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Sophie hat sich ein komplett neues Leben in Puerto Rico aufgebaut und genießt die Zeit in der bunten und warmen Stadt San Juan. Als dann Nicky, ein Mitglied der Da Silvas, in ihr Leben tritt, erweckt er eine bisher unbekannte Neugierde in ihr. Doch statt nur für ihre Sicherheit zu sorgen, bringt er ihr gesamtes Leben durcheinander. Erfahrt mehr im neuen Teil der Da Silva-Reihe - Herbstblatt
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
»Herzlichen Glückwunsch, ich freue mich wahnsinnig für dich. Man sagt, das erste Jahr ist das schwerste und du hast das fantastisch gemeistert.«
Sophie nimmt den nächsten Blumenstrauß entgegen und umarmt dankbar Luisa, die im Laden nebenan Kuchen verkauft und ihr auch heute Abend geholfen hat. Sie hat ein leckeres Kuchenbuffet kreiert.
»Danke, und auch vielen Dank für all deine Hilfe dieses Jahr. Sieh dir die neue Kollektion an, wir haben sie heute erst aufgehängt, und das Kleid, was ich trage, ist auch davon. Such dir gerne etwas aus.« Luisa sieht an Sophie herunter und hebt die Augenbrauen. »Das tue ich. Du siehst traumhaft aus. Ich sehe mich gleich mal um.«
Sophie lächelt und nimmt noch einen Schluck von dem Champagner, den alle ihre Gäste heute gleich am Eingang bekommen. Sie sieht in den Spiegel und überprüft, ob noch alles stimmt. Das neue Kleid ist eines der sexiesten, die sie in ihrer Strandboutique anbieten. Es ist, wie vieles hier im Laden, weiß, gehäkelt und aus weichem Stoff. Es geht Sophie bis zu den Knien und hat feine Träger. Wie meistens trägt sie ihre hellblonden Locken offen, sie sind viel zu schwer zu bändigen und sie hat ihre blauen Augen noch etwas mehr betont als sonst.
Zufrieden sieht sie sich weiter um.
Heute ist ihr kleiner Laden ein Jahr alt. Es war verrückt, viele haben ihr gesagt, dass es ein zu großes Risiko ist, eine weitere Strandboutique aufzumachen, hier am Strand von Puerto Rico, so weit weg von Padanaram Village, Massachusetts, der kleinen Stadt, in der sie bis vor einem Jahr noch gelebt hat.
Sie war immer die vernünftige Tochter von Jim und Catherine Parker. Sie hatte eine glückliche Kindheit. Ihr Vater war der Inhaber einer Produktionsfirma für Landwirtschaftsgeräte, ihre Mutter zu Hause. Shay, Sophies ältere Schwester und sie sind in Padanaram Village zur Highschool gegangen. Sie haben nie Ärger gemacht, doch sie beide hatten immer den Traum, herauszukommen, die Welt zu entdecken und irgendwo am Strand zu leben, eine Boutique oder ein kleines Café zu eröffnen und glücklich zu werden.
Ihre Eltern haben ihre Pläne nur belächelt. Ihr Vater hat ihnen schon Stellen in seiner Firma eingeräumt, doch für sie beide war absolut klar, dass sie sich diesen Traum eines Tages erfüllen wollen, wenn auch nur für einige Jahre.
Shay ist nach der Highschool auf das College in Massachusetts gegangen. Da es nicht so weit von ihrem Elternhaus entfernt ist, ist sie erst noch bei ihnen geblieben, hat aber schon begonnen, sich nach einer Bleibe in der Nähe des Campus umzusehen. Dann ist auch Sophie aufs College gekommen und sie haben versucht, zusammen eine Wohnung zu finden und dann anzufangen, ihre Träume zu verwirklichen und für einige Jahre ihre Gegend zu verlassen.
Rückblickend kann Sophie noch immer nicht richtig verkraften, dass nur wenige Minuten all das beendet haben, eine Sekunde über Tod und Leben entschieden und sie alle aus ihrem normalen Alltag gerissen hat.
Es waren nur wenige Minuten.
Shay, ihr Freund, und ihre beste Freundin und deren Freund waren auf dem Rückweg von einer Party. Sie hatten einen Autounfall. Ein anderes Auto hat sie gestreift und von der Fahrbahn abgebracht und sie sind eine Böschung hinunter und gegen einen Baum gekracht. Alle vier waren sofort tot, der Aufprall war viel zu stark.
Jedes Mal wenn Sophie daran denkt, wird alles schwarz in ihren Gedanken, denn genau das ist passiert. Alles um sie herum wurde schwarz und das für eine ganz lange Zeit.
Sie weiß noch, wie ihre Mutter zusammengebrochen ist, als mitten in der Nacht der Sheriff zu ihnen gekommen ist; nicht nur ihr eigenes Herz ist in diesem Moment gebrochen, es hat sie umgebracht zu sehen, wie ihre Eltern gelitten haben. Und nicht nur sie. Sie sind eine kleine Stadt, alle kennen sich und sie haben vier Menschen gleichzeitig beerdigt, die von ihren Familien und der ganzen Stadt betrauert wurden.
Lange Zeit waren sie alle unfähig, weiterzumachen. Jeder Tag war ein Kampf, doch irgendwann mussten sie weiterleben. Ihr Vater hat alles darangesetzt, zusammen mit den anderen die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen. Der Unfallverursacher hat behauptet, die Jugendlichen wären sichtlich angetrunken Auto gefahren und selbst von der Fahrbahn abgekommen, doch Blutuntersuchungen haben dann gezeigt, dass keiner von ihnen zu viel getrunken hatte, und letztlich ist herausgekommen, dass der Mann einfach viel zu schnell unterwegs war.
Bis das alles geklärt war, ist viel Zeit vergangen, doch es hat ihnen nicht die Erlösung gebracht, die sie sich vielleicht alle erhofft hatten. Ihre Mutter hat begonnen weiterzumachen, doch sie ist jeden Morgen an Shays Grab und jeden Abend vor dem Schlafen in ihrem Zimmer. Auch ihr Vater hat sich irgendwann wieder in die Arbeit gestürzt und so seine Ablenkung gefunden, doch für Sophie hat das alles nicht funktioniert.
Sie ist aufs College gegangen und hat versucht, sich abzulenken, doch sie hatte immer das Gefühl, einen zu engen Schal um den Hals gebunden zu haben. Am ersten Todestag von Shay haben ihre Mutter und sie beschlossen, ein paar alte Sachen von ihr zu spenden. Sie wussten, dass Shay das so gewollt hätte. Nichts Wichtiges, nichts, woran sie zu sehr hängen, doch einige Kleidungsstücke aus ihrem großen Kleiderschrank und alte Spielsachen, die sie noch von früher hatten.
Beim Ausmisten haben sie viel geweint, aber auch gelacht, und vielleicht war das nach all der Zeit der erste Lichtblick. Sie haben dort auch Unterlagen für ihre Pläne gefunden. Shay hat ihre Pläne viel ernster als Sophie genommen und hatte sich schon vier Läden herausgesucht. Es war einer auf Hawaii, eine Strandbar, die zum Verkauf stand und zwei Boutiquen in Mexiko. Es gab noch einen Strandladen in Puerto Rico und sie hatte zu allen Ländern schon Listen erstellt und Bilder zusammengetragen, was besser zu ihnen passen würde.
Ihr Vater ist dazugekommen und sie haben sich all diese Sachen angesehen. Vielleicht haben ihre Eltern da das erste Mal realisiert, wie ernst sie beide es gemeint haben. Sophie hat die Unterlagen mit in ihr Zimmer genommen und nachts davon geträumt, wie viele Stunden Shay und sie im Zimmer auf ihrem Bett lagen und darüber gesprochen haben, jeden Tag mit Palmen vor dem Fenster aufzuwachen.
Mitten in der Nacht hat Sophie dann im Internet nach den Läden gesucht. Zwei waren bereits vermietet, einen gab es nicht mehr, nur der Laden in Puerto Rico war noch zu haben. Über dem Laden gibt es sogar eine kleine Wohnung und er liegt direkt am Meer. Es ist alles, was sie sich vorgestellt haben.
Sophie hat sich lange mit Nelly, der Inhaberin einer Boutique in ihrer Stadt, unterhalten. Alle lieben Nellys Boutique, sie ist gemütlich und hat immer die schönsten Kleidungsstücke, aber auch gleiche Home-Accessoires. Sie hat ihr von alldem erzählt und Nelly hat ihr ihre Großhändler gezeigt und auch, dass sie in alle Länder exportieren.
Nach und nach hat sich der Schal um Sophies Hals gelockert und während der nächsten Tage konnte sie nur noch an ihren Traum und diesen kleinen Laden in Puerto Rico denken. Ohne ihre Eltern zu fragen hat sie für sie drei Tickets gekauft und hat für vier Tage ein Hotel in der Nähe des Ladens gemietet. Ihre Eltern waren überrascht, doch weil sie wussten, wie viel es Shay bedeutet hat, sind sie zusammen hingeflogen.
Es war Liebe auf den ersten Blick, mit dem Land und mit allem anderen. Am vierten Tag saßen sie zusammen am Strand und haben sich den Sonnenuntergang angesehen, dabei hat Sophie ihren Eltern gesagt, dass sie es probieren möchte, wenn auch nur für einige Jahre, doch sie braucht diese Veränderung, um wieder richtig atmen zu können.
Nun steht sie in ihrem Laden dem 'Shay', der seit einem Jahr von Tag zu Tag besser läuft. Sie hat sogar schon zwei Mitarbeiterinnen und hat ihr Sortiment immer wieder erweitert. Die Leute lieben die Atomsphäre, die sie hier mit den weißen Wänden, den Holzverzierungen, der altmodischen Theke und den verschnörkelten hellen Möbeln und Regalen geschaffen hat. Neben Kleidung haben sie nun auch Kissen, Dekorationsartikel und auch zwei, drei Regale und Stühle, die man hier kaufen kann.
Das Wichtigste aber ist, dass sich ihre Kunden oder jeder, der den Laden betritt, wohlfühlt, und das tun sie. Sophie hat es nicht einen Tag bereut, ihren Universitätsplatz ruhen zu lassen und sich hier ihren Traum zu erfüllen und sie hat den Mietvertrag für ein weiteres Jahr unterschrieben, was dann kommt, weiß sie noch nicht, doch hier und jetzt ist sie sehr glücklich.
Auch das Leben in Puerto Rico mag sie. Sie hat einige Freunde hier gefunden; als sie hergezogen ist, konnte sie nur ihr brüchiges Schulspanisch, jetzt beherrscht sie die Sprache schon relativ gut. Sie hat sich über dem Laden ihre kleine Wohnung eingerichtet und erkundet an ihren freien Tagen Puerto Rico und auch die Nachbarländer. Sie lebt ihr Leben. Wenn die Läden schließen, sitzen Luisa wie auch andere Inhaber von Geschäften oft noch zusammen am Strand und lassen den Tag gemeinsam ausklingen. Sie verbringt manchmal ihre Mittagszeit, in der die Läden geschlossen sind, am Strand oder geht mit Freunden etwas essen. Sie hat nicht solche festen Freunde wie in Massachusetts, doch viele gute Bekannte, die ihr den Alltag hier versüßen.
Ihre Eltern hat sie gerade erst gesehen, am zweiten Todestag von Shay. Sie ist nach Hause geflogen, und da ihr Vater in knapp drei Wochen sechzig wird, sehen sie sich bald wieder, sodass sie zu der Feier heute nicht extra hergeflogen sind, doch sie kommen immer mal her und unterstützen Sophie auch weiterhin.
Sie läuft durch den Laden, ihre Mitarbeiterinnen schenken Getränke aus, die Leute sehen sich ihre Kleider und alles andere an. Diese Feier ist ein kleines Dankeschön an ihre Freunde, Geschäftsnachbarn und Stammkunden, und der Laden sowie die geschmückte Veranda vor dem Laden sind voll.
»Sophie, alles Gute, ich wünsche dir weiterhin viel Glück. Ich habe dir ein Duftset zusammengestellt, das du bei der Klimaanlage befestigen kannst und das dann durch den ganzen Raum strömt.« Marina, aus dem Laden am Ende der Promenade, umarmt sie. »Danke, das werde ich morgen gleich austesten.«
Jemand berührt sie an ihrer Taille, Sophie dreht sich um und sieht auf Antoni, der einen großen Strauß Rosen in der Hand hält, die er ihr überreicht. »Herzlichen Glückwunsch. Ich gratuliere dir und ich hoffe, du freust dich über mein Geschenk.«
Antoni, er ist mittlerweile ein guter Freund geworden. Als Lieferant von Lebensmitteln ist er oft auf der Promenade unterwegs und kennt alle Ladeninhaber und so haben auch sie sich angefreundet. Er kommt alle paar Tage vorbei und Sophie weiß auch, dass er sich mehr erhofft, wenn er Zeit bei ihr im Laden verbringt, doch Sophie hat momentan kein Interesse an einer Beziehung oder dergleichen und hat ihm das auch schon mehrmals versucht klarzumachen. Doch der große Mann mit den hellbraunen Locken und dem immer sportlichen Look scheint das nicht ganz verstehen zu wollen, und er ist auch viel zu lieb, als dass Sophie ihm das allzu deutlich klar machen möchte. Sie hofft einfach auf die Zeit, die ihm zeigen wird, dass außer Freundschaft nicht viel zwischen ihnen sein wird.
Er tritt zur Seite und deutet auf zwei Männer, die hinter ihm stehen und sich gerade zwei Gläser Champagner nehmen.
Verwundert sieht sie von den beiden Männern zu Antoni, ihr Geschenk? Die zwei fallen hier sofort auf. Sie sind beide sehr durchtrainiert, einer trägt eine Glatze mit einer Tätowierung darauf, der andere kurze schwarze Haare, beide haben eine dunklere Hautfarbe als sie. Ihre Arme sind voller Tattoos, man spürt sofort, dass die zwei Männer gefährlich sind.
»Sophie, das sind Nicky und Sergio, sie gehören zu den Da Silvas, ich habe dir doch davon erzählt. Ich habe mich für dich darum gekümmert, dass dein Laden ab sofort auch unter ihrem Schutz steht.«
Natürlich, sie hatten erst vor einigen Tagen darüber gesprochen.
Hier in Puerto Rico ist es leider so, dass die Läden öfter überfallen werden, oft auch am helllichten Tag und Sophie ist es jetzt schon zweimal passiert, dass sie abends in ihre Wohnung wollte und gemerkt hat, dass jemand probiert hat, in den Laden zu kommen. Sie kann nur froh sein, dass ihr Vater solch ein gutes Schloss eingebaut hat, doch die meisten Ladenbesitzer nehmen inzwischen die Hilfe der Da Silvas in Anspruch.
Seit einigen Tagen sollen auch irgendwelche Männer herumlaufen und Geld von den Ladenbesitzern verlangen, die noch keine Familia für ihren Schutz bezahlt haben und Geld einfordern, damit man unter ihrem Schutz steht. Doch wirklich sicher kann man nur mit den Da Silvas sein. Zumindest sagen das alle, die hier schon lange Geschäfte haben oder sich in diesen Sachen auskennen. Die Da Silvas sind eine Familia. Sophie hat nicht so ganz genau verstanden, was das alles bedeutet, doch sie stellt sich das in etwa wie eine Sicherheitsfirma vor.
Die beiden Männer reichen ihr die Hand. »Einen schönen Laden hast du hier. Wir haben gehört, dass es bereits Probleme gab und dein Freund denkt, wir könnten dir da helfen.« Die beiden Männer haben große Hände, und auch wenn Sophie beruhigt sein sollte, dass sie bei ihr schon solch einen beängstigenden Eindruck hinterlassen und es dann sicher bei allen Einbrechern tun werden, weiß sie nicht genau, was sie sagen soll.
»Ja, die gab es tatsächlich und ich habe auch schon gehört, dass euer Schutz sehr erfolgreich sein soll.« Jemand ruft Antoni und er entschuldigt sich einen Moment, während der Mann mit der Glatze einen Anruf bekommt und annimmt. Nun steht Sophie nur noch mit dem anderen Mann auf der Terrasse.
Obwohl er furchteinflößend wirkt, ist er ein sehr hübscher Mann. Neben seinem großen durchtrainierten Körper fallen ihr seine markanten und schönen Gesichtszüge auf. Er hat einen Dreitagebart und sehr weiche samtige, dunkle Augen, die sie leicht amüsiert anblicken. Es deuten sich tiefe Grübchen auf seinen Wangen ab, wenn er lacht, was im starken Kontrast zu seinem sonstigen Auftreten sehr sympathisch wirkt.
»Das ist es. Wenn wir uns darum kümmern, brauchst du dir keine Gedanken mehr zu machen. Antoni meinte, du wohnst auch in dem Laden?« Es fühlt sich merkwürdig an, dass der Mann, Nicky, sie gleich duzt, sie kennen sich nicht; auch wenn sie erst 22 ist, ist sie es doch so gewohnt, erst einmal etwas förmlicher zu sein. »Ja, oben drüber ist eine kleine Wohnung.« Dieser Nicky sieht in den Laden und nickt. »Das sollte kein Problem sein, wenn wir uns darum kümmern, könntest du auch ohne abzuschließen schlafen, dann brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen.«
Das wäre gut und dass die Männer der Da Silvas Eindruck hinterlassen, davon kann sie sich gerade selbst überzeugen. »Und wie genau funktioniert das alles? Wie wissen die Leute, dass dieser Laden unter eurem Schutz steht?« Der andere Mann kommt wieder und sagt etwas zu Nicky. »Eigentlich würde ich mir den Laden nochmal ansehen und all das mit dir besprechen, doch wir müssen los und hier ist heute eh zu viel los. Herzlichen Glückwunsch noch mal ...«
Er greift in seine Hosentasche und zieht eine Karte heraus, die er ihr in die Hand gibt. Als sich dabei ihre Finger berühren, blickt sie einen Moment in seine sanften Augen und er lächelt. »Ich komme die Tage noch einmal vorbei und wir besprechen alles genau, sollte davor etwas sein, ruf an. Grüß noch einmal deinen Freund.«
Sophie ist ganz verwirrt und räuspert sich. »Er ist nicht mein Freund.« Nun hebt Nicky seine Augenbrauen und der andere Mann hebt seine Hand, um sich zu verabschieden. »Bist du dir sicher? Er hat uns schon für ein Jahr bezahlt, das ist mehr als eine freundschaftliche Geste, aber gut … wir sehen uns dann.«
Sophie atmet durch, als die beiden Männer die Terrasse verlassen und zu einem teuren silbernen Auto laufen. Sophie sieht, wie alle die zwei respektvoll betrachten und ihnen Platz machen, dann wendet sie sich um, wo Antoni ihr im Gespräch mit Luisa vertieft trotzdem zuzwinkert.
Diesen Schutz sollte sie unbedingt annehmen, auch ihr Vater hat sie schon gebeten, sich um mehr Sicherheit zu kümmern, doch sie möchte bei niemandem in der Schuld stehen, deswegen geht sie die Treppen hinab und läuft den Männern hinterher.
»Entschuldigung, ich habe noch eine Frage ...«
Dieser Nicky bleibt stehen; als sie sich vor ihn stellt, ist er genau einen Kopf größer und sieht sie mit einem interessierten Ausdruck im Gesicht an.
»Ich würde … ich mag es nicht, jemandem etwas schuldig zu sein. Ich bin Antoni sehr dankbar für die Idee, doch könnte ich erfahren, wie viel es mich kosten würde, wenn ich alleine für dieses Jahr aufkommen würde?«
Einen Moment sieht Nicky ihr in die Augen, dann bildet sich ein hübsches Lächeln auf den Lippen und seine Grübchen zeigen sich ganz.
»Das können wir auch gerne so machen, wie gesagt, ich komme die Tage vorbei, dann klären wir das alles.«
Sie nickt und er lächelt noch einmal und steigt dann zusammen mit dem anderen Mann ins Auto.
Wenn das in Puerto Rico dazugehört, um sicher zu sein, wird Sophie auch das tun, um sich ihren Traum nicht zerstören zu lassen.
»Okay, das geht aber nur, wenn du hier hinten Platz schaffst.« Juan deutet auf die Kleiderstangen mit den neuesten Kleidern und Oberteilen. »Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich das kleine Lager umbaue, sodass man es mitnutzen kann.«
Sie gehen zu dem kleinen Lagerraum, der noch durch einen Vorhang vom Rest des Ladens abgetrennt ist. Hier lagert Sophie die neuesten Klamotten und Dinge, die nicht mehr vorne in den Laden passen. »Somit hättest du genug Platz für die neuen Dekorationsartikel. Ich könnte dir hier zwei Regale einbauen, die mit einer Kleiderstange verbunden sind.«
Sophie sieht zu den Wänden. »Ich werde sie am Wochenende streichen, dann kannst du nächste Woche schon die Regale einbauen. Die neue Ware kommt in einigen Tagen.«
Juan hat seinen Kaffee ausgetrunken und nickt. »Das mache ich. Ich habe noch einiges von Maria für dich dabei. Wenn ich ihr sage, dass du jetzt noch mehr Dekorationsartikel haben wirst, wird sie dich nächste Woche garantiert besuchen kommen. Wo willst du denn die ganzen Kartons aus dem Lager hintun? Du brauchst doch ein Lager?«
Sophie deutet zu der schmalen Treppe, die in ihre Wohnung führt. »Ich werde erst einmal alles nach oben bringen müssen. Ich brauche den Platz als Verkaufsraum und na ja, ich kenne die Lieferanten mittlerweile recht gut. Sie haben bestimmt kein Problem damit, mir die Sachen nach oben zu bringen.« Er nickt. »Du weißt, dass noch Räume in den Containerreihen frei sind. Das machen viele Händler hier. Die Lagerräume sind bewacht und groß und du kannst dir die Ware immer von den Mitarbeitern bringen lassen. Es ist perfekt für alle Händler und nur ein paar Minuten entfernt.«
Sie laufen langsam vor den Laden, nachdem Juan seine Tasse auf ihren Tresen gestellt hat. Sophie begleitet Juan zu seinem Auto. Maria und er sind mittlerweile sehr gute Freunde von ihr geworden. Sie betreiben einen Bauernhof etwas abseits von San Juan. Juan verdient sich Geld damit, Regale und andere Dinge anzufertigen und er hat ihrem Vater und ihr damals für einen guten Preis geholfen. Er wurde ihr von Luisa empfohlen und zu ihrer Eröffnungsfeier hat er Maria mitgebracht, die seitdem mindestens alle zwei Wochen bei ihr ist und immer etwas aus ihrem Laden mitnimmt.
Sophie mag die beiden gemütlichen Puertoricaner, sie sind hier so etwas wie ihre Ersatzeltern. Sie fährt immer mal wieder zu ihnen auf den Hof, um abzuschalten.
»Die Lager sind viel zu teuer. Ich kann mir die noch nicht leisten. Jetzt muss ich mich auch noch um die Sicherheit kümmern und muss erstmal abwarten, was sich mit dem dazugewonnenen Verkaufsraum tut, vielleicht dann, solange heißt es einfach öfter Treppen steigen, aber schaden wird das auch nicht.«
Juan lächelt und öffnet seinen Kofferraum. Er reicht ihr den Holzkorb von Maria, gefüllt mit frischem Gemüse, Eiern, Salat und selbst gebackenem Brot. Die Sachen vom Bauernhof schmecken viel besser als alles, was man hier im Supermarkt bekommt. »Dankeschön, gib Maria einen Kuss und fahr vorsichtig.« Sie küsst Juans weiche Wangen und er nickt. »Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid. Ich komme nächste Woche.«
Sophie bringt die Sachen schnell in die Wohnung und freut sich schon darauf, sich gleich etwas Leckeres zum Mittag zu machen, wenn die Mittagspause beginnt. Die Läden schließen hier von 13-16 Uhr und haben dann abends länger geöffnet. Sie geht nach unten und noch einmal kommt ein Schwung von Leuten in den Laden, die vom Strand kommen; sie verkauft zwei Kleider und Ohrringe, und kurz bevor sie zur Mittagspause abschließen will, kommen zwei Männer in den Laden.
»Hallo, wir sind hier wegen der Schutzgelder. Sie werden sicher schon mitbekommen haben, dass wir die jetzt hier am Strand einsammeln.«
Sophie sieht die Männer unsicher an. Sie hatte die letzte Woche darauf gewartet, dass dieser Mann, so wie angekündigt, vorbeikommt, doch er kam nicht. Diese Männer hier sehen ganz anders aus als die Männer, die hier waren. Sie sehen auch düster aus, doch irgendwie noch wilder. Ihre Tätowierungen sind überall im Gesicht und sie haben nicht diese gefährliche Eleganz wie die beiden Männer, die sie hier im Laden getroffen hat.
»Kommen Sie ... von … Nicky?« Sie hat den Namen fast vergessen, sie hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass sich die Da Silvas noch melden. Wahrscheinlich hätte sie nicht erwähnen sollen, dass sie die Rechnung dafür doch selbst bezahlt. Sie wird Antoni noch einmal darauf ansprechen, sie hat ihn seit zwei Tagen nicht gesehen, er hatte keine Liefertermine hier.
Die Männer sehen sich an und lachen kurz auf. »Ja, sicherlich doch. Also das macht 500 Dollar, ab jetzt kommen wir immer zum ersten des Monats und sammeln das Geld ein.« Ein ungutes Gefühl macht sich bei Sophie im Magen breit und sie ist dankbar, dass ihre letzte Kundin sie zu sich an die Umkleidekabine ruft. »Einen Moment, ich muss mich darum kümmern. Sie können sich solange einen Muffin nehmen. Ich bin sofort wieder da.« Die Männer nicken nur und nehmen sich zwei Muffins. Einer der Männer telefoniert.
Die Kundin möchte das Kleid noch eine Nummer größer. Während sie nach hinten ins Lager geht, nimmt sie ihr Handy heraus, sie hatte sich Nickys Nummer schon eingespeichert und wählt sie jetzt. Auch wenn es gut sein kann, dass diese Männer von Nicky kommen, fragt sie lieber noch einmal nach. 500 Dollar? Sie hat mit viel Geld gerechnet, doch nicht mit so viel und das könnte sich auch Antoni nicht leisten, irgendetwas stimmt hier nicht.