Das Alte Testament vom Glaubensbekenntnis her verstehen - Benjamin Kilchör - E-Book

Das Alte Testament vom Glaubensbekenntnis her verstehen E-Book

Benjamin Kilchör

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Beschreibung

Benjamin Klichör, Professor für Altes Testament, will mit seinem neuen Buch zu einem besseren Verständnis des Alten Testamentes beitragen. Viele Christen tun sich schwer, das Alte Testament zu lesen. Ist es nicht nur Vorgeschichte und eine Verstehenshilfe für das Neue Testament, die selbst schwer verständlich ist? Ausgehend vom Apostolischen Glaubensbekenntnis, das die zentralen Inhalte des christlichen Glaubens formuliert, zeigt Benjamin Kilchör, dass das Alte und Neue Testament eine untrennbare Einheit bilden. In der Bibel Alten und Neuen Testaments offenbart sich Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist, schafft die Gemeinschaft der Heiligen, wirkt Vergebung der Sünden und schenkt das ewige Leben. Dieses Buch zeigt das Gesamtbild und hilft so, auch das Alte Testament selbst besser zu verstehen!

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Benjamin Kilchör

Das Alte Testament vom Glaubensbekenntnis her verstehen

Bibelzitate folgen, wenn nicht anders angegeben, der Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LUT84)

© 2023 Brunnen Verlag GmbH, Gießen

Umschlagfoto: Adobe Stock

Umschlaggestaltung: Jonathan Maul, Brunnen Verlag GmbH

Satz: Brunnen Verlag GmbH

ISBN Buch 978-3-7655-2151-5

ISBN E-Book 978-3-7655-7650-8

www.brunnen-verlag.de

„Dieses Buch ist eine notwendige Medizin für Christen heute. Es hilft gegen die Verunsicherung, oft sogar Entfremdung von Christen gegenüber dem Alten Testament.“

Pfr. Ulrich Parzany, Kassel

„Dieses Buch ist eigentlich eine Biblische Theologie im Taschenformat. Es führt anhand des Glaubensbekenntnisses vom Garten Eden bis zum himmlischen Jerusalem – spannend zu lesen vom Anfang bis zum Ende, kompakt, aber gut verständlich und überaus informativ.“

Pfrn. Prof. Dr. Hanna Stettler, Tübingen/Flaach ZH

„Dieses Buch weckt Freude am Alten Testament – und das ist gut so: Denn der christliche Glaube lebt aus der gesamten Geschichte Gottes mit den Menschen. Das Alte Testament ist weder veraltet noch überflüssig. Vielmehr ist es die bleibend aktuelle Grundlage der christlichen Existenz. Anhand des Apostolischen Glaubensbekenntnisses zeigt Benjamin Kilchör, wie entscheidende Glaubensfragen und geistliche Weichenstellungen im Schöpfungshandeln Gottes und in der Erwählung Israels begründet sind. Dieser gesamtbiblische Zugang belebt und erfrischt den Glauben und ist für ethische Fragen der Gegenwart ebenso bedeutsam wie für die Praxis des Gemeindeaufbaus. Man kann das Buch in einem Zug lesen und erhält damit ein Panorama zu wesentlichen biblisch-theologischen Themen – oder man kann es genauso gewinnbringend als Arbeitshilfe für die Predigtvorbereitung, für Glaubenskurse oder für die religionspädagogische Arbeit einsetzen.“

Prof. Dr. Stefan Schweyer, Ordentlicher Professor für Praktische Theologie an der Universitären Theologischen Hochschule STH Basel

„Schöpft das bekannteste und in vielen Kirchen verwendete, sogenannte ‚Apostolische‘ Glaubensbekenntnis neben dem Neuen auch aus dem Alten Testament? Benjamin Kilchör zeigt, dass dem so ist, indem er den drei Teilen dieses wichtigen wie grundlegenden christlichen Bekenntnisses (Gott/Vater – Jesus Christus – Hl. Geist, Kirche und Weiteres) entlanggeht.

Bei Gott-Vater, dem Schöpfer, mag es wenig überraschen, dass sich viele Belege ergeben, findet sich doch im Alten Testament der Schöpfungsbericht. An den Schöpfergott anknüpfend werden aber weiterführende Hinweise gegeben zu Stichworten wie: die Schöpfung als Gottes Tempel, der Mensch als Ebenbild und Priester Gottes und anderen mehr.

Auch die weiteren Abschnitte zu Jesus Christus und zum Heiligen Geist (mit Kirche und weiteren Aussagen) sind von ähnlichem Umfang, will heißen: Es gibt viele grundlegende und vorbereitende Aussagen dazu im Alten Testament. So sind etwa Aussagen von Jesu Hoheit (Messias, Gottessohn), seiner Niedrigkeit (Leiden, Sterben) und seines stellvertretenden Handelns uns zugute (Gottesknechtsaussagen etc.) zum Verständnis unentbehrlich.

Mehr noch: Ohne diese alttestamentlichen Aussagen wäre das Kommen und Wirken Jesu heilsgeschichtlich kaum denkbar gewesen, das Neue Testament nicht möglich und damit gäbe es auch keine christliche Glaubensgemeinschaft mit ihrem Bekenntnis.

In christlichen Gemeinschaften findet sich nicht selten, offen oder verdeckt, die Tendenz, das Alte Testament gegenüber dem Neuen abzuwerten. Das ist nicht im Sinne von Jesus und der Urkirche, deren Bibel allein aus dem (später so genannten) Alten Testament bestand. Beide Testamente machen die Heilige Schrift aus und sind damit unentbehrliche Grundlage eines christlichen Glaubensbekenntnisses. Dass dem so ist, hilft dieses Buch besser zu verstehen. Dafür ist dem Verfasser zu danken und dem Buch eine breite wie hörbereite Leserschaft zu wünschen.“

Pfr. Dr. theol. Beat Weber, Basel

Inhalt

Vorwort

Das Apostolische Glaubensbekenntnis

Kapitel 1

„Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“

1.

„Ich glaube an Gott“

2.

„Den Vater, den Allmächtigen“

3.

„Den Schöpfer des Himmels und der Erde“

Die Schöpfung als Gottes Tempel

Der Mensch als Gottes Ebenbild

Der Mensch als Gottes Priester

Der Garten Eden als Ort des priesterlichen Dienstes

Der priesterliche Auftrag des Menschen

Heilig und profan

Der profane Bereich

Die Opfer

Die Heiligung des Profanen

Wie im Himmel, so auf Erden

4.

Fazit: Was bedeutet der Glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde?

Kapitel 2

„Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn“

1.

„Und an Jesus Christus“

Die Salbung und die drei alttestamentlichen Ämter: Prophet, Priester und König

Der Gesalbte im Jesajabuch

Die Salbung Jesu im Lukasevangelium

2.

„Seinen eingeborenen Sohn“

3.

„Unsern Herrn“

4.

Die Erniedrigung und Erhöhung Jesu

„Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“

„Gelitten […], gekreuzigt, gestorben und begraben“

„Hinabgestiegen in das Reich des Todes“

„Am dritten Tage auferstanden von den Toten“

„Aufgefahren in den Himmel“

„Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters“

„Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“

5.

Fazit: Was bedeutet der Glaube an Jesus Christus, den eingeborenen Sohn Gottes, unsern Herrn?

Kapitel 3

„Ich glaube an den Heiligen Geist“

1.

Licht und Finsternis

2.

Land und Wasser

3.

Leben und Tod

4.

Gut und Böse

5.

Fazit: Was bedeutet der Glaube an den Heiligen Geist?

Kapitel 4

„die heilige, katholische Kirche“

1.

„Gemeinschaft der Heiligen“

2.

„Vergebung der Sünden“

3.

„Auferstehung der Toten“

4.

„Und das ewige Leben“

5.

„Amen.“

6.

Fazit: Was bedeutet es, die heilige, katholische Kirche zu glauben?

Anhang:

Alttestamentliche Bibelstellen zum Apostolikum

Bibelstellenverzeichnis

Anmerkungen

Vorwort

„Das Glaubensbekenntnis ist als liturgisches Gebet keine Sammlung von – auf verschiedenen Konzilien – teilweise brachial durchgesetzten Dogmen, sondern ein neues Eintreten jedes Einzelnen in die reinigende Frische der Taufe, Anwesenheit der Gemeinschaft der Heiligen, kirchenschaffende Wirkkraft der Dreifaltigkeit.“

Martin Mosebach1

Über das Apostolische Glaubensbekenntnis, kurz: das Apostolikum, wurden schon viele und teils hervorragende Bücher geschrieben, gerade auch von sehr namhaften Theologen (z. B. Thomas von Aquin, Karl Barth, Wolfhart Pannenberg, Hans Küng, Joseph Ratzinger). Unter der Professorenschaft der STH Basel bin ich meines Wissens der Dritte, der dazu ein Buch vorlegt.2 Warum ein weiteres Buch?

Genau genommen verstehe ich das Buch weniger als einen Beitrag zum Verständnis des Apostolikums (das ist es hoffentlich auch), sondern eher als Beitrag zum Verständnis des Alten Testaments. In den zurückliegenden Jahren, in denen ich mich auf das Alte Testament spezialisiert habe, stellte ich fest, dass in den christlichen Gemeinden (bis in die Pfarrerschaft) eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf die Bedeutung des Alten Testaments für den christlichen Glauben und das Leben als Christ besteht. Das Apostolikum in seiner präzisen Knappheit erscheint mir als geeigneter Ausgangspunkt, um von diesen grundlegenden christlichen Glaubenssätzen ins Alte Testament zu gehen und zu schauen, was eigentlich die Wurzeln dieser Bekenntnissätze sind, von denen wir uns nicht abschneiden dürfen, da ein Baum ohne Wurzeln stirbt. Natürlich ist gerade der christlichen Gemeinde das Alte Testament durch Jesus Christus und damit auch zusammen mit dem Neuen Testament vermittelt. So liegt zwar der Fokus dieses Buchs auf dem Alten Testament, doch das Neue Testament wird immer auch mit bedacht.

Über dem Vorwort steht ein Zitat von Martin Mosebach. Ich hatte die Gelegenheit, Martin Mosebach anlässlich der jährlichen Tilman Geske Memorial Lecture am 19. Mai 2022 an der STH Basel persönlich zu begegnen. Er hat aus seinem Buch Die 21: Eine Reise ins Land der koptischen Märtyrer gelesen. Mosebach listet an einer Stelle eine Reihe von Attentaten auf Kopten in den letzten Jahren auf und fragt, ob es nicht ungerecht sei, einzig das Schicksal der einundzwanzig herauszulösen, die 2015 im libyschen Sirte am Strand enthauptet worden sind. Was für ihn aber den Unterschied zwischen den vielen Erschossenen und von Bomben Zerfetzten und den einundzwanzig ausmacht: „Sie waren nicht einfach nur wehrlos abgeschlachtet worden, sondern sie hatten sich kurz vor und noch während ihrer Enthauptung vernehmlich zu Jesus Christus bekannt.“3 Durch ihr Bekenntnis sind sie in ganz besonderem Sinne in die „Gemeinschaft der Heiligen“ eingetreten.

Ist das Glaubensbekenntnis ein Eintreten „in die reinigende Frische der Taufe, Anwesenheit der Gemeinschaft der Heiligen, kirchenschaffende Wirkkraft der Dreifaltigkeit“, so ist es das gerade auch in dem Sinne, dass es nicht vom biblischen Wort wegführt, indem es gleichsam ein Konzentrat daraus anfertigt, das den Verzicht auf den Rest ermöglichen würde, sondern es führt in das biblische Wort hinein, in das Wort Alten und Neuen Testaments. Denn die Wirkkraft der Dreieinigkeit kommt aus dem biblischen Wort, das tut, was Gott gefällt (Jesaja 55,11). „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe“, sagt Jesus (Johannes 15,3).

Das Buch ist im Wesentlichen so aufgebaut, dass es den einzelnen Aussagen des Apostolikums folgt. Viele Dinge hängen eng miteinander zusammen, z. B. die Auferstehung Jesu Christi (2.4, „am dritten Tage auferstanden […]“), der lebendig machende Geist (3.3) und die Auferstehung der Toten (4.3) oder die Gottesebenbildlichkeit des Menschen (1.3, „Der Mensch als Gottes Ebenbild“) und die Gottessohnschaft Jesu Christi (2.2). Aus diesem Grund war es nicht immer möglich, Wiederholungen zu vermeiden und einige zentrale Bibeltexte, welche diese Glaubenssätze miteinander verbinden, an mehreren Orten (unter jeweils veränderten Gesichtspunkten) auszulegen. Es scheint mir wichtig, dass sie zu jedem Glaubenssatz, für den sie grundlegend sind, auch zur Sprache kommen. Das Bibelstellenverzeichnis am Ende des Buchs soll dabei helfen, sich zurechtzufinden.

Es ist eine Eigenheit des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, dass es ganz zeitlos formuliert ist. Im Lateinischen und auch im Englischen kann man zwischen Credo/Creed („ich glaube“) und Confessio/Confession („ich bekenne“) unterscheiden. Während „Confessio“ für konfessionelle Bekenntnisschriften steht, die gerade auch in zeitgeschichtlichen Herausforderungen und theologischen Auseinandersetzungen sich zeitaktuell positionieren, bekennt das Apostolikum als „Credo“ den christlichen Glauben in seiner Zeitlosigkeit, ohne auf spezifische zeitgebundene Fragen zu antworten. Das beinhaltet auch, dass das Apostolikum keine praktischen Handlungsanweisungen gibt und auch keine ethischen Konsequenzen formuliert. Aus diesem Grund liegt auch im vorliegenden Buch der Fokus nicht so sehr auf der praktischen Relevanz des Glaubensbekenntnisses oder des Alten Testaments, sondern auf der Frage, wer der Gott ist, an den wir Christen glauben, und in welchem Verhältnis wir zu ihm stehen. Dennoch versuche ich punktuell einige Hinweise auf ethische und praktische Implikationen für Herausforderungen in der heutigen Zeit zu geben und aktuelle Themen zu benennen, für die das Glaubensbekenntnis besonders bedeutsam ist. So habe ich zu den einzelnen Kapiteln jeweils ein Fazit formuliert, das unter dem Titel „Was bedeutet der Glaube […]“ einige Gedankenanstöße zur gesellschaftlichen Aktualität der Glaubenssätze gibt und zumindest skizzenhaft über die Bedeutung der jeweiligen Glaubenssätze für die heutige Christenheit nachdenkt. Erkennen ist Leben. Gerade in der prophetischen Verkündigung des Alten Testaments wird deutlich, dass die Frage, welchem Gott man dient, letztlich auch bestimmt, nach welchem Gesetz man lebt (vgl. 5. Mose 4,6-8). Die Ethik und der Lebensvollzug gehen aus dem Glauben hervor und wirken manchmal auch auf diesen zurück, gerade dann, wenn man den eigenen Lebenswandel rechtfertigen möchte und entsprechend den Glauben so formuliert, dass er nicht im Widerspruch zum Leben steht. Das Apostolische Glaubensbekenntnis setzt für die eigene Formulierung des Glaubens Leitplanken. Wo diese verlassen werden, ist der christliche Glaube verlassen. Wo der Mensch sich selbst zum Schöpfer erklärt, der meint, Wirklichkeit aus dem Nichts konstruieren zu können, hat er beispielsweise das Bekenntnis zu Gott, dem allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde, verlassen.

Ich danke Dr. Beat Weber für gelegentlichen Austausch über dieses Buchprojekt. Manches wurde dadurch angeregt. So ist etwa die Tabelle im Anhang mit alttestamentlichen Bibelstellen zu den einzelnen Glaubenssätzen auf seine Idee hin entstanden. Sie ist nicht auf Vollständigkeit angelegt, sondern soll als Arbeitshilfe (gerade auch für den kirchlichen Kontext) dienen. Auch danke ich Hanna Stettler, Stefan Schweyer und Uwe Bertelmann für wertvolle Hinweise.

Der STH Basel danke ich für die Übernahme des Druckkostenzuschusses, Luca Staehelin für das Erstellen des Bibelstellenregisters.

Als Bibelübersetzung habe ich in der Regel die Lutherbibel in der revidierten Fassung von 1984, herausgegeben von der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart, verwendet. Gelegentlich weiche ich davon aber auch ab und biete eigene Übersetzungen, um gewisse Aspekte deutlicher hervorzuheben.

Möge dieses Buch einen kleinen Beitrag dazu leisten, die Entfremdung von Christen gegenüber dem Alten Testament (und gegenüber dem Apostolischen Glaubensbekenntnis, das sich gerade in der Rückfrage nach den biblischen Grundlagen in seinen knappen Formulierungen als durch und durch biblisch erweist!) zu verkleinern und damit den Glauben zu stärken.

Grüt, im Februar 2023

Benjamin Kilchör

Das Apostolische Glaubensbekenntnis

Ich glaube an Gott,

den Vater, den Allmächtigen,

den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Und an Jesus Christus,

seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,

empfangen durch den Heiligen Geist,

geboren von der Jungfrau Maria,

gelitten unter Pontius Pilatus,

gekreuzigt, gestorben und begraben,

hinabgestiegen in das Reich des Todes,

am dritten Tage auferstanden von den Toten,

aufgefahren in den Himmel;

er sitzt zur Rechten Gottes,

des allmächtigen Vaters;

von dort wird er kommen,

zu richten die Lebenden und die Toten.

Ich glaube an den Heiligen Geist,

die heilige katholische Kirche,

Gemeinschaft der Heiligen,

Vergebung der Sünden,

Auferstehung der Toten

und das ewige Leben.

Amen.

Kapitel1„Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“

Die Bibel beginnt nicht über Gott zu reden, indem sie zuerst einmal einige grundlegende Lehrsätze über ihn aufstellen und beschreiben würde, wie er ist: allmächtig, ewig, allweise, gütig, gerecht, liebend etc. Vielmehr erzählt sie unmittelbar von seinem Handeln, ohne Gott vorzustellen oder einzuführen: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (1. Mose 1,1). Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel, dass wir Gott nicht als abstrakte Idee kennenlernen, als ein in sich ruhendes Wesen, als das Sein an sich; Gott ist von Anfang an in Bewegung, er offenbart sich in seinen Werken. „Deshalb gibt es für das Auge der Propheten und Apostel keinen anderen Ort, an dem sich Offenbarung Gottes in vollem Sinne finden könnte, als die Geschichte“, schreibt Adolf Schlatter. „Darum besteht Gottes Lob in der Bibel im Preise seiner großen Taten.“4

1. „Ich glaube an Gott“

Das Apostolische Glaubensbekenntnis beginnt mit den Worten „Ich glaube“ – auf Lateinisch Credo. Sogleich wird hinzugefügt, worauf sich mein Glaube richtet: „an Gott“. Das Glaubensbekenntnis ist damit nicht einfach eine Sammlung von Aussagen über Gott, sondern es setzt diejenigen, die es sprechen, in ein persönliches Verhältnis zu Gott.

Innerhalb des Alten Testaments führt die Formulierung „an Gott glauben“ zuallererst zu Abraham, über den wir lesen:

1. Mose 15,6

Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.

Schon Paulus nimmt diesen Vers als Ausgangspunkt, wenn er in Römer 4 über den Glauben und Abraham als Vater des Glaubens spricht. Voraus geht in 1. Mose 15 die Verheißung Gottes an Abraham (der damals noch Abram heißt und auch in hohem Alter keine Nachkommen hat), dass seine Nachkommen sein werden wie die Sterne am Himmel (1. Mose 15,5, siehe dazu unten 4.3). Damit wird schon bei Abraham deutlich, dass dem Glauben das Wort Gottes vorausgeht. Der Glaube und das Glaubensbekenntnis sind immer Antwort auf das vorherige Reden Gottes. Darum folgt im christlichen Gottesdienst das Glaubensbekenntnis auch auf die Schriftlesungen (je nach Tradition auch auf die Predigt) und steht nicht am Anfang.

Das bekannteste Glaubensbekenntnis im Alten Testament ist das sogenannte Schema Israel („Höre Israel!“). Es wird manchmal als jüdisches Glaubensbekenntnis bezeichnet und gehört bis heute zu den wichtigsten jüdischen Gebeten. Es findet sich in 5. Mose 6,4-5 und folgt damit auf die Zehn Gebote Gottes in 5. Mose 5. Auch hier wird deutlich, dass das Bekenntnis eine Antwort auf das Offenbarungswort Gottes ist, indem das Glaubensbekenntnis auf die Selbstoffenbarung Gottes in seinem Wort und auf seine Weisung an sein Volk antwortet. Die einzelnen Sätze des Schema Israel lassen sich nämlich Aussagen aus den Zehn Geboten folgendermaßen zuordnen:

Gottes Offenbarung

Israels Bekenntnis

5,6

Ich bin der Herr, dein Gott

6,4bα

Der Herr ist unser Gott

5,7

Du sollst keine anderen Götter haben

6,4bß

Der Herr ist einzig

5,10

[…] aber Barmherzigkeit erweist an denen, die mich lieben […]

6,5

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft

Nachdem Gott Israel aus der Knechtschaft in Ägypten geführt hat, offenbart er sich als Jahwe (in deutschen Übersetzungen in der Regel in Kapitälchen als Herr wiedergegeben) – als der Gott Israels, neben dem Israel keine anderen Götter haben soll, weil es sonst wieder in die Knechtschaft gerät. Israel bekennt sich in seiner Antwort auf diese Offenbarung zu Jahwe als seinem einzigen Gott. Die Existenz anderer Götter wird hier nicht bestritten, aber Gott schließt mit Israel einen Bund, der ausschließt, dass Israel neben ihm auch anderen Göttern dient.

Als Paulus in 1. Korinther 8 gegenüber den Korinthern das Essen von Götzenopferfleisch anspricht, schreibt er:

1. Korinther 8,4-6

Was nun das Essen von Götzenopferfleisch angeht, so wissen wir, dass es keinen Götzen gibt in der Welt und keinen Gott als den einen. Und obwohl es solche gibt, die Götter genannt werden, es sei im Himmel oder auf Erden, wie es ja viele Götter und viele Herren gibt, so haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir zu ihm; und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn.

Paulus anerkennt hier, dass es himmlische und irdische Wesen gibt, die Anbetung und Verehrung beanspruchen, auch wenn sie es nicht verdienen, „Götter“ genannt zu werden. Mehrere Ausleger haben darauf hingewiesen, dass Paulus dann mit der zweiteiligen Formulierung „Es gibt nur einen Gott, den Vater […] und nur einen Herrn, Jesus Christus“ sich auf das Schema Israel bezieht („Der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig“). So schreibt beispielsweise der Neutestamentler Eckhard Schnabel:

Paulus wagt eine Neudefinition des jüdischen Monotheismus im Sinne eines christologischen Monotheismus. Er fügt Jesus Christus nicht zum monotheistischen Glaubensbekenntnis hinzu (was Ditheismus [d. h. die Verehrung von zwei Göttern] wäre und dem Bekenntnis der Einzigartigkeit Gottes widersprechen würde), sondern er schließt Jesus Christus in die einzigartige Identität des einen Gottes mit ein, zu dem sich die Glieder des Volkes Gottes im Shema bekennen.5

Mit anderen Worten: Paulus fügt dem Schema Israel nicht ein zweites Bekenntnis hinzu, sodass es ein Bekenntnis zu Gott dem Vater und eines zu Jesus Christus gäbe, sondern er formuliert das Schema Israel neu so, dass das Bekenntnis zu dem einen Gott sowohl das Bekenntnis zum Vater wie zum Sohn beinhaltet. Dies bedeutet, dass für Paulus diejenigen, die sich zu Jesus Christus als dem einen Herrn bekennen, zum Volk Gottes gehören und in das Schema Israel einstimmen können, weil der eine Gott Vater und Sohn umfasst. Man kann damit 1. Korinther 8,6 durchaus als ein theologisches Zwischenstück zwischen dem Schema Israel und dem altkirchlichen Apostolikum sehen. Der Anfangssatz des Apostolischen Glaubensbekenntnisses – „Ich glaube an Gott“ – bezieht sich damit nicht nur auf den Vater, sondern beinhaltet Vater, Sohn und Heiligen Geist. Jede der drei Personen der Gottheit wird anschließend für sich genannt, aber es sind nicht drei Götter, an die der Christ glaubt, sondern ein Gott in drei Personen: „Ich glaube an den dreieinigen Gott.“

2. „Den Vater, den Allmächtigen“

Das Apostolische Glaubensbekenntnis bekennt Gott als „den Vater, den Allmächtigen“ und als „Schöpfer des Himmels und der Erde“. In der lateinischen Originalfassung wird noch deutlicher als in der deutschen Übersetzung, dass Gottes Allmacht seiner Vaterschaft beigeordnet ist und nicht eine davon unabhängige Eigenschaft meint. Das lateinische Patrem omnipotentem ließe sich wörtlich als „allmächtiger Vater“ übersetzen, doch wollte die deutsche Übersetzung die Vorordnung von „Vater“ vor „allmächtig“ beibehalten.

In der Bibel ist es aber gerade nicht so, dass zuerst Gott als allmächtiger Vater definiert wird, bevor er dann beginnt, die Welt zu erschaffen. Vielmehr ist sein Schöpfungshandeln das Erste, was über ihn ausgesagt ist – sein Werk, durch das er aus der Verborgenheit in die Sichtbarkeit tritt, sich offenbart und sich als allmächtiger Vater erweist. Das Schöpfungshandeln ist der erste Akt der Selbstoffenbarung Gottes.

Es gibt nicht allzu viele Stellen, in denen Gott im Alten Testament „Vater“ genannt wird. Schon in der ersten Stelle, im Lied des Mose (5. Mose 32), verbindet sich die Vaterschaft Gottes mit seinem Schöpferhandeln, allerdings nicht mit der Schöpfung von Himmel und Erde, sondern mit der Schöpfung Israels als dem Volk Gottes:

5. Mose 32,6

Dankst du so dem Herrn, deinem Gott, du tolles und törichtes Volk? Ist er nicht dein Vater und dein Herr? Ist es nicht er allein, der dich gemacht und bereitet hat?

Auch Jesaja 64,7 und Maleachi 2,10 betonen diesen Zusammenhang:

Jesaja 64,7

Aber nun, Herr, du bist doch unser Vater! Wir sind Ton, du bist unser Töpfer, und wir alle sind deiner Hände Werk.

Maleachi 2,10

Haben wir nicht alle einen Vater? Hat uns nicht ein Gott geschaffen? Warum verachten wir denn einer den anderen und entheiligen den Bund mit unseren Vätern?

Natürlich sorgt der Vater für seine Kinder:

Psalm 68,6

Ein Vater der Waisen und ein Helfer der Witwen ist Gott in seiner heiligen Wohnung.

Psalm 103,13

Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.

Jesaja 63,15-16

So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun dein Eifer und deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich! Bist du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennt uns nicht. Du, Herr, bist unser Vater; „Unser Erlöser“, das ist von alters her dein Name.

Schließlich verbindet sich die Vaterschaft Gottes auch mit der Verheißung eines Nachkommens Davids, d. h. mit der Messiasverheißung, über den Gott sagt:

2. Samuel 7,14a

Ich will sein Vater sein und er soll mein Sohn sein.

Diese Messiasverheißung wird in Psalm 89 und in Jesaja 9 aufgenommen (vgl. auch Psalm 2,7, wo Gott zwar nicht als Vater bezeichnet wird, aber zum Messias sagt: „Du bist mein Sohn“):

Psalm 89,27

Er wird mich nennen: Du bist mein Vater, mein Gott und Hort, der mir hilft.

Jesaja 9,5-6

Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er es stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth.

Die Vaterschaft Gottes hat im Alten Testament damit im Wesentlichen zwei Dimensionen: Zum einen ist er Vater seiner Geschöpfe, insbesondere Vater derer, die zu seinem Volk gehören. In einem spezifischeren Sinne ist er aber auch Vater des Messias, des Nachkommens Davids. Die Vaterschaft Gottes wird darum unten einerseits da vertieft, wo es um die Schöpfung geht (1.3, besonders „Der Mensch als Gottes Ebenbild“), aber auch da, wo es um die Gottessohnschaft Jesu geht (2.2).

Beides, dass Gott der allmächtige Vater und dass er Schöpfer des Himmels und der Erde ist, gründet schon in den ersten Kapiteln der Bibel. Von dort aus soll darum entfaltet werden, was es beinhaltet, wenn die glaubende Gemeinde sich zu Gott als dem allmächtigen Vater und dem Schöpfer des Himmels und der Erde bekennt.

3. „Den Schöpfer des Himmels und der Erde“

Es gibt gute Gründe, den ersten Satz der Bibel – „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ – so zu verstehen, dass Gott am Anfang eine himmlische und eine irdische Welt erschaffen hat, man könnte auch sagen: die für den Menschen unsichtbare himmlische und die sichtbare irdische Welt.6

Diese Deutung wird alleine schon durch den zweiten Satz gestützt: „Und die Erde war wüst und leer“ (1. Mose 1,2). Zwar hat Gott also am Anfang Himmel und Erde erschaffen, aber nur die Erde wird dann als „wüst und leer“ (hebräisch tohu wabohu) beschrieben.7 Auch das zweite Kapitel des ersten Mosebuchs beginnt mit einem Satz über Himmel und Erde: „So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer“ (1. Mose 2,1). Nach den sechs Schöpfungstagen ist die Erde nicht mehr „wüst und leer“, sondern von einem ganzen Heer von Geschöpfen bevölkert.

Die Schöpfung Gottes wird also in zwei Bereiche aufgeteilt, man spricht auch von einer zweigliedrigen Kosmologie: Himmel und Erde. Liest man aber die Verse zwischen 1. Mose 1,1 und 1. Mose 2,1, so begegnet durchweg eine dreigliedrige Kosmologie: Himmel, Erde und Meer (z. B. 1. Mose 1,8-10: „Und Gott nannte die Feste Himmel […] und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer“; vgl. 1. Mose 1,28). Auch später, zum Beispiel in den Zehn Geboten, wird die Schöpfung dreigliedrig beschrieben (2. Mose 20,11: „Denn in sechs Tagen hat der HerrHimmel und Erde gemacht und das Meer, und alles, was in ihnen ist, und ruhte am siebten Tage“).

Wir finden also in 1. Mose 1,1 und 1. Mose 2,1 einen zweigliedrigen Kosmos (Himmel und Erde), sonst aber einen dreigliedrigen (Himmel, Erde, Meer). Weitere biblische Texte legen nahe, dass die zweigliedrige Rede von „Himmel und Erde“ sich auf das bezieht, was man „unsichtbare und sichtbare Welt“ nennen könnte, also auf den Bereich Gottes und den Bereich des Menschen, während die dreigliedrige Rede von „Himmel, Erde und Meer“ sich nur auf den Bereich des Menschen bezieht. Ein schönes Beispiel dafür bietet Psalm 33, wenn darin gesagt wird:

Psalm 33

13 Der Herr schaut vom Himmel und sieht alle Menschenkinder.

14 Von seinem festen Thron sieht er auf alle, die auf Erden wohnen.

Der Himmel ist hier der Ort der Gegenwart Gottes und seines Thrones, während die Menschenkinder auf Erden wohnen. Im gleichen Psalm findet sich aber auch eine Aussage über die Erde als einen in Himmel, Erdboden und Meer aufgeteilten Bereich:

Psalm 33

5b Die Erde ist voll von der Güte des Herrn:

6 Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes.

7 Er hält die Wasser des Meeres zusammen wie in einem Schlauch und sammelt in Kammern die Fluten.

8 Alle Welt fürchte den Herrn, und vor ihm scheue sich alles, was auf dem Erdboden wohnt.

Wir finden in diesem Schöpfungspsalm somit dieselbe Unterscheidung wie in 1. Mose 1: Der Himmel ist der Bereich Gottes, die Erde der Bereich des Menschen. Die Erde ist aber ihrerseits unterteilt in Himmel, Erde und Meer. Nach 1. Mose 1,1 schafft Gott am Anfang den Himmel und die Erde. Über den Himmel wird aber nichts weiter ausgesagt, sondern nur darüber, dass die Erde wüst und leer ist und dass sie dann in drei Räume aufgeteilt wird (Himmel, Erde, Meer), die anschließend mit Bewohnern gefüllt werden. Die Reihenfolge – Himmel und Erde – weist aber darauf hin, dass der Himmel zuerst geschaffen wird und danach die Erde. Damit wird ein biblisches Prinzip eingeführt, das uns aus dem Vaterunser vertraut ist: „wie im Himmel, so auf Erden“ (Matthäus 6,10). Im Vaterunser ist es der Wille des Vaters, der „wie im Himmel, so auf Erden“ geschehen soll. In 1. Mose 1,1 ist dies der Schöpferwille des himmlischen Vaters: Er erschafft eine himmlische und eine irdische Welt und füllt die irdische mit Geschöpfen, wie schon die himmlische Welt voll seiner himmlischen Heerscharen ist.

Diese Unterscheidung von Himmel und Erde erlaubt es uns, differenziert von der Gegenwart Gottes zu sprechen. Während Gott in der unsichtbaren Welt – im Himmel – „wohnt“ und dort somit allgemein gegenwärtig ist, ist er nicht in gleicher Weise in der sichtbaren Welt – auf der Erde – gegenwärtig. Seine irdische Gegenwart ist eine spezielle Gegenwart, die es auch ermöglicht, dass er sich „abwenden“ oder „verbergen“ kann. Die allgemeine Gegenwart Gottes ist somit durch seine himmlische Wohnstätte ausgedrückt, seine spezielle Gegenwart (oder auch Abwesenheit) bezieht sich auf den irdischen Bereich. So ist es auch zu verstehen, wenn Gott sagt: „Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße“ (Jesaja 66,1). Gott thront in der unsichtbaren Welt, aber etwas von seiner Herrlichkeit (seine „Füße“) ragt in die sichtbare Welt hinein.

Wenn das Apostolische Glaubensbekenntnis Gott, den allmächtigen Vater, als „Schöpfer des Himmels und der Erde“ bekennt, so ist somit nicht nur ausgesagt, dass er uns Menschen und unsere Welt erschaffen hat, sondern auch die himmlische Welt mit ihren „Engeln, Mächten und Gewalten“ (Römer 8,38; vgl. 1. Petrus 3,22).

Die Schöpfung als Gottes Tempel

Die Bitte des Vaterunsers, dass die Königsherrschaft Gottes komme und sein Wille „wie im Himmel, so auf Erden“ geschehe (Matthäus 6,10), beinhaltet, dass der himmlische Thron Gottes ein Abbild auf der Erde haben soll. Der irdische Ort, an dem der göttliche Thron steht, ist im Alten Testament der Tempel. König Salomo betet bei der Einweihung des neu gebauten Tempels in Jerusalem:

1. Könige 8,27

Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?

Der größere Zusammenhang macht deutlich, dass die Antwort auf die erste Frage, ob Gott wirklich auf Erden wohnen sollte, mit „Ja“ zu beantworten ist: Ja, Gott, den der Himmel und aller Himmel Himmel nicht fassen können, hat zugesagt, dass er in einem von Menschenhand erbauten Haus inmitten seines Volkes Israel wohnen möchte, wie er schon zu Mose gesagt hat:

2. Mose 25,8-9

Und sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich unter ihnen wohne. Genau nach dem Bild, das ich dir von der Wohnung und ihrem ganzen Gerät zeige, sollt ihr’s machen.

Auch hier finden wir das Prinzip „wie im Himmel, so auf Erden“. Denn das Heiligtum, das die Israeliten anfertigen sollen, damit Gott inmitten seines Volkes wohnt, soll nach einem Vorbild angefertigt werden, das Mose gesehen hat, als er Gott auf der Spitze des Berges Sinai begegnet ist. Dort ist Gott in seiner königlichen Herrlichkeit erschienen und eine Wolke bedeckte den Berg sechs Tage lang. Am siebten Tag rief Gott Mose aus der Wolke und Mose ging in die Wolke hinein (2. Mose 24,15-18). Die Spitze des Berges ist der Ort, wo Himmel und Erde sich berühren. Dort, in der Wolke, tritt Mose ein in den himmlischen Bereich Gottes und darf einen Blick auf dessen himmlisches Heiligtum werfen. Das Heiligtum, dessen Anfertigung Mose dann beaufsichtigen soll, soll ein irdisches Abbild dessen sein, was im Himmel ist.

Doch nicht nur der unter Salomo erbaute Tempel und die unter Mose erbaute Stiftshütte sind Initiativen Gottes, um unter den Menschen zu wohnen. Die von Gott „erbaute“ Schöpfung selbst ist eine solche Initiative. So ist laut Psalm 78,69 der Jerusalemer Tempel auf dem Berg Zion ein Abbild der Schöpfung:

Psalm 78,69

Er baute sein Heiligtum wie Himmelshöhen,

wie die Erde, die er gegründet hat für immer.

Ganz ähnlich spricht auch Psalm 104 von der Schöpfung, bei der Gott nicht einfach aus der Distanz erschafft und vollendet, sondern selbst in Licht gekleidet in die Schöpfung hineinkommt auf einem Wolkengefährt, das vom Geistwind angetrieben wird, um das Erdreich auf festen Boden zu gründen und über den Wassern seine Gemächer zu errichten:

Psalm 104,1-5

Lobe den Herrn, meine Seele!

Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich;

Licht ist dein Kleid, das du anhast.

Du breitest den Himmel aus wie einen Teppich;

Du baust deine Gemächer über den Wassern.

Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen

und kommst daher auf den Fittichen des Geistwindes,

der du machst Geistwinde8 zu deinen Boten

und Feuerflammen zu deinen Dienern;

der du das Erdreich gegründet hast auf festen Boden,

dass es bleibt immer und ewiglich.

Die Schöpfung selbst ist der erste Bau eines irdischen Heiligtums, in dem Gott unter den Menschen wohnen möchte. In diesem Psalm wird auch deutlich, dass das Licht des ersten Schöpfungstages, das der Erschaffung von Sonne, Mond und Sternen (Tag 4) vorausgeht, das Licht Gottes ist – die Lichtherrlichkeit, in die er sich kleidet. Im Judentum wird die der Welt einwohnende Lichtherrlichkeit Gottes Schechina (d. h. „Einwohnung“) genannt. Gott selbst, der „Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis“ (Jakobus 1,17), ist die Quelle allen Lichtes. Die Sonne hat ihr Licht nicht aus sich selbst, sondern sie reflektiert das Licht Gottes. In 1. Mose 1 kommt das darin zum Ausdruck, dass für das Licht des ersten Schöpfungstages das hebräische Wort Or („Licht“) gebraucht wird, für Sonne, Mond und Sterne am vierten Tag dagegen das davon abgeleitete Me-or („Lampe“, „Lichtträger“). Auch der Anfang des Johannesevangeliums deutet das Licht des ersten Schöpfungstages als das Licht Gottes:

Johannes 1,1-5

Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.

Das Erscheinen Gottes, das Licht in die Finsternis der irdischen Welt hineinbringt, steht am Anfang der Schöpfung und dann erschafft Gott sein Heiligtum in sechs Tagen, wobei die Tage 1-3 dem Erschaffen von „Räumen“ gewidmet sind, die Tage 4-6 dem Füllen dieser Räume mit „Bewohnern“:

Raum

Bewohner

Tag: Licht und Finsternis

Tag: Wasser und Himmel

Tag: Land und Pflanzen

Tag: Sonne, Mond und Sterne

Tag: Wassertiere und Vögel

Tag: Landtiere und Mensch

So schafft Gott selbst in sechs Tagen sein irdisches Heiligtum. Die mosaische Stiftshütte und der salomonische Tempel sind nur spätere Abbilder davon:

Jesaja 66,1-2a

So spricht der Herr: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße! Was ist denn das für ein Haus, das ihr mir bauen könntet, oder welches ist die Stätte, da ich ruhen sollte? Meine Hand hat alles gemacht, was da ist, spricht der Herr.

Mit der Rede von der „Stätte, da ich ruhen sollte“ ist auch der siebte Tag, der Sabbat, angesprochen: Denn das Heiligtum ist der Ort der Ruhe Gottes. Nachdem er sich sein Heiligtum in sechs Tagen errichtet hat, ruht er am siebten Tag.

Dieses Schema von sechstägiger Arbeit und Ruhe am siebten Tag führt auch nochmals zur Entsprechung der mosaischen Stiftshütte:

2. Mose 24,15-18

Als nun Mose auf den Berg kam, bedeckte die Wolke den Berg, und die Herrlichkeit des Herrn ließ sich nieder auf dem Berg Sinai, und die Wolke bedeckte ihn sechs Tage; und am siebenten Tage erging der Ruf des Herrn an Mose aus der Wolke. Und die Herrlichkeit des Herrn war anzusehen wie ein verzehrendes Feuer auf dem Gipfel des Berges vor den Israeliten. Und Mose ging mitten in die Wolke hinein und stieg auf den Berg und blieb auf dem Berge vierzig Tage und vierzig Nächte.

Sechs Tage lang bereitet Gott das Urbild der Stiftshütte vor, bevor er Mose am siebten Tag in die Wolke hineinruft und ihm alles zeigt. Der jüdische Ausleger Benno Jacob schrieb dazu:

Für einen Zeitraum von sechs Tagen und einem darauffolgenden ausgezeichneten siebenten Tage gibt es keine andere Analogie als die sechs Werktage mit dem Sabbat. Die sechs Tage sind die Zeit, innerhalb deren Gott, im dunklen Gewölke verborgen, das Urbild des Heiligtums schafft, um am siebenten Mose hineinzurufen und ihm das vollendete Werk zu zeigen und zu erklären. Dies ist eine der mehrfachen […] Parallelen zwischen der sechstägigen Weltschöpfung und dem Heiligtum.9

Es mag an dieser Stelle genügen, darauf hinzuweisen, dass den sieben Schöpfungstagen sieben Reden Gottes zum Bau der Stiftshütte entsprechen (2. Mose 25,1-30,10; 30,11-16; 30,17-21; 30,22-33; 30,34-38; 31,1-11; 31,12-17), wobei Gott in der siebten Rede die Feier des Sabbattages gebietet. Verschiedene Parallelen zwischen der Vollendung der Schöpfung und der Vollendung der Stiftshütte hat Michael Morales zusammengestellt:10

1. Mose 1–2

2. Mose 39–40

1,31: Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.

39,43: Und Mose sah an alles Gemachte, und siehe, sie hatten es gemacht. Wie der Herr es geboten hatte,11 so hatten sie es gemacht.

2,1: So wurden vollendet Himmel und Erde und all ihr Heer.

39,32: So wurde vollendet alle Arbeit der Wohnung des Zeltes der Begegnung.12

2,2: Und Gott vollendete […] sein Werk, das er getan hatte.13

40,33: Und Mose vollendete das Werk.14

2,3: Und Gott segnete […]

39,43: Und Mose segnete sie […]

2,3: Und Gott […] heiligte

40,9: […] sie zu heiligen und alles Gerät […]15

Dass Gott Schöpfer des Himmels und der Erde ist, bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Gott wie im Himmel, so auch auf der Erde wohnen will. Die Schöpfung selbst und auch der Bau der mosaischen Stiftshütte und des salomonischen Tempels zielen darauf ab, dass Gott unter den Menschen wohnt, wie er es in 3. Mose 26 formuliert:

3. Mose 26,11-12

Ich will meine Wohnung unter euch haben und will euch nicht verwerfen. Und ich will unter euch wandeln und will euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein.

Der Mensch als Gottes Ebenbild

Das Prinzip „wie im Himmel, so auf Erden“ spielt auch bei der Erschaffung des Menschen eine Rolle:

1. Mose 1,26-28

Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.

Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

Der Mensch wird zum Bild Gottes geschaffen. Im darauffolgenden Schöpfungssegen wird ihm das Schöpfungswerk Gottes übergeben. Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen zielt darauf ab, dass der Mensch als Statthalter Gottes die himmlische Herrschaft auf Erden repräsentiert und auch selbst das Geschenk des Lebens, das er von Gott empfangen hat, weitergibt.

Zunächst einmal fällt auf, dass in diesen Versen durchgehend Gott handelt („Gott sprach […]“; „Gott schuf […]“; „Gott segnete sie und sprach […]“). Doch er scheint nicht allein zu sein, sondern er spricht in Mehrzahl: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei […]“. Gleiches finden wir auch beim Turm von Babel (1. Mose 11,7: „Lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren“) und in der Berufungsgeschichte des Propheten Jesaja, wo dieser in den himmlischen Thronsaal Gottes hineingenommen wird, in welchem Gott umgeben von Serafim thront, und Jesaja, nachdem seine Lippen durch feurige Kohlen gereinigt wurden, die Frage Gottes hört: „Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein?“ (Jesaja 6,8).

Dieses „Wir/Uns“ weist darauf hin, dass Gott nicht einsam im Himmel thront. In der Forschung spricht man von einem „Thronrat“ oder „Hofstaat“ Gottes, der ihn umgibt (man könnte auch von einer Art himmlischem Kabinett sprechen).16 In 1. Könige 22 sieht der Prophet Micha den Thron Gottes umgeben vom ganzen himmlischen Heer, mit dem Gott sich berät:

1. Könige 22,19-20

Darum höre nun das Wort des Herrn! Ich sah den Herrn sitzen auf seinem Thron und das ganze himmlische Heer neben ihm stehen zu seiner Rechten und Linken. Und der Herr sprach: Wer will Ahab betören, dass er hinaufzieht und vor Ramot in Gilead fällt? Und der eine sagte dies, der andere das.

Gott ist hier in seinem himmlischen Thronsaal von himmlischen Heerscharen umgeben und er spricht mit ihnen. Ähnlich heißt es in Psalm 82 (vgl. Psalm 95,3):

Psalm 82,1

Gott (Elohim)