"Da ist der Wurm drin!" - Günter Siener - E-Book

"Da ist der Wurm drin!" E-Book

Günter Siener

0,0

Beschreibung

Unsere Welt ist stark gestört. "Da ist der Wurm drin!" ist eine bildhafte Aussage dazu. Bereits vor rund dreitausend Jahren haben die Autoren der biblischen Urgeschichte die gleichen Erfahrungen ins Bild gebracht: das Paradies, Adam und Eva, die verbotene Frucht, die listige Schlange, Kain und Abel, die Sintflut, Noah, die Arche und der Regenbogen, der Turmbau zu Babel. Wie können wir heute diese Bildergeschichten verstehen? Können sie uns helfen, unser Leben aus dem Glauben zu deuten?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 108

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

EINFÜHRUNG

A.

DIE BILDER DER URGESCHICHTE

1.

JHWH-Gott (2, 4ff.)

2.

Der Garten Eden (2, 8ff.15)

3.

Der Mensch (2, 7)

4.

Mann und Frau (2, 18.21-25)

5.

Die Frau

6.

Der Baum in der Mitte (2, 9.16ff.)

7.

Die listige Schlange (3, 1-5)

8.

„Und sie erkannten, dass sie nackt waren“ (3, 7ff.)

9.

Die Folgen des Fehlverhaltens (3, 14ff.)

10.

Die Vertreibung aus dem Garten Eden

11.

Kain und Abel (4, 1-16)

12.

Die Fluterzählung (6, 5 - 9, 17)

13.

Der Turmbau zu Babel (11, 1-9)

14.

Wirkungsgeschichte

15.

Zusammenfassung

B.

ERGÄNZENDE EINZELFRAGEN

1.

Historische Ereignisse?

2.

Warum gibt es die „Schlange“?

3.

Ist der Mensch unsterblich?

4.

Hängen Sünde und Tod zusammen?

5.

Was ist unter „Erbsünde“ zu verstehen?

6.

Glaube und Moral

SCHLUSSGEDANKEN

FAZIT

LITERATURANGABEN

DANK

BILDNACHWEIS

Für Johanna + Cosima + David Florens + Teresa Paul + Lisika Mio + Valentin unseren Enkelkindern zum Erzählen zum Leben

„Gott selber sagt: Er hängt an mir mit ganzer Liebe; darum werde ich ihn bewahren. Weil er mich kennt und ehrt, werde ich ihn in Sicherheit bringen. Wenn er mich ruft, dann antworte ich. Wenn er in Not ist, bin ich bei ihm; ich hole ihn heraus und bringe ihn zu Ehren. Ich gebe ihm ein langes, erfülltes Leben; er wird die Hilfe erfahren, auf die er wartet.“

Psalm 91, 14-16 (Gute Nachricht Bibel)

In der Tierwelt gibt es eine Gattung mit dem alten Namen „Wurm“ (der sich Windende). Dazu gehören Würmer, Maden und Käfer, Reptilien und Drachen (= Lindwurm).

Die Volksmedizin des Mittelalters kannte dämonische „Würmer“ als Verursacher von Krankheiten: Herzwurm, Hirnwurm, Blutwurm, Kopfwurm, Gürtelwurm, Gewissenswurm u.a.m.

Der gefürchtetste Wurm ist die Schlange mit ihrem Gift.

In diesem Buch geht es um den „Wurm“ in uns, der uns als listiger Verführer ein Leben lang verlockend anspricht. Die Heilige Schrift stellt ihn vor im Bild der „Schlange“, also dem gefürchtetsten Wurm. Was meint die Bibel damit? Inwieweit beeinflusst er unser Leben? Können wir mit ihm fertig werden? Wie geht das? Inwiefern kann uns das Vertrauen auf Gott dabei helfen?

EINFÜHRUNG

Die biblische Urgeschichte ist die bekannteste Erzählung der Menschheit. Alle wesentlichen Aspekte des Menschseins sind hier zu finden. Sie liest sich wie ein Bilderbuch, ist eine anschauliche, handlungsorientierte Erzählung. Doch uns heute mutet sie recht ungewöhnlich und fremd an. Deshalb tun wir gut daran, zu lernen, diese Bilder aus dem Alten Orient sachgerecht zu verstehen. Sie sprechen auch aktuell noch zu uns, wenn wir uns gründlich mit ihnen beschäftigen und ihr Bildmaterial auf dem Hintergrund der gesamten Bibel und der Weltliteratur deuten. Ihr Inhalt kann zwar nicht einfach abstrakt und theoretisch nach Art eines Gutachtens oder Sachberichtes wiedergegeben werden. Doch wir müssen diese Bildergeschichten in unser heutiges Denken übersetzen und ihre tiefe Wahrheit ausloten, sonst bleiben sie uns fremd.

Die Urgeschichte will nicht von vergangenen Ereignissen erzählen, sie will vielmehr Antwort geben auf die wichtigsten Fragen der Menschen zu allen Zeiten. Der Text erzählt nämlich vom Wesen des Menschen, von Grundgegebenheiten der menschlichen Existenz, von weitgehend unbewussten seelischen Vorgängen. Dies unternimmt er in der Form einer Ursprungsgeschichte. Im Ursprung, in der Entstehung - so sagt er - ist bereits das Ganze begriffen. Diese Bilder von der Entstehung machen prinzipielle Aussagen, sie bedeuten eine wichtige Botschaft auch für uns heute. Diese Form der Erzählung will sagen: „Was niemals geschah, aber immer ist.“ Wenn wir uns selbst verstehen wollen, müssen wir uns mit diesen Erzählungen beschäftigen. Wir erhalten Antworten auf Fragen wie:

Wer ist der Mensch? Was sind seine Merkmale?

Wie steht es um Mann und Frau?

Warum haben wir oft den Eindruck, in unserer Welt sei „der Wurm drin“? Warum ist der Mensch auch böse? Warum gibt es Mord und Totschlag?

Warum tun wir Dinge, die wir eigentlich nicht tun wollen?

Warum haben wir Angst vor Leid und Tod?

Wie steht es mit der Schuld, der menschlichen Freiheit und unserer Verantwortung?

Gibt es eine tragfähige Hoffnung für uns Menschen?

Die wichtigste Frage, die alle anderen durchzieht, ist für unseren Text: Wie steht Gott zu uns Menschen?

Die Wahrheit dieser bildhaften Erzählungen liegt deshalb in der Kraft, die unser Leben mit Gott verbindet, der allein uns Halt und Orientierung zu schenken vermag.

Die Bilder der biblischen Urgeschichte werden im Folgenden nacheinander betrachtet, einzeln abgetastet und für uns Menschen von heute ausgelotet. Der Schwerpunkt liegt in den Kapiteln 2 und 3 der Genesis, dem ersten Buch der Bibel. Dabei wird einerseits ganz nah am Wortlaut der Erzählung geblieben, andererseits aber auch versucht, durch vergleichbare Bibelstellen den Zusammenhang mit dem gesamten Schatz der jüdisch-christlichen Glaubenstradition herzustellen. Ein solcher Ausgriff über den vorliegenden Text hinaus soll helfen, ihn besser zu verstehen. Um dieses Verständnis haben alle Generationen gerungen und immer wieder wurden aufgrund der jeweiligen Auslegung ganz konkrete Konsequenzen gezogen, angefangen von der Glaubenslehre bis zur Ausgestaltung der Glaubens- und Lebenspraxis. Während dieser Auslegungsgeschichte bis in unsere Tage wurde ganz Unterschiedliches zu diesen Texten gesagt und geschrieben. Es sei deshalb darauf aufmerksam gemacht, dass die hier vorgelegte Interpretation nur eine von vielen ist, obgleich sie versucht, den aktuellen Forschungsstand widerzuspiegeln. Ein Schwerpunkt liegt auf der existentiellen Textauslegung, die in den bildhaften Erzählungen den Niederschlag von seelischen Vorgängen sieht. So können uralte Texte unser heutiges Leben deuten und orientieren. Gedanken, die über die analytische Betrachtung der Texte hinausgehen, sind im Folgenden durch „einen eigenen Schrifttyp“ gekennzeichnet.

Aus den mir vorliegenden Kommentaren (vgl. die Literaturangaben) wurden sinngemäß Inhalte übernommen, ohne diese im Einzelnen ausdrücklich zu zitieren. So soll das Ganze auch für einen nicht wissenschaftlich geschulten Zeitgenossen lesbar und verständlich bleiben. Die betreffenden Autoren bitte ich deshalb um Verständnis. Es wäre doch schade, wenn die Ergebnisse der Wissenschaft nur im engen Kreis der Theologen bekannt blieben. Der Schatz der angeführten Quellen ist jedoch mit dieser Schrift beileibe nicht ausgeschöpft. Sie sind für ein tieferes Studium sehr zu empfehlen.

Bei den einzelnen Kapiteln der vorliegenden Abhandlung überschneiden sich die Inhalte ein wenig, so dass hie und da auch Wiederholungen vorkommen. Dadurch werden wichtige Aussagen betont und das jeweilige Kapitel in sich abgerundet.

Bei den angegebenen Bibelstellen – Kapitel und Verse – handelt es sich immer um das erste Buch der Bibel, das Buch Genesis, z B. 2, 7 (= Gen 2, 7). Bei den anderen Büchern der Bibel sind deren gebräuchliche Abkürzungen angezeigt, z. B. Ex 3, 17 (= Exodus 3, 17).

Die Leserinnen und Leser mögen bitte den Bibeltext stets zur Hand haben und ihn immer wieder von Neuem studieren. Dadurch werden sie den Schatz dieser Bildergeschichten erst so richtig kennenlernen und seine tiefe Wahrheit entdecken.

Deshalb sind auf den folgenden Seiten die Bezugsstellen der Bibel durchgehend angegeben. Sie ermutigen dazu, den dazu gehörigen Text auch zu lesen.

A. DIE BILDER DER URGESCHICHTE

1. JHWH-Gott (2, 4ff.)

Die uns unbekannten Verfasser der biblischen Urgeschichte gehen von der Erfahrung Gottes im Zusammenhang des Auszugs aus Ägypten aus. Dem Mose hatte er sich als „JHWH“ (meist als „Jahwe“ bzw. „Jachwe“ gelesen) offenbart, als Gott an unserer Seite, der für uns da ist und immer da sein wird. Er begegnet uns nicht autoritär und überlegen, er macht uns keine Angst. Im Gegenteil, er stellt sich vor als Befreier der Zwangsarbeiter, der Ausgenutzten und somit als eine Gefahr für die Mächtigen dieser Welt (Ex 3, 1ff.).

Diese Wahrnehmungen in der Geschichte wurden im Glauben gedeutet und meist in Erzählform weitergegeben. Die so gewonnenen Glaubenserzählungen liegen unserem biblischen Text zugrunde. Darin lesen wir: JHWH-Gott ist der Schöpfer von allem, Himmel und Erde, des gesamten Kosmos und allem, was es sonst noch gibt. Das ganze Dasein verdankt sich ihm. Alles kommt aus seiner Hand.

In unserem Text wird er „JHWH-Elohim“ genannt, also etwa „Ich-bin-da-Gott“, eine Bezeichnung, die nur in den Kapiteln 2 und 3 der Genesis vorkommt. Weil sie so prägnant ist, wird sie auch in den folgenden Ausführungen mit dieser Umschreibung der Beziehung Gottes zu uns Menschen zitiert. Weil in unserem Text Gott immer „JHWH“ genannt wird, bezeichnet ihn die Wissenschaft auch als die „jahwistische Urgeschichte“. Nicht zu verwechseln mit der jüngeren Schöpfungserzählung im ersten Kapitel der Genesis (Gen 1, 1 – 2, 3), die nach dem Sieben-Tage-Schema aufgebaut ist und in der die Bezeichnung „JHWH“ für Gott nicht erscheint.

In der jahwistischen Urgeschichte wird ein Gott geschildert, der sich menschenähnlich verhält: Er formt uns Menschen wie ein Töpfer, er haucht in des Menschen Nasenlöcher den Lebensatem, er spricht die Menschen an, er mahnt aus Sorge, er gestaltet eine Parkanlage und schenkt sie dem Menschen, er bringt die Tiere zum Menschen, er betäubt den Menschen und entnimmt ihm eine Rippe, er baut daraus eine Frau, er führt diese dem Menschen zu, der dadurch zum Mann wird, er ergeht sich beim Tageswind im Garten, er ruft nach dem Menschen, er macht Röcke aus Fell und bekleidet damit den Mann und die Frau, er schickt die Menschen nach deren Fehlverhalten aus dem Garten, usw. Eine solche Gottesvorstellung nach Art eines Menschen lässt die Bilder der Urgeschichte besonders lebendig und anschaulich werden. Wir dürfen dabei aber nie vergessen, dass es sich hier lediglich um Bilder handelt, die das unausschöpfliche Geheimnis Gottes uns näherbringen, ihn aber nie ganz umschreiben können. Wenn wir diese bildhaften Beschreibungen Gottes auf uns wirken lassen, künden sie von einer ungeahnten Nähe und Zuneigung zu uns Menschen. Er ist nicht nur unser Schöpfer, aus dessen Hand und Atem wir existieren, er sorgt auch beständig für unser Wohlergehen und ist immer für uns ansprechbar. Besonders sein Verhalten gegenüber dem Fehlverhalten des Menschen erscheint umsichtig und angemessen. Seine Reaktionen darauf sind nicht als „Bestrafungen“ zu sehen, sondern er will damit eher die Folgen unseres Fehlverhaltens aufdecken und den Schaden eindämmen. Sein Anliegen ist wohl, seine Schöpfung - trotz der Missachtung seines Verbots seitens des Menschen - zu bewahren und zu verhindern, dass der Schaden sich weiter ausbreitet.

Das Reden von Gott ist in unserem Text so reichhaltig und dicht wie in keinem anderen Erzähltext der Bibel. JHWH-Gott ist der überragende Akteur. Sein Verhältnis zur Welt und insbesondere zum Menschen ist das tragende Thema dieser Erzählung. Sie beinhaltet also vor allem theologische Aussagen. Die anklingenden Themen wie z. B. die Entwicklung des einzelnen Menschen oder der Menschheit in der Geschichte sind lediglich Transporteure der theologischen Inhalte. Entwicklungspsychologische oder menschheitsgeschichtliche Erkenntnisse können also nicht daraus gewonnen werden.

Wichtig ist: Dieser JHWH-Gott wird hier klar vertrauenswürdig geschildert, er ist der einzige und hat keine zwei Seiten – eine helle und eine dunkle –, wie dies bei den Gottheiten anderer Religionen oft der Fall ist. Er ist also nicht ambivalent, zwiespältig, sondern uns Menschen eindeutig voll Liebe zugewandt. Er erschafft die Menschen nicht, damit sie ihn bedienen – wie dies in außerbiblischen Mythen von den Göttern erzählt wird – , ganz im Gegenteil unternimmt er alles, damit es den Menschen gut geht. Er verschenkt sich selbst, teilt von seiner Fülle aus und lässt die Menschen teilhaben an seinem Atem, seiner Atmosphäre.

2. Der Garten (in) Eden (2, 8ff.15)

Der üppige Garten, in den JHWH-Gott den Menschen setzt, ist Ausdruck von seinem wohlwollenden Schöpferwillen. Ein Garten war für die Verfasser der biblischen Urgeschichte einfach ein Traum, ein Ort zum Genießen, ein Ort der Muße. „Eden“ heißt auf Deutsch „Wonne“. Nur Könige und Fürsten konnten sich im Orient Gärten anlegen, große Parkanlagen mit einem hohen Aufwand zur Bewässerung. JAHWH-Gott pflanzt diesen Garten für den Menschen. Das ist im Kontext der altorientalischen Literatur völlig ungewöhnlich. Dort sind die Gärten nur für die Götter da. Dem Gott der Bibel ist für den Menschen also das Beste gerade gut genug. Er schafft dem Menschen einen herrlichen Lebensraum. Er denkt sich für ihn etwas Wunderbares aus, er bereitet ihm ein „Paradies“, das ist der persischgriechische Name für den Garten. Wir haben also einen Gott, der sich rührend um uns kümmert und immer wieder und zu jeder Zeit Neues und Köstliches für uns bereit hält, der uns Leben und Freude im Übermaß schenkt.

Dieses Gottesbild zeigt sich in der gesamten Bibel. So hat er Abraham eine neue Heimat und ein neues Volk bereitet (12, 1ff.). Das Volk Israel hat er nach dem Auszug aus Ägypten in ein weites Land geführt, ein Land, in dem Milch und Honig fließen (Ex 3, 17). Der Prophet Jesaja spricht davon, dass Gott für alle Völker ein großes Festmahl bereiten will mit feinsten Speisen und auserlesenen Weinen (Jes 25,6-8). Jesus erzählt im Johannesevangelium von vielen Wohnungen im Haus seines Vaters, die für uns bereit sind (