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DAS CORINNA-VIRUS & 5 VOR 12 IM BUNDESTAG sind zwei Theaterstücke, die sich mit aktuellen Themen auseinandersetzen und diese mit Witz und schwarzem Humor bespiegeln. Des Weiteren vereinen beide Stücke sowohl Prosa als auch Lyrik zu gleichen Teilen. DAS CORINNA-VIRUS handelt von der Schülerin Corinna, die sich mit dem Coronavirus angesteckt hat. Als sie mit Symptomen nach Hause kommt, wartet dort eine ganz andere heikle Angelegenheit, die die ganze Familie betrifft. 5 VOR 12 IM BUNDESTAG thematisiert eine Führung durch den Bundestag, wobei der Eindruck entsteht, dass nicht nur unter der sonderbaren Besuchergruppe etwas gehörig aus dem Ruder gelaufen ist, sondern auch im Plenarsaal selbst.
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Seitenzahl: 193
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Mäander Visby
DAS CORINNA-VIRUS & 5 VOR 12 IM BUNDESTAG
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
DAS CORINNA-VIRUS
5 VOR 12 IM BUNDESTAG
Impressum neobooks
EINE KOMÖDIE
VON MÄANDER VISBY
PERSONEN
MARIUS LEIMBACH
– Theaterregisseur
HALIMA LEIMBACH
– Krankenschwester
VERONIKA VON EITZEN
– Schauspielerin
LORENZ VON EITZEN
– Politiker
CONSTANZE LEIMBACH
– Rentnerin
CARLO LEIMBACH
– Rentner
CORINNA LEIMBACH
– Schülerin
DR. MAXIMILIAN MOHR
– Virologe
Der Mensch ist am wenigsten er selbst, wenn er für sich selbst spricht –
Gib ihm eine Maske, und er wird dir die Wahrheit sagen.
Oscar Wilde
Eine traurige Seele kann einen schneller töten,
viel schneller, als ein Krankheitskeim.
John Steinbeck
Das Wohnzimmer der Familie Leimbach:
Ein Sofa, zwei Sessel, ein Fernseher, eine Minibar und reichlich Platz an der linken hinteren Wand.
Marius Leimbach sitzt allein auf dem Sofa.
MARIUS LEIMBACH
Ein Jahr, zwei Frauen und drei Wege,
Die kamen hübsch sich ins Gehege,
Dass mir es wurde schwarz vor Augen –
Ein schwarzes Jahr im wahrsten Sinne,
Mit mehr Verlusten als Gewinne,
Und einen Wunsch, der wollt' nicht taugen.
Ein Wunsch, der sprechen sollte Bände,
Und mit der Zeit, am Jahresende –
Ach, liefe es nur wie am Schnürchen –,
Erfüllt, gestillt nach meinem Willen.
Da hörte ich die Glocken schrillen,
Und öffnen tat sich mir ein Türchen.
Ein Türchen, dort im Wald, entlegen –
Der Ursprung von drei schmalen Wegen,
Soweit der Blick durchstreift die Ferne,
Von Bäumen, Ästen und Gewächsen,
Vorbei an Zwerge, Feen, Hexen,
Bis zu dem Funkeln heller Sterne.
Der erste Weg ist schlicht der alte,
Von dem ich zwar enorm was halte,
Doch der am meisten mich auch quälte,
Und zu bequem zu gehen wäre.
Bei meiner Seele, meiner Ehre,
War ich es, der den Weg einst wählte?
Der zweite Weg ist längst der neue,
Vor dem zu gehen ich mich scheue,
Doch Lust verspür' ihn zu bestreiten,
Wie lange Zeit zuvor den alten,
Wenngleich er lässt sich schwer gestalten,
Der Weg mit seinen Schattenseiten.
Der dritte Weg ist der bekannte,
Den ich schon rauf und runter rannte,
Der mich an viele Ziele brachte,
Auf den ich immer setzen konnte,
Der mich erfrischte und mich sonnte,
Mich glücklich und zufrieden machte.
Nun steh' ich da, zur Jahreswende,
Noch immer vor der Tür am Ende
Und schau' zerrissen auf die Wege,
Die wollen ein das Herz mir kleiden –
Ich müsse nur mich noch entscheiden,
Welch Stil mir denn am besten läge.
Mit der Entscheidung nun versehen –
Ich kann bloß einen Weg begehen,
Den einen Weg in meinem Leben,
Der führt mich an mein Lebensende.
So denn voran, mit Mut behände!
Ich werd' mich auf den Weg begeben.
Auftritt Halima Leimbach, Lorenz und Veronika von Eitzen.
HALIMA LEIMBACH
Treten Sie nur ein und nehmen Sie Platz.
LORENZ VON EITZEN
Das ist sehr freundlich, aber ich denke nicht, dass wir uns so lange aufhalten werden, um dieses Problem zu lösen. Nichtsdestotrotz bedanke ich mich schon einmal im Voraus für die Einladung, Frau Leimbach...
HALIMA LEIMBACH
Halima. Nennen Sie mich ruhig Halima.
LORENZ VON EITZEN
Angenehm. Lorenz von Eitzen.
HALIMA LEIMBACH
Der Politiker, nicht wahr?
LORENZ VON EITZEN
Richtig! Und merklich in Eile, denn ich habe eine wichtige Funktion in Zeiten der Krise wahrzunehmen, was man von unseren Ehepartnern nicht gerade behaupten kann.
VERONIKA VON EITZEN
Aber Lorenz, das Coronavirus betrifft uns alle. Jeder Bürger hat eine wichtige Funktion inne, damit sich das Virus nicht weiter ausbreiten kann, und zum Zwecke der Heilung.
Marius Leimbach erhebt sich und begrüßt Veronika von Eitzen dezent.
MARIUS LEIMBACH
Was noch lange nicht Grund genug ist, die Theater zu schließen. Sie haben mir und Ihrer Frau die Arbeit weggenommen!
LORENZ VON EITZEN
Vielleicht ist es ganz hilfreich, wenn Sie sich beide für eine ungewisse Zeit nicht mehr in die Augen schauen, mit anderen Worten: Sie meiner Frau nicht sagen können, was sie im Allgemeinen auf der Bühne und im Besonderen abseits davon zu tun hat. In manchen Situationen wäre es doch klüger gewesen, ihr zu sagen, was sie zu unterlassen hat. Meinen Sie nicht auch?
MARIUS LEIMBACH
Wollen Sie etwa damit andeuten, dass ich an allem die Schuld trage?
LORENZ VON EITZEN
Haben Sie die denn nicht?
HALIMA LEIMBACH
Wollen wir uns nicht doch alle zuvor einmal setzen? In der Politik erscheint es mir ebenso gang und gäbe zu sein, im Sitzen zu debattieren, anstatt sich die Beine entsetzlich in den Bauch zu stehen.
LORENZ VON EITZEN
Sie haben recht, Halima. Entschuldigen Sie meine natürliche Vorsicht.
Lorenz und Veronika von Eitzen setzen sich nebeneinander auf das Sofa.
Marius Leimbach setzt sich auf den Sessel rechts daneben.
HALIMA LEIMBACH
Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?
LORENZ VON EITZEN
Ein Mineralwasser, bitte, mit Sprudel.
VERONIKA VON EITZEN
Einen Gin Tonic, bitte, wenn es Ihnen keine Umstände macht.
LORENZ VON EITZEN
Findest du wirklich, dass solch ein emotionsgeladenes Getränk – in dieser spürbar aufgeheizten Atmosphäre und beinahe ausweglosen Situation, in der es schon schwierig genug sein wird, einen kühlen und klaren Kopf zu bewahren – in irgendeiner Weise gerechtfertigt ist? Wir sind weder zum Vergnügen hier noch ist dies eine Theaterkantine, wo man sich nach der inakzeptablen Vorstellung gemütlich auf einen Plausch zum verdrängenden Alkoholkonsum trifft.
VERONIKA VON EITZEN
Ich nehme auch ein Mineralwasser, bitte.
LORENZ VON EITZEN
Wenn es möglich ist, bitte ein stilles Wasser für meine Frau, denn sie ist tief.
Halima Leimbach bringt jeweils den beiden Gästen und sich ein Glas Mineralwasser und setzt sich daraufhin auf den Sessel links neben dem Sofa.
Anschließend steht Marius Leimbach auf und holt sich ebenso ein Mineralwasser.
VERONIKA VON EITZEN
Das Interieur haben Sie ja fast gebetsmühlenartig familiär eingerichtet. Familiär, aber exquisiter Geschmack.
HALIMA LEIMBACH
Wir haben ja auch eine Tochter, falls Sie das noch nicht wussten oder vielleicht doch wussten, aber Ihnen es nichts ausgemacht hat.
MARIUS LEIMBACH
Und meine Eltern wohnen bei uns – ein zusammengepferchtes Mehrfamilienhaus sozusagen.
HALIMA LEIMBACH
Wir wohnen bei seinen Eltern, wollte mein Mann damit sagen.
VERONIKA VON EITZEN
Wir hätten uns andernfalls im Hause von Eitzen treffen können, wenn es Ihnen an Platz mangelt.
HALIMA LEIMBACH
Ich denke, dass mein Mann hinreichend im Hause von Eitzen ein- und ausgegangen ist, sodass ich keinerlei Bedürfnis verspüre, den Ort einer Serientat zu begutachten, ohne mir die beiden Leichen dabei geistig vorstellen zu müssen.
LORENZ VON EITZEN
Wie lange wird diese Affäre schon geheim gehalten? Nun denn, die Karten auf den Tisch!
Marius Leimbach setzt sich wieder auf den Sessel rechts neben dem Sofa.
MARIUS LEIMBACH
Diese Bagatelle geht seit der ersten Leseprobe.
LORENZ VON EITZEN
In Zahlen ausgedrückt?
VERONIKA VON EITZEN
In etwa zwei Monate.
HALIMA LEIMBACH
Das sind in etwa zwei Monate zu viel!
LORENZ VON EITZEN
Wenn das in die Öffentlichkeit gerät, kann ich mir den Gipfelsturm abschminken, weil die Leute sagen werden, dass ich nicht mal meine eigene Frau führen kann. Wie sollte ich demnach ein ganzes Bundesland führen können? Unter meiner Ägide werden doch die Bürger zu Ehebrechern und aufs Kreuz gelegte – eine Gesellschaft, die man sich nicht einmal in seinen Albträumen vorstellen möchte.
MARIUS LEIMBACH
Mein Reden, Herr von Eitzen! Es tut mir leid!
VERONIKA VON EITZEN
Das sollte es dir nicht, wenn es meinem Mann bloß um seine Außenwirkung geht, aber innerlich der Fall überhaupt keine Wirkung zeigt.
HALIMA LEIMBACH
Bei mir hast du dich noch nicht entschuldigt.
MARIUS LEIMBACH
Nicht jetzt, Liebes! Sehr geehrter Herr von Eitzen, Lorenz... Ist es Ihnen recht, wenn ich Sie Lorenz nenne?
LORENZ VON EITZEN
Nein!
MARIUS LEIMBACH
Mein Lieber von Eitzen...
LORENZ VON EITZEN
Ich bin ebenso wenig Ihr Lieber!
MARIUS LEIMBACH
Also Herr von Eitzen...
LORENZ VON EITZEN
Sind Sie der Politiker oder ich?! Kommen Sie zum Punkt! Wie bereits erwähnt, fehlt mir die Zeit und die Ausdauer, mich mit meiner persönlichen Krise zu beschäftigen, wenn ganz Deutschland einer Krise entgegensteuert, die den Strudel der Liebe auf das tödlichste übersteigt.
HALIMA LEIMBACH
Sie nehmen also die Affäre zwischen Ihrer Frau und meinem Mann so mir nichts dir nichts hin?
LORENZ VON EITZEN
Das habe ich im Wortlaut dergleichen nicht gesagt. Hören Sie mir genau zu, dann können Sie eventuell noch was lernen!
HALIMA LEIMBACH
Na, aber hören Sie mal...
LORENZ VON EITZEN
Nein, Sie sollen ja mir zuhören!
HALIMA LEIMBACH
Entschuldigung! Dann habe ich Sie tatsächlich falsch verstanden.
MARIUS LEIMBACH
Du musst dich nun wirklich nicht bei ihm entschuldigen.
LORENZ VON EITZEN
Ich nehme Ihre Entschuldigung an, werte Halima.
MARIUS LEIMBACH
Nennen Sie meine Frau nicht beim Vornamen! Das verbitte ich mir!
LORENZ VON EITZEN
Ihre Frau war so freundlich, mir ihren Vornamen anzubieten, als Sie wahrscheinlich in Gedanken ausschließlich bei meiner Frau waren.
MARIUS LEIMBACH
Ich habe das Wohlwollen meiner Frau vernommen, doch im Augenblick bin ich damit ganz und gar nicht einverstanden.
HALIMA LEIMBACH
Glaubst du nicht, dass ich ebenso wenig damit einverstanden sein konnte, als du unser Hochzeitsgelübde gebrochen hast, indem du dich mit dieser Kokotte einlassen musstest?
VERONIKA VON EITZEN
Können wir nicht alle etwas die Schärfe aus unserem taktlosen Unterton herausnehmen, sodass es annährend zu einem Gespräch kommen kann, dessen Inhalt die vorliegende verzwickte Situation zu klären imstande ist?
HALIMA LEIMBACH
Sie halten sich doch fraglos für unwiderstehlich, drum sollten Sie vielleicht Ihre Gewürzmischung etwas weniger dick auftragen, damit nicht unbescholtene Männer sich ihre Zungen an Ihnen verbrennen.
VERONIKA VON EITZEN
Denken Sie, es ist allein meine Schuld, dass es bis zu einem Liebesverhältnis kommen musste?
HALIMA LEIMBACH & LORENZ VON EITZEN
Ja!
VERONIKA VON EITZEN
Ich kann auch umgehend das Haus wieder verlassen...
MARIUS LEIMBACH
Hört! Hört! Diese Art der Empörung hast du im Theater gelernt.
LORENZ VON EITZEN
Du bleibst, solange ich bleiben muss, und ob wir danach noch gemeinsam gehen werden, wird sich nach diesem eruierenden Gipfeltreffen herausstellen, wenn es denn erstmal den alternativlosen Auf- beziehungsweise Einstieg gefunden hat.
MARIUS LEIMBACH
Sie haben dummerweise den Prolog verpasst... Das ist jammerschade!
HALIMA LEIMBACH
Wir sind hier nicht im Theater und deine Schauspieler sind wir schon lange nicht! Du brauchst uns keine Anweisungen geben oder uns die Worte in den Mund legen.
VERONIKA VON EITZEN
Denkst du ernsthaft darüber nach, mich verlassen zu wollen?
MARIUS LEIMBACH
Das war das Stichwort, Herr von Eitzen, und ein Einstieg nach Maß. Antworten Sie ihr nur!
LORENZ VON EITZEN
Ich will dich nicht verlassen, aber ich werde es tun müssen, wenn du gegen meine ureigenen Parteigesetze verstoßen hast. Dann habe ich keine andere Wahl, als ein Ausschlussverfahren gegen dich einzuleiten, was, von mir selbst vollblütig agitiert, nicht in Abrede gestellt wird.
VERONIKA VON EITZEN
Ich bin weder in deiner Partei noch halte ich mich an deine Gesetze! Ich trenne ja nicht einmal den Müll!
HALIMA LEIMBACH
Dagegen ist kein Kraut gewachsen!
LORENZ VON EITZEN
Bedauerlich, aber ich verzeihe dir das!
MARIUS LEIMBACH
Ja, wenn Sie ihr solch schwerwiegendes Verbrechen schon verzeihen können, dann sollten Sie in der Bewältigung dieses klitzekleinen Verkehrsdelikts überhaupt keine Herausforderung sehen. Die Ampel war rot, richtig, doch wir konnten einander schlechthin nicht mehr auf die Bremse treten.
LORENZ VON EITZEN
Ist das Ihr Verständnis von Bagatelle? Dann sind Ihnen die involvierten, aber unbescholtenen Verkehrsteilnehmer also nicht mit dem Schulterblick aufgefallen?
MARIUS LEIMBACH
Ich blicke nie zurück!
HALIMA LEIMBACH
Ich muss mich für meinen Mann bei Ihnen entschuldigen! Manchmal habe ich die Vermutung, dass er es einfach nicht besser weiß.
LORENZ VON EITZEN
Hören Sie auf, sich bei mir ständig zu entschuldigen! Wir beide halten uns ausdrücklich an die Straßenverkehrsordnung und haben uns gegenseitig rein gar nichts vorzuwerfen.
HALIMA LEIMBACH
Da bin ich ganz Ihrer Meinung, wenngleich ich Sie nicht gewählt habe und einräume, für Ihre Partei kein gutes Wort übrig zu haben.
LORENZ VON EITZEN
Ich danke Ihnen für Ihre Ehrlichkeit, liebe Halima! Ich würde sie mir nur gleichfalls in aller Deutlichkeit von meiner Frau und Ihrem Mann wünschen. Heraus mit der Sprache! Wie kam es zu dem Unfall und wie schwer ist der Begleitschaden?
MARIUS LEIMBACH
Wollen Sie das denn wirklich so detailliert wissen?
LORENZ VON EITZEN
Haargenau, aber bitte in Kurzform!
VERONIKA VON EITZEN
Ja, wir wissen, du hast es eilig und bist unabdingbar...
MARIUS LEIMBACH
Würde nicht diese Schilderung als haargenaue Kurzform schon taugen?
LORENZ VON EITZEN
Was taugt und was nicht, bestimme in diesem Fall noch immer ich! Beginnen Sie, Herr Regisseur!
MARIUS LEIMBACH
Da Sie mir den Auftrag dazu erteilt haben, will ich die Macht der Verführung in meiner spezifischen Handhabung wirkungsvoll zum Ausdruck bringen. Veronika, kommst du?
Marius Leimbach steht auf, nimmt Veronika von Eitzen an die Hand, zieht sie hoch und stellt sie sich gegenüber.
Lorenz von Eitzen schlägt zähneknirschend auf die vereinten Hände, worauf sie sich wieder lösen.
VERONIKA VON EITZEN
Was hast du vor?
HALIMA LEIMBACH
Das würden Herr von Eitzen und ich auch gerne erfahren.
MARIUS LEIMBACH
Wie wir es durchexerziert haben, meine Liebe... Die Szene im Klassenzimmer!
VERONIKA VON EITZEN
Ich verstehe! Du machst den Anfang...
Marius Leimbach und Veronika von Eitzen spielen einen Dialog aus "Der impertinente Frevelmut der Lemma Pranz" vor.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Schön, nach der gefühlten Ewigkeit
Wieder dich zu sehen, Lemma Pranz!
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Freude auch auf meiner Seite ganz!
Dieses Grinsen war noch nie so breit.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Ich erinner' mich, du strahltest sehr,
Als wir küssten uns das erste Mal.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Damals schön – im Rückblick war's fatal,
Denn seitdem ich wünsch' mir einen mehr.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Was bezweckt dein Freund zu tun heut' Nacht?
Ist, was man sich denken kann, das Ziel?
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Ach, ich war so dumm, verlor ein Spiel,
Was zu spielen sonst mich glücklich macht.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Liebst du ihn? Ich mein' mit Stolz, fürwahr,
Wie du mich geliebt, vergöttert hast?
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Nein, seither kann lieben ich nur fast –
Viel zu wenig für ein Liebespaar.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Schrecklich, wie man noch so lieben kann,
Wenn gefühlt wird nicht im höchsten Maß.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Du warst es, der hat zerbrochnes Glas
Mir gelegt zu Füßen, denk' daran!
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Konnt' ich ahnen, dass du drauf stolzierst?
Lemma, Scherben sind ein Hindernis!
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Hindern tun sie nur solange, bis
Du vor ihnen deine Angst verlierst.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Bluten erst einmal die Füße, dann
Blutet drauf in Bälde auch das Herz.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Was weißt du denn schon von meinem Schmerz?!
Soll ich leben ohne einen Mann?
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Steht ein wahrer Mann nun nicht vor dir?
Möchtest du in mir das Kind zurück?
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Meine Jugend war mein größtes Glück,
Denn ein junger Mann stand nahe mir.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Der noch reifen musste, wie ein Wein,
Dass in ihm die Wahrheit man erkennt.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Muss man werden denn dafür getrennt?
Reift man, deiner Meinung nach, allein?
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Vor dir stehe ich gereift und reif!
Lass mich stehen oder trink' mich leer!
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Wenn du deshalb bist gekommen her –
Was bis jetzt ich sah, war bloß dein Schweif.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
War mein Aufstieg nicht kometenhaft?
Lass mich fallen in die Arme dir!
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Willst du fallen aus den Händen mir?
Um dich festzuhalten, fehlt's an Kraft,
So wie du die Büste fallen lässt.
Ich versteh' dahinter schon den Sinn.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Ach, du weißt, dass ich ein Tollpatsch bin.
Lyrik, süße Worte tun den Rest.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
So, verkaufst du dich nun unter Wert?
Glaubst du, günstig nehme ich dich noch?
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Oh, das will ich aber hoffen doch,
Schließlich werde ich von dir begehrt.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Sage mir, woraus du das beziehst!
Denkst du nicht, dass sich ein Dichter irrt?
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Wenn ein Fräulein um den Dichter schwirrt?
Welcher Mann, der dann darauf nicht schließt?
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Kann es nicht stattdessen derart sein,
Dass der Moritz deinen Spitzel spielt?
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Moritz ist nicht der, der auf mich schielt.
Und zu spitzeln fiel' ihm gar nicht ein!
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Aber was hat er mit dir zu tun?
Größer könnte sein nicht der Kontrast.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Moritz ist ein Zweig von einem Ast,
Der beschließt ein Baum zu werden nun.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Und du hast vom Ast ihn abgesägt
Und in deinem Garten eingepflanzt.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Einer dichtet und der andre tanzt –
Du weißt, wie man junge Leben prägt.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Du weißt, wie aus Prägung wird Erfolg.
Was dich prägte, blieb jedoch geheim.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Nicht das Metrum und auch nicht der Reim!
Welches Kind begeistert solches Zeug?!
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Ich stand drauf, verharre weiter dort –
Bei Gewitter, Regen, Schnee und Wind.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Wenn du meinst, dass wir noch Kinder sind,
Glaub' ich dir von nun an nicht ein Wort.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Hast du jemals mir ein Wort geglaubt,
Das du nicht erachtet hast als Last?
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Als von Liebe du gesprochen hast,
Was mir heute noch den Atem raubt.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
So wie ich noch ringen muss nach Luft,
Als ich hörte, sah dich an der Tür.
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Richt' an Moritz deinen Dank dafür!
Er ist, wie kein zweiter, ausgebufft.
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Kommst du dennoch mit zum Schülerball
Oder sehen wir uns gleich danach?
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Wie ich hoch und heilig es versprach,
Sorgen dort wir für den großen Knall!
VERONIKA VON EITZEN / LEMMA PRANZ
Sorgen? Muss ich die mir machen auch,
Herr Mäander Visby, Bösewicht?
MARIUS LEIMBACH / MÄANDER VISBY
Nein, im Fokus steht nur ein Gedicht –
Alles andre ist bloß Schall und Rauch.
VERONIKA VON EITZEN
Ende!
MARIUS LEIMBACH
Das war's!
HALIMA LEIMBACH
Das war's?!
LORENZ VON EITZEN
Sie sehen uns verwundert, nicht?
MARIUS LEIMBACH
Was mich hingegen verwundert ist, dass kein tosender Applaus auf uns einprasselt.
VERONIKA VON EITZEN
Hat dir die kleine Kostprobe gefallen, Schatz?
LORENZ VON EITZEN
Ich hätte wissen müssen, dass Theaterleute mit Worten wie haargenau und Kurzform nichts anfangen können, ja, dass sie in ihrem obsoleten Wortschatz weder auftauchen noch per Definition auf Verständnis treffen, denn in solcherlei Hinsicht haben Fabulanten gewaltige Berührungsängste.
HALIMA LEIMBACH
Was glauben Sie wohl, warum wir uns gerade in solch auswegloser Lage wiederfinden? Wir sind regelrecht vor die Wand gefahren.
MARIUS LEIMBACH
Ich habe dir doch von meinem neuen Stück erzählt.
HALIMA LEIMBACH
Ja, das hast du.
VERONIKA VON EITZEN
Und ich habe dir ebenfalls von meiner neuen Rolle berichtet.
LORENZ VON EITZEN
Ja, das hast du.
MARIUS LEIMBACH
Das ist dann alles?
HALIMA LEIMBACH
Und wieder stelle ich mir die gleiche Preisfrage.
LORENZ VON EITZEN
Es ist wahrscheinlich für alle – aber insbesondere für mich – besser, wenn ich das Trauerspiel nun beende, indem ich gehe.
HALIMA LEIMBACH
Wollen Sie mich als einzig deklassierten Nebendarsteller zurücklassen?
LORENZ VON EITZEN
Nein, natürlich nicht.
MARIUS LEIMBACH
Nebenbei bemerkt: Kein Trauerspiel, sondern Lehrstück!
LORENZ VON EITZEN
Tut mir schrecklich leid, Frau Leimbach, aber meine Geduld ist am Ende. Dort draußen sterben Menschen an einem Virus von größtmöglicher Tragweite, und ich muss hier meiner selbstgefälligen Gattin und ihrem dünkelhaften Liebhaber beim Proben eines wiederholten Ehebruchs zusehen, dass ich mir in diesem Moment nichts lieber wünschen würde, als leibhaftig infiziert zu sein, um in einem dem Untergang geweihten Krankenhausbett – auf dem Bauch liegend – nicht länger den hiesigen geistigen Strapazen heftig ausgesetzt zu sein. Ich muss jetzt bei meinem Volke sein, anstatt bei meiner Frau, die sich bester Gesundheit erfreut, obwohl sie unsere gemeinsame Vergangenheit vergiftet hat.
VERONIKA VON EITZEN
Das verstehe ich nur zu gut, mein Lieber. Während du da draußen im Sterben liegen wirst, bleibe ich derweilen hier bei Marius – wir müssen bestimmt noch kritisch über den dargebotenen Auftritt diskutieren, denn rückblickend kann ich mit meiner Leistung nicht ganz zufrieden sein, schließlich hat das Scheinwerferlicht gefehlt und auch die Akustik ist in diesem bescheidenen Raum nicht mit dem Ort vergleichbar, wo ich es gewohnt bin, um brillieren zu können.
MARIUS LEIMBACH
Aber nein! Wo denkst du hin? Deine Darstellung war enorm! Du warst fantastisch!
HALIMA LEIMBACH
Kommt gar nicht in Frage! Entweder Sie nehmen Ihre schmierige Mogelpackung mit zu Ihrem Volk da draußen oder Sie bleiben beide hier bei mir und meinem scheinheiligen Mann, solange bis wir eine zielführende Lösung für jeden von uns gefunden haben. Weglaufen können Sie in der Politik, aber heute müssen Sie in gleicher Weise explizit hinschauen, wie ich, die einfache Bürgerin, die an einem Tag relevant sein soll und am nächsten Tag schon wieder angepöbelt wird, weil das Prinzip gilt: Aus den Köpfen, aus dem Sinn!
LORENZ VON EITZEN
Ich kann mich in Ihre missliche Lage hineinversetzen, dennoch bin ich zurzeit nicht im Wahlkampfmodus, weshalb der Knopf zur Tränendrüse wenig funktional ist, jedenfalls nicht so tadellos, wie der meiner Frau, die auf Anhieb und überall eine Träne verdrücken kann, die sie frei von Sünde wirken lässt.
MARIUS LEIMBACH
Diskreditieren Sie nicht meine Frau! Das hat sie nun wirklich nicht verdient!
HALIMA LEIMBACH
Unser tiefstes gemeinsames Band...
MARIUS LEIMBACH
Und da ich, wie sich herausstellt, hier der Einzige bin, der Sie gewählt hat, sollten Sie es sich nicht auch noch mit mir verscherzen, mein Herr!
LORENZ VON EITZEN
Vielen Dank, aber auf Ihre Stimme gebe ich nichts und werde sie auch nicht mehr benötigen! Ich hatte, laut Umfragen, kurz vor der Pandemie schon die absolute Mehrheit hinter meinem Rücken versammelt, während mir nun von vorn, durch eine intrigante Minderheit, die Giftpfeile nur so um die Ohren fliegen.
HALIMA LEIMBACH
Beispielhaft für Politik!
LORENZ VON EITZEN
Exemplarisch für das wahre Leben!
Auftritt Constanze Leimbach, die in das Zimmer von der Tür aus späht.
CONSTANZE LEIMBACH
Verzeihung, wenn ich störe, aber ich wollte doch mal ergründen, ob die Stimme, die durch das ganze Haus schallt, sich mit meiner Vermutung deckt.
MARIUS LEIMBACH
Nicht jetzt, Mutter!
CONSTANZE LEIMBACH
Und siehe da, ich hab's geahnt – der ungekrönte König, Herr von Eitzen!
LORENZ VON EITZEN
Entschuldigen Sie, wenn ich zu temperamentvoll geworden bin – das ist normalerweise gar nicht meine Art.
CONSTANZE LEIMBACH
Sonderbar! Da habe ich nämlich anderes gehört.
MARIUS LEIMBACH
Mutter, würdest du, wie abgesprochen, uns die Zeit für unsere Gäste geben, solange es nötig ist?
CONSTANZE LEIMBACH
Ich wollte schon immer mal einem Politiker die Hand schütteln.
MARIUS LEIMBACH
Mutter, bitte!
CONSTANZE LEIMBACH
Ich weiß, ich habe ihn nicht gewählt, aber man muss ja nehmen, was man kriegt.
LORENZ VON EITZEN
Machen Sie sich keinerlei Umstände, meine Frau und ich waren sowieso gewillt gerade aufzubrechen.
VERONIKA VON EITZEN
Ich werd' den Teufel tun!
CONSTANZE LEIMBACH
Ich bin von den Socken! Die First Lady! Welch umwerfende Frau! Da könnte sich meine Schwiegertochter eine Scheibe von abschneiden – und würde dennoch an solch ausgeschmückter Schönheit bei weitem nicht herankommen. Ich hätte meinem Jungen ja etwas Eindrucksvolleres gewünscht.
MARIUS LEIMBACH
Mutter, würdest du so freundlich sein und Halima nicht vor unseren Gästen schlechtmachen?! Wo bleiben deine Manieren?
CONSTANZE LEIMBACH
Entschuldige, Liebchen, aber ich kann mich weder in Gedanken noch in Feststellungen verbessern.
LORENZ VON EITZEN
Familienangelegenheiten sollen uns nicht in Versuchung führen! Komm, Veronika!
CONSTANZE LEIMBACH