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Ob es einem gefällt oder nicht: Die Digitalisierung bestimmt unseren Alltag. Weder unsere Arbeitswelt noch unser Privatleben sind heute ohne digitale Technologien vorstellbar. Und ein Ende scheint nicht in Sicht. Kommunikation und Konsum werden immer schneller und bequemer, doch für diese Annehmlichkeiten bezahlen wir mit unseren »Bewegungsdaten«: Egal was wir im Netz tun, es bleibt nicht unbeobachtet - der NSA-Skandal ist der deutlichste Beweis. Auch für Peter Schaar, den früheren Bundesbeauftragten für den Datenschutz, ist der Weg in die Informations- und Transparenzgesellschaft unumkehrbar. Doch fordert er eine gesellschaftliche, eine demokratische Kontrolle, damit unsere grundlegenden Werte ihre Gültigkeit behalten. Hier sind Politiker und Bürger gleichermaßen gefragt. Peter Schaar liefert einen profunden und konkreten Überblick über die neusten technischen Entwicklungen, fragt nach ihren Konsequenzen für unseren Alltag und unsere Gesellschaft und räumt mit vielen Mythen rund ums Internet auf. Wer Peter Schaar gelesen hat, wird Smartphone und Computer mit anderen Augen sehen!
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Ich gehöre zu den »Digital Immigrants«, also zu denjenigen, die in eine analoge Welt hineingeboren wurden und die in die Digitalisierung hineingewachsen sind. Anders als meine Eltern und Großeltern, die ihr Leben lang nichts mit Computern zu tun hatten (»Nonliner«), und meine Kinder, für die Mobilfunk, PC und Internet selbstverständlich sind (»Digital Natives«), kennen wir beides aus eigener Anschauung: das analoge und das digitale Zeitalter. Diese Erfahrung beider Welten führt bei vielen »Digital Immigrants« zu einer besonderen Sensibilität bezüglich der rasanten technikbedingten Veränderungen unserer Lebensumstände. Allerdings müssen wir uns davor hüten, in eine idealisierende Verklärung der analogen Vergangenheit zu verfallen oder den früheren oder nachfolgenden Generationen arrogant oder mit erhobenem Zeigefinger gegenüberzutreten.
Meinen ersten Kontakt zu digitaler Technik hatte ich mit etwa 15 Jahren. Er kam daher in Form eines elektronischen Taschenrechners: Dieser beherrschte die vier Grundrechenarten, hatte eine Prozent- und eine Memory-Taste und kostete 150 DM (ca. 80 Euro), damals eine respektable Summe. Ich war von dem Gerät trotz seiner aus heutiger Sicht spartanischen Ausstattung vollständig begeistert. In der restlichen Schulzeit und während des Wirtschaftsstudiums ersetzte ich diesen Taschenrechner durch neue Modelle. Beeindruckt hat mich die Tatsache, dass die Nachfolgemodelle nicht teurer waren als die abgelösten Vorgänger, obwohl sie diese in ihrer Leistungsfähigkeit jeweils um ein Vielfaches übertrafen.
Schon damals wirkte sich also – ohne dass ich mir dessen bewusst war – das Moore’sche Gesetz aus, nach dem sich die Leistungsfähigkeit elektronischer Geräte alle 18 bis 24 Monate verdoppelt.1
Mit einem »richtigen« Computer bekam ich es 1980 bei meinem ersten Job zu tun. Meine Hauptaufgabe war die Entwicklung eines Personalprognose-Modells für die hamburgische Verwaltung. Ich programmierte das Verfahren an einem der wenigen Dialogterminals. Dabei handelte es sich um schreibmaschinenartige Geräte für die Ein- und Ausgabe der Daten, die an das zentrale Rechenzentrum der Stadt angeschlossen waren. Mit dem Modell konnten in kürzester Zeit differenzierte Personalprognosen unter Berücksichtigung einer Vielzahl variabler Faktoren erstellt werden. So ließ sich testen, wie sich Änderungen bei der Teilzeitbeschäftigung oder beim Renteneintrittsalter auf den Stellenbestand und die Neueinstellungen auswirken würden.2
Als ich 1983 in den Planungsstab der Hamburger Schulbehörde wechselte, erwartete ich – naiv, wie ich war –, dass genauere Prognosen für das politisch hoch brisante Schulwesen und die Zahl der notwendigen Neueinstellungen von Lehrern hochwillkommen wären. Aber ich täuschte mich: An solchen Erkenntnissen bestand kein sonderliches Interesse, insbesondere in der für den Stellenplan zuständigen Organisationsabteilung nicht. Dort sah man in der Personalplanung offenbar eine Geheimsache weniger Eingeweihter, und ich war ein Außenseiter. Der größte Tag des Abteilungsleiters war es, wenn er zu Beginn eines jeden Schuljahrs auf einer Organisationskonferenz der staunenden Behördenleitung und den Oberschulräten die aktuellen Zahlen vorlegen konnte. Er hatte deshalb wenig Interesse daran, sich bei den Berechnungen in die Karten schauen zu lassen. Trotzdem konnte ich in Gesprächen schließlich herausfinden, dass die verwendete Methode höchst simpel war. Sie beschränkte sich darauf, die Vorjahreszahlen als Prozentwert auf den aktuellen Personalbestand anzuwenden. Die Informationsgesellschaft war in dieser Behörde noch nicht angekommen, obwohl es dort schon den einen oder anderen Computer gab.
Nicht zuletzt dieser Misserfolg lenkte mein Interesse verstärkt auf die Frage, wie die Gesellschaft mit den Umbrüchen der sich schon damals abzeichnenden Informationsgesellschaft und den damit zu erwartenden neuen Erkenntnissen umgehen sollte. Besonders beeindruckt haben mich die Werke des deutsch-amerikanischen Informatikprofessors Joseph Weizenbaum, eines Pioniers der künstlichen Intelligenz. Wie kaum ein anderer hervorragender Informatiker der ersten Stunde verband er sein fachliches Wissen mit historischen Erkenntnissen, für die er als Kind einer jüdischen Emigrantenfamilie, die in den 1930er-Jahren vor den Nazis nach Amerika flüchten musste, besonders empfänglich war. Klarsichtig verglich er schon sehr frühzeitig das blinde Vertrauen in die Computertechnik mit einem »Kurs auf den Eisberg«, an dem die Informationsgesellschaft wie die legendäre Titanic zerschellen könnte, wenn sie sich auf rein instrumentelle Vernunft beschränkt und grundlegende Werte und Wahrheiten außer Acht lässt. Auch wenn es zutrifft, dass mit digitaler Technik immer mehr Phänomene messbar und damit quantifizierbar werden, wäre es doch ein grober Kurzschluss, die Realität auf die in quantitativen Modellen abbildbaren Größen zu reduzieren.3
Diese Fragen treiben mich seither um. Sie gehen weit über das hinaus, was unter dem Stichwort »Datenschutz« zusammengefasst wird, der meine berufliche Tätigkeit überwiegend geprägt hat. In diesem Buch geht es mir um diesen erweiterten Blick auf die durch die Informationstechnik bewirkten gesellschaftlichen Veränderungen. Und ich beschäftige mich damit, ob und wie wir steuernd eingreifen können, um die Kollision mit dem »Eisberg« doch noch abzuwenden, dem wir inzwischen verdammt nahe gekommen sind. Das Umsteuern ist vielleicht noch möglich – ich bin ein unverbesserlicher Optimist. Aber die Wende kann nur gelingen, wenn wir gute Seekarten haben und wir – »das Volk« – den politischen Willen entwickeln, das Steuer herumzureißen. Leider ist davon bisher nicht allzu viel zu merken.
Die digitalen Veränderungen haben längst die reale Welt erreicht. Interaktive Medien bestimmen in immer stärkerem Maß unsere Wahrnehmung und unser Verhalten – nicht nur im positiven Sinn.
Am 10. Dezember 2012 stellten Unbekannte ein verwackeltes Video ins Internet. Die teils unscharfen Aufnahmen zeigen eine Gräueltat syrischer Rebellen an einem gefangenen Offizier des Assad-Regimes. Unter anderem ist zu sehen, wie ein etwa zehnjähriger Junge mit einem Schwert auf den Kopf des gefesselten Gefangenen einschlägt. Später wird der abgetrennte Kopf des Opfers gezeigt. Seither reißen derartige Veröffentlichungen über unvorstellbare Grausamkeiten nicht ab. Sie werden auf unterschiedlichem Weg ins Internet gestellt, über Facebook, YouTube, Twitter, WhatsApp oder den Fotodienst Instagram. Die Enthauptung von Journalisten, Angehörigen religiöser Minderheiten und Entwicklungshelfern wird ebenso gezeigt wie die Verbrennung eines abgeschossenen jordanischen Piloten. Bilder der Zerstörung unersetzlicher Kulturgüter finden den Weg ins Netz, genauso wie die Schändung religiöser Stätten. Die technische Qualität der Aufnahmen hat sich dabei deutlich verbessert – sie werden inzwischen immer häufiger mit professionellen Mitteln und Know-how hergestellt und verbreitet.
War es am 11. September 2001 noch das Fernsehen, das die schrecklichen Bilder von den brennenden Twin Towers in unser Gedächtnis einbrannte, erledigen dies heute soziale Netzwerke und andere Internetdienste. Der »Islamische Staat« (IS) soll Berichten zufolge eine Medienabteilung betreiben, die sich der jeweils neuesten Techniken bedient. Wie die innovative Elite in der neuen digitalen Machtzentrale Silicon Valley verwenden auch Islamisten modernste technische Mittel, organisieren Wettbewerbe und belohnen die Produzenten der besten Videos. Der deutsche Bundesnachrichtendienst kommt in einer Analyse zu dem Schluss, eine »wesentliche Ursache für den Rekrutierungserfolg des IS« sei dessen »professionelle Medienarbeit«. Die Nutzung sozialer Netzwerke ermögliche dem IS eine »gezielte Ansprache von potenziellen Unterstützern«.
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