Da draußen - Ute Rautenberg - E-Book

Da draußen E-Book

Ute Rautenberg

0,0

Beschreibung

Da draußen Texte zu Alltäglichem mit Illustrationen von Jan Wiegand

Das E-Book Da draußen wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Kurzgeschichten, Texte zu Alltäglichem, Texte aus dem wöchentlich erscheinendem Schreiblog RAU-WIE-BLOG, Mit Illustrationen, Vergnügliches, Nachdenkliches, Überraschendes

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 140

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Leichte Kost

Kleine Risse

Drogeriemarkt

Plötzlich gelingt alles

Das Sinnloseste der Woche

Ausfallstraße

So tun al ob

Königsberger Klopse

Da draußen

Technik

Kleine Ablenkungen

Kühlschrank

Zwischen den Stühlen

Worauf es ankommt

Hinterhöfe

Fußball

Schnell mal

Drei

Flecken

Nippes

Einfamilienhaus

Jetzt

Schief

Neu

Wind

Lügen

Nachwort

Vorwort

Wir sind im selben Ort am Niederrhein groß geworden, gemeinsam zur Schule gegangen und leben schon lange in verschiedenen Städten.

Seit Ende 2021 veröffentlichen wir auf unserem RAUWIE-BLOG jeden Freitag zwei Texte zum Alltäglichen. Ein sich spontan ergebendes Thema, ein Wort oder ein Foto dient dabei als gemeinsamer Impuls. Anschließend schreibt jede/r für sich ca. dreißig Minuten dazu.

Zwei Erzählungen, zwei Erinnerungen, zwei Meinungen zum gleichen Thema im gleichen Zeitraum geschrieben. Beim Lesen zeigen sich nicht selten parallele oder konträre Assoziationspfade, treten häufig überraschende Übereinstimmungen oder gravierende Unterschiede auf.

Die Lust, sich auf das Experiment des spontanen Schreibens einzulassen, ist geblieben, es haben sich weitere Schreibformen und Erzählstile etabliert. Die Freude am Alltäglichen ist noch lange nicht erschöpft, Grund genug, nun sechsundzwanzig Texte aus dem ersten Jahr samt Illustrationen in Buchform zu präsentieren.

Wir wünschen viel Vergnügen, das Alltägliche einmal anders zu sehen.

Ute Rautenberg und Jan WiegandBerlin und Bonnim Dezember 2023

Leichte Kost

RAU

Für mich bitte nur einen Salat. Sie kennen diesen Satz, haben ihn sicherlich auch schon tausend Mal gehört. Dazu dieser spezielle Ausdruck im Gesicht der Frau, als würde sie sich schon auch gerne den Tafelspitz, Zwiebelrostbraten, die Käsespatzen, das Entrecote oder dies und das bestellen, richtig gerne vielleicht sogar, aber selbstverständlich verkneift sie es sich. Denn natürlich ist sie vernünftig, durch und durch. Schließlich ist es schon nach Zwanzig Uhr, sie ist modern und diszipliniert und hat sämtliche aktuellen Ernährungstipps nicht nur raufund runtergelesen, sondern auch bis aufs Mark verinnerlicht. Abends keine Kohlenhydrate mehr zu sich nehmen, am besten bis spätestens achtzehn oder neunzehn Uhr essen, noch besser gleich Intervallfasten praktizieren und sich sowieso vegetarisch, noch besser natürlich vegan ernähren, denn dann müssen auch die armen Kühe nicht mehr von ihren Kälbchen getrennt werden und Jahr für Jahr nur noch in fabrikmäßigen Ställen stehen. Und, und, und, die Liste der Vorhaben ist lang.

Dabei habe ich nur gefragt, was sie essen möchte. Nach einem sicher auch für sie langen Arbeitstag, an einem Tisch mit Kerzen, weißer Tischdecke, Stoffservietten und einem absolut freundlichen und zuvorkommendem Kellner. Schon mit Rosa habe ich das Problem gehabt, dass es mir zunehmend immer weniger Freude gemacht hat, abends mit ihr essen zu gehen, und nun entpuppt sich Katinka als ihre Wesensverwandte.

Für mich bitte einen Salat. Dazu ihre zuckersüße Miene im Gesicht und ein Hauch von Verachtung in der Stimme, weil ich die Käsespatzen, das Entrecote, das Lachssteak oder die Dorade bestellen möchte. Zwei so unterschiedliche Frauen, doch in diesem Fall das gleiche Spiel und derselbe Verdruss.

Was so eine einfache Frage alles nach sich ziehen kann, nicht zu fassen. Meinen leichten Ärger über Katinka und ihre nervende political correctness kann ich kaum unterdrücken, denn ich möchte den schönen Abend in diesem edlen Restaurant in der schönsten Stimmung bei Kerzenschein und einem wohlschmeckenden Mahl einfach nur genießen und mir keinen Kopf machen über den derzeitigen Stand unserer Gesellschaft, ach was sage ich, der ganzen Welt. Möchte nicht über den Hunger in der Welt, die sicherlich oft kriminellen Machenschaften der Lebensmittelindustrie, die Fragen nach körperlicher Gesundheit, Body-Mass-Index, Cholesterinwerten, Zuckergehalt, Zusatzstoffen und Kalorien nachdenken. All das lässt sich natürlich mühelos an so einer banalen, alltäglichen Frage ableiten. Und worauf hast du heute Appetit? Für mich bitte einen Salat.

Katinka ist Mitte dreißig, akademisch gebildet, alleinstehend, derzeit wohnhaft in einer der interessantesten Hauptstädte des europäischen Kontinentes, sie ist Unternehmensberaterin eines weltweit agierenden Konzerns und geht sicherlich mehrmals in der Woche zu Abendessen mit Kunden, Geschäftspartnern oder heute mit mir. Für mich bitte einen Salat. Oh Mann, kann sie sich nicht einfach den Zwiebelrostbraten mit Kartoffel-Fenchelpüree bestellen und zum Nachtisch ein Tiramisu oder meinetwegen auch ein Zimtparfait mit warmen Zwetschgen in Rotwein? Einfach mal aus dem Vollen schöpfen und rundum genießen? Ist denn mittlerweile unser modernes Leben so kompliziert geworden, dass einfacher Genuss verboten scheint? Habe ich sie eigentlich schon einmal etwas anderes essen sehen als dieses Grünzeug aus nachhaltigem Anbau, selbstverständlich ohne Avocados, die beim Anbau ja soviel Wasser verbrauchen? Und natürlich ohne Tomaten oder Gurken aus Spanien oder den Niederlanden, aber selbstverständlich angemacht mit einer Vinaigrette aus Öl mit hohem Omega-3-FettsäurenGehalt? Oh Mann, das ist wirklich keine leichte Kost an diesem Abend, auf den ich mich schon seit Tagen so gefreut habe.

Leichte Kost

WIE

„Und wie fandet ihr den Film?” Von genau dieser Frage leben Weinkneipen und Restaurants in fußläufiger Nähe zu Programmkinos. Die sich anschließenden Diskussionen, der Austausch über die unterschiedlichen Filmerlebnisse lassen sich bei einem leichten Salat oder einem mächtigen Gyrosteller gut besprechen.

Sicherlich gibt es auch die wenigen Fälle, in denen man sich in der Filmbeurteilung einig ist, ob ein Film ganz hervorragend oder aber unmöglich war. Das macht die anschließende Betrachtung aber nicht überflüssig. Lenkt das Gespräch vielleicht nur schneller auf die Frage, ob ein leichter Salatteller am Abend vielleicht besser ist als Fleisch und fettige Fritten.

Doch meistens besteht nicht so schnell Einigkeit bei der Frage, wie schwer, wie ernst, wie brutal ein Film sein sollte, oder es auch das Recht auf eher leichte Kost gibt. Denn das Zugeständnis an schwierige und harte Filmgeschichten und die Grenzen des Zumutbaren fallen bei jedem anders aus. Nicht allein zwischen Männer und Frauen bestehen da unterschiedliche Schmerzgrenzen.

Um dann gleichzeitig festzustellen, dass der Wunsch nach einer gewissen Leichtigkeit nicht überall auf Anerkennung stößt. Wer sich zu seinem Anspruch auf Unterhaltung und Zerstreuung bekennt, muss damit rechnen, von kritischen Zeitgeistern eine gewisse Oberflächlichkeit nachgesagt zu bekommen. Leichte Kost, nur etwas Leichtes, bei der Essenbestellung hoch angesehen, bei der Filmauswahl und -kritik eher ein No-Go. Leichte Kost, das ist womöglich voraussehbares, berechenbares, klischeehaftes Kino, das sich mit einem Happy End einschmeichelt.

Die Argumentationen mal für das eine wie für das andere sind vielseitig, Floskeln plätschern auf beiden Seiten nur so dahin.

„Das Leben ist hart genug da draußen, der Zustand der Welt alles andere problemlos. Wenn ich schon ins Kino gehe, will ich nicht auch noch mit all dem Übel konfrontiert werden müssen.”

„Man darf doch nicht die Augen verschließen vor einer hochaktuellen Problematik, wie wichtig ist es doch, dass diese viel zu lang verschwiegene und verleugnete Thematik endlich mal thematisiert wird.”

Aber letztlich hält jeder an seinen Vorlieben fest. Dem Recht auf Unbekümmertheit, Leichtigkeit und Sorglosigkeit genauso wie der Notwendigkeit, sich dem Schwierigen und Unangenehmen zu stellen. Bleibt vielleicht noch die Tagesverfassung oder die sonstige, private Situation als Rechtfertigung. Nach einer äußerst anstrengenden Woche, nach einem Todesfall in der näheren Umgebung, nach einer Trennung lassen sich Zerstreuung und Distanz besser rechtfertigen. Wer aber zuhause hinter Bergen von Büchern und Zeitschriften mit der katastrophalen Weltlage beschäftigt ist, findet es gut, endlich mal in einem ausverkauften Kino die Bestätigung dafür zu finden, dass es fünf nach zwölf ist, und es alle anderen jetzt auch endlich mal einsehen sollten.

Alles etwas schwierig für kurzgefasste Filmkritiken, die ein möglichst breites Publikum ins Kino locken solen. Hier müssen beide Bedürfnisse irgendwie zusamengebracht werden. Dann heißt es: „Zwar keine leichte Kost, aber äußerst sehenswert, und vor allem die schauspielerische Leistung und die hervorragend in Szene gesetzten Bilder überzeugen. Also trotz schwerer Thematik ein durchaus kineastisches Vergnügen.” Oder umkehrt: „Eine gute Unterhaltungskomödie sollte einen durchaus ernsten Hintergrund haben, uns so vielleicht die Vision einer besseren Welt als Lichtblick am Horizont einer reinen apokalyptischen Dystopie entgegenhalten.”

Nicht immer einfach schon bei der Auswahl eines Films für einen gemeinsamen Kinoabend. Doch sich deswegen aufzuteilen und jeweils einen anderen Film anschauen, wie es in einem dieser Kinotempel durchaus möglich wäre, ist auch keine Lösung. Bei der anschließenden Nachbesprechung beim Italiener dürfte dabei der Gesprächsstoff schnell ausgehen oder aber schnell andere private Zwistigkeiten zur Sprache kommen. Dann doch lieber die unterschiedlichen Einstellungen zur leichten Kost beim selben Film diskutieren.

Kleine Risse

RAU

Im Bad fällt es mir auf, ich weiß nicht, wieso ausgerechnet heute, wo ich doch jede Woche meine Wohnung saubermache. Aber heute beginnt es im Bad. Als ich die Handtücher vom Heizkörper nehme, es ist so ein länglich hoher Röhrenheizkörper, an dem ich meine beiden Handtücher aufhänge, sehe ich an der weißen Wand zwischen den Röhren eine Stelle lockerer Farbe. Ich bräuchte nur mit dem Finger zwischen den Röhren an diese Stelle zu drücken, und das Farbstück fiele augenblicklich ab und vielleicht auch noch andere, nebenliegende lockere Bereiche. In letzter Sekunde ziehe ich den Finger wieder zurück, sehe dafür aber auf den Röhren, auf denen normalerweise nicht meine beiden Handtücher liegen, dicke Staubschichten, die ich schnell mit einem Stück Klopapier Reihe für Reihe abstreife.

Und damit beginnt das, was oft beim Saubermachen passiert. Ich weiß nicht genau, wie ich es nennen soll, vielleicht das Sonett der kleinen Fehler oder ist es eher ein Blues? Mein Blick geht vom Heizkörper nach links oben, Spinnweben in der Ecke zur Außenwand und drei, nein fünf dicke Risse in der abgehängten Decke. In den vergangenen Jahren sind es mehr geworden, sehr lange ist es nämlich immer nur ein Riss gewesen, wie viele werden es wohl noch werden oder werden müssen, bis ich einschreite?

Beinahe gnadenlos setzen meine Augen die Reise fort, ich kann nichts dagegen machen, sehe die verstaubte Fußbodenleiste und eine, nein sogar zwei fehlende Schrauben in eben dieser. Dann hinüber zur quer vor dem Fenster stehenden Badewanne, tja, denke ich mir, auch nicht viel besser. Die weiße Fuge zwischen Wanne und Wand habe ich erst letztes Jahr erneuert, was ich im Übrigen alle paar Jahre mache, und schon wieder sehe ich ein paar rötliche und auch schon zwei kleine, schwärzliche Färbungen. Wenn das mal nicht schon wieder Schimmel ist. Ähnliches bei den Fugen zwischen den Fliesen und im oberen Bereich der Fensterleibung, vor zehn Jahren musste der gesamte Putz dort abgeschlagen werden. Die Kalkflecken und Wasserspuren an den Armaturen, auf Spiegel und Badschrank sind dagegen ja fast Kleinigkeiten.

Ich stehe im Bad, und wo ich auch hinsehe, entdecke ich Mängel, die behoben werden wollen. Und ich mache mir absolut keine Illusionen darüber, was das grundsätzlich bedeutet. Meine Wohnung hat dreieinhalb Zimmer und ist neunzig Quadratmeter groß, mein Bad misst vielleicht zehn Quadratmeter. Also kann ich alle Mängel, die ich gerade sehe, mindestens mal neun nehmen, wobei in den anderen Räumen ja noch das Problem mit dem alten, abgetretenen Parktet lauert. Alles zusammen bewohne ich scheinbar eine neunzig Quadratmeter große Problemzone mit allerlei Rissen, Dellen, Löchern, Kratzern, lockeren und knarzenden Brettern, übergroßen Fugen, Schleifspuren, Stock- und Schimmelflecken, Spinnweben, Dreck- und Schmutzecken. Die Türen vertrügen auch einen neuen Anstrich, und dann sind da auch noch meine acht Fenster, die bis jetzt noch nie gestrichen, geschweige denn erneuert worden sind.

Natürlich könnte ich locker bei mir weitermachen. Der Computer ist alt und viel zu langsam, die beiden Schreibtische sind zu voll beladen und verstaubt, viele T-Shirts, Hemden, Pullover und Hosen sind bei Licht besehen auch schon recht abgetragen, einige Schuhe sollten längst neu besohlt werden und einen neuen Absatz bekommen, andere müssten gleich in die Tonne. Wo soll ich jetzt bitteschön aufhören? Und warum fange ich überhaupt mit diesem ziemlich bedrückenden Sonett oder Blues an? Denn einmal angestimmt, scheint das Auge, oder was immer es ist, was da reagiert, nur noch diese Sicht einzunehmen. Den Blick auf die Mängel meiner Wohnung, meiner Person, meines Lebens. Das nenne ich doch einen ziemlich ausgewachsenen Blues oder ist es gar eine traurige Sinfonie, die mich da Woche für Woche immer montags ereilt?

Augenblicklich denke ich, Schluss damit. Ich werde alles erneuern, das Parkett in den Zimmern und im Flur, im Bad am besten gleich alles rausreißen und komplett modernisieren, und werde auch gleich einen neuen Computer und neue Garderobe anschaffen. Schon rattern die dafür nötigen Euros durch meinen Kopf, zehntausend Euro werden da beileibe nicht reichen, wohl noch nicht einmal die doppelte Summe. Mir wird ganz schwindelig vom schnellen Überschlagen, von den hohen Zahlen, vom fälligen Ausräumen und Wegschmeißen, bevor überhaupt irgendein Handwerker mit den Arbeiten beginnen kann.

Also werfe ich den Putzschwamm ins Waschbecken und gehe in die Küche, fülle ein großes Glas mit Wasser und trinke es in einem Zug aus. Ruhigen Kopf bewahren, sage ich mir und denke an meine beiden, bewährten Überlebensstrategien. Ich werde sofort das Saubermachen beenden und die Wohnung verlassen oder Kopfhörer aufsetzen und mit einer anderen Musik den schrecklichen Blues oder die niederschmetternde Sinfonie übertönen. Nein, nicht mit Tango, der hilft leider in diesem Fall überhaupt nicht, sondern ich suche in meiner Playlist ‚Boys don’t cry’. Allein der Titel hat doch schon was. Ich entscheide mich in letzter Zeit grundsätzlich für die zweite Lösung, denn ich liebe meine auch nur halb-wegs saubere und in die Jahre gekommene Wohnung und ich schätze die Musiker von ‚The Cure’ wirklich sehr.

Kleine Risse

WIE

Es war einer der ersten Abende in diesem Sommer, an denen man endlich wieder im Garten sitzen konnte. Natürlich musste einiges von Gartentisch und Gartenbank gefegt, der Weg freigeräumt werden, bevor das Tablett mit den Gläsern, dem Brot und das Olivenöl auf den Tisch gestellt werden konnte. Dazu kamen dann noch die neuen karierten Tischsets, die sie schon vor langer Zeit für derartige Gelegenheiten in Frankreich gekauft hatten.

Als er dann noch den Rotwein in die handgeblasenen Gläser mit den blauen Stielen, übrigens auch aus Frankreich, goss, das helle Brot mit der groben Kruste auf die karierten Sets legte, das Olivenöl-Essig Flaschenset und die Messer mit den schönen alten Holzgriffen dazu drapierte, musste er feststellen: „Wie für eine Aufnahme im Life Style Magazin. Unser Garten mit den alten Mauern und Bäumen, der stilvoll gedeckte Tisch, frei von jedem modischen Schnick-Schnack. Ein Traum für jeden Liebhaber südlicher Ferienländer, für eine U60-Generation, die sich ihren Sinn für Patina bewahrt hat.”

Als nach zwei-, dreimaligen Hochlaufen in die Wohnung endlich alles beisammen war, konnte die Zeit der Ruhe und des Genießens beginnen. Dem stand nichts mehr im Weg. Bis, ja bis dann irgendwann dieses unvermeidliche Thema aufkam.

„Wenn unser Magnolienbaum, den ich ja schön finde, noch größer wird, dann werden wir ihn doch noch irgendwie absägen müssen.”

Sein Blick war gerade auf die gegenüberliegende Häuserwand gerichtet, die im prächtigen Dunkelgelb der Abendsonne leuchtete. Fast schon italienisch, dachte er jedes Mal, und das in einem kleinen Garten mitten in der Stadt. Mit der Frage, ob der Magnolienbaum vielleicht zum Problem werden könnte, war allerdings diese italienische Perspektive schlagartig verschwunden. An das Baumthema schloss sich unweigerlich die Frage an, ob man den alten Efeu wirklich so freizügig wachsen lassen durfte. Spätesten im Herbst, wenn die Nachbarin sich wieder meldete, müsste man dann womöglich alles abzuschneiden. Weil sich dann der Efeu unter die Dachschindeln der viel gepriesenen Gartenmauer schob.

Und jetzt blieb auch sein Blick an der Stelle unter der Regenrinne hängen, wo sich ein undefinierbarer dunkler Fleck befand. Ein Fleck, dem alles zuzutrauen war. Feuchtigkeit, die sich hinter dem Fassadenputz breit macht, an irgendwelchen Stellen unsichtbar ins Gemäuer eindringt und sich dann womöglich an den Stahlträgern des Wintergartens zu schaffen macht.

Was unmittelbar die Frage nach sich zog, was die komplette Einrüstung der Häuserrückwand kosten würde. Und was man bei der dieser Gelegenheit alles noch erledigen müsste, also einen kompletter Wandanstrich, einen Fensterrahmenanstrich und die Regenrinnensanierung. bei dieser Gelegenheit könnte man gleich die Regenabfallrohre von der linken auf die rechte Seite verlegen, was viele Vorteile bei der jährlichen Dachrinnenreinigung mit sich brächte.

Doch bevor sich so ein Sanierungsthema ans andere reihte, wollte er es einfach noch mal wissen: „Und wie schmeckt dir der Rotwein?” „Ach der Wein, hab ihn noch gar nicht probiert. Ja dann Prost ...”.

Doch zum ersten Schluck kam es gar nicht erst, weil der Blick weiter nach unten wanderte: „Ist dir auch schon aufgefallen, dass sich die Bodenplatten immer mehr heben? Ich meine, letztes Jahr waren diese Unebenheiten noch nicht so groß. Müssen wir da nicht mal was machen, bevor es noch schlimmer wird? Im Dunkeln kann man da schon ganz schön stolpern.”

Wie viele Stolperfallen gab es noch, um von der Gartenidylle abzulenken? Hatten sie sich im letzten Urlaub nicht auch vorgenommen, zu Hause einfach nur mal Käse, Wein, Brot und Olivenöl im Garten zu genießen, so wie sie es Italien oder Südfrankreich taten, um einfach nur die Giebel, Häuser, Dächer und Mauern in ihrer malerischen Schönheit auf sich wirken zu lassen.

„Ich glaube, wir sollten wir mal wieder in den Süden fahren.”

Drogeriemarkt

RAU