesen wären …«

Abwehrend hob ich die Hände. »Ich hab’s dir gesagt!«, erinnerte ich sie. »Du kannst mitkommen, aber wir werden kein Vitamin B benutzen.«

»Das hat doch nichts mit benutzen zu tun.« Franzi zückte ihre Sonnenbrille, die sie in ihre quadratische rote Handtasche gesteckt hatte, und setzte sie auf. »Du atmest quasi Vitamin B! Du sonderst es aus jeder deiner Poren aus …«

Ich rümpfte die Nase.

»… und warum zur Hölle denn nicht?« Sie schloss ihre Tasche, und wir beschleunigten unseren Schritt. Der Park hatte zwar noch ein paar Stunden geöffnet, aber um sechzehn Uhr erwartete mich ein Termin, auf den ich mich rein gar nicht freute. Umso besser, dass Franzi hier war, um ihn mit mir zu überstehen.

»Du weißt genau, warum.«

»Natürlich«, murmelte sie in einem Tonfall, der dazu geboren war, um mich zu necken. »Mias falsche Bescheidenheit mal wieder.«

»Mias falsche Bescheidenheit«, bestätigte ich verdrossen.

Der 7Seas Actionpark war den eigenen Werbeartikeln zufolge die größte Attraktion in ganz Südtirol. Mit weitestgehend dreisprachigem Personal – Deutsch, Italienisch, Englisch – zog der Park Menschen aus schier allen umliegenden Ländern an. Aufgeteilt war er in verschiedene Themenbereiche, die zum übergreifenden Oberthema passten. Dieses wiederum lautete, wie der Name schon verriet, Piraten.

Alles hier erinnerte an Piraten. Nicht nur die Attraktionen, sondern auch deren nähere Umgebung. Gerade eben befanden wir uns in der Schwarzen Bucht, in der unter anderem Blackthorns Rache auf uns wartete. Mit Sand aufgeschüttete Wege, Laternen mit flackernden Lichtern und unzählige dicke Schatztruhen, die als Bänke dienten, schufen das passende Flair. Genau wie alle Mitarbeiter, die Darsteller und Betreiber von Fahrgeschäften, die als Kapitäne, Matrosen, Piratenbräute, aber auch Schmuggler und vereinzelte mythologische Wesen unseren Pfad kreuzten.

»Jetzt mal im Ernst«, hob Franzi wieder an, als wir die Schwarze Bucht gerade so hinter uns gelassen hatten und in die Oase übergingen, einen kleinen Park, der zum Fläzen und Faulenzen einlud. Auf dessen anderer Seite erwartete uns die Karibik, von wo aus wir ins Hotel zurückkehren könnten. »Was hält dich davon ab, da reinzugehen …« Sie deutete in Richtung einer Schiffschaukel, die so groß war, dass man sie trotz der weiten Entfernung nur zu deutlich erkennen konnte. Und das Kreischen der Kinder darin umso besser zu hören war. »… zu sagen: Hey, ich bin Mia, die Tochter des Chefs, lasst mich durch, und dir die Wartezeit zu verkürzen?«

Ich zog die Schultern hoch. Meine falsche Bescheidenheit war so groß, dass mir sogar solche Gespräche unangenehm waren. »Weil ich das nicht verdient habe. Nur weil ich die Stieftochter von jemandem bin, sollte man mich doch nicht anders behandeln. Ich sollte nicht erwarten, dass mich jemand anders behandelt.« Ich machte eine ausschweifende Armbewegung. »Was hab ich für diesen Laden denn getan? Ich war seit zehn Jahren nicht mehr hier.«

»… was ich auch nicht verstehe«, gab Franzi zu. Wir hatten uns während unserer gemeinsamen Ausbildung in der Berufsschule kennengelernt. »Du hättest doch locker direkt nach der Schule hier anfangen können. Dann wärst du sicher schon auf irgendeinem Management-Posten. Oder einem Vorstandsposten!«

Ich erschauderte leicht. »Ich wollte Erfahrungen sammeln«, entgegnete ich. »Unverfälschte, echte Erfahrungen, bei denen es egal ist, wer ich bin und mit wem ich verwandt bin.«

Franzi blickte wieder geradeaus. »Und jetzt bist du hier.«

Eine kühle Septemberbrise strich über mich hinweg und beschwor eine leichte Gänsehaut in meinem Nacken hinauf. »Jetzt bin ich hier.« Und ich fragte mich bereits, ob das die richtige Entscheidung gewesen war.

Der Herbst machte auch vor einem Freizeitpark nicht Halt. Die Bäume, die alleeartig unseren Weg säumten und deren Kronen wahrscheinlich in täglicher Kleinstarbeit zu perfekten Kugeln geschnitten wurden, verloren allmählich an Farbe. Hier und da lagen ein paar Blätter auf dem Boden, aber es würde sicher nicht lange dauern, bis ein armer Mitarbeiter vorbeikommen und diese schnellstmöglich verschieben müsste. Nicht entfernen – schließlich brachten gelbe, orangefarbene und rote Blätter ihren ganz eigenen Flair mit sich. Stattdessen würden sie lediglich auf eine Weise am Boden arrangiert werden, die optisch ansprechend aussah, ohne die Menschen zu behindern, die sich durch diesen Teil des Parks bewegten.

Nein, ich hatte mich noch nie durch ein paar herumliegende Blätter behindert gefühlt. Aber schließlich hatte ich keine Ahnung, wie man einen Freizeitpark führte. Auch wenn mein Stiefvater das um jeden Preis ändern wollte, seit ich ihn kannte.

»Ich bin echt gespannt, wie das heute Abend wird.« Franzi streckte sich ausgiebig. »Ich wünschte, ich müsste nicht schon morgen zurück nach München. Aber ich müsste meinen Chef wahrscheinlich umbringen, um noch ein paar Urlaubstage zu bekommen.«

Ich grinste. »Du kannst doch nicht direkt vor der Halloween-Hochsaison Urlaub nehmen!«, zitierte ich mehr oder weniger ihren Vorgesetzten in der Agentur.

Franzi verdrehte die Augen. »Ja, klar. Das Problem ist nur: Nach der Halloween-Hochsaison ist vor der Weihnachtshochsaison.«

Mit gespielter Bekümmerung schüttelte ich den Kopf. »Warum willst du überhaupt Urlaub nehmen? Ich dachte, du brennst so für deinen Job.«

Meine Freundin stieß ein bitteres Lachen aus. »Und wie ich brenne. Ich brenne aus.« Ihre Miene glättete sich. »Gut, dass du den Ausstieg gefunden hast.« Auf einmal prustete sie. »Verstehst du? Ausstieg? Achterbahn?«

Ich grunzte. »Was für ein Ausstieg denn?«

»Na, hallo?« Etwas Laub knisterte unter ihren Sneakers. »Sieh dich doch mal um! Hier zu arbeiten, wird bestimmt der Wahnsinn.«

Ihre Worte allein reichten aus, um einen Schub der Nervosität durch meinen Körper fahren zu lassen. »Sag das nicht.«

Ich wusste nicht viel darüber, wie das Arbeitsleben hier gehandhabt wurde, doch so, wie ich Sven – meinen Stiefvater – kannte, regierte er mit harter, aber gerechter Hand. Das Problem bei Männern wie ihm war, dass man manchmal die Gerechtigkeit unter all der Härte nicht mehr erkennen konnte. Ich konnte froh sein, nicht seine leibliche Tochter zu sein – dadurch, dass wir uns erst seit zwölf Jahren kannten, hatte ich das Gefühl, dass er mir gegenüber immer einen Ticken mehr Zurückhaltung zeigte als gegenüber anderen.

»Wow!«, stieß Franzi hervor, als wir den Parkbereich verließen und nahtlos in die Karibik übergingen. »Wenn ich könnte, würde ich hier glatt einziehen.«

Wir bogen auf einen großen Marktplatz ein, in dem es wie in den Fluch-der-Karibik-Filmen aussah. Bunte Gebäude in leuchtenden Farben wie Türkis, Korallenrot, Sonnengelb oder Smaragdgrün reihten sich aneinander, allesamt im unverwechselbaren Stil der historischen Kolonialarchitektur gehalten. Kunstvoll geschnitzte Holzarbeiten, Palmen und exotische Pflanzen übersäten die Umgebung, so weit das Auge reichte, und wurden von bunten Stoffen, Fahnen und Flaggen ergänzt.

Große und kleine Marktstände reihten sich aneinander. Manche von ihnen verkauften ganz und gar nicht karibische Snacks wie Pommes und Zuckerwatte, an anderen konnte man sich in klassischen Jahrmarktdisziplinen wie Spicken, Schießen oder Dosenwerfen ausprobieren, an wieder anderen wurden Park-Souvenirs an den Mann gebracht: Von kleinen Piratenflaggen, Hüten und Augenklappen über Schmuck und Accessoires bis hin zu Tassen, Geschirr, Duftkerzen und Räucherstäbchen war alles dabei. Das Herz des Angebots bildeten zweifelsohne die Action-Figuren und Plüschtieren der Charaktere, die dem Park Leben einhauchten. Die meisten Bücher, Filme und sonstigen Attraktionen drehten sich um die Sturmherz-Crew, bestehend aus der Matrosin Elara Dämmerwind, der Navigatorin Seraphina Sternenglanz, dem Koch Silas Salzbart und dem Schmuggler Finn Wellensang. Im Zentrum des Ganzen standen der Bösewicht, Kapitän Blackthorn, und natürlich der Kapitän des Schiffs mit dem klangvollen Namen Rodrigo Sturmherz, der seine Crew von einem Abenteuer ins nächste führte. Das alles wusste ich nur, weil ich den Werbeflyer auf der Fahrt hierher auswendiggelernt hatte. Sven würde mich heute Abend ein paar wichtigen Parkfunktionären vorstellen, und beim bloßen Gedanken daran, irgendwelche parkbezogenen Fragen gestellt zu bekommen, wurde mir angst und bange zumute.

Mehrere Tänzer zogen gerade auf den Marktplatz ein, und wir rückten gemeinsam mit anderen Schaulustigen zur Seite, um sie durchzulassen. Gefolgt wurde ihnen von einer ganzen Schar aus Trommlern, die den Takt vorgaben. Wallende bunte Kleider und abgehackte, enthusiastische Rufe rundeten die Vorstellung ab.

Franzi und ich konnten einfach nicht anders, als noch ein paar Minuten stehenzubleiben und den Tänzern zuzusehen. Schon bald nahm mein Puls den Takt der Musik an. Wohin ich auch blickte, entdeckte ich nichts als strahlende Gesichter: von geschminkten Kindern, aber ebenso glücklichen Erwachsenen. Der Freizeitpark war ein durch und durch magischer Ort.

Auf einmal bereute ich es, nicht schon früher hierhergekommen zu sein. Doch ich hatte mich immer von Sven abgrenzen wollen. Seit er meine Mutter innerhalb von sechs Monaten geheiratet hatte, hatte er keine Gelegenheit ausgelassen, um mich auf irgendwelchen Veranstaltungen als seine Tochter zu präsentieren – und das, obwohl er mich nie adoptiert hatte. Wahrscheinlich war es ihm dabei hauptsächlich um sein Prestige gegangen. Der Inhaber eines Familien-Freizeitparks ohne eigene Familie? Ging überhaupt nicht.

Mit den Jahren war mir der Trubel zu groß geworden, und ich hatte mich weitestgehend von ihm und seinem Geschäft zurückgezogen. Aber jetzt, wo ich hier stand und einmal mehr mit eigenen Augen bewundern konnte, erinnerte ich mich wieder daran, warum ich überhaupt Eventmanagerin geworden war: um Erlebnisse bieten zu können. Erlebnisse wie dieses. Und der bloße Anblick der Aufführung schien mir einzuflößen, dass ich hierhergehörte.

Ich hatte mich nicht auf meiner Beziehung zu Sven ausruhen und meinen eigenen Weg gehen wollen. Nun, mit vierundzwanzig, hatte ich mich selbst gut genug gefunden, um nicht im Reich meines Stiefvaters zu vergessen, wer ich wirklich war. Das hoffte ich zumindest.

Ich wollte diesen Job. Die eine Sache, bei der ich immer geglaubt hatte, dass sie mehr als eine Nummer zu groß für mich war. Ich war so weit. Ganz bestimmt.

Die Vorstellung endete unter tosendem Applaus, und Franzi und ich machten uns wieder auf den Weg. Ich war froh, dass sie heute hier war. Beim Gedanken an das Abendessen mit Sven und seinen anzugtragenden Kollegen könnte ich vor Langeweile im Boden versinken.

Der Marktplatz und der Rest der Karibik wurden durch eine lange Straße mit weiteren Spielständen voneinander getrennt. Als wir diese gerade so betreten hatten, zog ich zum ersten Mal seit der Warteschlange von Blackthorns Rache mein Handy aus meiner Handtasche und fand eine einzelne Nachricht auf dem Screen vor.

SVEN MOELLER

Das Essen wurde vorgezogen. Sei um 5 hier

Meine Gesichtszüge entgleisten, und ich blieb abrupt stehen. »Der will mich doch verarschen!«

Verdutzt hielt Franzi an. »Was ist denn los? Wurde es abgesagt?«

»Im Gegenteil.« Mein Blick zuckte zur Handyuhr. »Es wurde um zwei Stunden vorgezogen.«

Sie legte den Kopf schief. »Hä? Wann ist das?«

Meine Knie wurden weich. »In vierzig Minuten.« Und ich stand immer noch mitten im Park, ungeduscht und mit einem Outfit, mit dem ich mich heute Abend auf keinen Fall sehen lassen dürfte. Nicht wenn ich nicht hochkant wieder rausgeworfen werden wollte.

»Fuck.« Ruckartig setzte sich Franzi in Bewegung. »Dann nichts wie los, was?«, fragte sie mit dünner Stimme.

Hastig ging ich weiter, und sobald ich sie eingeholt hatte, wurden wir beide ohne Absprache immer schneller. So schnell, dass es schon als Sportart zählen sollte.

Sie begann zu keuchen. »Wir rennen jetzt aber nicht, oder?«

»I-ich weiß nicht«, antwortete ich zaghaft. Wir waren zwei erwachsene Frauen und ich immer noch Svens Stieftochter, auch wenn das um uns herum natürlich niemand wusste. Geziemte es sich, dass wir hier herumrannten wie kleine Kinder? Unwillkürlich legte ich noch einen Zahn zu, bis es beinahe als Laufen durchging. »Ich darf nicht zu spät kommen. Wenn ich jetzt schon zu spät komme, war’s das.«

»Glaubst du wirklich« – sie holte tief Luft – »dass er so streng mit dir sein wird?«

»Vertrau mir«, raunte ich. »Nach seinen Maßstäben ist das noch nicht streng.«

»Na ja, also, wenn das unser Tempo sein soll«, stieß sie mit abgehackten Worten hervor, »könnten wir genauso gut rennen, oder?«

Mir traten jetzt schon Schweißperlen auf die Stirn. Vor Anstrengung, vor allem aber vor Stress. Ich hatte den Tag heute unbedingt im Park verbringen wollen, um am Abend mitreden zu können. Nun bereute ich es zutiefst.

»Wohin des Weges?«, ertönte plötzlich eine samtige Männerstimme auf meiner anderen Seite, und ich wurde erschrocken langsamer, als ein als Pirat verkleideter Darsteller auf Inline-Skates an mir vorbeirollte.

Kurz vor uns angekommen, bremste er ab und drehte sich elegant zu uns um, um rückwärts weiterzufahren. Er trug eine geradezu edel wirkende, blaue Weste mit einem breiten braunen Gürtel. Unter seinem Kragen stach ein weißes Piratenhemd hervor. Er hatte zu einem Zopf gebundene braune Haare und einen mindestens so gepflegten dunklen Bart. Ich tippte darauf, dass er Rodrigo Sturmherz darstellte.

In seinen braunen Augen blitzte das pure Vergnügen auf. »Könnt Ihr das nächste karibische Spektakel nicht erwarten?«

Abwehrend hob ich die Hände. Mein Kopf musste inzwischen rot anlaufen. »Sorry, wir haben keine Zeit für so was.« Aus Anstand wurde ich etwas langsamer, ein Tempo, mit dem er rückwärts locker mithalten konnte. »Wir müssen dringend zu den Hotels –«

»Oh, wenn Ihr gestattet.« Er deutete eine Verbeugung an und hielt mir eine Hand hin. »Ich kenne da eine Abkürzung.«

Verdattert blieb ich stehen, während mein Blick erst hinter, dann neben ihn zuckte, natürlich ohne einen Hinweis darauf zu entdecken, worauf er hinauswollte. »Eine Abkürzung?«

»Ihr wärt in Windeseile an Eurem Ziel.« Er nickte jemandem hinter mir zu, und im nächsten Moment rollte ein blonder Matrose heran – die männliche Version von Elara Dämmerwind.

»Eine Abkürzung könnten wir gebrauchen.« Bildete ich mir das ein, oder war Franzis Stimme eine Oktave höher geworden? »Nicht wahr, Mia?«

Ich zuckte die Achseln. »Okay, wo ist diese Abkürzung?«

Anstelle einer Antwort streckte mir der Mann seine Hand umso mehr entgegen.

Ein Prickeln stahl sich auf meine Wangen. Er blieb in seiner Rolle. Dann musste ich wohl mitspielen.

In der unguten Erwartung, dass er mich gleich an seinen Inline-Skates durch den ganzen Park zerren würde, nahm ich seine Hand. Sie war groß und überraschend weich und –

Mit einem Ruck zog mich der Pirat zu sich. Ein Quietschen entwich meinen Lippen, als er mich plötzlich losließ, nur den Arm um meinen Oberkörper zu schlingen und mich von den Füßen zu reißen. Ehe ich mich versah, lag ich auf einmal in seinen Armen und klammerte mich eher instinktiv als bewusst an seinen Schultern fest. »Was –«

Franzi quietschte vergnügt, und aus dem Augenwinkel sah ich, wie die männliche Elara sie ebenfalls im Hochzeits-Style auf die Arme hob. Bevor ich noch etwas sagen oder auch nur verstehen konnte, was vor sich ging, war der dunkelhaarige Pirat bereits losgefahren.

»O mein Gott«, stieß ich hervor, als er spielend leicht mit seinen Skates an Tempo gewann. Ein lockerer Fahrtwind strich über meine Haare, und es überraschte mich selbst, wie schnell ich mich meinem Schicksal ergab. »Ich bin doch viel zu schwer!«

Der Pirat lächelte auf mich herab und löste ein verräterisches Prickeln in meiner Magengrube aus. »Ihr seid wie eine Feder, minha linda.«

Der Klang seiner Worte fühlte sich an, als würde ich mein Gesicht in Schokoladenmousse versenken. Seine Stimme war unwiderstehlich, und ich wollte mehr davon.

Auf einmal kam es mir übergriffig vor, mich an seinen Schultern festzuhalten, aber anders ging es nicht. Erst nach und nach wurde mir klar, woher diese Schuldgefühle kamen: nicht daher, dass ich ihn berührte, sondern dass sich nach und nach all meine Sinne auf diese Berührung ausrichteten. Er war so verdammt kräftig. Obwohl er langärmelige Kleidung trug, konnte ich die Muskeln unter dem Stoff förmlich spüren. Und wenngleich ich schon nach wenigen Schritten völlig außer Atem gewesen war, schaffte er es, mit mir auf den Armen eine beachtliche Geschwindigkeit aufzunehmen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Innerhalb weniger Sekunden hatten wir die lange Straße bis zur Karibik hinter uns gelassen – und waren von unzähligen Menschen auf dem Weg zu oder von Attraktionen umgeben.

»Achtung!«, rief der Pirat, und mehrere Parkbesucher wichen ihm großzügig aus, während sie uns mit erstaunten bis faszinierten, vielleicht sogar neidischen Mienen taxierten. Die Aufmerksamkeit der Karibik lag auf uns – und meine wurde voll und ganz von diesem Mann vereinnahmt. Den Blick auf den Weg vor uns gerichtet, zuckte er doch immer wieder zu mir, und ich konnte schwören, dass jedes Mal, wenn er auf meinen traf, das schelmische Lächeln in seinem Gesicht etwas breiter wurde.

Umso weniger war ich darauf vorbereitet, als er plötzlich stehenblieb. Als er mich ein paar Meter vom hoteleigenen Parkeingang entfernt herunterließ, schaltete mein Gehirn gerade schnell genug, um nicht einfach umzukippen.

»Was für eine Wahnsinnsabkürzung!«, tönte Franzi, als die männliche Elara sie absetzte, und erwies sich dabei als deutlich eloquenter als ich.

Denn ich bekam einfach keinen Ton heraus. Mein Puls raste, aber nicht länger vor Anstrengung. Ich konnte nichts anderes tun, als den Piraten anzustarren, der sich schon wieder langsam rückwärts rollend von uns wegbewegte. »Es war uns eine Ehre«, sprach er, verbeugte sich halbwegs und zog seinen imaginären Hut. Ich war mir absolut sicher, dass mich sein Blick noch ein letztes Mal streifte, ehe er und sein Matrose herumwirbelten und davonfuhren.

Ein paar Sekunden lang blickten wir ihnen einfach nur hinterher – Zeit, die wir investieren konnten, jetzt wo sie uns einen mehrminütigen Vorsprung verschafft hatten.

»Wow«, sagte Franzi trocken. »Und du glaubst, es wird nicht megageil, hier zu arbeiten?«

Wieder war ich zu keiner Reaktion fähig. Unzählige Gefühle zuckten durch mein Innerstes, und erst nach einigen Sekunden registrierte ich, dass ich bis über beide Ohren grinste.

Doch dann fiel mir ein, was als Nächstes an der Tagesordnung stünde. Wer wusste schon, wie es wäre, bei 7Seas einzusteigen? Ich würde es noch früh genug erfahren. Aber zuerst einmal müsste ich diesen Tag überstehen.

2. O primeiro encontro

Tag 1 im 7Seas

Keine Ahnung, welche übermenschlichen Fähigkeiten Franzi und ich entwickelten, aber um Punkt siebzehn Uhr verließen wir unser Penthouse im spanisch angehauchten Hotel und schritten in Richtung Aufzug. Ja, wir wären nicht ganz pünktlich, doch Franzi hatte behauptet, dass eine Verspätung von mir nur demonstrieren würde, dass sich alle anderen nach mir zu richten hatten, und nicht andersherum. Ein Zeichen von Macht, sozusagen. Hatte ich bereits erwähnt, dass sich ihre Agentur hauptsächlich mit Veranstaltungen internationaler Musikgrößen beschäftigte? Ich hatte das Gefühl, die letzten Jahre hatten sie ganz schön verdorben.

Die Fahrstuhltüren schlossen sich vor uns, und sie lehnte sich gelassen an die Rückseite des Aufzugs. »Siehst du? Wir hätten uns gar nicht so einen Stress machen müssen. Am besten fahren wir noch dreimal rauf und runter, damit wir wirklich ein bisschen zu spät sind.«

Belustigt schüttelte ich den Kopf. »Bei meinem ersten Termin müssen wir es ja nicht gleich übertreiben. Und dass wir doch noch pünktlich sind, war ja auch nur Glück.«

»Oh, das war kein Glück«, entgegnete Franzi bestimmt. »Das war Schicksal. Eindeutig.« Sie seufzte. »Wer hätte gedacht, dass Piraten so sexy sein können? Sogar dann, wenn sie nicht Johnny Depp sind?« Sie legte den Kopf schief. »Wobei Rodrigo ja schon ein bisschen was von ihm hatte. Wie ein junger Johnny Depp.«

Ich konnte nicht anders, als in mich hineinzulächeln. Die irre Fahrt kam mir im Nachhinein wie ein Traum vor, und ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen, immer und immer wieder daran zurückzudenken. Gleichzeitig verfluchte ich mich dafür, nichts gesagt zu haben. Kein Wort! Wie ein schüchternes kleines Mädchen, das Erwachsene total süß, Gleichaltrige aber zum Schnarchen langweilig fanden. Dieser Mann hatte einen Wahnsinnseindruck auf mich hinterlassen, und ich hatte mich als die reinste Enttäuschung entpuppt.

Moment. Warum in aller Welt machte ich mir so viele Gedanken darüber?

Ich war erleichtert, als sich die Türen des Aufzugs öffneten und uns in den ersten Stock entließen. Die günstigeren Restaurants befanden sich im Erdgeschoss, hier oben wurde es etwas exklusiver. Familien mit Kindern fand man in diesem Bereich eher seltener. Dazu passte auch die öde Geigenmusik, die durch die geöffneten Türen des spanischen Restaurants drang.

Neben einem Stehtisch am Eingang erwartete uns ein dunkelhaariger Oberkellner mit glänzendem Anzug, der uns mit gemischten Gefühlen taxierte.

Ich setzte ein freundliches Lächeln auf. »Hallo.«

»Hallo. Tut mir leid«, schob er sofort hinterher. »Heute ist geschlossene Gesellschaft.«

Mir blieb der Mund offen stehen. Ich brauchte einen Moment, bis ich kapierte, wie der Hase lief.

Und damit einen Moment länger als Franzi. »Das wissen wir«, antwortete sie geradezu gnädig und deutete auf ihr hellgrünes und mein dunkelrotes Kleid. »Wir sind die geschlossene Gesellschaft.«

»Oh.« Der Mann blinzelte etwas hilflos. »Entschuldigen Sie vielmals, aber …« Er checkte die auf einem Clipboard befestigte Liste, die auf seinem Stehtisch lag. »… dürfte ich Ihre Namen wissen?«

Mein Mund wurde trocken. Natürlich. Die anderen wichtigen Leute des Parks kannte die Besatzung in- und auswendig. Ich war Neuland für sie. Und auf einmal wäre es mir lieber gewesen, es würde so bleiben. Ich versteifte mich etwas. »Mia Wagner.«

Abrupt richtete er den Blick wieder auf mich, und seine Augen wurden größer, als es biologisch möglich sein dürfte. »Mia Wagner«, wiederholte er. »Von … von Sven Moeller?«

Auch wenn der die Stieftochter in seiner Umschreibung vergessen hatte, nickte ich.

»Verzeihen Sie!« Sofort rückte der Mann von seinem Stehtisch weg und deutete sogar eine Verbeugung an. »Entschuldigen Sie vielmals! Ich habe Sie nicht erkannt.«

Mein Magen krampfte sich zusammen. Daran konnte auch der triumphierende Blick, den mir Franzi zuwarf, nichts ändern. »Schon gut –«

»Das wird nicht mehr vorkommen!« Ein Teil von mir rechnete sogar fest damit, er würde sich vor uns auf den Boden werfen und unsere Füße um Vergebung anflehen. »Herzlich willkommen im Colonia, Frau Wagner«, wartete der Mann meine Reaktion gar nicht ab, sondern stürmte schon förmlich in den Raum.

»So muss das!«, zischte mir Franzi zu, und wir folgten ihm nach drinnen.

Die geschlossene Gesellschaft verfügte über einige Steh- und genauso viele normale Tische, die alle gleichermaßen spärlich besetzt waren. Die große Mehrheit bestand aus älteren Männern in schwarzen Anzügen, manchmal auch einer Frau in einem dunklen Kleid. Von Gästen in unserem Alter keine Spur. Ich war so unfassbar froh, dass Franzi da war.

Die Musik kam zu meiner Überraschung nicht vom Band. Stattdessen lief ein einzelner Violinist etwas verloren im Restaurant herum und versuchte, irgendjemanden mit seinem Spiel zu begeistern.

»Ihr Platz.« Der schockierte Oberkellner blieb vor einem der Tische stehen, an dem bisher niemand saß. Anhand der Tischschilder erkannte ich sofort, dass Sven auch dort sitzen würde – er und zwei Männer, deren Namen ich vielleicht schon mal gehört haben sollte, die mir aber nichts sagten. Das konnte ja noch heiter werden.

»Okay.« Franzi hängte ihre Handtasche an ihre Stuhllehne und sah sich um. »Wo gibt’s was zu trinken?«

Ich beneidete sie, so unglaublich locker sein zu können. Ich hingegen verlor einfach alles in dieser Richtung, als ich mich umsah und zwischen all den anderen Anzugträgern Sven erspähte. Wobei das wahrscheinlich noch das Beste an der Situation war. Was hätte ich gemacht, wäre er aus irgendeinem Grund nicht gekommen?

»Zwei Sekt, bitte!«, hörte ich Franzi schon sagen, während ich meine Clutch auf meinem Stuhl deponierte. Bis ich aufgesehen hatte, war die Bedienung verschwunden. Ich hoffte, dass meine Freundin gerade für mich mitbestellt hatte.

»Da ist sie ja!«, ertönte eine vertraute Stimme in meinem Rücken, und ich drehte mich mit gemischten Gefühlen um. Sven schritt zwischen den anderen Tischen hindurch auf uns zu. Seine grauen Haare gingen nahtlos in seinen Vollbart über und verliehen seinem Gesicht etwas unglaublich Rundes. An seiner rechten Hand trug er den Ehering, den ich bei seiner Hochzeit mit meiner Mutter vor zehn Jahren auf einem Kissen herangetragen hatte.

»Meine Damen.« Schon aus der Ferne breitete er die Arme aus, und ich kam ihm entgegen. »Ich hoffe, ihr seid gut angekommen.« Er drückte mir einen Kuss auf jede Wange – keine Ahnung, warum er das machte. Ja, er lebte seit Ewigkeiten in Italien, aber das hier war schließlich nur Südtirol!

»Das sind wir«, krächzte ich und wusste nicht, wie ich mit diesem Anflug von Herzlichkeit umgehen sollte.

»Einen richtig tollen Park haben Sie da, Herr Moeller«, schleimte Franzi gleich drauf los und erntete einen skeptischen Blick von mir. »Blackthorns Rache ist der Wahnsinn!«

Für das Kompliment hatte Sven nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig. Die Achterbahn, bei der man zu schier unerwartbaren Zeitpunkten an Wasserfontänen vorbeischoss, gab es schließlich schon einige Jahre – Jahre, in denen er nichts als das gesagt bekommen hatte. Es hatte keine Bedeutung mehr für ihn.

»Vielen Dank«, sagte er trotzdem. »Und nenn mich gern Sven. Im 7Seas sind wir alle eine große Familie.«

Mein Lächeln musste in diesen Sekunden etwas Gequältes annehmen. Klar, eine Familie. So sanft Sven gerade sprach, so oft hatte ich ihn schon beruflich telefonieren gehört, um zu wissen, dass er auch ganz anders klingen konnte.

»Okay, Sven. Ich bin Franzi. Vielen Dank, dass ich mitkommen durfte.«

»Selbstverständlich. Ich habe schon so viel Gutes von dir gehört.« Sven drehte sich halb von uns weg und nickte in Richtung der Anzugträger. »Und jetzt würde ich euch gerne noch ein paar Kollegen vorstellen.«

Ich schluckte. Nun käme der weniger entspannte Teil des Abends.

Zwei Stunden später war ich so, so froh, mit Franzi allein an unserem Tisch sitzen und Weißweinschorle trinken zu können. Die Anzugträger hatten sich geschlossen auf die Raucherterrasse verzogen, und ich betete, dass sie dort noch eine Weile bleiben würden. Einzig der Violinist hatte nicht so genau gewusst, wo er hingehen sollte, und stand jetzt etwas ungelenk neben der gläsernen Tür nach draußen, als wollte er dafür sorgen, dass ihn alle Anwesenden zumindest gleich schlecht hören konnten. Unser Tisch war voller Tapas-Schälchen, die wir am laufenden Band nachgereicht bekamen, als würden Köpfe rollen, wenn wir auch nur eine Sekunde lang keine Lebensmittel mehr vor uns hätten.

»Das«, sagte ich trocken, »war so anstrengend.«

»Ach«, winkte Franzi ab und pickte sich ein paar Oliven aus einem der Schälchen. »Irgendeinen Tod muss man sterben. Bis vor kurzem musstest du allen möglichen wichtigen Leuten hinterherrennen, jetzt musst du ihnen die Hände schütteln. Die Verpflegung ist aber deutlich besser.«

Ich hatte inzwischen schon wieder vergessen, welche Hände ich da geschüttelt hatte. Und konnte dafür leider kaum verdrängen, wie Sven über mich gesprochen hatte. Über seine einzige Tochter, die nach ein paar Ausflügen in die Welt da draußen endlich ihren Weg nach Hause gefunden hatte. Dass er die ersten zwölf Jahre meines Lebens kein Teil davon gewesen war, kehrte er bei solchen Gelegenheiten gern unter den Teppich.

»Bei anderen Jobs muss man nur ein Bewerbungsgespräch führen und das war’s«, murmelte ich und sank tiefer in meinen Sitz. »Und für mich stehen jetzt ein Dutzend Termine auf dem Plan, obwohl ich noch nicht mal weiß, wie mein Jobtitel lauten wird.«

»Der Titel ist doch egal«, entgegnete Franzi selbstsicher. »Es wird auf jeden Fall mit einem Haufen Kohle, viel Freiheiten und minimalem Stress verbunden sein. Na ja, und damit«, ergänzte sie mit einer ausschweifenden Handbewegung.

Ich würde es ihr gegenüber nicht laut aussprechen, aber gerade eben fand ich die Aussicht auf geschlossene Gesellschaftsabendessen viel anstrengender als jede durchgearbeitete Nacht im Eventmanagement.

Das hier fühlte sich nicht wie meine Welt an. War es ja auch nicht. Wäre es nie gewesen, hätte Sven meine Mutter nicht vor etwas mehr als einem Jahrzehnt auf dem Oktoberfest kennengelernt, wo sie in einem VIP-Zelt bedient hatte. Das tat sie übrigens bis heute. Genau wie ich brauchte sie einen Zweck im Leben, und den spürten wir nur, wenn wir selbst mit anpackten. Und das wollte ich. Ich wollte einen Unterschied machen.

»Du siehst nicht besonders begeistert aus«, merkte Franzi an und zog ihr Handy aus ihrer Handtasche. »Wie kommt’s?«

»Ach«, winkte ich ab. »Ich hoffe nur, dass ich so was wie das hier nicht jeden Tag tun muss. Nur so lange, bis mich jeder mal gesehen hat oder so.«

Sie schielte von ihrem Handy zu mir, und ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Aber du hättest sicher nichts dagegen, dich jeden Tag auf Händen durch den Park tragen zu lassen, oder?«

Sofort kam mir der Pirat wieder in den Sinn, und ich musste lächeln. Er war mir so nah gewesen, sein Blick so warm und weich und jedes Wort, das er in seiner Rolle ausgesprochen hatte, so inbrünstig und leidenschaftlich. Ich wünschte, jeder würde seinen Job so angehen. »Ja, das wäre nicht das Schlechteste.«

Sie grinste. »Er macht es sicher nochmal, wenn du ihn fragst. Geht schließlich um seinen Ruf.« Sie zuckte die Achseln. »Was erwartet man sonst von Rodrigo Sturmherz persönlich?«

Ich schnaubte. »Mach dich nicht lächerlich.« Ich nippte an meiner Schorle. »Ich glaube nicht, dass alle seine Darsteller so sind.«

Irritiert ließ Franzi ihr Handy sinken. »Alle seine Darsteller? Das war der Rodrigo Sturmherz!«

Verdattert blinzelte ich. Sie sprach von ihm wie von einem Fußballspieler und nicht wie von einer einfachen Rolle in einem Freizeitpark. Zugegeben, zumindest war er der Hauptdarsteller. »Du meinst, es war ein Rodrigo Sturmherz?«

Mit verschränkten Armen lehnte sich Franzi zurück. »Es gibt nur einen Rodrigo Sturmherz.«

Ein Zucken ging durch mein Augenlid. »Hast du jetzt einen spontanen Fan-Anfall oder …?«

»Nein, Mann!«, entgegnete sie und legte ihr Handy auf den Tisch. »Es gibt nur einen Rodrigo Sturmherz! Sie haben nur einen einzigen Kerl für diese Rolle.«

Meine Gesichtszüge entgleisten. »Was?« Heftig schüttelte ich den Kopf. »Aber alle anderen gibt es doch auch doppelt und dreifach.« Natürlich gab es die. Sie könnten unmöglich nur mit einem einzigen Exemplar auskommen, oder? Dann würden die meisten Besucher die Crew ja nie zu Gesicht bekommen.

»Ihn nicht.« Franzi blickte mich an, als wäre sie wirklich fest von dem überzeugt, was sie sagte. »Er ist ihr Vorzeige-Schauspieler. Ihr Superstar. Und um das zu honorieren, gibt es ihn nur einmal.« Schließlich nahm sie doch noch ihr Handy an sich und begann etwas hektischer darauf zu tippen. Dann hielt sie es mir hin. »Er ist die wandelnde Sehenswürdigkeit im Park!«

»Das verstehe ich nicht«, murmelte ich, während ich es an mich nahm. »Was machen sie denn, wenn er mal krank ist oder Urlaub hat?«

»Was weiß ich? Der Laden gehört deinem Dad, nicht meinem.« Belustigt schüttelte sie den Kopf. »Meine Güte, du hast echt keine Ahnung von 7Seas, oder?«

Mein Blick heftete sich an den Handybildschirm, und ich konnte kaum ausdrücken, wie recht sie damit hatte.