Da stimmt die Chemie - Andreas Korn-Müller - E-Book

Da stimmt die Chemie E-Book

Andreas Korn-Müller

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Beschreibung

Warum schimmeln wir nicht wie Toastbrot? Wie viel Chemie steckt in einem Streichholz? Wieso leuchtet Blut? Wie funktioniert das Immunsystem? Chemie umgibt uns überall, ob wir essen, trinken oder arbeiten – auch, wenn das den meisten von uns gar nicht bewusst ist und wir «Chemie» mit formelreichen und komplizierten Schulstunden verbinden. Doch chemische Reaktionen ermöglichen überhaupt erst Leben. Andreas Korn-Müller versteht es, das Faszinierende an der Chemie aufzuzeigen und sie verständlich und mit einer Prise Humor zu erklären.

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Seitenzahl: 261

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Andreas Korn-Müller

Da stimmt die Chemie

Wissenswertes aus dem Reich der Moleküle

Rowohlt Digitalbuch

Inhaltsübersicht

Wichtiger Hinweis:Einleitung1. Grundlagen für alle Chemie-AbwählerKurze Einführung in die Welt der Atome und MoleküleEine Welt voller Formeln und ReaktionsgleichungenKleines Chemie-Lexikon für Chemie-Abwähler2. Chemielabor Mensch – unser KörperUnser StoffwechselEnzymeDie Körperchen im BlutUnser ImmunsystemGefahr im Anmarsch: Bakterien und VirenSpezialfall Aids-VirusExkurs 1: Pflanzliche Arzneimittel contra chemische MedikamenteExkurs 2: Schüßler-Salze3. Chemische Delikatessen – Essen und KücheIn aller Munde: die MolekularkücheIn allen Kochbüchern – Hitze lässt nichts, wie es istKochen in der MikrowelleSchokolade – nicht nur eine göttliche ErfindungKüchen-Unsinn aus chemischer Sicht4. Wenn Moleküle tanzen – Freizeit und PartyFluoreszenz & PhosphoreszenzChemolumineszenzAlkohol am SteuerParty-ExperimenteDie wundersame Magic BarFreizeitchemie – trockener Sand und nasse BadehoseChemie auf der Straße5. Brenzlige Moleküle – Faszination FeuerFeuerunfälle – «Ist denn schon mal was passiert??»Was bedeutet Verbrennung?Feuer machenWarum ist Feuer heiß?Die KerzeDas FeuerzeugFeuer löschenExkurs 1: Feuer im Darm – Energie für den KörperExkurs 2: Feurige Atomkerne6. Brisante Moleküle – Explosionen, Detonationen, FeuerwerkExplosivstoffeExplosion und Detonation7. Chemie in der Vergangenheit – historische ErfindungenErfindung der StreichhölzerDas berühmteste Feuerzeug der WeltLeuchtendes Gas: der GlühstrumpfFlüssiger Stahl aus Rost: das Thermit-VerfahrenMit einem Sieb Feuer löschenGib Gummi – Hightech vom weinenden BaumAnhangGlossarLösungen zu den «Rätselfragen des Alltags»Abbildungsnachweis
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Wichtiger Hinweis:

Der Leser ist aufgefordert, mit den im Buch vorgestellten Experimenten eigenverantwortlich umzugehen. Die Experimente sind mit Gefahrensymbolen gekennzeichnet. Garantie und Haftungsansprüche jeder Art sind ausgeschlossen.

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Einleitung

Als ich mich 1997 dazu entschieden hatte, meine Forscherlaufbahn an den Nagel zu hängen und stattdessen mein Chemielabor auf die Showbühne zu verlegen, erntete ich von vielen Kollegen, den Professoren, meinem Doktorvater unverständiges Erstaunen. (Mein Doktorvater hat meinen Schritt bis heute noch nicht ganz verkraftet. Das ehrt mich.) 1993 kam mir erstmals der Gedanke, chemische bzw. naturwissenschaftliche Inhalte in Form von spektakulären und verblüffenden Experimenten unterhaltsam in einer «Chemie-Show» zu verpacken und zu präsentieren. Daraus entstand schließlich mein Unternehmen «science comedy» und mein Künstlername «Magic Andy».

Der damalige Generaldirektor des Deutschen Museums, selbst Chemie-Professor, setzte sich trotz anfänglicher Bedenken für mich ein und unterstützte mein Vorhaben, Chemie in einer Show auf die Bühne zu bringen. Mittlerweile habe ich sieben verschiedene Shows im Programm und bin stets darum bemüht, die breite Öffentlichkeit für die Naturwissenschaft, insbesondere die Chemie, zu begeistern.

Viele Menschen zeigen sich nach meinen bisherigen Erfahrungen durchaus offen und interessiert der Chemie gegenüber. Was ihnen fehlt, ist lediglich das grundsätzliche Verständnis und damit ein praktikabler Zugang. Wie oft habe ich von Schülern, aber auch von vielen Erwachsenen gehört, dass sie Chemie in der Schule gehasst und deswegen bei der ersten Gelegenheit abgewählt haben. Chemie ist definitiv kein Lieblingsfach. Und warum ist das so? Wahrscheinlich wegen der vielen Formeln, die man auswendig lernen muss, der schwierigen Reaktionsgleichungen und vor allem dem Mangel an (spannenden und anschaulichen) Experimenten im Unterricht.

Mich haben schon viele Zuschauer gefragt, warum ich kein Chemielehrer geworden sei. Solche motivierenden Vermittler einer eigentlich faszinierenden Sache bräuchte man an den Schulen, die könnten die Schüler begeistern und an das Fach heranführen. Das mag schon sein. Doch den Schwarzen Peter auf vermeintlich unfähige Lehrer zu schieben, ist meiner Meinung nach zu kurz gedacht. Die Pädagogen müssen sich an enge Lehrpläne halten, ihnen fehlen oft die Mittel und die Zeit für tolle Experimente im Unterricht, damit also der nötige Spielraum, bei ihrem «Publikum» spontane Begeisterung zu erzeugen. Dementsprechend wundert es nicht, dass das Gros der Leute erschreckend wenig über Chemie, die natürlichen chemischen Vorgänge, weiß und viele vor dem Hintergrund dieser Unkenntnis ein generelles Misstrauen gegenüber dieser Wissenschaft vom Aufbau, den Eigenschaften und der Umwandlung natürlich vorkommender Stoffe hegen. «Chemie» kommt aus Sicht vieler direkt nach Atommüll, könnte man manchmal meinen. Im Gegensatz dazu strahlt die Biologie geradezu im Glanz ihrer Akzeptanz und des ihr entgegengebrachten Interesses, scheint Natur pur zu sein, und das, obwohl sich alle Vorgänge der Biologie letztlich auf chemische Prozesse reduzieren lassen (und die chemischen letztlich auf physikalische und diese wiederum auf mathematische).

Es ist geradezu erschütternd, was und wie viel an chemischem Unsinn als «wahr» und unhinterfragt in manchen Gruppen, mitunter auch in den Medien kursiert. Ich habe bisweilen den Eindruck, dass Chemie für viele mehr eine Frage des festen Glaubens als des objektiven Wissens ist. Wenn eine zu Recht auf die gesunde Ernährung ihrer Kinder achtende Mutter behauptet, Haushaltssalz bestehe nur aus schädlichem, künstlichem Natriumchlorid, wohingegen natürliches, biologisches Meersalz fast kein Natriumchlorid enthalte und daher besser für den Körper sei, bin ich erst mal platt. Die stichhaltige Erklärung, geschweige denn den Beweis für diese Behauptung will ich gar nicht erst erfragen.

Allerdings muss die Chemie auch stets selbstkritisch sein und bleiben. Jahrzehntelang hat vor allem die chemische Industrie nicht unbedingt zur Akzeptanz der Chemie beigetragen und es versäumt, ihre Praxis der Bevölkerung gegenüber möglichst transparent zu gestalten. Es gab Medikamenten- und Abfallskandale, Unfälle und Umweltverschmutzungen. Die großtechnische Chemie muss mit einem gewissen Maß an Risiko leben und Unfälle einkalkulieren. Doch sollte sie gerade deswegen der Bevölkerung möglichst ehrlich begegnen und im Fall eines Falles offen kommunizieren.

Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass wir alle biologischen Prozesse, alle biologischen Lebensabläufe als (komplexe) chemische Reaktionen auffassen müssen. Zugegeben, unsichtbare Atome oder Moleküle sind auf den ersten Blick nicht so spektakulär wie die Erklärung des ultraschnellen Flügelschlags beim Kolibri oder der Fischjagdtechniken der Delfine. Weil alles in der Chemie winzig klein und abstrakt ist, lässt sie eben in den meisten Fällen Unsicherheit und Ratlosigkeit zurück, ganz im Gegensatz zur Physik, deren «Phänomene» man wenigstens anfassen und daher verstehen kann und die im Alltag sehr viel offensichtlicher vorkommen. Noch anschaulicher und noch konkreter ist eben die Biologie – angeblich die Wissenschaft von der Natur schlechthin. Dabei steht die Chemie genau genommen mindestens ebenso für Mutter Natur – sie ist, so behaupte ich, sogar das A und O: Das ganze Leben beginnt mit einer chemischen Reaktion und endet auch damit.

Der generelle Trend zur völlig gegensätzlichen Wahrnehmung und Aufnahme von einerseits Biologie – alles, was Bio ist, ist natürlich und gut – und andererseits Chemie – alles, was Chemie ist, ist künstlich und schlecht – scheint mir besonders extrem ausgeprägt bei Nahrungsmitteln und Essensthemen sowie bei Medizin- und Gesundheitsthemen. Daher beschäftige ich mich in diesem Buch auch in den Kapiteln «Chemische Delikatessen – Essen und Küche» und «Chemielabor Mensch – unser Körper» mit diesen Bereichen. Wie auch bei den übrigen Themen im Buch versuche ich, hier den Vorhang zu lüften, Sie als Leser hinter die Kulissen der chemischen Reaktionen blicken zu lassen und Ihnen die Faszination, die für mich von der Chemie als Grundlage aller Vorgänge und Prozesse ausgeht, zu vermitteln.

Atom unser

Atom unser im Vakuum

Geheiligt werde deine Entdeckung

Deine Elektronen kommen

Deine Fusion geschehe

Wie in der Sonne so auf Erden

Unsere tägliche Energie gib uns heute

Und vergib uns unsere GAUs

Wie auch wir vergeben unseren Politikern

Und führe uns nicht in deine Spaltung

Sondern erlöse uns von dem Energieproblem

Denn dein ist die Fusion

Und die Kraft

Und die Spaltbarkeit

In Ewigkeit

Quarks.

Die Chemie ist eine faszinierende Welt, die vom Enzym bis zum Feuerwerk reicht. Werden ihr noch verblüffende Experimente beigegeben, kommt sogar größte Begeisterung auf, egal, ob Schüler der Klasse 4a aus Buxtehude sie sehen oder Jürgen von der Lippe darüber staunt. Weil ich schon so viele Fans damit begeistern konnte, finden Sie im Kapitel «Wenn Moleküle tanzen – Freizeit und Party» eine ganze Reihe meiner spektakulärsten und schönsten Experimente aus meinen Shows, wie beispielsweise den magischen Kondomkaktus, das «Zauber-Bier» und die «Zauber-Cola», Leuchteffekte mit Waschpulver und «Softeis» aus Blut. Vorab schon einmal ein kleiner, aber wichtiger Hinweis zu den Experimenten: Bitte halten Sie sich unbedingt an die Rezeptvorschriften und Sicherheitsmaßnahmen wie Schutzbrille und Schutzhandschuhe an den Stellen, die durch die Gefahrensymbole (siehe nächste Seite) gekennzeichnet sind. Für eventuelle Schäden oder Verletzungen können der Verlag und der Autor keine Haftung übernehmen. Bestandteile und Stoffe, deren Handhabung Risiken einschließen kann, sind mit den allgemein verbindlichen Symbolen (ätzend, entzündbar, brandfördernd, reizend/gesundheitsschädlich) entsprechend gekennzeichnet. Bitte beachten Sie diese Kennzeichnungen für den Umgang mit den Stoffen.

Ich habe versucht, mit ungewöhnlichen Modellen, Metaphern und Parallelen die Welt der Moleküle anschaulich darzustellen – ganz im Gegensatz zu dem, was die Chemie vielleicht sonst so abschreckend wirken lässt. Im Internet und anderen Publikationen werden Sie jedenfalls garantiert nichts davon lesen, dass man das Aids-Virus mit einer Pralinenschachtel und Antikörper mit Fausthandschuhen vergleichen kann. Und von Elektronen als Außenminister? Auch die tauchen für Sie exklusiv nur in diesem Buch auf!

 

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und Experimentieren! Lassen Sie es krachen, leuchten, zischen, brodeln …

 

 

Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. Andreas Korn-Müller («Magic Andy»)

Im Buch verwendete Gefahrensymbole

entzündbar

entzündend (oxidierend) wirkend

auf Metalle korrosiv wirkend, hautätzend, schwere Augenschädigung

reizend!

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1.Grundlagen für alle Chemie-Abwähler

Gehören Sie auch zu den 90 Prozent der Bevölkerung, die Chemie in der Schule gehasst und deswegen abgewählt haben? Dann sind Sie genau richtig hier. Ich werde Sie in diesem ersten Kapitel (wieder) in die wichtigsten Grundlagen der Chemie einführen und Sie (hoffentlich) so damit vertraut machen, dass Ihnen die restliche Lektüre des Buches wie ein vergnüglicher Spaziergang erscheinen wird.

Um eins gleich vorwegzuschicken: Auch für einen Chemiker ist es schwer, den Aufbau der Materie – und darum geht es ja in seinem Gebiet – zu durchblicken und zu verstehen. Alles in der Welt der Atome und Moleküle ist so unglaublich winzig, so wenig anschaulich und vorstellbar. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Ein zwei Kubikzentimeter kleines Stück Eisen enthält etwa 100000000000000000000000, also 1023 Atome, und ein einziger Wassertropfen enthält ca. 1000000000000000000000, also 1021 Wassermoleküle. Hier versagt wohl so ziemlich jegliche Vorstellungskraft. Also müssen wir ihr auf die Sprünge helfen.

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Atom und Ihr Kopf wäre der Atomkern, um den die Elektronen wie Vögelchen herumschwirren (die restlichen Körperteile vernachlässigen wir einmal). Gehen wir von einer durchschnittlichen Kopfgröße aus, befänden sich Ihre Elektronen entsprechend etwa 2 Kilometer von Ihrem Kopf entfernt, also weit außerhalb Ihrer Sichtweite. Bei einem Atomkern von der Größe einer Kirsche (2 Zentimeter Durchmesser) würde die umgebende Elektronenwolke immer noch die Größe eines Fußballstadions (200 Meter Durchmesser) einnehmen. Auch beim Blick durch ein (Super-)Mikroskop, das in der Lage ist, Atome sichtbar zu machen, wäre zwischen den Atomkernen und den Elektronen beispielsweise eines winzigen Eisenstücks nur gähnende Leere zu erkennen. Und nun vergegenwärtige man sich, wie unverschämt hart ein Eisennagel ist.

Das heißt: Die Chemie ist eine Welt des Mikrokosmos mit makroskopischen Auswirkungen. In den verschiedenen Metallen reihen sich, um bei unserem Vergleich zu bleiben, sehr viele Köpfe, sprich Atomkerne, aneinander, und ein gemeinsamer, riesiger Elektronen-Vogelschwarm kreist um alle Köpfe herum. Die freien, negativ geladenen Elektronen hinterlassen dementsprechend positiv geladene Metallatome, die sich dicht an dicht aneinanderreihen. Das gesamte Metall wird durch die starken Anziehungskräfte zwischen Elektronenschwarm und Metallkernen zusammengehalten. Die atomare Struktur von Metallen können Sie sich auch vorstellen wie ein mit reichlich Öl getränktes Kugellager, in dem die Kugeln (Atome) gestapelt sind und das Öl (Elektronen) jede Kugel gleichmäßig mit einem Schmierfilm umgibt. Die typischen makroskopischen Metalleigenschaften sind Glanz, elektrische Leitfähigkeit, Wärmeleitfähigkeit, Festigkeit, Dehnbarkeit. Weil der «Vogelschwarm» so extrem dicht ist, kann kein Licht mehr ins Innere, zu den Metallkernen, vordringen und wird infolgedessen bei Auftreffen auf dessen Oberfläche sofort wieder zurückgeworfen. Durch diese Reflexion erhält eine Metalloberfläche den typischen silbrigen Glanz und ihre Undurchsichtigkeit.

Auch die elektrische Leitfähigkeit von Metallen beruht auf dem freien «Elektronenschwarm», der den elektrischen Strom sehr gut weiterleiten kann. Und dass Metalle gute Wärmeleiter sind – berührt man ein Metallstück, fühlt es sich kalt an –, liegt, Sie ahnen es schon, ebenfalls am freien Vogelschwarm. Wärmeaufnahme bedeutet aus atomarer Sicht, dass sich die Atomkerne bewegen und hin und her schwingen: je wärmer, je heißer, desto schneller und heftiger, bis zur Rotglut. Der Vogelschwarm kann die Schwingungen der Köpfe bzw. der Kugeln gut übertragen – wie eine große, aufgeblasene Hüpfburg. Die dichte Kopf-an-Kopf-Packung der gleich großen Metallkugeln im Innern eines Metalls macht es stark und fest, man spricht deswegen von einer hohen Dichte der Metalle, die wiederum die Härte des Eisennagels erklärt. Je größer und mächtiger der Elektronen-Vogelschwarm ist, desto härter ist das Metall. Natrium und Kalium haben nur ein Außenelektron und sind infolgedessen weiche Metalle, Magnesium und Kalzium steuern jeweils zwei Außenelektronen bei und sind schon härter. Chrom dagegen hat sechs und Eisen sogar stolze acht Außenelektronen. Die wichtigste Eigenschaft von Metallen – man kann sie biegen, formen, walzen und zu Drähten ziehen – erklärt sich aus dem Kugellager-Vergleich: Die Metallkugeln können durch die ölige Schicht leicht gegeneinander verschoben und gezogen werden.

Wie winzig Moleküle sind, macht auch folgendes, von Richard Dickerson in seiner «lebendigen und anschaulichen Einführung» in die Chemie vorgenommenes Gedankenexperiment deutlich. Um es zu verstehen, müssen Sie jedoch zuerst mit dem Begriff «Mol» vertraut gemacht werden. Die Maßeinheit Mol bezeichnet eine Stoffmenge, also wie viele Teilchen, Atome, Moleküle anzahlmäßig vorliegen. Die Einheit Mol hilft dem Chemiker, bei einer Reaktion die richtige Anzahl von Molekülen oder Atomen einzusetzen, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Mit der Gewichtseinheit Gramm, mit der Sie in der Küche arbeiten und gut zurechtkommen, würde man bei einer chemischen Reaktion auf die falsche Spur kommen. Ein Beispiel aus dem Chemieunterricht: Die Umsetzung von Zink (Zn) mit Schwefel (S) ergibt unter schönem Glühen und Qualmen Zinksulfid (ZnS). Ein Zinkatom reagiert mit einem Schwefelatom zu einem Molekül Zinksulfid. Eine bestimmte Anzahl Zinkatome verbindet sich mit exakt der gleichen Anzahl Schwefelatome. Würden Sie dagegen die Substanzen in Gramm einsetzen, z.B. 10 Gramm Zink und 10 Gramm Schwefel, dann hätten Sie, bedingt durch das unterschiedliche Gewicht der Reaktionspartner, rund zweimal mehr Schwefel in Ihrer Mischung als Zink. Um gleich viele Atome miteinander reagieren zu lassen, müssten Sie 65 Gramm Zink und nur 32 Gramm Schwefel einsetzen, was in diesem Falle genau 1 Mol Zink und 1 Mol Schwefel entspricht. Und nun zu Dickersons Gedankenexperiment: Hätten Moleküle die Größe von gewöhnlichen Glasmurmeln, dann würde allein die Grundeinheit von einem Mol Substanz die Fläche der gesamten USA mit einer mehr als 100 Kilometer dicken Schicht bedecken! Ein Mol Substanz entspricht der unvorstellbaren Menge von 6 × 1023 Teilchen (Atomen, Molekülen), die dicht an dicht gepackt und gestapelt sind. Diese gigantische Anzahl an Molekülen ist beispielsweise enthalten in nur 18 Milliliter Wasser (ein Schnapsglas voll) oder in einem mit 2 Gramm (entsprechen etwa 22 Liter) Wasserstoff gefüllten Ballon mit 35 Zentimeter Durchmesser oder in einem Kochsalzwürfel mit 3 Zentimeter Kantenlänge.

Kurze Einführung in die Welt der Atome und Moleküle

Ich könnte jetzt seitenlang über die chemischen Grundlagen der Atome und Moleküle dozieren – ganz so, wie man es von einschlägigen Lehr- und Sachbüchern gewohnt ist. Ich würde also in aller Ausführlichkeit erläutern, dass jedes Atom einen Atomkern und eine Atomhülle hat, der Atomkern aus elektrisch positiven Teilchen, den sogenannten Protonen, besteht, und die Atomhülle durch negativ geladene Elektronen gebildet wird. Des Weiteren würde ich erklären, dass die Zahl der Elektronen in der Atomhülle genauso groß ist wie die Zahl der Protonen im Kern und dass Materie, die aus ausschließlich gleichen Atomen besteht, «Element» genannt wird. Das Ganze würde ich anhand von Beispielen zu veranschaulichen versuchen: Ein Atomkern mit 6 Protonen bildet das Element Kohlenstoff, ein Atomkern mit 26 Protonen ergibt Eisen. Das leichteste Element ist Wasserstoff mit einem Proton und einem Elektron, das schwerste ist Plutonium mit 94 Protonen und 94 Elektronen. Ferner würde ich konstatieren, dass Atomkerne nicht nur aus Protonen bestehen, sondern auch eine bestimmte Anzahl elektrisch neutral geladener Neutronen enthalten. Wieder gezeigt an Beispielen: Kohlenstoff-Atomkerne bestehen aus 6 Protonen und 6 Neutronen; Plutonium kann 94 Protonen und 150 Neutronen aufweisen – Weltrekordmaß. Dann müsste ich erklären, dass Neutronen das gleiche Gewicht haben wie Protonen und daher die Anzahl der Protonen und Neutronen in einem Atom als seine Massenzahl bezeichnet wird. Auch hierzu konkrete Angaben: Kohlenstoff-Atomkerne enthalten neben den 6 Protonen meistens 6 Neutronen, haben also die Massenzahl 12. Es gibt aber auch Kohlenstoff-Atomkerne mit 8 Neutronen, sodass sich die Massenzahl 14 ergibt. Und ich müsste natürlich darauf hinweisen, dass man Atome gleicher Protonenzahl, aber unterschiedlicher Neutronenzahl Isotope eines Elementes nennt.

Zum Schluss würde ich noch auf die Moleküle eingehen, also jene Atomverbindungen, die aus mindestens zwei gleichen oder mehreren unterschiedlichen Atomen bestehen – wie beispielsweise der Luftsauerstoff, der aus zwei Sauerstoffatomen besteht, gekennzeichnet durch die Formel O2. Oder Wasser, ein Molekül aus drei Atomen, zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom (H2O). Oder der rote Blutfarbstoff Hämoglobin, der aus rund 5800 Atomen besteht. Abschließend würde ich Sie noch darauf hinweisen, dass 75 Prozent aller Elemente Metalle und 25 Prozent Nichtmetalle sind und dass es zwei flüssige Elemente, nämlich Quecksilber und Brom, gibt sowie zehn gasförmige Elemente, nämlich Wasserstoff, Helium, Stickstoff, Sauerstoff, Fluor, Chlor, Neon, Argon, Krypton, Xenon.

Das alles aber bliebe trotz der Beispiele wenig anschaulich und wäre vor allem sehr theorielastig. Bei solchen Einführungen – das kennen Sie wahrscheinlich schon – verliert man schnell die Lust an der Chemie. Daher möchte ich Sie lieber bitten, mir gedanklich bei meinem Versuch zu folgen, die Atome und Moleküle mit einer Weltkarte zu vergleichen.

Atome und Moleküle als Staaten einer Weltkarte

Stellen Sie sich eine gewöhnliche Weltkarte vor und nehmen Sie nun spaßeshalber einmal jedes einzelne Land der Erde als Atom mit seiner Hauptstadt als jeweiligen Kern. Diese Hauptstadt (Kern) steht für das Land (Atom), definiert es in eindeutiger Weise: Moskau steht für Russland, Madrid für Spanien, Berlin für Deutschland usw. Man kann sogar Isotope ausfindig machen, die, wie Belgien, eine Hauptstadt haben, aber letztlich aus zwei unterschiedlichen Ländern: Wallonie und Flandern, bestehen. Oder Zypern: ebenfalls eine Hauptstadt, aber zwei unterschiedliche Länder. Zwar unterscheiden sich die einzelnen Staaten der Größe nach erheblich – es gibt ganz kleine, mittelgroße und riesige Länder –, aber im «Mittelpunkt» (wenn auch nicht geographisch gesehen) steht bei allen die Hauptstadt.

Die Grenzen eines Landes kann man mit der Elektronenhülle vergleichen. Die äußeren Elektronen fungieren wie die Außenminister und Botschafter, die den Kurs ihres Landes halten und sein Agieren und seine Eigenschaften repräsentieren: Es gibt aggressive, reaktionsfreudige Staaten und genügsame und reaktionsträge Länder. Wenn Atome für die Länder stehen, müssen wir Moleküle entsprechend als Zusammenschlüsse von Ländern betrachten, deren Außenminister und Botschafter in ständigem Kontakt und Austausch miteinander stehen. Es kommt zu einer engen Bindung zwischen zwei oder mehreren Staaten, so entstehen ganze Staatenbündnisse, wie z.B. die Afrikanische Union (AU), die Arabische Liga (AL), die Benelux-Staaten, die Europäische Union (EU), die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) usw. Die Benelux-Gemeinschaft besteht aus 3 Staaten, die ASEAN aus 10, die Arabische Liga aus 22 Ländern. Zum Vergleich: Wasser besteht aus 3 Atomen, Alkohol (Ethanol) aus 9, Traubenzucker (Glucose) aus 24 Atomen. Bei allen Staatenbündnissen geht es darum, sich zu arrangieren, Kompromisse zu finden, zu teilen, manchmal auch zu verzichten. Man muss zusammenhalten, weil man abhängig ist voneinander. Ein isoliertes Deutschland wäre ein völlig anderes Land, als es ein Deutschland in der EU ist. Entsprechend können alle Moleküle, egal, ob Kohlendioxid, Traubenzucker oder Insulin, als kompromissbereite Staatenbündnisse betrachtet werden, die sich vielfältig vereinigen können. Ein isoliertes Kohlenstoffatom ist etwas völlig anderes als ein Kohlenstoffatom in einem Zuckermolekül. Kohlenstoff ist schwarz und schmeckt scheußlich (z.B. als Aktivkohle-Tablette), Zucker ist weiß und schmeckt schön süß. Mit Sauerstoff verknüpft wird Kohlenstoff sogar undurchsichtig und gasförmig als Kohlenmonoxid (CO) oder Kohlendioxid (CO2). Nur ein einziges Sauerstoffatom mehr oder weniger, und schon hat man völlig unterschiedliche Substanzen vorliegen. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ein oder zwei Sauerstoffatome am Kohlenstoff hängen. Kohlenmonoxid ist brennbar und hochgiftig, Kohlendioxid ist unbrennbar und bewirkt den Treibhauseffekt. Ein weiteres Beispiel: Hängt man an Kohlenstoff vier Wasserstoffatome (H), kommt gasförmiges, brennbares Methan (CH4) heraus. Ein völlig neues Staatenbündnis. Zwängt man zwischen ein Kohlenstoff- und Wasserstoffatom noch ein Sauerstoffatom (O), wird aus Methan das flüssige und hochgiftige Methanol (CH3OH). Fügen Sie noch ein Kohlenstoffatom und zwei Wasserstoffatome hinzu, erhält man trinkbares Ethanol (Alkohol, CH3CH2OH). Ein letztes Beispiel: Isoliertes Natrium ist ein silberglänzendes, eher weiches und sehr reaktionsfreudiges Metall, das sich z.B. mit Wasser heftigst umsetzt. Das sehr ähnliche Kalium-Metall reagiert mit Wasser sogar explosionsartig. Bekommen diese beiden Metalle jedoch jeweils ein Chloratom als Nachbar, hat man Kochsalz – Natriumchlorid bzw. Kaliumchlorid – in den Händen. Ein weißes, absolut reaktionsträges, mit Wasser nicht reagierendes schneeweißes Salz.

Diese schier unbegrenzte Vielfalt durch winzige Veränderungen fasziniert mich so sehr an der Chemie. Sie ist wie Musik: Eine begrenzte Anzahl von Noten kann man in einer schier unbegrenzten Vielfalt aneinanderreihen und somit die unterschiedlichsten Kompositionen kreieren.

Die Außenminister-Elektronen als wahre Machthaber

Im Unterschied zur realen Politik nun bestimmen in der Welt der Atome und Moleküle die Elektronen, die sich auf der letzten, äußersten Schale der Atomhülle befinden – in unserem Bild also die «Außenminister» –, alles, das gesamte Verhalten eines jeden Atoms, eines jeden Moleküls. Jede Reaktion, ob langsames Dahinrosten von Eisenstangen auf der Baustelle oder das Zersetzen des Backpulvers im Kuchenteig zu Kohlendioxid oder die Explosion von Nitroglycerin, ist das Machwerk dieser winzigen, negativ geladenen Elementarteilchen. Es sind tatsächlich nur eine Handvoll Elektronen, die sich neu verteilen, von hier nach da wandern und dadurch unterschiedliche chemische Prozesse auslösen. Das Wegziehen bzw. das Hinzubekommen von Elektronen bewirkt stets eine chemische Reaktion, die mit einer Energiefreisetzung einhergeht. Das Elektronen-Hinundhergeschiebe kann ganz gemächlich ablaufen (Rosten von Eisen) oder auch richtig heftig abgehen (Stichflamme, Explosion). Wenn ein Nagel verrostet, dann reagiert Eisen mit dem Sauerstoff aus der Luft und bildet Eisenoxid. Wie bei allen chemischen Reaktionen findet letztlich nur ein Elektronenaustausch statt. Die große Elektronenwanderung geht los. Die Eisenatome verlieren jeweils zwei Elektronen, und die Sauerstoffatome nehmen diese Elektronen dankend auf. Beide Atomsorten sind dadurch in ihrer Struktur und energetisch stabiler geworden. Chemische Vorgänge sind also stets ein Geben und Nehmen – wie in der Liebe. Die Abgabe von Elektronen nennt man übrigens Oxidation, die Aufnahme von Elektronen bezeichnet der Chemiker als Reduktion. Atome dagegen bleiben auch nach dem Verrosten immer gleich, Eisen ist immer noch Eisen, Sauerstoff immer noch Sauerstoff. Auch von einer Explosion kriegen die Atomkerne kaum etwas mit. Nach der fürchterlichen Detonation von Nitroglycerin bleiben die Stickstoffatome immer noch Stickstoffatome, daran hat sich nichts geändert, nur der Bindungspartner der Außenelektronen ist jetzt ein anderer, ein neuer Nachbar sozusagen. Vorher Sauerstoff, nun Stickstoff. Es haben sich «neue Staatenbündnisse» gebildet.

Einzig die Kernreaktionen wie die Kernspaltung und die Kernfusion werden nicht von Elektronen bestimmt, sondern von den Atomkernen (mehr dazu auf S. 200).

Der angeregte Zustand

Chemische Reaktionen laufen nicht einfach geradlinig ab, wie auf einer schnurgeraden Autobahn, sondern stets müssen die Reaktionspartner dabei über einen Energieberg gehoben werden. Im Bild der Autobahn gesprochen, müssen die Autos bergauf bis zur Spitze fahren, und von dort erst geht es dann ohne große Mühe wie von selbst bergab. Jede chemische Umsetzung durchläuft also einen sogenannten Übergangszustand oder angeregten Zustand, der sich wie ein Berg dem Ablauf der chemischen Umsetzung in den Weg stellt. Fast alle chemischen Reaktionen laufen nicht spontan, d.h. von selber, ohne Energiezufuhr ab. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen. Eine Mischung aus Glycerin und Kaliumpermanganat beispielsweise entzündet sich spontan von selbst. Manche metallorganischen Substanzen, wie Silicium-Wasserstoff- oder Magnesium-Verbindungen, können sich ebenfalls von selbst entzünden und abreagieren. In der Regel muss man einer Reaktionsmischung aber Energie in Form von Hitze oder Licht (z.B. UV-Licht) oder durch Stöße (z.B. Laser, Leuchtstofflampe) zuführen, damit die Reaktionspartner den Energieberg hinaufkommen und den Übergangszustand erreichen. Bei einer Mischung aus Eisenpulver und Schwefel könnte man jahrelang warten, es würde ohne Zutun von außen nichts passieren. Erhitzt man jedoch die Mischung im Reagenzglas, setzt sich die Reaktion unter Gluterscheinung zu schwarzgrauem Eisensulfid um. Schwarzpulver brennt auch nicht spontan ab, sondern muss mit einer heißen Zündschnur in den Übergangszustand versetzt werden. Mischt man Chlorgas mit Wasserstoffgas in einem Glaszylinder, passiert zunächst gar nichts. Belichtet man diese Mischung jedoch mit einem (Foto-)Lichtblitz, dann verbinden sich Chlor und Wasserstoff explosionsartig zu Salzsäure. Die Energie des Lichtblitzes hat ausgereicht, um die beiden Reaktionspartner über den Energieberg in den angeregten Zustand zu versetzen.

Der Übergangszustand bzw. der angeregte Zustand ist in den allermeisten Fällen extrem kurzlebig, sodass wir ihn mit unseren menschlichen Sinnen nicht wahrnehmen können. Die durchschnittliche Lebensdauer des angeregten Zustands beträgt 10-12 bis 10-13 Sekunden! Eine kaum vorstellbare Kürze! Bei dem Leuchten der Glühwürmchen oder beim Leuchten von Fluoreszenzfarben, wie z.B. beim Textmarker, ist die Verweildauer des angeregten Zustandes etwas länger, sie beträgt «nur» 10-6 bis 10-9 Sekunden (mehr zu den Leuchtreaktionen ab S. 134). Die Sauerstoffaufnahme des Hämoglobins im Blut dauert noch etwas länger, nämlich rund 10-5 Sekunden, also 0,00001 Sekunden (ein Hunderttausendstel). Sind die Reaktionspartner einmal oben auf dem Energieberg als angeregter Zustand angekommen, geht die Reaktion los. Den Übergangszustand können Sie sich im Bild der Staatenbündnisse so vorstellen, als ob sich zwei Länder angenähert und ihre Grenzen geöffnet haben, weil alle formalen Hürden genommen sind und die Außenminister und Botschafter ihre Arbeit nun aufnehmen können. Nach dem Übergangszustand wird die chemische Reaktion zum Selbstläufer. Dabei wird viel Energie freigesetzt, mehr Energie, als für die Anregung benötigt wurde. Die Differenz aus hineingesteckter Energie (z.B. Zündschnur, Erhitzen, Licht) und bei der Umsetzung freiwerdender Energie (Hitze, Glut, Explosion, Licht) wird an die Umgebung abgegeben. Bei den Glühwürmchen besteht die freigesetzte, überschüssige Energie zu 100 Prozent aus Licht. Bei der Verbrennung von Eisen mit Schwefel entsteht nur Hitze (Rotglut). Meistens wird die Energie als Mischung aus beidem, aus Hitze und Licht, freigesetzt (Feuer, Flammen). In Düsentriebwerken wird die bei der Verbrennung von Kerosin (ein leichter Dieselkraftstoff) mit Luftsauerstoff freigesetzte Energie direkt als Antrieb benutzt. Versetzt man Natronlauge (NaOH) mit Salzsäure (HCl) um Kochsalz (NaCl) herzustellen, muss man die Reaktionslösung unbedingt mit Eiswasser kühlen. Die entstehende Hitze würde die Mischung sonst zum unkontrollierten (Über-)Kochen bringen. In chemischen Großanlagen führt man die entstandene Wärme meistens in einem Kreisprozess wieder zum Anfangspunkt der Reaktion zurück oder zu anderen Herstellungsverfahren, die Energie benötigen.

Genauer betrachtet bedeutet Anregung in der Welt der Chemie, dass einzelne oder auch mehrere Elektronen ihre Bahn verlassen und in ein höheres Energieniveau gehoben werden. Im Übergangszustand befinden sich dann alle beteiligten Elektronen der Reaktionspartner gleichmäßig zwischen beiden Molekülen verteilt, zum Austausch bereit. Dieses Bahnverlassen und zu einem anderen Molekül Hinwandern benötigt die Anfangsenergie. Man bezeichnet die anfänglich hineingesteckte Energie als Aktivierungsenergie. Der zu überwindende Energieberg kann übrigens unterschiedlich hoch sein. Zum Zünden von Schwarzpulver benötigt man eine Glut, für die Entzündung von Wasserstoff mit Sauerstoff reicht schon ein Funke, und für die Chlorwasserstoff-Umsetzung genügt ein Lichtblitz.

Für jede chemische Reaktion ist die Aktivierungsenergie eine naturgegebene Größe. Der Chemiker kennt aber einen Trick, um den Energieberg zu umgehen. Er kann dazu Verbindungen bzw. Substanzen einsetzen, die den Energieberg quasi «untergraben». Stoffe, die das können, nennt man Katalysatoren. Sie sind in der Lage, die Aktivierungsenergie herabzusetzen, indem sie die Reaktionspartner auf die bevorstehende Reaktion gewissermaßen vorbereiten. Die Bindungen, sprich die beteiligten Elektronen der Ausgangsmoleküle, werden von ihnen «gelockert» und in Stellung gebracht. Das führt zu einer Absenkung der Aktivierungsenergie, denn man hat sich die für die Reaktion notwendige Lockerung der Bindungen energetisch gespart. Folglich brauche ich weniger Anfangsenergie, weil der Energieberg kleiner geworden ist. Als Katalysatoren wirken beispielsweise Nickel oder Platin, die Wasserstoffgas (H2) binden und lockern können. Der auf den Metallen gebundene und gelockerte Wasserstoff kann viel leichter z.B. mit Kohlenmonoxid (CO) zu Methan (CH4) oder zu Methanol (CH3OH), zwei wichtigen Zwischenprodukten in der chemischen Industrie, reagieren. Auch die Aufspaltung von Rohöl zu Benzin, das sogenannte Cracken, geschieht mit Hilfe eines Katalysators aus Aluminiumoxid. Die Ammoniaksynthese aus Stickstoff und Wasserstoff verläuft katalytisch über Eisenoxid. In der Kunststoffherstellung verwendet man eine breite Palette an Metallkatalysatoren, beispielsweise bei der Produktion von PVC (Polyvinylchlorid) oder PE (Polyethylen) für Schläuche, Folien, Gefäße, Rohre, Kabelisolierungen. Als Katalysatoren werden u.a. Titan-, Molybdän- und Aluminiumverbindungen eingesetzt. Auch sämtliche Enzyme sind nichts anderes als Katalysatoren. Bei der alkoholischen Gärung entsteht aus Zucker Alkohol durch das Wirken der Hefeenzyme. Generell verbraucht sich ein Katalysator nicht. Er dient nur als «Mediator», als Vermittler zwischen den Reaktionspartnern. Er ebnet den Weg, wird aber selbst nicht in die eigentliche chemische Reaktion eingebunden. Nach beendeter Umsetzung liegt der Katalysator unverändert und in gleicher Menge vor.

Nach erfolgreicher Anregung in den Übergangszustand verteilen sich die Elektronen neu, die Reaktionspartner setzen sich zu den Produkten um, und die Elektronen befinden sich nun in energetisch tiefer liegenden Substanzen. Wie bereits oben beschrieben, führt die Differenz zwischen Aktivierungsenergie und gewonnener Energie zu einer Abgabe dieser Energie an die Umwelt. Diese kann beispielsweise als Licht oder als Wärme freigesetzt werden. Sie können sich das Ganze vorstellen wie eine Jonglage mit drei Bällen, die hier die Elektronen versinnbildlichen sollen. Beim Jonglieren tanzen die drei Bälle zunächst nur im Kreis wie eine Acht über die Hände des Meisters. Wirft der Jongleur die Bälle weit nach oben, sind diese plötzlich im angeregten Zustand, denn durch den kräftigen Wurf nach oben ist ihnen Energie – genauer: Bewegungsenergie – zugeführt worden. Diese hinzugewonnene Energie kann in unterschiedlicher Weise wieder an die Umwelt abgegeben werden. Entweder fällt der Ball von weit oben entsprechend der hinzugewonnenen Energie nach unten auf den Boden oder in die Hand seines Meisters. Beim Aufprall wird die Energie an den Boden bzw. die Hand abgegeben. Würde der Ball aus der Höhe nicht auf den Boden oder auf die Handfläche fallen, sondern auf eine dünne Glasscheibe, dann würde die Energie an die Glasscheibe abgegeben, und sie würde zerbrechen. Statt einer Kraftenergie kann die Energie aber auch ganz elegant als Licht abgegeben werden, ohne Aufprall, ohne Scherben.