Crys Tale of the Moon: Werwölfe - S. H. RAVEN - E-Book

Crys Tale of the Moon: Werwölfe E-Book

S. H. RAVEN

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Beschreibung

Hagel, Blitz und Donner Stürmische Zeiten in der Welt der Werwölfe: Als Enya im Gebiet des Rudels auftaucht, ist der Alpha Redek nicht erfreut. Doch Enya kann nicht zurück, denn sie hat ein Geheimnis. Redek ist sich sicher: Werwölfe und Menschen passen nicht zusammen … oder doch? Wie geht es mit Vampirjägerin Crystal und Kento weiter? Was passiert, wenn nicht nur Vampire und Werwölfe, sondern plötzlich auch noch andere Wesen mitmischen? Und was, wenn der Feind mächtiger ist als gedacht? Tough, mutig, nicht auf den Mund gefallen – ich liebe Enyas provokante Art! Allegra Bork, Schriftstellerin Originell, spannend und überraschend – Herzblutmutter Enya bietet selbst dem düstersten Alpha die Stirn. Franci Becker, Bloggerin passionate_bookowl Band 2 der Crys Tales

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S. H. RAVEN

Crys Tale of the Moon

Werwölfe

 

Impressum

 

Copyright © 2024 Susanne Raven

Überarbeitete Ausgabe 2024

Alle Rechte vorbehalten

Berlin

 

Website: shraven.de

E-Mail: [email protected]

Facebook: S. H. RAVEN

Instagram: s_h_raven

 

Coverdesign und Umschlaggestaltung: Florin Sayer-Gabor -www.100covers4you.comUnter Verwendung von Grafiken von Adobe Stock: taira42, Abundzu, stone36

Bilder und Satz: Susanne Raven

Lektorat/Korrektorat: Hellwig/Hellwig

Kat van Arbour / Lektokat

 

Die Deutsche Nationalbibliothek

verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über

http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

Printausgabe ISBN 978-3-9822069-9-8

Das Buch

 

Hagel, Blitz und Donner

 

Stürmische Zeiten in der Welt der Werwölfe: Als Enyaim Gebiet des Rudels auftaucht, ist der Alpha Redek nicht erfreut.Doch Enya kann nicht zurück, denn sie hat ein Geheimnis.Redek ist sich sicher: Werwölfe und Menschen passennicht zusammen … oder doch?

 

Wie geht es mit Vampirjägerin Crystal und Kento weiter?Was passiert, wenn nicht nur Vampire und Werwölfe,sondern plötzlich auch noch andere Wesen mitmischen?Und was, wenn der Feind mächtiger ist als gedacht?

 

Tough, mutig, nicht auf den Mund gefallen –ich liebe Enyas provokante Art!

Allegra Bork, Schriftstellerin

 

Originell, spannend und überraschend –Herzblutmutter Enya bietet selbst dem düstersten Alpha die Stirn.

Franci Becker, Bloggerin passionate_bookowl

 

Band 2 der Crys Tales

Die Autorin S. H. RAVEN

 

1979

1989

2000

2001

2002

2005

2010

2016

2017

2023

* Berlin-Pankow

Mauerfall

Kreuzberger Kneipe

Zimmerfrau Hotel

Praktikum Psychiatrie

Logopädin

Mutter

† K. J. H.

Autorin

Buchhändlerin

 

 

Er mag geradlinig aussehen, doch der Fluss meines Lebens war eher ein Wirren und Irren mit Stromschnellen, unzähligen Armen und Stürmen unter der Oberfläche. Zwischen den Zeilen verstecken sich das Glück, die leuchtenden Augen, das Lachen. Aber auch der Kummer, die Verzweiflung, das Weinen. Ich hatte in meinem Leben von allem viel. Ich lebe 110 Prozent und finde Zufriedenheit gleich um die Ecke, z. B. Sommer 2001, 11:59 Uhr, in einer Hotelküche zur Mittagspause, um mich herum meine schwitzenden Kolleginnen aus dem Zimmerservice in schlecht sitzenden, pastellfarbenen Kitteln (eine Farbe zwischen schweinchenrosa und apricot), die uns blass und kränklich aussehen lassen. Wir sind viele und wir lachen.

 

Wo entdeckst du dein Glück?

Inhalt

Impressum

Das Buch

Die Autorin S. H. RAVEN

Content Note

Was bisher geschah …

Zähne und Fell

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Interlog α

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Interlog β

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Epilog

Die Aura

Wörterbuch Lakota – Deutsch

Zeitleiste

Personenverzeichnis, Namensbedeutungen, Worterklärungen

Danksagungen

Post für dich

Leseprobe Crys Tale of a Shadow • Traumwanderer

Leseprobe Der Spiegel des Drachen – Weltenwandel

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Lesetipp NEMESIS – Lost Paradise Chroniken

 

Content Note

 

Einige Figuren benutzen diskriminierende oder ableistische Ausdrücke, denn sie wissen es nicht besser. Wir schon.

 

Werwölfe haben spitze Zähne und scharfe Krallen, weshalb es zu dem einen oder anderen Todesfall kommen kann.

Was bisher geschah …

 

Im Jahr 2020 kommt es zu einem Zusammenbruch der Weltwirtschaft, Naturkatastrophen und Seuchen. Dunkle Vampire erheben sich und töten oder wandeln viele Menschen.

Die von der Hunter Association ausgebildete Vampirjägerin Crystal hat fünfzehn Jahre später nur ein Ziel: Rache an der Vampirin Mandriya, die ihre Familie auslöschte.

An der Akademie, an der sie nach dem Tod ihrer Eltern aufgewachsen ist, muss sie mit ihrem Mentor Shakile, dem Hunter Kento sowie den Vampiren Michael, Hisro, Delal und Salena zusammenarbeiten. Ihre eingefrorenen Gefühle tauen langsam auf, besonders in Kentos Nähe.

Die Akademie wird von Mandriya und ihrem Seelenverbundenen Balthazar bedroht und es kommt zu einem verheerenden Kampf. Crystal kann ihre Kindheitsfreundin Lori – inzwischen eine gewandelte Vampirin – retten, während der Verräter Grille stirbt, um Crys zu schützen.

Die dunklen Vampire entkommen, entführen aber Delal und Kento. Letzterer hat sich in einen Vampir verwandelt, der seiner Erzeugerin Mandriya hörig ist.

Crys gesteht sich im entscheidenden Moment ihre Gefühle für Kento ein und ihre Seelen verbinden sich.

Sie ist abhängig von Vampirblut und wird sich in vier Jahren an ihrem 25. Geburtstag ebenfalls in eine Vampirin verwandeln. Doch vorher will sie Kento befreien.

 

Zähne und Fell

 

Ein feines Lächeln

Ihren jungen Hals zieren

Zwei rote Tränen

 

 

Vollmond in Rubin

Hunderte Krallen scharren

In Erde und Laub

 

 

S H. RAVEN

2021

 

 

Tippen, lauschen, genießen

Gesprochen von Mathias Grimm

 

Playlist bei Spotify

Zu jedem Kapitel die passende Musik

Drunk

Ed Sheeran

 

Prolog

 

Crys

 

„Es hat keinen Sinn. Lass mich einfach hier draußen sterben.“

106. Ich biss die Zähne zusammen und grub weiter. 106 Mal hatte Lori mich schon gebeten, sie zu töten. Beim 39. Mal hatte ich mir geschworen, nicht mehr mitzuzählen. Beim 67. Mal hätte ich sie beinahe an einem Baum gekettet zurückgelassen. Beim 92. Mal wollte ich ihr mit Kentos Katana eins überziehen.

Kento. Hätte ich seine Stimme nicht in meinem Kopf, wäre ich schon längst explodiert.

 

‚Ist es heute wieder schlimm?‘

‚Frag nicht. Was macht ihr?‘

‚Mandriya und Balthazar beraten immer noch. Wir haben ihnen ganz schön eingeheizt.‘

‚Seid ihr in der Nähe der Akademie?‘

‚Ja, aber keine Sorge. Sie planen keinen Angriff.‘

‚Das ist gut. Ich vermisse dich.‘

‚Und ich liebe dich, Jägerin.‘

‚Ich liebe dich, Kento.‘

 

„Redest du wieder mit ihm?“

Ich schreckte auf und nahm die Hand von meiner glitzernden Schneeflocke, die an einer feinen, silbernen Kette baumelte. „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Der Spaten landete auf meinem Fuß und ich versuchte, unbeteiligt zu wirken. Aua.

„Schon gut.“ Lori lehnte sich zurück an den Baum. „Ich kenne dich noch immer, weißt du? Aber es ist besser, wenn du es mir nicht sagst. Ich bin übrigens ein ziemlich hohes Risiko für dich.“

Die Pause danach wirkte einstudiert. Seit 5 Nächten hörte ich stündlich all die Gründe, warum ich sie nicht mitnehmen solle. Nur, dass mir die Gründe egal waren. Ich nahm sie mit. An der Akademie konnte sie nicht bleiben. Sie war ein Risiko. Wie ich.

Jeden Tag grub ich in der Morgendämmerung ein Loch, um Lori vor der Sonne zu schützen. Ich schoss einen Hasen oder ein anderes Tier und briet es über einem Feuer. Ich sammelte Beeren und suchte Wasser. Ich kletterte auf einen Baum und band mich mit dem Seil an einem Ast fest, um ein paar Stunden zu schlafen. Ich übte mit dem Katana-Schwert. Jede Nacht hetzte ich Lori an der Kette durch den Wald.

Die Nächte waren kurz und wir waren unserem Ziel noch nicht nahe genug gekommen.

„Ist er immer noch da?“ Es war ein Ablenkungsmanöver und kein gutes. Heute war wieder einer dieser Tage. An denen mein Hals trocken war und meine Hände an der Schaufel zuckten. An denen ich Lori zu lange anstarrte und meine Zündschnur in Sekundenbruchteilen Feuer fing.

Lori ließ sich Zeit mit der Antwort. „Ja.“

„Hat er mit dir gesprochen?“

„Nein.“

Inzwischen wunderte es mich nicht mehr, dass es neben Vampiren und Werwölfen auch andere Wesen gab. Eines davon folgte uns seit wir unsere Reise begonnen hatten. Man könnte es ‚auf der Erde verweilende Restenergie‘ oder Geist nennen. Ich gab ihm den Namen, den ich als Kind ausgesucht hatte – Grille.

Er hatte sich mir erst einmal gezeigt. An einem dieser Tage, als ich schon mein Messer in der Hand gehalten und Lori mich aus großen Augen angestarrt hatte. Ich hatte nur noch an eines gedacht: Das warme, köstliche, rote Blut, das unablässig durch ihren Körper gepumpt wurde, meine Schmerzen lindern und mir neue Energie geben konnte. Ich hatte es beinahe auf der Zunge schmecken können. Nur ein kleiner Schritt, ein kleiner Schnitt …

Unvermittelt hatte sich Grille vor meinen Augen genau zwischen uns manifestiert. Mein Durst hatte sich augenblicklich verflüchtigt und ich hatte mehrmals geblinzelt, bis ich verstanden hatte, wer da vor mir stand und mich wortlos fixierte.

Der Gedanke daran ließ mich auch heute wieder ruhiger werden. Ich hatte ein Ziel. Und es war ganz bestimmt nicht, so zu enden wie mein Kindheitsfreund. Ich wusste nicht, warum er uns folgte. Lori wusste nicht viel mehr. Sie hatte in ihren Jahren bei Mandriya einiges über andere Wesen mitbekommen, aber sie war im Augenblick zu … störrisch, um ihr Wissen mit mir zu teilen.

Ich wünschte, die Hunter Association hätte uns nicht im Ungewissen gelassen. Oder waren es die Vampire, die ihr Wissen selbst vor den Jägern unter Verschluss hielten? Michaels Erklärungen waren alles andere als ausführlich gewesen. Doch ich würde herausfinden, was ich wissen musste. Nichts konnte meine klare Sicht auf das Ziel trüben.

Ich warf einen Blick auf den Kompass. Die Richtung stimmte. Vier Tage noch bis Ilsestein nach einer ungefähren Schätzung. Die Areal-Grenze von Pania zu Brocberg hatten wir überquert. Was würde uns bei den Werwölfen erwarten?

 

 

Lori

 

Ich sage ihr nicht, dass ich es hasse, wenn sie mich in diesem Loch versteckt. Die dünne Decke, die sie benutzt, fühlt sich wie ein Leichentuch an. Ich sage ihr auch nicht, dass ich kaum schlafe und wenn, dass mich ausschließlich Albträume heimsuchen. Jeden Tag sterbe ich tausend Tode in der Dunkelheit. Jede Stunde kneife ich mich selbst, um mir zu versichern, dass ich nicht in der Hölle gelandet bin. Jede Minute wünsche ich mir, den Mut zu haben, aufzustehen und in die Sonne zu blicken. Ein letztes Mal.

 

Doch dann kann ich nicht. Vielleicht habe ich Angst vor dem endgültigen Tod. Vielleicht habe ich Angst, dass es nicht das endgültige Ende ist und ich wie Grille weiter existiere. Vielleicht habe ich auch Angst vor Moonas Reaktion.

 

Aber eins weiß ich: Die Werwölfe werden mich nicht akzeptieren. Sie können mich nicht in ihr Lager lassen. Sie können mich nicht freilassen.

 

Was werden sie mit mir machen?

 

8 Monate

Zuvor

 

Oktober 2034

 

Enya

Head above Water

Avril Lavigne

 

 

Kapitel 1

 

Ich parkte das Auto nah am Haus. Es wurde schon dunkel und der Schneefall war inzwischen so dicht, dass ich kaum etwas sehen konnte. Ich hätte auf Noah hören und mit ihm schon im Frühling herkommen sollen. Doch ich war egoistisch, wollte noch einen letzten Sommer, bevor ich ihn für unbestimmte Zeit verlieren würde. Der Wintereinbruch hatte uns überrascht. Ich hatte nicht mehr viel Zeit, das Haus vorzubereiten und Noah herzuholen. Irgendwann würde die Zufahrtsstraße von jeglicher Zivilisation abgeschnitten sein. Nun ja. Menschlicher Zivilisation.

Ich war nur einmal hier gewesen vor so langer Zeit, dass es mir wie ein Traum vorkam. Ben hatte mir jedoch alles erklärt, wieder und wieder, damit ich nichts vergaß. Ich hatte gut zugehört, denn es würde unserem Sohn das Leben retten. Und dafür würde ich alles tun. Einfach alles. Sogar mich mit dem Alpha eines Werwolfrudels anlegen.

Der Schnee knirschte bei jedem Schritt unter meinen Füßen. Ich fand den Schlüssel unter einem markierten Stein und schloss die Tür des einsamen Hauses auf. Die nächsten Nachbarn waren mindestens zwei Kilometer entfernt. Das Grundstück lag nah am Wald, gerade noch im Gebiet des Rudels.

Drinnen war es genauso eiskalt wie draußen. Ich sah nach dem Schlüssel des Schuppens, damit ich den Generator in Gang bringen konnte. Der hing nicht an seinem Brett. Vielleicht sollte ich erstmal ein Feuer anzünden und mich aufwärmen. Suchend sah ich mich im Licht meiner Taschenlampe um. Wo waren die Holzscheite für den Kamin?

Also doch raus in die Kälte. Ich erinnerte mich an ein kleines Vordach auf der rechten Seite des Hauses. Darunter war damals jede Menge Holz gestapelt. Genug, um über den Winter zu kommen. Jetzt war da … nichts. Sch… Langsam wurde ich nervös. Im Dunkeln wollte ich nicht hier draußen sein. Aber ein Feuer brauchte ich, um nachts nicht zu erfrieren. Ich umrundete das Haus und fand einen in mehrere große Stücke zersägten Baumstamm und eine Axt. Ungläubig starrte ich darauf. Holz hacken stand nicht besonders weit oben auf meiner To-do-Liste. Ok, tief durchatmen. Dann der Generator. Mit Strom konnte ich mir wenigstens einen heißen Tee kochen. Vielleicht hatte Ben auch einen Heizstrahler im Haus.

Die Tür des Schuppens war offen. Der Generator sah intakt aus. Ich entspannte mich etwas. Ben hatte jemanden als Wartungsdienst engagiert. Es würde schon alles klappen. Ich versuchte den Generator laut Bens Anweisungen zu starten, doch es passierte nichts. Kein Tuckern, Röhren oder Quietschen. Oder was auch immer ein Generator für Geräusche machen würde. Ich kontrollierte alle Anzeigen und starrte letztendlich auf die Füllstandsanzeige für den Treibstoff: Leer. Die Kanister auf dem Boden daneben: Leer. Konnte das ein Zufall sein?

Ich schüttelte mich aus meiner Starre. Keine Chance mich zu vertreiben. Während ich den Weg zurück nahm, fluchte ich vor mich hin. Es konnte mich niemand hören und selbst wenn, wäre es mir völlig egal gewesen. Ich holte mein Gepäck und den Schlafsack aus dem Auto. Noch einmal ginge ich heute nicht in diese kalte Dunkelheit hinaus.

Stronger (What Doesn’t Kill You)

Kelly Clarkson

 

 

Kapitel 2

 

Ich spürte seine Präsenz hinter mir und sammelte mich. Ben hatte mir so oft eingeschärft, wie ich mich verhalten solle, wenn ich dem Alpha seines Rudels gegenüberstehen würde. Seine mahnenden Worte flackerten von selbst in meinem Geist auf.

‚Zeige keine Angst. Sieh ihm nicht in die Augen. Senke unterwürfig deinen Kopf. Behalte deine Meinung für dich.‘

Für Bens Geschmack hatte ich zu viel Meinung in mir. Ich verlangsamte meinen Herzschlag, wie ich es jahrelang trainiert hatte. Das Leben mit einem Werwolf hatte mir so einiges abverlangt, aber das war es wert. Dann legte ich die Axt bedächtig auf den von mir malträtierten Baumstamm und drehte mich um.

Ich war nicht annähernd vorbereitet auf den Anblick, der sich mir bot. Redek stand da, die Arme vor dem muskulösen Körper verschränkt, breitbeinig in dunkler Hose und dunklem T-Shirt. Seine Augen loderten rot, die schwarzen Haare waren zerzaust, als hätte er sich seinen Weg durchs Unterholz gebahnt, der Drei-Tage-Bart gab ihm ein noch wilderes Aussehen. Unnahbar. Wütend. Ein Alpha.

Wir starrten einander an. Ich hatte keine Ahnung, was er dachte. Im ersten Moment wollte ich Bens Anweisungen folgen, aber etwas hielt mich davon ab. Meine Meinung? Ben hätte geseufzt. Ich senkte meinen Kopf ein wenig und legte ihn leicht schräg. Dem Wolf signalisierte ich mit dem Strecken meines Halses Gehorsam. Dem Mann sah ich dagegen geradewegs weiter in die Augen. Ich tat schließlich nichts Falsches. Ganz im Gegenteil. Aber das war nur meine Meinung.

„Was hast du hier zu suchen?“ Seine Stimme war eher ein Grollen. Er hatte wahrscheinlich Mühe, sich nicht zu verwandeln. Vor lauter Wut auf die Verräterin, die einen der Seinen verführt hatte und für seinen Tod verantwortlich war.

Mein Blick wurde hart. Ich wusste um meine Schuld. Doch ich würde nicht zurückweichen. Ich brauchte dieses Rudel und würde mich nicht vertreiben lassen. „Hallo Redek.“

„Das ist mein Gebiet.“ Ein Knurren.

„Das Haus und das Grundstück gehören mir. Willst du die Urkunde sehen? Ben hat es mir vererbt.“

Ein Muskel in seiner Wange zuckte. „Sprich seinen Namen nicht aus.“ Er trat einen Schritt näher, löste seine Arme und ballte seine Hände zu Fäusten.

Innerlich seufzte ich. Äußerlich blieb ich ruhig. Er konnte mir keine Angst einjagen. Ich hatte zu viel zu verlieren. Und ich kämpfte nicht für mich.

„Er war mein Mann.“

„Nicht nach unseren Gesetzen.“

Ein Zittern durchlief seinen Körper und von einem Moment auf den anderen drehte er sich um und rannte zum Waldrand. Bevor er zwischen den Bäumen verschwand, explodierte sein Körper und schwarzes Fell spross hervor. Ein riesiges Tier, größer als Ben, der sich nicht oft vor mir verwandelt hatte. Für einen irrwitzigen Herzschlag wünschte ich mir, den schwarzen Wolf in Ruhe betrachten zu können und mit meinen Fingern durch sein dichtes Fell zu streichen.

Mit einem Kopfschütteln setzte ich mich rückwärts auf den Baumstumpf und begann ebenfalls zu zittern. Ich hatte meine Körperfunktionen zwar weitestgehend unter Kontrolle, aber auch ich stieß irgendwann an meine Grenzen. Hatte Ben mich deshalb nie seinem Rudel vorgestellt? So viel Feindseligkeit hatte ich nicht erwartet.

 

 

Wir hatten autark gelebt, in einem kleinen Haus am See in der Nähe einer Siedlung. Ben hatte Tischlerarbeiten hergestellt, ich hatte Kleidung angefertigt, die wir auf dem Markt verkauften. Wir waren glücklich. Noah machte vor knapp sieben Jahren unser Glück perfekt.

Die Vampire beschritten niemals unser Land. Wenn ich ehrlich war, hatte ich keinen von ihnen jemals zu Gesicht bekommen. Ben hatte immer gesagt: ‚Wir lassen sie in Ruhe, sie lassen uns in Ruhe. So war es schon immer und so wird es immer sein.‘

Ich hatte mich oft gefragt, ob er es sich damit nicht zu einfach machte. Die Menschen litten und hatten keine Ahnung, dass es andere Wesen gab, die sich mit der Stärke der Vampire messen konnten.

How Far I'll Go

Alessia Cara

 

 

Kapitel 3

 

Noah rutschte auf seinem Autositz neben mir von einer Seite auf die andere. Seine braunen Augen blitzten und er plapperte in einem fort. „Iná, guck mal der ganze Schnee. Iná, hast du die šuŋkmánitu schon gesehen? Iná, wann werde ich sie kennenlernen?“

Ich lächelte über meinen kleinen Jungen. In letzter Zeit streute er immer mehr Lakota-Worte ein. Ben war ein geborener Sioux. Sein ursprünglicher Name war Canowicakte – Jäger des Waldes – und er hatte mit Noah in seiner Muttersprache gesprochen. Unser kleiner ‚Mahpee‘ – Noahs indigener Geburtsname bedeutete ‚Himmel‘ – hatte ganz die Gene seines Vaters geerbt. Er trug seine langen dunklen Haare offen und hielt sie mit einem Lederband um seinen Kopf zurück.

Er konnte es kaum erwarten, endlich andere Wölfe zu treffen. Ben und ich hatten es nie zum Thema gemacht, aber mit seiner goldbraunen Ganzkörperbehaarung würde er auch unter den Wölfen herausstechen. Ich war mir sicher, er hoffte, dass es noch andere Kinder wie ihn geben würde. Überhaupt hätte er es verdient, endlich mit anderen Kindern zu spielen. Wir pflegten wenig Kontakt zu den Bewohnern der Siedlung. Lediglich Makawee, eine indianische Bekannte meiner Mutter, die sich mit Heilkräutern und Erdkräften auskannte, wusste über uns Bescheid.

Je näher wir dem Haus kamen, umso nervöser wurde ich. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Wölfe ihn riechen würden. Ich war noch nicht bereit ihn abzugeben. Und ich hatte Angst vor ihren Reaktionen, denn sie wussten nichts von Noah.

 

 

Werwolfkinder wandelten sich zum ersten Mal kurz vor oder nach ihrem siebenten Geburtstag. Das Rudel gab den Kindern in dieser stürmischen Zeit Halt und Sicherheit. Der Rudelgeist vermittelte ihnen uraltes Wissen und ermöglichte eine ungestörte Verwandlung. Die Folgen einer Verwandlung fernab von seinem Rudel wären verheerend für die Psyche eines jungen Wolfes. Wölfe waren Rudeltiere.

Ben hatte mich genauestens instruiert. Er war ein Risiko eingegangen, indem er sich so weit von der Sicherheit seines Rudels entfernt hatte. Ich wusste, dass es früher Zwistigkeiten gab, weil der vorherige Alpha Kalar andere Ansichten bezüglich der Regeln und im Hinblick auf die ‚schwache Art‘ Homo sapiens hatte. Redek hatte ihn 1928 – vor 106 Jahren – schließlich zu einem Kampf herausgefordert und schwer verletzt besiegt. Ein kleiner Teil des Rudels hatte sich daraufhin abgespalten und war mit Kalar weitergezogen. Mischehen waren aber nach wie vor nicht legitim und laut Rudelgesetzen strengstens untersagt.

 

 

Ich stellte den Motor aus und hörte im gleichen Moment die Axt. Mein Herz rutschte mir in den Magen und begann dann wild zu trommeln. Noahs Seitenblick machte mir klar, dass es jetzt entscheidend darauf ankam, dass ich meine trainierten Fähigkeiten einsetzte. Noahs Sinne waren noch nicht so geschärft wie die eines gewandelten Werwolfkindes, aber er bekam genügend Nuancen mit, um meine Nervosität zu bemerken. Sch… Ich holte tief Luft, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Mit dem Atem stieß ich all meine körperlichen Missempfindungen nach außen, bis ich ein gut geschmierter Apparat war, an dessen Knöpfen ich beliebig drehen konnte.

Ich wusste, wer da mit der Axt hantierte und hoffte, Redek bearbeitete in seiner Wut nur den Baumstamm und nicht das Haus. Die Axthiebe verstummten.

Ich wandte mich mit einem Lächeln zu Noah. Schonfrist vorbei. „Weißt du was, Mahpee, du hast großes Glück. Der Anführer der šuŋkmánitu ist persönlich gekommen, um dich zu begrüßen. Er kann es bestimmt auch gar nicht mehr abwarten, dich kennenzulernen.“ Mein Lächeln begann in den Mundwinkeln zu schmerzen.

Noah beruhigte es jedoch und er strahlte mich an. Den gleichen Effekt erhoffte ich mir bei Redek, für den ich die Worte ebenfalls gesprochen hatte.

Wir stiegen aus und ich betete, dass mein Sohn nicht gleich einem halb verwandelten, wütenden Werwolf-Alpha mit rot glühenden Augen gegenüberstehen würde.

Ich hätte mir die Sorgen sparen können, denn Redek war nicht umsonst Anführer des Rudels und von Ben hochgeschätzt. Er kam mit einem breiten Grinsen um die Hausecke, seine Augen waren ausschließlich auf Noah gerichtet. Grüne Augen von der Farbe nassen Mooses. Wieder trug er nur ein enganliegendes, schwarzes T-Shirt.

Warum nur sehen alle Werwölfe so gut aus? Und warum interessiert mich das überhaupt?

Redek ging vor Noah in die Hocke, der meine Hand umklammerte. Er hielt Noah seine Faust entgegen und stellte sich vor. „Hi, ich bin Redek. Dein Alpha.“

Noah brachte kein Wort hervor, aber er ballte seine kleine Hand zur Faust und stieß sie zaghaft gegen Redeks. Ich fand es faszinierend, wie mein süßer, kleiner Welpe instinktiv die richtige leicht geduckte Körperhaltung einnahm.

„Hallo Redek, das ist Noah Mahpee. Er hat am 6. Dezember Geburtstag.“

Redek beachtete mich nicht, aber ich sah einen Muskel in seiner Wange zucken. Sein freundliches Grinsen verlor nicht einen Moment an Strahlkraft. Huh. Hoffentlich würde er mich nie mit diesem Gesichtsausdruck um einen Gefallen bitten. Ich würde wahrscheinlich vergessen, dass das Wort ‚Nein‘ überhaupt existierte. Unvermittelt sah er mich an. Seine Augen wurden eine Spur kühler und ließen seine wahren Gefühle erahnen.

„Ich muss jetzt leider gehen, aber ich komme heute Abend wieder, um mit deiner Mutter über alles Weitere zu sprechen.“ Er richtete sich auf und schaute von oben auf mich herab. „Zwei Tage.“ Seine Stimme blieb freundlich, doch es war eine unmissverständliche Drohung. Verpackt in feinstes Pralinenpapier.

Ich nickte. Ich hatte verstanden.

 

 

Ich bin Enya, 26, und Mutter.

Ich brauche die Werwölfe,

aber ich verfluche ihre Regeln.

 

 

Wagt es nicht, meinem Sohn

ein Wolfshaar zu krümmen!

Leben

Substantiv, Neutrum (das)

Das Lebendigsein, Existieren

Dauer, Verlauf des Lebens, der Existenz, des Daseins

 

 

Kapitel 4

 

Noah schlief seit exakt fünfzehn Minuten, als es unten an die Tür klopfte. So viel Höflichkeit hätte ich ‚Mister Rude‘ gar nicht zugetraut. Ich überprüfte zur Sicherheit meine Herzfrequenz und konzentrierte mich auf meine Atmung. Redek sollte nicht merken, wie nervös mich dieses Gespräch in Wirklichkeit machte.

Ich öffnete die Tür, registrierte, dass seine Augen ihre normale Farbe hatten und bat ihn wortlos herein, indem ich einige Schritte in das große Wohnzimmer mit offener Küche hineinging. Er stellte sich mitten in den Raum, streckte demonstrativ den Rücken, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte mich an. Wäre das Ganze nicht so ernst, hätte es mich amüsiert: Natürlich wollte er mich mit seinem Gebaren einschüchtern.

Ich starrte zurück und wartete.

„Bist du tatsächlich seine Mutter?“ Seine Stimme klang ruhig.

Ich konnte ihm die Frage nicht verdenken. Meine blonden, leicht gelockten Haare und die babyblauen Augen zusammen mit der hellen Hautfarbe und meiner mädchenhaften Figur passten überhaupt nicht zum Bild einer Mutter und besonders nicht zu der eines indianischen Kindes. Ich war 26, hatte mich aber in den letzten zehn Jahren kaum verändert.

Ich nickte und zögerte einen Moment. Dann nahm ich den verschlossenen Brief vom Küchentisch und reichte ihn Redek. Ben hatte ihn für diesen Moment vorgesehen. Er hatte mich gebeten, ihn nicht zu lesen und ich hatte seinen Wunsch respektiert.

Redek las die Zeilen mehrmals, runzelte die Stirn und steckte den Brief schließlich in seine Hosentasche. Er begann, im Zimmer umherzuwandern und zeigte keinerlei Anzeichen, mit mir sprechen zu wollen.

Ich biss mir auf die Lippen und beobachtete ihn, bis ich es nicht mehr aushielt. „Was steht drin?“

Redek reagierte nicht.

Meine Herzfrequenz stieg an und ein leichter Schweißfilm bedeckte meinen Körper. Ich atmete besonders tief ein und lange aus. Dabei war ich mir zu jeder Zeit bewusst, dass Redek meine Reaktionen nicht verborgen bleiben konnten. Er wirkte viel ruhiger als heute Vormittag und bei Weitem kontrollierter als bei unserem ersten Treffen gestern. Mal sehen, ob ich dich aus der Reserve locken kann. „Warum hast du Holz gehackt, obwohl du willst, dass ich verschwinde?“

Er blieb stehen und zog tief die Luft ein, seine Nasenflügel blähten sich auf. „Du riechst wirklich merkwürdig.“ Dann richtete er seine Augen auf mich und scannte mich von oben bis unten. Die Hände behielt er dabei lässig in den Taschen seiner Jeans.

Wäre er ein normaler Mann, hätte ich ihn vermutlich für exzentrisch gehalten. Moment, wie alt bist du ungefähr? Ende zwanzig? Das sind 400 Menschenjahre!

Bis zu ihrem 16. Geburtstag alterten Werwölfe normal, danach nur einen Tag im Monat – an Vollmond. Das waren nur zwölf Tage im Jahr, an denen sie überhaupt älter wurden. In ungefähr dreißig Menschenjahren alterten sie um ein Werwolfjahr. Die Lebenserwartung eines Werwolfes lag bei 150 Jahren, das entsprach 4500 Menschenjahren.

Gut, mit 400 darfst du dir ein paar sonderbare Eigenschaften angeeignet haben. Das bedeutet aber nicht, dass ich vor dir kusche!

Ich nahm mir vor, sein wahres Alter immer im Hinterkopf zu behalten. Ben war erst 226 Menschenjahre und damit 23 Werwolfjahre alt gewesen, theoretisch war er zum Schluss sogar jünger als ich.

Ich rieche merkwürdig? Ich verschränkte meine Arme, reckte meinen Kopf und versuchte mich an einem möglichst gleichgültigen und kalten Blick. „Das ist nicht sehr höflich.“ Wieder einmal ignorierte ich Bens Anweisungen.

Entgegen meinen Erwartungen fing Redek an zu grinsen. Seine Augen blitzten und mein Gehirn setzte kurzzeitig seine Funktionsfähigkeit aus. Ich drehte mich um, hantierte in der Küche, um meine Finger zu beschäftigen, nahm mir ein Glas Wasser und trank es in großen, schnellen Schlucken.

„Das ist nicht sehr höflich.“

„Was?“ Ich wandte mich instinktiv wieder um, worüber ich mich nur noch mehr ärgerte.

„Möchtest du mir nicht auch etwas anbieten?“ Redek grinste immer noch, der sarkastische Unterton in seiner Stimme war unüberhörbar.

Augenblicklich fiel die Anspannung von mir ab. Ich wusste nicht, mit welchen Vorstellungen ich wirklich hierhergekommen war. Den ‚großen bösen Wolf‘ stellte ich mir aber definitiv anders vor. Und den großen bösen Alpha auch. Plötzlich war ich sicher, dass es Noah gut gehen würde.

Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich nickte. „Touché.“ Ich zeigte auf mein Glas. „Möchtest du auch ein Wasser oder etwas anderes?“

Redek sah mich einen Augenblick regungslos an, was erneut eine leichte Nervosität in mir entfachte. Dann setzte er sich aufs Sofa. „Ein Kaffee wäre toll.“

Kaffee um diese Uhrzeit? Nicht mein Problem, wenn du dann nicht schlafen kannst.

Ich bereitete den Kaffee auf dem Elektroherd zu. Wundersamerweise lief der Generator, als ich heute Vormittag mit Noah angekommen war. Konnte es sein, dass Redek sich auch darum gekümmert hatte? Aber warum? Er wusste zu der Zeit nichts von Noah und war über mein Auftauchen nicht gerade begeistert gewesen. Warum sich erst die Mühe machen, die Hütte zu sabotieren und dann doch nachzugeben?

Ich stellte Redek seinen Kaffee auf den Tisch und setzte mich nach kurzem Zögern ans andere Ende des Sofas. Eine weitere Sitzgelegenheit war nicht in Reichweite. Es hätte seltsam gewirkt, wenn ich mir einen der Stühle geholt hätte. Schließlich wollte ich etwas von dem Rudel und da führte kein Weg am Alpha vorbei. „Beantwortest du jetzt meine Frage?“

Redek nahm einen Schluck von dem heißen Kaffee und starrte danach einige Sekunden in die braune Flüssigkeit. „Er hat geschrieben, dass du eigenwillig seist.“

Ich musste lächeln. Typisch. „Das stimmt wohl.“

Er seufzte. „Ich verstehe ihn jetzt etwas besser. Warum hat er mir nicht erzählt, dass er ein Kind erwartet?“

„Hätte es etwas geändert?“

Redek fuhr sich mit der Hand durch seine Haare. „Ich weiß nicht, wahrscheinlich nicht. Oder auch alles.“ Er sah mich an. „Was hat Ben dir von uns erzählt?“

Ich wandte meinen Kopf zur Fensterfront und sah in die Dunkelheit. „Ich glaube, er hat mir alles erzählt. Er … hat für diese Situation vorgesorgt. Ich wünschte nur …“

„Was wünschst du, Enya?“

Ich schaute zurück in Redeks Augen. Echtes Interesse lag darin. Meinen Namen so sanft aus seinem Mund zu hören, stellte etwas mit meinem Körper an. Ein Kribbeln breitete sich von meiner Mitte aus und die Sekunden dehnten sich. Mein Hals wurde eng, als ich über seine Frage nachdachte und ich unterbrach den Blickkontakt, indem ich mehrmals blinzelte und auf meine Hände sah. „Ich wünschte, es wäre anders gekommen“, flüsterte ich.

Ich hörte ihn atmen. „Sag mir, was passiert ist.“

Ich fuhr mit der Zunge über meine trockenen Lippen und schluckte mehrmals. Kein Weg führte daran vorbei. Meine Gedanken zogen mich fort zu diesem Tag vor einem Jahr. Ich sah es wie einen alten Schwarz-Weiß-Film, der per Hand vorgeführt wurde. Vergilbt, die Bewegungen eckig und manchmal zu schnell.

„Es war ein warmer Tag. Wir sind … gewandert und waren im Wald, noch weit von unserem Haus entfernt, als Ben … nervös wurde. Es dämmerte schon, wir waren müde. Er bestand darauf, dass wir in den Schutzraum kletterten. Er hatte ihn schon beim Hausbau angelegt und regelmäßig kontrolliert. Ich habe ihn immer damit aufgezogen, dachte, wir würden so etwas niemals brauchen … Er sagte, wir sollen nicht rauskommen, sondern auf ihn warten.“

Mich fröstelte und ich hob den Kopf, ohne etwas zu sehen. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich befand mich wieder in diesem kleinen, dunklen Raum mit einem völlig verängstigten Fünfjährigen, der nicht begreifen konnte, was passierte. Der immer wieder nach seinem Vater fragte. Der mich anbettelte, nach oben klettern zu dürfen. Es änderte nichts, dass wir vorher mehrere Male geübt hatten im Schutzraum zu übernachten, auch ohne seinen Vater.

Ich verlor dort unten mein Zeitgefühl. Wir hielten uns fest, schliefen und aßen, spielten etwas im dämmrigen Licht der Öllampe. Noahs Weinen war zu einem permanenten Wimmern geworden.

Ich schloss die Augen und versuchte mich ins Hier und Jetzt zurückzuholen. „Wir warteten … ungefähr 48 Stunden. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte Noah nicht allein lassen, aber ich hatte solche Angst um Ben. Ich … ich hätte früher nach ihm sehen müssen.“

Redek räusperte sich. Ich öffnete die Augen und sah, dass er näher gerutscht war. Er schüttelte den Kopf. Seine Stimme klang rau. „Wir beschützen unsere Lieben mit allem, was wir haben. Kein Wolf bringt sein Junges in Gefahr.“

Ich sah Redek an und versuchte, seinen Gesichtsausdruck einzuordnen. Meint er seine Worte ernst? Ich spürte zumindest keine Wut und holte mehrmals Luft, um weiter zu sprechen.

„Ich verband Noah die Augen und nahm ihn an die Hand. Ich sagte, es sei ein Spiel …“ Die Erinnerungen ließen mich schaudern und eine Gänsehaut bildete sich an meinem ganzen Körper. Niemals würde ich die Angst vergessen, die sich an diesem Tag durch meine Organe fraß.

Ich starrte Redek an, um nicht wieder in die Vergangenheit abzutauchen. Trotzdem pochte mein Herz ein Stakkato und ich hätte es jetzt nicht regulieren können, selbst, wenn ich es versucht hätte. Ich hatte die Bilder bisher kein einziges Mal zugelassen. Mein Gefühl sagte mir jedoch, dass ich Redek die Wahrheit schuldete. Und dass die Wahrheit bei ihm gut aufgehoben wäre.

Seine Augen wirkten dunkel und ich konnte die Emotionen darin nicht deuten. Seine Reaktion überraschte mich deshalb und erwischte mich kalt: Er rutschte noch etwas näher und nahm meine Hände zwischen seine großen, rauen.

---ENDE DER LESEPROBE---