Crimson Hunger - Mia Kingsley - E-Book

Crimson Hunger E-Book

Mia Kingsley

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Beschreibung

Es ist falsch. Es ist grenzwertig. Es ist verboten. Trotzdem sage ich nicht ein Wort, um ihn zu stoppen. Das ist offiziell die schlimmste Woche meines Lebens! Nachdem mein Freund mich abserviert hat, verliere ich meinen Job – was meinem Boss natürlich erst einfällt, als ich mit einem klapprigen Mietwagen bereits 400 Meilen bis zu einer Tagung gefahren bin, die gar nicht stattfindet. Zu allem Überfluss stiehlt mir auf dem Rückweg jemand das Auto. Der einzige Lichtblick ist der Gentleman, der mir anbietet, mich zur Polizeistation zu fahren, weil die Polizei nicht auftaucht. Unter anderen Voraussetzungen wäre ich niemals darauf hereingefallen – auf diesen attraktiven Entführer, der mich nicht zur Polizeistation bringt, sondern in ein stillgelegtes Sanatorium. Vermutlich sollte ich etwas sagen, um ihn aufzuhalten. Aber meine Lippen sind versiegelt. Wie weit wird er gehen? Dark Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen. Vorwort beachten!

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Seitenzahl: 271

Veröffentlichungsjahr: 2019

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CRIMSON HUNGER

MIA KINGSLEY

A VERY DARK ROMANCE

Copyright: Mia Kingsley, 2017, Deutschland.

Coverfoto: © Andrey Kiselev - Fotolia.com

Korrektorat: http://sks-heinen.de

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.

Black Umbrella Publishing

www.blackumbrellapublishing.com

INHALT

Crimson Hunger

Vorwort

Vorspiel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Nachspiel

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Über Mia Kingsley

CRIMSON HUNGER

Es ist falsch. Es ist grenzwertig. Es ist verboten.

Trotzdem sage ich nicht ein Wort, um ihn zu stoppen.

Das ist offiziell die schlimmste Woche meines Lebens!

Nachdem mein Freund mich abserviert hat, verliere ich meinen Job – was meinem Boss natürlich erst einfällt, als ich mit einem klapprigen Mietwagen bereits 400 Meilen bis zu einer Tagung gefahren bin, die gar nicht stattfindet. Zu allem Überfluss stiehlt mir auf dem Rückweg jemand das Auto.

Der einzige Lichtblick ist der Gentleman, der mir anbietet, mich zur Polizeistation zu fahren, weil die Polizei nicht auftaucht. Unter anderen Voraussetzungen wäre ich niemals darauf hereingefallen – auf diesen attraktiven Entführer, der mich nicht zur Polizeistation bringt, sondern in ein stillgelegtes Sanatorium.

Vermutlich sollte ich etwas sagen, um ihn aufzuhalten. Aber meine Lippen sind versiegelt.

Wie weit wird er gehen?

Dark Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.

VORWORT

»Crimson Hunger« hätte ein romantischer Liebesroman mit fluffigen Szenen und zuckersüßem Kitsch werden können. Aber dann hätte ihn wohl eine andere Autorin schreiben müssen.

Stattdessen bewohnt mein Protagonist Isaac ein stillgelegtes Sanatorium und kann es kaum erwarten, die nächste hübsche Frau in seinen Käfig zu sperren.

Vielleicht wird Blut fließen. Vielleicht gibt es nicht einvernehmlichen Sex. Vielleicht sind die Figuren ein bisschen psycho.

Aber möglicherweise ist es auch nur eine etwas andere Liebesgeschichte und möglicherweise möchte die Protagonistin June gar nicht, dass Isaac aufhört …

Viel Spaß wünscht

Deine Mia

VORSPIEL

Das Wimmern erstarb in meiner Kehle, als ich den Rücken gegen die Wand drängte, um mich daran hochzuschieben. Meine Knie zitterten zu sehr, ich konnte mich nicht aufrichten.

Die Tür öffnete sich, der Lichtschein aus dem Flur fiel auf mich, doch ich wagte es nicht, den Blick zu heben. Stattdessen drückte ich unwillkürlich die Beine zusammen. Mein verdammter Körper verriet mich erneut. Statt Abscheu zu fühlen, konnte ich nur an das Pochen zwischen meinen Schenkeln denken. Wie viel Widerstand würden ihm meine zusammengepressten Beine bieten? Denn sie waren das Einzige, das zwischen ihm und dem stand, was er ohnehin als seins erachtete.

Oder plante er heute etwas anderes? Perverser? Perfider? Abartiger? Lustvoller?

Er kam herein, der feine Stoff seiner Hose raschelte, als er sich bewegte. Die Tür fiel mit einem endgültigen Geräusch ins Schloss und wir waren allein.

»Und? Hast du deine Lektion gelernt?«

Ich hielt meine Lippen geschlossen. Inzwischen hatte ich gelernt, dass ich keine richtige Antwort geben konnte und er immer einen Grund fand, mich zu bestrafen. Außerdem bot es mir eine seltsame Genugtuung, zu wissen, dass er es hasste, wenn ich ihn mit Schweigen strafte. Den Teil in mir, der sich bereits jetzt nach ihm sehnte und genau wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er die Beherrschung verlor, ignorierte ich lieber.

Er hockte sich hin, berührte mein Knie. Es fühlte sich wie ein elektrischer Schlag an, der durch meinen gesamten Körper kribbelte.

»Du wirst mit mir sprechen, Pet.« Sein leises Lachen verhöhnte mich. »Aber dieses Mal wirst du wohl nicht nach mir schlagen.«

Ich bäumte mich auf. Nein. Nach ihm schlagen konnte ich nicht. Das hatte er sichergestellt, als er mich in diese verdammte Zwangsjacke gesteckt hatte.

Seine Finger glitten höher und ich ertappte mich dabei, wie ich die Beine öffnete.

Fuck.

KAPITEL1

ISAAC

Ich sah zu, wie die Messerklinge unter die Haut glitt, bevor ich sie drehte und ruckartig nach oben zog. Da ich damit beschäftigt war, zu bewundern, wie das Licht sich in dem polierten Stahl brach, traten die Schreie in den Hintergrund.

Der Moment hätte perfekt sein können.

Wenn Sean McTyre seine Klappe gehalten hätte.

Ich presste die Lippen zusammen und richtete mich auf. Blut tropfte vom Messer, sammelte sich in einer kleinen Pfütze auf dem nackten Betonboden der einsamen Lagerhalle.

»Also?«, fragte er hinter mir.

Nicht zum ersten Mal spielte ich mit dem Gedanken, ihm einfach die Zunge rauszuschneiden. Ich konnte gar nicht zählen, wie oft ich ihm erklärt hatte, dass er mich in Ruhe arbeiten lassen sollte, wenn er verdammte Informationen brauchte. Wie ich an die Infos kam, konnte ihm schließlich scheißegal sein.

Aber nein. Bei jeder Gelegenheit störte er meine Konzentration.

Ich drehte mich um und fixierte seinen Boss Cory Marshall. Nachdem ich einen Moment der Stille abgewartet hatte, sagte ich: »Es stört schon wieder.«

Sofort wurde Seans Gesicht feuerrot. »Hör zu, du Wichser, nur weil du auf diese ganze perverse Scheiße stehst, musst du dir nicht einbilden, so mit mir reden zu können.«

Die Knochen in meiner Hand knackten, als ich eine Faust ballte. Ich wartete darauf, dass Cory seinen Idioten zurückpfiff, bevor ich mich vergaß.

»Wenn er sich nicht entschuldigt, mache ich nicht weiter. Bei der momentanen Rate würde ich schätzen, dass ein Zeitfenster von sieben bis acht Minuten bleibt, bevor eure Informationsquelle verblutet ist.«

Cory rieb sich übers Kinn und betrachtete den drittklassigen Drogendealer, der gefesselt auf einem Stuhl in der Mitte der Halle saß. Der Typ war bereits ziemlich blass, allerdings noch weitestgehend intakt. Die Betonung lag auf »noch«, denn meine Laune raste rapide in den Keller.

Vermutlich war meine Laune hauptsächlich so schlecht, da es der letzte Job war, der mich von meinem wohlverdienten Urlaub trennte. Dass ich dabei ausgerechnet Sean begegnen musste, war lediglich das Tüpfelchen auf dem i.

Es war nicht das Klügste gewesen, mich an den Urlaub zu erinnern, denn sofort wurde meine Sehnsucht stärker.

Die meiste Zeit hatte ich meine Dämonen gut im Griff und schaffte es, meine Bedürfnisse ersatzweise zu befriedigen. Aber manchmal brauchte ich einfach die volle Dosis.

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Sechs Stunden. Die würde ich wohl durchhalten. Ohne Sean auszuweiden, hoffte ich.

Meine Unruhe war beinahe auf dem Höhepunkt und bis ich den erlösenden Anruf erhielt, würde ich mich nicht beruhigen können. Bis dahin würde ich mit der Vorfreude warten. Es musste alles glatt gehen, damit ich mich entspannen konnte.

Cory spitzte die Lippen, was ihm ein sehr feminines Aussehen verlieh. »Bisher blutet er doch gar nicht so stark. Warum vertragt ihr Jungs euch nicht einfach wieder?«

Ich hasste es, wenn der Boss sich nicht auf meine Seite stellte. Glücklicherweise war er nicht wirklich mein Boss.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nahm ich die Hippe vom Tisch und ging zu dem Gefesselten. Die kurze Sichelklinge bot sich einfach an, um die Oberschenkel von der Leiste bis zum Knie aufzuschlitzen.

Ich legte das Messer weg und stellte den Timer an meiner Uhr. »Machen wir vier Minuten draus. Ich warte.«

Sean starrte mich entgeistert an, bevor er sich zu seinem Boss wandte. »Das ist nicht sein Ernst, oder?«

Cory musterte den Dealer, der bewusstlos zusammengesackt war. Im Gegensatz zu Sean war er mit meinen Fähigkeiten vertraut. »Entschuldige dich.«

»Was?« Sean schien seine eigene Muttersprache plötzlich nicht mehr zu verstehen.

»Entschuldige dich, McTyre. Jetzt sofort«, knurrte Cory.

Das Blut schoss aus den langen, tiefen Wunden und ich konnte mir nicht verkneifen, meinen Teil beizusteuern. »Tick, tack. Tick, tack.«

»Fahr zur Hölle«, schrie Sean und verteilte dabei ein wenig Speichel im Raum.

Ich zuckte mit den Achseln, nahm einen Lappen und wischte meine Hände ab. »Mir soll es ja egal sein, denn ich werde immer im Voraus bezahlt. Außerdem habe ich jetzt Urlaub.« Dazu grinste ich Sean an. Dass ich meine Mundwinkel dabei absurd hochzog, machte es nicht gerade zu einem schönen Anblick.

»Ich werde es nicht noch einmal sagen«, presste der Boss zwischen den Zähnen hervor.

»Dieser verdammte Wichser kann ewig darauf warten, dass ich mich entschuldige. Seine Mutter hat nicht so hohe Ansprüche.« Sean verschränkte die Arme.

Fast hätte ich gelächelt, weil er mir einen Freifahrtschein ausgestellt hatte, aber ich war zu routiniert, um meine wahren Gefühle zu zeigen.

Stattdessen bewegte ich mich so schnell, dass der Idiot erst mitbekam, was passierte, als er mit dem Rücken bereits gegen die Wand prallte. Er war etwas kleiner als ich, sodass es für mich kein Problem war, meinen Unterarm auf seine Kehle zu legen und ihn hochzudrücken. Während ich ihm die Luftzufuhr abschnitt, scharrte er mit den Zehenspitzen über den Boden, auf der verzweifelten Suche nach Halt.

»An deiner Stelle würde ich mich ruhig verhalten«, erklärte ich ihm und ließ das Stilett aus meinem Ärmel gleiten. Mit der Spitze der Klinge drückte ich das untere Lid weg, bis das Metall beinahe seinen Augapfel berührte.

Seans Gesicht wurde krebsrot, doch er gehorchte und hörte auf, zu strampeln.

»Folgendes wird geschehen: Du entschuldigst dich bei mir, bevor du dich aus der Halle verpisst und draußen wartest wie das brave Hündchen, das du bist. Und wenn wir uns das nächste Mal begegnen, hältst du dein verbleibendes Auge besser auf den Boden gerichtet, sonst schneide ich es dir auch noch raus.«

Seans Mund öffnete sich, sein Körper wurde schlaff. Er suchte in meinem Gesicht nach Anzeichen dafür, dass ich scherzte. Schon allein der zunehmende Druck auf sein Auge überzeugte ihn vom Gegenteil.

»Isaac«, sagte Cory hinter mir. »Es tut mir leid, wie idiotisch Sean sich benimmt, aber ich brauche ihn.«

Ich wartete ab, ob noch etwas kam, als Sean wimmerte.

Sein Boss seufzte. »Mit beiden Augen. Bitte.«

Die Messerspitze wanderte ein Stück weiter nach unten und bohrte sich stattdessen in Seans speckige Wange. Seine Augen wirkten verdächtig wässrig.

Ich schnalzte mit der Zunge und trat einen Schritt zurück. »Hoffentlich war es das letzte Mal, dass wir diese Unterhaltung geführt haben.«

Sean landete auf den Knien, hustete und tastete dabei nach seiner Kehle.

Als ich mich wieder umdrehte, nickte Cory. Er leckte sich über die Unterlippe. »Davon gehe ich aus. Würdest du dich jetzt freundlicherweise um die Informationsbeschaffung kümmern? Dafür bist du immerhin hier.«

Der Timer meiner Uhr piepte. Wie auf Befehl schauten Cory und Sean gleichzeitig zu dem Drogendealer, der gerade seine letzten Atemzüge tätigte.

»Verdammte Scheiße! Und jetzt?« Cory warf beide Arme in die Luft. Er wandte sich zu mir und wirkte deutlich angepisst. »Das war nicht der Deal, Isaac.«

Weil ich wusste, dass es ihn in den Wahnsinn treiben würde, legte ich den Kopf schräg und musterte ihn, als würde ich seinen Ausbruch nicht richtig deuten können. Aus einem mir nicht erklärlichen Grund dachten er und seine Leute nämlich, ich wäre irgendwo auf dem Autismus-Spektrum angesiedelt. Vermutlich, da ich meistens erst einmal schwieg und abwartete, statt sinnlos drauflos zu quatschen. Mir war das nur recht.

»Er ist tot und ich kann mir die Infos abschminken«, erklärte Cory mir. Dabei sprach er übertrieben langsam und deutlich. Offensichtlich war ich nicht nur emotional eingeschränkt, sondern auch geistig. Gut zu wissen.

»Ich weiß, wie ich meinen Job zu erledigen habe.« Mit diesen Worten fasste ich in meine Jacketttasche und holte den Zettel hervor, auf dem ich mir Notizen zu allem gemacht hatte, was der Drogendealer bereit gewesen war, auszuspucken.

Das hatte ich selbstverständlich zuerst erledigt, bevor ich mir den Spaß gegönnt hatte, ein bisschen an ihm herumzuschneiden. Ich hatte mir nur die Zeit vor dem Feierabend versüßen wollen. Als Sean mich beleidigt und ich die Drohung ausgesprochen hatte, waren mir bereits alle nötigen Fakten bekannt gewesen.

Ich reichte Cory den Zettel und wartete darauf, dass die Erkenntnis über Sean hereinbrach. Noch arbeitete es hinter seiner Stirn.

»Hier sind die Informationen. Ihr wart zu sehr damit beschäftigt, euch über den Arsch einer gewissen Mindy auszutauschen. Deshalb wird euch der Teil wohl entgangen sein.«

»Du hast sie die ganze Zeit gehabt.«

»Natürlich. Ich bin ein Profi. Ein Profi, der jetzt übrigens Urlaub hat.«

Cory atmete tief durch, steckte den Zettel ein und holte dafür die Dose mit Magentabletten raus. Nachdem er zwei der giftgrünen Pillen eingeworfen hatte, massierte er seinen Nasenrücken. »Ja, ja. Du und dein Urlaub. Wir haben es verstanden. Was machst du eigentlich?«

Ich starrte ihn nur stumm an, da ich nicht das geringste Interesse hatte, darüber zu reden.

»Man wird ja fragen dürfen. Immerhin bist du sonst Tag und Nacht erreichbar. So erreichbar, dass ich manchmal daran zweifle, ob du überhaupt schläfst. Aber in den zwei Wochen bist du wie vom Erdboden verschluckt. Zumindest bei mir weckt das Neugier.«

Sean hatte sich leider wieder erholt und war aufgestanden. »Wahrscheinlich schließt er sich irgendwo ein und mutiert zum Kannibalen«, sagte er, während er seine Knie abklopfte.

»Wärst du nicht so fett, wäre ich versucht, dich für dieses Jahr auf die Speisekarte zu schreiben.«

Ruckartig hob er den Kopf und sah mich an, woraufhin ich mir über die Zähne leckte. Natürlich mit offenem Mund, damit es extra scheußlich wirkte.

Sean starrte mich an. »Du bist wirklich krank.«

Ich lächelte. »Ja. Die Frage ist nur, wann du das endlich in dein Spatzenhirn bekommst und nicht mehr denkst, du könntest dich mit mir anlegen.«

Er machte einen Schritt auf mich zu und ich hob den Arm, um ihm zu signalisieren, dass er bloß näher kommen musste, wenn er eine weitere Lektion brauchte.

In diesem Moment klingelte mein Handy. Die Männer starrten mich an, denn das war bisher nie vorgekommen. Ich stellte das Ding grundsätzlich auf lautlos. Heute bildete die einzige Ausnahme.

Mein Puls stieg an, ich holte tief Luft und spürte, wie meine Nasenflügel sich blähten. Da war sie. Die Vorfreude.

Ohne Sean weiter zu beachten, nahm ich den Anruf entgegen.

»Mister Henderson, hier ist Kaelyn Thompson. Ich wollte Ihnen Bescheid geben, dass alles zu Ihrer Zufriedenheit arrangiert ist. Die Vereinbarung startet um Punkt achtzehn Uhr im Roadstop Pub, die Dame weiß Bescheid und wurde über das Safeword informiert. Sie haben unsere Nummer für dringende Notfälle. Viel Vergnügen.«

»Danke«, sagte ich und legte auf.

Egal, was Cory und Sean dachten, ich hatte Urlaubspläne – und die beinhalteten keinen Kannibalismus.

Wobei ich durchaus hungrig war.

Ich würde meine Sachen zusammenräumen, mich ins Auto setzen und London bald schon nur noch im Rückspiegel sehen. In Gedanken war ich bereits auf dem Weg in die verschlafene Küstenstadt Mablethorpe. Wobei ich nicht direkt in die Stadt wollte, sondern mich außerhalb aufhalten würde. Monatelang hatte ich alles Nötige dafür organisiert und geplant. Die nächsten zwei Wochen würden etwas ganz Besonderes werden.

Selbst Sean konnte mir jetzt nicht mehr die Laune verderben.

»Ich bin dann weg. Ruft mich nicht an und versucht nicht, mich ausfindig zu machen.«

»Und wenn wir dich brauchen?«, wollte Cory wissen.

»Ihr habt Renoirs Nummer. Ruft ihn an. Er ist fast genauso gut wie ich.«

Sean schob die Hände in die Hosentaschen. »Wir arbeiten nicht gern mit Fremden zusammen.«

»Du wirst es überleben. Vielleicht gefällt es dir sogar. Renoir ist viel umgänglicher als ich. Abgesehen davon bin ich auch ein Fremder und du solltest dankbar dafür sein.«

Ich warf ihm einen letzten Blick zu und obwohl Sean versuchte, seine Regung zu verbergen, sah ich genau, wie er erschauerte.

KAPITEL2

JUNE

Ich würgte den Wagen ab, als die Ampel grün wurde, und prompt startete der Fahrer hinter mir das reinste Hupkonzert. Über meine Schulter zeigte ich ihm den Mittelfinger und versuchte, mich an die Sache mit der Kupplung zu erinnern.

Es war bestimmt vier Jahre her, dass ich überhaupt das letzte Mal gefahren war und das war der Automatikwagen meiner Mutter gewesen.

Endlich rollte der Ford über die Kreuzung, was den Kerl an meiner Stoßstange nicht hinderte, zusätzlich die Lichthupe zu betätigen, um mir zu zeigen, wie eilig genau er es hatte.

Du mich auch, Arschloch, dachte ich und umklammerte das Lenkrad fester. Ich hatte sicher nicht darum gebeten, an einem verdammten Freitagnachmittag über die Landstraße zu kriechen, damit ich anstelle meines Chefs an einer Tagung des Komitees für Architektur und Denkmalpflege teilnehmen konnte.

Ich hatte nicht darum gebeten, das älteste Mietfahrzeug der Welt mit Schaltung zugewiesen zu bekommen, nachdem ich auf einen Automatikwagen bestanden hatte. Außerdem war im Zug kein Sitz für mich reserviert gewesen, wie mein Boss es mir versprochen hatte, nachdem er mich mehr oder weniger genötigt hatte, für ihn in die Einöde zu fahren.

Wenigstens hatte ich meine Emotionen im Griff gehabt, bis ich in dem Wagen saß und vom Hof der Vermietung gefahren war – nachdem ich selbstverständlich den Motor diverse Male abgewürgt hatte. Der Typ vom Empfang war herausgeeilt gekommen und hatte mir ganz langsam erklärt, wie man Auto fuhr. Als wäre ich beschränkt und nicht bloß aus der Übung.

Ich trat das Gaspedal weiter durch und schaltete die Scheibenwischer auf die höchste Stufe. Der finstere Himmel hatte schon vor Stunden Regen angekündigt und jetzt fielen die Tropfen vom Himmel, dass ich mir lieber eine Arche hätte mieten sollen.

Wenigstens waren es nur noch wenige Meilen bis Grimsby. Wäre meine Laune besser gewesen, hätte ich vermutlich die umliegenden Dörfer und die Küstenlandschaft bewundert, doch ich wurde durch mein Geflenne und das penetrante Quietschen der Scheibenwischer abgelenkt.

Mablethorpe, Manby, Saltfleet, North Thoresby und Humberston hatte ich bereits passiert. Die Städte klangen schon auf den Schildern einschläfernd und ruhig.

Vermutlich sollte ich mich freuen, nach dem Desaster von letzter Nacht aus der Stadt raus zu sein, aber mein Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken, den Vortrag von Professor Donington zu halten. Ich war seine Sekretärin und keine Architektin. Abgesehen davon, dass ich den Text würde ablesen müssen, war ich nicht in der Lage, Fragen zu beantworten, weil ich keine Ahnung von dem Thema hatte.

Obwohl ich die Zähne aufeinanderbiss, begannen die Tränen über meine Wangen zu laufen. Dabei hatte ich mir vorgenommen, Evan nicht hinterherzuheulen.

Ich blinzelte, damit ich wenigstens etwas von der Straße erkannte. Die dunklen Wolken brauten sich am Himmel zusammen, als wären sie entschlossen, auch das letzte Tageslicht zu vertreiben. Eine Traumsituation. Es war windig und ich kannte weder die Gegend noch war ich eine geübte Fahrerin.

»Fuck!«, schrie ich laut ins Auto. »Fuck! Fuck! Fuck!«

Tatsächlich fühlte ich mich danach für einige Sekunden besser. Zumindest so lange, bis ich Evans Stimme wieder in meinem Kopf hörte. Wie er mich angesehen hatte, als er die Hand nach dem Halsband ausgestreckt und es zurückverlangt hatte.

Zwar waren wir nur ein knappes halbes Jahr zusammen gewesen, schmerzhaft war es trotzdem.

Safe, sane, consensual. Dass ich nicht lachte. Der Arsch hatte mich abserviert, weil ich mein Safeword gesagt hatte. Obwohl ich selbst dabei gewesen war, konnte ich es nicht glauben. In den Romanzen, die ich in meiner Freizeit schrieb, wenn ich nicht für Professor Donington Aufgaben erledigte, die nicht in meiner Jobbeschreibung standen, passierten solche Sachen nicht.

Da musste die Frau nicht panisch ihr Safeword benutzen, da ihr Liebhaber im Begriff war, ihr viel zu große Dinge ohne Vorbereitung in verschiedene Körperöffnungen zu rammen.

Ich schüttelte den Kopf und atmete laut aus. Meine Schultern sanken, dabei spürte ich, wie verspannt mein Nacken war. Spätestens wenn ich heute Abend auf der – bei meinem momentanen Glück – vermutlich durchgelegenen Matratze im Hotel lag, würde ich eine Migränetablette brauchen. Glücklicherweise hatte ich welche in meine Reisetasche gepackt, die bei jeder Kurve auf dem Beifahrersitz herumrutschte. Der Kofferraum hatte so dreckig ausgesehen, dass ich es nicht übers Herz gebracht hatte, meine Tasche dort reinzulegen.

Wenn das Schreiben bloß genug abwerfen würde, dachte ich mir. Dann müsste ich nicht mehr für Donington arbeiten und könnte jetzt Eiscreme essen. Stattdessen hatte ich mich in einen Pencilskirt, eine Bluse und einen Blazer pressen müssen.

Ich passierte das Ortseingangsschild von Grimsby und war froh, wenigstens den Weg unfallfrei hinter mich gebracht zu haben.

Das Hotel lag auf einem Hügel am Ende der Straße, auf der ich gerade fuhr und die anscheinend die einzige Straße in diesem Kaff war. Allerdings sah es nicht aus, als wären viele Gäste erschienen.

Um ehrlich zu sein, wirkte es nicht, als wäre überhaupt jemand da.

Unter dem Vordach des Hotels stand ein einsamer Page mit einem transparenten Regenmantel unter einem Regenschirm und trat von einem Fuß auf den anderen. Ich ließ den Wagen an ihn heranrollen und kurbelte das Fenster herunter. Es quietschte sogar mehr als die Scheibenwischer.

»Professor Donington?«, fragte der Page.

»Seine Vertretung«, erklärte ich.

»Die Tagung wurde abgesagt. Wir hatten gestern die E-Mails rausgeschickt.«

Für eine Sekunde fürchtete ich, mein Kopf würde explodieren. Ich war den ganzen Weg umsonst gefahren und jetzt gab es weder eine Tagung noch ein Zimmer für mich? Es war bereits früher Abend.

»Davon hat mein Boss mir nichts gesagt.«

»Bitte entschuldigen Sie die Umstände, Miss.«

Obwohl mir danach war, zu schreien, schluckte ich meinen Ärger hinunter. »Kein Problem. Es ist ja nicht Ihre Schuld. Schönen Abend noch.«

Ich kurbelte das Fenster hoch, wendete den Wagen und fuhr erst einmal auf den Parkplatz. Dann holte ich mein Handy raus und wählte Doningtons Nummer.

»Ja?«, meldete er sich und klang dabei so ungehalten wie immer.

»Professor Donington, hier ist June. Die Tagung fällt aus.«

Ich hörte durch die Leitung, wie er sich am Kopf kratzte, bevor er fragte: »Welche Tagung?«

»Die Tagung des Komitees für Architektur und Denkmalpflege in Grimsby, Sir«, sagte ich.

»Ja, natürlich findet sie nicht statt. Das wusste ich doch gestern schon.«

»Sie haben mir aber nichts von der E-Mail gesagt und deshalb bin ich heute Morgen, wie Sie es mir aufgetragen haben, nach Grimsby gefahren und stehe jetzt vor verschlossenen Türen.«

»Tja, das ist bedauerlich. Ich muss Ihnen ohnehin etwas sagen, June.«

»Was denn?«

Ich rechnete mit allem. Wahrscheinlich wollte er jetzt, dass ich ans andere Ende des Landes fuhr, um bei einer anderen Tagung seinen Platz einzunehmen. Nur mit Mühe hinderte ich mich daran, mit den Zähnen zu knirschen.

»Die Uni hat meine Mittel gekürzt. Erheblich gekürzt.«

»Das tut mir leid«, erwiderte ich, da ich annahm, dass er das hören wollte.

»Sie sind gefeuert, June.«

»Was?«

»Es geht nicht anders. Machen Sie es gut. Ach ja, es wäre schön, wenn Sie Ihren Schreibtisch gleich Montagmorgen räumen könnten, ich habe schon eine Praktikantenstelle ausgeschrieben.«

Er legte auf. Dieses unsensible Arschloch legte einfach auf.

Ich lehnte die Stirn aufs Lenkrad und hieß die neuen Tränen willkommen, die unter meinen Lidern hervorquollen. Der Tag war eine Katastrophe.

Der Typ, den ich nicht wirklich liebte, servierte mich ab, und ich hatte den Job verloren, den ich hasste.

Der einzige Grund, warum ich nicht direkt in Panik verfiel, war die Tatsache, dass ich durch das Schreiben ein bisschen was gespart hatte und ein paar Wochen würde überbrücken können.

Großer Gott. Ich schniefte.

Jetzt musste ich während der Sintflut wieder nach Hause fahren. Oder in einem Hotel übernachten, denn ich wagte zu bezweifeln, dass die Autovermietung noch geöffnet war, wenn ich dort ankam, und selbst wenn, würde kein Zug mehr fahren. Fantastisch.

Ich drehte den Zündschlüssel und lenkte den Wagen vom Parkplatz. Solange ich noch nicht genau wusste, was ich machen sollte, würde ich fahren.

Um mich abzulenken, schaltete ich das Radio ein. »Frozen Tears« von Icon ertönte aus den Boxen, die genauso bescheiden waren wie alles andere an dem Auto.

Keine Ahnung, wie lange ich einfach fuhr und darüber nachdachte, ob das vielleicht ein Zeichen vom Universum war, endlich alles auf eine Karte zu setzen und es mit dem Schreiben ernsthaft zu versuchen, aber als ich aus meiner Trance erwachte, passierte ich bereits die Stadtgrenzen von Mablethorpe.

Mein Magen meldete sich mit einem Grollen und ich beschloss spontan, am Roadstop Pub zu halten. Ich hatte es bereits auf der Hinfahrt gesehen. Es wirkte wie ein charmantes Restaurant aus den Fünfzigern. Zumindest wenn man darüber hinwegsah, dass das halbe Neonschild an der Häuserfront defekt war. Ich würde auch im Rdstp Pb essen, wenn es sein musste.

Ich parkte so nah wie möglich am Eingang, damit ich nicht zu nass wurde, und stieg aus. Vollkommen nutzlos hielt ich mir die Handtasche über den Kopf, dabei hatte ich nicht einmal eine Frisur, die einer Rettung bedürftig gewesen wäre.

Es waren nur eine andere Frau, die Kellnerin und der Koch anwesend. Sie sahen alle auf, als ich hereinkam, weshalb ich mich beobachtet fühlte, während ich zu einer der leeren Nischen ging und mich auf das rote Polster sinken ließ.

Die Kellnerin pflasterte sich ein breites Lächeln auf die Lippen. Sie kam zu mir und zückte ihren Block. »Hallo Sweetheart, was darf es sein?«

»Was empfehlen Sie?«

»Den Cheeseburger mit Fritten und Milchshake.« Ihr Lächeln enthüllte pinkfarbenen Lippenstift auf ihren Zähnen, der merkwürdigerweise nicht auf ihren Lippen war.

»Klingt gut. Gibt es Schokoladenmilchshake und kann ich eine große Pommes dazu haben?«

»Ja zu beidem, Sweetheart.«

»Wunderbar. Danke.«

Sie zwinkerte mir zu und wackelte zurück zum Tresen. Der Koch war in der Küche verschwunden, vermutlich hatte er das Gespräch mitbekommen. Der Pub war von innen nämlich sehr viel kleiner, als die Fassade hatte vermuten lassen.

Die andere Frau hatte eine Cola vor sich stehen und spielte mit dem Strohhalm.

Als ich ihr Getränk sah, wurde mir schlagartig klar, wie dringend ich pinkeln musste. Ich stand auf und strebte auf die Waschräume zu.

Nachdem ich mich erleichtert hatte, stand ich vor dem Spiegel und starrte mich an. Ich wirkte, als wäre ich an diesem Tag abserviert worden und in einen Regenschauer geraten. Mit den Fingern fuhr ich durch meine Haare. Doch es war nichts mehr zu retten.

Bevor ich wusste, wie mir geschah, quollen neue Tränen aus meinen Augen. Ich schniefte.

Die Tür flog auf und mit einem gehetzten Ausdruck im Gesicht kam die andere Frau herein. »Ich kann das nicht«, sagte sie.

Sie schien mehr mit sich selbst geredet zu haben, denn ihr Mund öffnete sich, als sie mich bemerkte. »Entschuldigung.« Mit schräg gelegtem Kopf musterte sie mich. »Harter Tag?«

»Harte Woche.« Ich schluckte.

»Armes Ding.« Sie tätschelte meine Schulter und schien dann eine Idee zu haben. Ihre Tasche stellte sie neben meine und begann, darin herumzuwühlen. »Hier, eine kleine Aufmunterung.« Sie strahlte mich an und reichte mir einen noch versiegelten Lippenstift.

»09 Crimson« stand auf dem Boden und ich rang mir ein Lächeln ab. Ich fand roten Lippenstift grundsätzlich schön, doch an mir selbst erschien er mir immer nuttig. Deshalb trug ich nie welchen. Trotzdem fand ich die Geste sehr nett.

Leider lagen meine Nerven so blank, dass ich nichts davon formulieren konnte, sondern wie ein Schlosshund heulte.

»Ach Süße, alles wird gut«, sagte sie und streckte erneut die Hand aus, um mich zu tätscheln. Dabei warf sie unsere Handtaschen vom Waschtisch.

»Ich bin ein solcher Trampel. Sorry!«

»Kein Problem«, schluchzte ich, während ich auf den Knien herumrutschte, um meine Habseligkeiten einzusammeln.

»Hast du alles?«, wollte sie wissen.

»Ja.«

»Okay. Ich muss los. Halt die Ohren steif.«

Ich nickte artig und fand es seltsam tröstlich, ein paar nette Worte zu hören.

Nachdem sie verschwunden war, hielt ich ein paar der Papierhandtücher unters Wasser und wischte mein Gesicht ab. Es half zwar nicht gegen meine gerötete Nase, aber wenigstens der verschmierte Mascara ließ sich beseitigen.

Aus einer Laune heraus öffnete ich den Lippenstift. Vielleicht war es Zeit für eine Veränderung. Oder vielleicht wollte ich einfach nur ein paar Sekunden an etwas anderes als meinen katastrophalen Tag denken. Ich malte meine Lippen mit dem Purpurrot nach und verließ den Waschraum.

Als ich mich wieder an meinen Tisch setzte, sah ich durch die große Fensterfront, wie die nette Frau die Autotür hinter sich zuzog und den Motor startete. Die Scheinwerfer flammten auf.

Erst als sie wendete, blieb mir schlagartig das Herz stehen. Ich sprang auf und rannte zur Tür.

»Nein!«, brüllte ich und ballte die Fäuste. Die Frau, die mich im Waschraum getröstet hatte, fuhr mit meinem Mietwagen davon.

Sie musste den Schlüssel an sich genommen haben, als wir den Inhalt unserer Taschen aufgesammelt hatten.

»Was ist los, Sweetheart?« Die Kellnerin war aufgetaucht und packte meinen Arm, um mich in den Pub zu ziehen. Draußen regnete es heftig, Blitze zuckten über den Himmel.

»Sie hat mein Auto gestohlen!«

Die Kellnerin kniff die Augen zusammen, doch die Rücklichter waren kaum noch zu erkennen. »Ach herrje. Ich rufe Angus an.«

»Angus?«

»Unseren Dorfpolizisten. Es wird ein bisschen dauern, bis er hier ist. Iss erst einmal was, bevor du mir vom Fleisch fällst.«

Fast hätte ich gelacht, denn wir bemerkten wohl beide, wie der Rock über meinen Hüften spannte.

Ich ging zurück zum Tisch und fühlte mich endgültig wie ein Zombie. Irgendwann tauchte das Essen vor mir auf. Ich hätte nicht einmal sagen können, wie es wohl schmeckte, aber ich vertilgte alles bis auf den letzten Rest.

Bevor ich protestieren konnte, schob die Kellnerin einen Teller mit einem Stück Schokoladentorte unter meine Nase. »Bitte schön, aufs Haus. Es wird ein bisschen dauern, bis Angus kommt. Er hat im Nachbarort zu tun.«

Großartig, dachte ich und rang mir trotzdem ein Lächeln ab.

Ich pickte im Kuchen herum, als die Tür aufging. Sofort sah ich hin, doch irgendwie wusste ich instinktiv, dass es nicht der Dorfpolizist war. Angus war bestimmt nicht nur etwas älter als ich und würde sicherlich keinen maßgeschneiderten Anzug tragen.

Der Mann blieb stehen und ließ seinen Blick durch den Pub schweifen, bis er an mir hängen blieb. Zuerst fragte ich mich, warum er mich dermaßen intensiv musterte, bis ich mich an den Lippenstift erinnerte.

Es kostete mich alles an Kraft, nicht die Hand zu heben und ihn in der gleichen Sekunde abzuwischen.

Die Kellnerin zeigte kein Zeichen des Erkennens, weshalb ich den Kopf senkte und vorgab, mit meinem Kuchen beschäftigt zu sein. Trotzdem hörte ich überdeutlich, wie seine Schritte sich näherten.

»Ist hier frei?«

Ich erstarrte. War das sein Ernst? Der ganze Pub war leer und er wollte sich unbedingt an meinen Tisch setzen? Das war so ziemlich das Letzte, was ich heute noch gebrauchen konnte.

Er wartete meine Antwort nicht einmal ab. Seine große, muskulöse Gestalt überragte mich, während er sich näher beugte. Zuerst dachte ich, er würde mich berühren wollen, doch er schob nur die Speisekarte zur Seite, bevor er sich mir gegenüber hinsetzte.

Die breiten Schultern versperrten mir die Sicht auf irgendetwas anderes in dem Pub, sobald ich ihn anschaute.

Das Blut schoss in meine Wangen, weil mir bewusst wurde, dass er auf meinen Mund starrte, als würde ihm gefallen, was er sah. Dabei lag ein Ausdruck in seinen grünen Augen, der mich beunruhigte. Er erinnerte mich an ein Raubtier. Diese Aufmerksamkeit wie kurz vor dem Angriff, das Kalte in seiner Miene, als wäre er herzlos und nur an seinem eigenen Gewinn interessiert.

Die feinen Härchen in meinem Nacken richteten sich auf und ich nahm die Hände vom Tisch, da ich angefangen hatte, sie nervös zu kneten. Unter der Tischplatte würde er das wenigstens nicht bemerken.

»Ganz allein?« Seine Stimme jagte einen Schauer über meinen Rücken.

»Ich warte auf die Polizei.«

Er zog die Augenbraue zusammen, als wäre das die falsche Antwort gewesen. Ich hingegen war erleichtert, dass es mir eingefallen war, die Polizei ins Spiel zu bringen. Eigentlich war ich nicht unbedingt der schreckhafte, schüchterne Typ, nur heute war ich ausgelaugt und fühlte mich verletzlich.

»Warum?«, fragte er.

Das Gespräch war merkwürdig. Er hatte mir nicht einmal seinen Namen gesagt. Oder nach meinem gefragt.

»Mir wurde das Auto gestohlen.«

Er lehnte sich im Stuhl zurück und lächelte mich an. »Das ist ungünstig.«

Warum klang er, als würde er nicht ein Wort ernst meinen? Und wer zum Teufel fand es denn amüsant, wenn jemand anderem das Auto gestohlen wurde?

»Wann kommt der Polizist denn?« Wieder heftete er seinen Blick auf meinen Mund und mir wurde heiß.

»Bald.«

»Bald?« Er lachte leise. »Soll ich dich hinfahren?«

Ich kam mir vor wie ein Schaf. »Wohin?«

»Zur Polizeistation. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich den Wagen des Polizisten vor der Tür habe stehen sehen. In dieser Gegend sind sie nicht unbedingt hilfsbereit, wenn es darum geht, Fremde zu unterstützen.«

In mir stritten die Gefühle. Es wäre unfassbar dumm, mit ihm zu fahren, aber ich wollte nicht bis in alle Ewigkeiten hier festsitzen.

Ich musterte ihn mit seinen breiten Schultern und den großen Händen und wusste beim besten Willen nicht, wie ich mich entscheiden sollte.

»Du hast Angst«, stellte er nüchtern fest.

»Ist das so abwegig?« Ich schob meine Haare hinters Ohr.

»Nein. Das ist vernünftig. Es war auch nur ein Angebot. Nichts für ungut. Du sahst bloß aus, als könntest du Hilfe gebrauchen. Ich wollte mich nicht aufdrängen.« Er stand auf und wandte sich ab.