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Die Unternehmenswelt befindet sich in einem drastischen Umbruch. Digitalisierung, permanenter Wandel, Reaktionsschnelligkeit, heterogene, ständig wechselnde Teams und stärkerer Wettbewerb sind nur einige der vielen Herausforderungen, für die es heute gänzlich andere Lösungen braucht. Kishor Sridhar hinterfragt bisherige Führungsansätze und Methoden. Was passt davon noch in die digitale Zeit? Heute muss Führung dynamischer, flexibler und anpassungsfähiger sein. Das Buch belässt es nicht bei grauer Theorie, sondern bietet klare, innovative und zukunftsfähige Lösungen und Tipps für die erfolgreiche Führung in allen Situationen, von Teambuildingmaßnahmen bis hin zum Konfliktmanagement.
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Kishor Sridhar
Das einzige Führungsbuch,
das Sie im digitalen Zeitalter benötigen
Für Kalyan
Vergiss nie, dass du eine unglaubliche,
bewundernswerte Stärke besitzt
und stets eine Hand an deiner Seite hast,
die dich führt, wenn du glaubst, du seist allein.
Kishor Sridhar
Das einzige Führungsbuch, das Sie im digitalen Zeitalter benötigen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
1. Auflage 2019
© 2019 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Redaktion: Monika Spinner-Schuch, Bad Aibling
Umschlaggestaltung: Marc Fischer, München
Umschlagabbildung: shuttertsock_688645636
Satz: abavo GmbH, Buchloe
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN Print 978-3-86881-748-5
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-111-2
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-112-9
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.redline-verlag.de
Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de
Cover
Impressum
1 Führung ist heute anders und dennoch wichtiger als je zuvor
2 Die neuen Herausforderungen
Digitalisierung – Fluch oder Segen?
Ein gewöhnlicher Arbeitstag in der nahen Zukunft
Von alten und neuen Sorgen
DigitalisierungDigitalisierung verändert unsere Gesellschaft radikal
Wir brauchen weniger Drama und dafür mehr Zuversicht
Weniger ist mehr
Die Befreiung von der Sklaverei der Routine
Ein Blick in die sehr bittere Realität – ein Interview
Alte Paradigmen auf den Kopf gestellt
Daten höhlen die alten Hierarchien aus
X, Y, Z – neue Generationen und das alte Streben nach Glück
Generation YGeneration Y – die sinnsuchenden NetworkerNetworker
Die Generation Z – die sprunghaften Statussucher
Sicher ist, dass nichts mehr sicher ist
Alles anders oder alles schon dagewesen?
Wo sind sie plötzlich hin, die Fachkräfte?
Der Spezialisierungswahn
Der Zerfall der Hierarchien
Führung wird eine gleichberechtigte Kompetenz von vielen sein
Was exzellente Führungskräfte ausmacht
Steine-Beiseite-RäumerSteine-Beiseite-Räumer
InvestmentInvestment-Optimierer
Beobachter und Datenleser
Beziehungsarbeiter
Orientierungsschaffer
Sinnstifter und Wertevermittler
Entwickler und Wachstumscoaches
Dienstleister am Mitarbeiter
Die vier Aufgabenfelder der Führung im digitalen Zeitalter
SinnstiftungSinnstiftung
WachstumWachstum
ReflexionReflexion
OptimierungOptimierung
Ein höherer Sinn macht die Bewältigung der DigitalisierungDigitalisierung leichter
Gefühle sind entscheidend, um erfolgreich die Zukunft zu gestalten
Wir können es uns heute nicht mehr erlauben, linear zu denken
3 Sinn, Werte & Motivation – nutzen, was in den Menschen steckt
Der wahre Kern der Motivation
Bremse Nummer 1: Führungskraft und Mitarbeiter verspüren einen unterschiedlichen Mangel
Bremse Nummer 2: Wir erkennen zwar den tatsächlich empfundenen Mangel, versäumen aber, diesen immer wieder anzusprechen und zu »vermarkten«
Bremse Nummer 3: Der empfundene Mangel ergibt keinen Sinn
Sinnvoll führen
Sinn und empfundener Mangel sind zwei Kräfte, die zusammenwirken
Angst ist nicht sinnstiftend
Sinn ist der Antrieb, der uns etwas Besseres erreichen lässt
Werte sind die Grundlage des Erfolgs
Werte erkennen und leben
Methode 1 – Die eigenen Werte ermitteln und im Kontext verstehen
Methode 2 – Die individuellen Werte der Teammitglieder ermitteln und im Kontext verstehen
Leitlinien für den Alltag
Methode zur Entwicklung von FührungsleitlinienFührungsleitlinien
Dem Sinn auf der Spur
Wie Sie als Führungskraft der Mission einen Sinn geben
Mangel identifizieren und spürbar machen
ZugehörigkeitZugehörigkeit
LeistungLeistung
MachtMacht
Was Sie als Führungskraft tun sollten:
Mitarbeiter begeistern durch die richtige Story
Das digitale Zeitalter ist nicht das Zeitalter der Nerds, sondern der Storys
Wie Storys die maximale Wirkung entfalten
StorytellingStorytelling kann jeder erlernen
Storys sollten wohldosiert verwendet werden
4 Wachstum & Change als Lebensphilosophie
Das Ziel anvisieren: Pivot, Disruption oder doch einfach die grüne Wiese?
Führungskräfte hängen versenkten Kosten nach
Nutzen Sie die Technik der grünen Wiese
Das Zusammenspiel stärken
Was, würden Sie sagen, sind für deutsche Unternehmen die größten Herausforderungen in der Gestaltung des Wandels?
Was ist die Stärke Ihres Unternehmens, wenn es darum geht Change zu gestalten?
Wie wirkt sich das Vorleben des Familiensinns auf die Motivation der Mitarbeiter aus?
Wenn Sie gegen Größe plädieren, wie lässt sich dann Wachstum erreichen?
Familienunternehmen und Leistung sind für Sie also kein Widerspruch?
Sie bauen ja gezielt eine Unternehmensnachfolge auf. Welche Stärken und Fähigkeiten geben Sie Ihren Kindern mit auf den Weg?
Der Umgang mit renitenten und störrischen Kollegen
Fall 1 – Mitarbeiter könnte, handelt aber nicht
1. Die Aufgabe liegt im unteren rechten Feld des WS-Systems
Was Sie als Führungskraft tun sollten:
2. Zwei Top-Werte kollidieren
Was Sie als Führungskraft tun sollten:
Fall 2 – Der Mitarbeiter handelt, setzt aber die Aufgabe mit mangelnder Qualität um
1. Die Aufgabe liegt im oberen linken Feld des WS-Systems
Was Sie als Führungskraft tun sollten:
2. Mitarbeiter spürt eine unbewusste Versagensangstunbewusste Versagensangst
Was Sie als Führungskraft tun sollten:
Fall 3 – Der Mitarbeiter kommt ständig mit neuen Ideen, anstatt ein Projekt umzusetzen
1. Die Aufgabe liegt im oberen linken Feld des WS-Systems
Was Sie als Führungskraft tun sollten:
2. Der Mitarbeiter spürt wieder eine unbewusste Versagensangstunbewusste Versagensangst
Was Sie als Führungskraft tun sollten:
Fall 4 – Der Mitarbeiter will kein WachstumWachstum
1. Der Mitarbeiter sieht keinen Sinn im WachstumWachstum
Was Sie als Führungskraft tun sollten:
2. Der Mitarbeiter will horizontal wachsen, also seine Wurzeln verfestigen
Was Sie als Führungskraft tun sollten:
Fall 5 – Hilfe, der Praktikant spielt Chef!
Was Sie als Führungskraft tun sollten:
Weitere Fälle
Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit – Barrieren abbauen
Übung 1: 4D-Resistance-Map4D-Resistance-Map – die Landkarte der Hindernisse
Übung 2: Reporter im Einsatz – verdeckte Barrieren im Team erkennen und abbauen
Eine resiliente Change-Kultur starten
Wie Sie sich und Ihr Team auf Rückschläge grundsätzlich vorbereiten:
Das Auspendeln von Aktion und Perfektion
Der Mensch ist ein kultureller Lerner
Lösungs- vs. Problemorientierung
Mitarbeitergespräche – wieso sie so wenig bringen und wie man es besser macht
Die größten Irrtümer im MitarbeitergesprächMitarbeitergespräch
Das wahre Ziel heutiger MitarbeitergesprächeMitarbeitergespräch
Wie Sie das optimale MitarbeitergesprächMitarbeitergespräch gestalten sollten
Jedes Gespräch ist ein MitarbeitergesprächMitarbeitergespräch
Selbst Kritik wird zu einer Wohltat
5 Reflexion – Selbsterkenntnis als Führungsprinzip
Das Verfallsdatum der Wahrheit
Alles auf den Prüfstand stellen
Installieren Sie den Rebellen im Unternehmen
Schritte, um den zehnten Mann einzuführen:
Zeitinseln zur Reflexion schaffen
Wie Sie als Führungskraft wirkungsvoller reflektieren:
Die Kunst, Entscheidungen zu fällen
Die Stärke der KI ist Geschwindigkeit – die Stärke des Menschen ist seine Irrationalität
Die größte menschliche Stärke ist zugleich unsere größte Schwäche
Angst hindert uns daran, Entscheidungen zu treffen
Entscheidungen aus der Zielperspektive treffen
So schaffen Sie die richtigen Entscheidungsmechanismen:
Priorisierung als Vorentscheidung
Was Sie als Führungskraft tun sollten, um schneller einen Konsens herzustellen:
Jede Entscheidung braucht ein Verfallsdatum
Was Sie als Führungskraft tun sollten, um die EntscheidungsangstEntscheidungsangst zu überwinden:
VerlustangstVerlustangst als Entscheidungsturbo nutzen
Wie Sie Entscheidungen beschleunigen:
Die menschliche Intuition schlägt Algorithmen
Intuition ist mehr als ein Gefühl
Wie Sie die Intuition für bessere Entscheidungen nutzen:
6 Durch Optimierung zu High-Performance-Leadership
Zeit hat als Leistungsindikator ausgedient
Die Priorisierung der Aufgaben im Alltag
Es bringt nichts, mit alten Techniken die neuen Herausforderungen zu bewältigen
LeistungsoptimierungLeistungsoptimierung durch die WRD-MatrixWRD-Matrix im Alltag
Das Henne-Ei-ProblemHenne-Ei-Problem blockiert uns
Wie Sie einen erfolgreichen Produktivitätssprint gestalten:
Umsetzung der WRD-Methode im Teamalltag
Starten Sie den Tag mit etwas Wichtigem
Wie Sie als Führungskraft Ihren Tag und den Ihrer Mitarbeiter optimieren:
Übliche Einwände von Mitarbeitern
Key-Performance- & Key-Action-Indikatoren
Wir sollten nicht nur LeistungLeistung, sondern auch Handlung messen
Die richtigen KPIsKPIs und KAIs setzen
Das Team garantiert noch lange keine LeistungLeistung
Wie Sie dafür sorgen, dass Leistungsparameter eingehalten werden:
Der Umgang mit Daten oder der Wahrheit auf der Spur
Jedes Team braucht einen Scotty
Wie Sie als Führungskraft Daten wirkungsvoller nutzen können:
Aufgaben delegieren
Verkanntes Autoritätsgehabe
PerfektionismusPerfektionismus
Keine Zeit
Investieren bedeutet immer auch delegieren
Wie Sie als Führungskraft besser delegieren:
Die neuen Anforderungen an Kommunikation
Wie wichtig ist KommunikationKommunikation für ein Unternehmen in der Wachstumsphase?
Hat sich die KommunikationKommunikation in den letzten Jahren verändert?
Sollten Führungskräfte neue Medien bewusster nutzen?
Müssen Führungskräfte heute allgemein mehr kommunizieren als früher?
Was macht erfolgreiche KommunikationKommunikation aus?
Kommunizieren Sie in Bildern
Arbeiten Sie mit kurzen Texten
Geben Sie häufig Impulse und BelohnungsanreizeBelohnungsanreize
Ermöglichen Sie kommunikationsfreie Oasenkommunikationsfreie Oasen
Schaffen Sie Besprechungen ab
Wie Sie als Führungskraft Besprechungen reduzieren:
Homeoffice, dezentrale Teams und die neuen Generationen – die größte Herausforderung der Kommunikation
Zeitkritische KrisenkommunikationKrisenkommunikation
Nicht-zeitkritische KrisenkommunikationKrisenkommunikation
Entwicklungsgespräche
Arbeitsprozesse
Welche Kommunikationskanäle Sie als Führungskraft verwenden sollten:
Mitarbeiter sind keine Maschinen
Danksagung
Über den Autor
Anhang
A – Test – Welche Führungskraft sind Sie?
Welche Führungskraft sind Sie?
Rechnen Sie nun die jeweils vergebenen Punkte zusammen
B – Werte für die Diskussion ohne strukturierte Tests
C – Auswahl an Stärkentests
Bochumer Inventar zur Berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP)
Value-in-Action (VIA)
D – Beispielfragen, um die vier Zielkomponenten zu ermitteln
Sachziel
Projektziel
Identitätsziel
Beziehungsziel
Quellen
Stichwortverzeichnis
Wir leben in spannenden Zeiten. Digitale Transformation, Digital Natives mit neuen Anforderungen an Arbeit, sich ständig verändernde Teams, Agilität, Fachkräftemangel, Globalisierung und ein sich immer schneller veränderndes Wettbewerbsumfeld stellen Führungskräfte vor völlig neue Herausforderungen. Gerade in Zeiten von Veränderungen sind souveräne Führungskräfte gefragt. Sie sollten sich nicht nur einfach den neuen Gegebenheiten anpassen, sondern diese aktiv gestalten. Welche Führungsansätze sind überholt, welche gelten noch? Wie können Führungskräfte diese Transformation in ein neues Wirtschaftszeitalter erfolgreich gestalten? Das sind die Kernfragen, die Führungskräfte heute beantworten müssen.
Immer wenn Menschen zusammenwirken, um gemeinsam zu einem Ziel zu gelangen, spielt Führung eine wichtige Rolle. Die richtige Führung – nach innen sich selbst gegenüber und nach außen im Team – ist der Grund, dass wir Ziele erreichen und scheinbar aussichtlose Lagen meistern. Falsche Führung wiederum ist der Grund, dass Teams mit Spitzenkräften scheitern und von mittelmäßigen Teams überholt werden. Gerade wenn wir radikale Veränderungen erleben und gestalten, ist souveräne Führung wichtiger denn je. Führung war schon schwierig genug, als alles noch planbar und linear erfolgte. In unübersichtlichen Zeiten scheint sie manchmal kaum möglich zu sein. Dies wirft konkrete Fragen auf:
Was genau ist Führung? Wie sollte diese hinsichtlich der neuen Bedingungen aussehen? Das sind Fragen, die sich jede Führungskraft und jedes Team stellen muss. Ebenso ist die Frage berechtigt, ob wir in Zukunft überhaupt noch Führung brauchen oder sich das Konzept nicht eigentlich überholt hat. So viel sei schon mal verraten: Ja, wir brauchen auch in Zukunft Führung, nur anders als bisher.
Entsprechend werden wir uns anschauen, wie die aktuellen Entwicklungen die Anforderungen an Führung aus Sicht der Mitarbeiter und der Unternehmen verändern. Dann werden Antworten auf die wichtigsten Herausforderungen gegeben, denen Sie als Führungskraft begegnen. Führung ist ein Handwerk, und wir brauchen das passende Werkzeug für die jeweilige Situation. Deswegen werden wir alle wichtigen Themen der Führungspraxis beleuchten, wie zum Beispiel Mitarbeiter heute motiviert werden, wie sich Wachstum gestalten lässt, wie sich das Team optimieren lässt. Wir werden aber auch tiefer in Details einsteigen, wie Mitarbeitergespräche, Zeitoptimierung und Umgang mit schwierigen Mitarbeitern, um nur einige Themen zu nennen.
Nun ist mir durchaus bewusst, dass der Titel dieses Buchs hohe Erwartungen setzt. Jede der hunderttausend möglichen Führungssituationen zu behandeln, würde den Rahmen eines jeden Buches sprengen. Mit Führung ist es jedoch wie mit Rock ‘n’ Roll. Es gibt unendlich viele Figuren. Mal ist man oben, dann wird man durch die Luft gewirbelt und plötzlich wird man über den Boden gezogen. Wenn man nicht tanzen kann, macht das wenig Spaß. Wenn man jedoch den Tanz beherrscht und den Rhythmus spürt, kann man die verschiedensten Figuren durchführen, und auch jene, die man zum ersten Mal sieht, kann man schnell umsetzen, weil man das Prinzip verstanden hat, und das macht dann richtig Spaß.
Wenn Sie es mit dem Tanzen nicht so haben, betrachten Sie es wie ein Schweizer Taschenmesser für Ihre Führungsaufgaben. Sie erhalten zahlreiche Werkzeuge, die Sie für viele andere Situationen ebenso anwenden können. Sie werden auch einiges über sich lernen und das Werkzeug zur Hand haben, um sich selbst ebenso besser zu führen.
Vor allem hoffe ich aber, Ihre Begeisterung für Führung und für Menschen zu wecken, falls sie nicht schon längst entfacht ist. Denn nichts ist erfüllender, als Menschen dabei zu begleiten, Herausforderungen zu bewältigen und Ziele zu erreichen.
Vor einigen Monaten war ich zu einer Abendgala eingeladen, die im Anschluss an eine große Vortragsveranstaltung zum Thema Digitalisierung in deutschen Unternehmen stattfand. Ich fand mich am Tisch in einer Runde von Vorständen großer deutscher Unternehmen und sogenannter Hidden Champions wieder. Natürlich drehte sich das Gespräch gemäß dem Tagesthema um die Schwierigkeiten der digitalen Transformation in deutschen Unternehmen. Während eifrig Chancen und Risiken erörtert wurden, lauschte mein Tischnachbar gelassen und genoss sein Heilbuttfilet. Er war mir als Vorstand eines großen norddeutschen Bauunternehmens mit mehreren tausend Mitarbeitern vorgestellt worden. Das Geschäft hatte er in der dritten Generation von der Pike auf gelernt, war also ein Kind der Praxis. Als sich zwei weitere Tischnachbarn über die enormen unternehmerischen Risiken der Digitalisierung ausließen, bemerkte ich ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen. Da die Stilleren ja oft mehr zu sagen haben als die Vielredner, fragte ich ihn, was seine Meinung sei, ob die Digitalisierung mehr Chancen oder mehr Risiken bringe. Schmunzelnd meinte er, dass die Antwort doch auf der Hand liege. Selbstverständlich biete die Digitalisierung tausendmal mehr Chancen als Risiken. In der Gesprächsrunde war es schlagartig still geworden. Schließlich war dies eine ungewohnte Sichtweise von einem Vertreter einer Branche, die als schwerfällig und konservativ gilt – zu Unrecht, wie ich nicht müde werde zu betonen. Der ältere Herr überlegte kurz und antwortete dann ruhig: »Digitalisierung hat unser Unternehmen höchst profitabel gemacht, und die Mitarbeiter sind begeistert.« Ich wollte mehr wissen und hakte nach, was denn seiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg sei. Der Bauunternehmer legte den Kopf nachdenklich zur Seite, räusperte sich und erklärte dann: »Das Geheimnis des Erfolgs ist es, sich einerseits darauf zu freuen, dass sich alles ändert, und gleichzeitig zu verstehen, dass die menschliche Natur dennoch gleich bleibt. Die Kunst liegt dann darin, beides zu verbinden.«
Selten habe ich eine so präzise Zusammenfassung dessen gehört, was wir derzeit erleben. Digitalisierung wird nämlich ohne den Menschen nicht funktionieren. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass Digitalisierung es erst möglich macht, dass wir Menschen unsere Stärken so richtig entfalten können, wenn wir die menschliche Natur und die neuen Arbeitsweisen verknüpfen. Das setzt voraus zu verstehen, was sich verändert, sich darauf zu freuen, wenn auch mit einem kritischen Verstand, und damit die Veränderung selbst mitzugestalten.
Nun treten radikale Veränderungen nicht so plötzlich auf, wie es erscheint. Sie schleichen sich erst leise ein mit kleinen Schritten, sodass wir sie kaum bemerken, bis sie dann plötzlich ihre volle Wirkung entfalten und wir fassungslos feststellen, dass die Welt nicht mehr die gleiche ist. Die Anforderungen an Führung und an Führungskräfte haben sich also bereits gewandelt, nur beginnen wir erst langsam die Auswirkungen zu verstehen und noch langsamer darauf zu reagieren. So wird mit alten Methoden aus den sechziger Jahren, die leider bis heute noch in Führungsseminaren und Hochschulen gelehrt werden, versucht, die neuen Herausforderungen zu bewältigen. Kein Wunder, dass Führungskräfte verzweifeln und es in Teams mehr knirscht als je zuvor. Nicht nur die neuen Anforderungen werden missverstanden, sondern auch die menschliche Natur ignoriert. Denn trotz aller neuen Herausforderungen haben wir Menschen uns nämlich wiederum weitaus weniger geändert, als wir meinen. Wir sind heute genauso von Ängsten getrieben, die wir mehr oder weniger erfolgreich versuchen zu kaschieren, wie vor hunderttausend Jahren. Und unser Ego sorgt auch heute noch für amüsante, riskante und wunderliche Kapriolen, wie schon zur Steinzeit. Allenfalls die Impulse, durch die unser Ego gefüttert wird, haben sich verändert.
Einerseits ist also vieles neu, worauf ich in diesem Buch eingehen werde, andererseits stehen die Führungskräfte seit Jahrtausenden vor den gleichen Problemen. Die Sehnsucht nach Führung ist ein Teil unserer menschlichen Natur, eine Rebellion gegen dieselbe ebenso. Hieraus ergibt sich das erste Dilemma. Eine weitere Herausforderung ist eben die Notwendigkeit, Führung den sich verändernden Umständen ebenso anzupassen wie der jeweiligen Person, mit der man es zu tun hat. Die Erwartungen an eine Führungskraft[1] sind so unterschiedlich, wie die Zeiten, Führungskräfte und Menschen es sind. Das macht Führung zugleich wieder so spannend. Die größten Dramen und Erzählungen der Menschheitsgeschichte sind allesamt Führungskonflikte – von Moses’ Auszug aus Ägypten, dem sagenhaften indischen König Arjuna, der sich verzweifelt an Krishna wandte – aus dem sich daraus entspinnenden Dialog ging die Bhagavad Gita, eines der Kernwerke der hinduistischen Religion hervor –, bis hin zu Shakespeares Hamlet, Julius Cäsar, Richard der Dritte, Goethes Faust und Schillers Wilhelm Tell, um nur einige zu nennen. Wenn Sie also einmal an Ihren Fähigkeiten als Führungskraft zweifeln, dann adelt Sie das also, schließlich befinden Sie sich in guter Gesellschaft.
Was ist aber eigentlich so neu an der Digitalisierung? Computer gibt es schon seit mehreren Jahrzehnten, das Smartphone ist ebenfalls in die Jahre gekommen. Und haben wir nicht schon einmal zum Ende des ausgehenden Jahrtausends einen Internethype mit wundersamen Versprechungen erlebt, bei dem jede Idee, die irgendwie mit .com endete, gleich mit Millionen Dollar gehypt wurde, bis der Crash alles vernichtete? Weder CRM-Systeme noch automatisierte Prozesse oder Roboter sind wirklich neu. Entweder wird gerade nur wieder eine neue Sau durchs Dorf gejagt oder diese Digitalisierungswelle muss doch mehr sein als lediglich die Einführung neuer Softwarelösungen. Da Sie dieses Buch gekauft haben, gehen Sie wahrscheinlich davon aus, dass Digitalisierung eben doch mehr ist. Ich kann Ihnen da nur zustimmen, denn sonst hätte ich wiederum dieses Buch nicht geschrieben.
Am besten starten wir gleich einmal mit einem Blick in die Zukunft, um zu verstehen, was auf uns zukommt – nicht in die ferne Zukunft, sondern wie es schon in wenigen Jahren aussehen kann.
7:45 Uhr: Es ist ein Tag wie jeder andere. Sie stehen auf, gönnen sich Ihren Morgenkaffee. Vor einigen Jahren wären Sie selbstverständlich ins Büro gefahren. Das ist aber schon lange anders. Wie jeden Morgen nach dem Aufstehen überlegen Sie auch heute, ob sich ein Abstecher ins Büro lohnt oder Sie lieber von zu Hause arbeiten sollten. Eine Anwesenheitspflicht gibt es schon lange nicht mehr. Was zählt, ist schließlich das Ergebnis. Beides hat seine Vorteile. Zu Hause arbeiten Sie konzentrierter. Andererseits wäre es schön, die Kollegen auch mal wieder »live« zu sehen. Skype und Chats können eben doch nicht den persönlichen Kontakt ersetzen. Wobei Sie sich manchmal insgeheim fragen, wieso Ihnen die menschliche Nähe noch so wichtig ist. Sie rufen die Firmen-App auf Ihrem Smartphone auf. Basierend auf den für heute geplanten Arbeiten der Kollegen und deren aus einem Algorithmus errechneten Arbeitsverhalten sowie der Teamdynamik und den derzeitigen Bewegungsmustern prognostiziert die Software, welche Mitarbeiter heute mit hoher Wahrscheinlichkeit im Büro sein werden. Sie entdecken die Namen einiger Kollegen, die Sie seit Längerem nicht mehr persönlich gesehen haben, obwohl Sie die persönliche Zusammenarbeit mit ihnen schätzen. Es lohnt sich also, mal wieder einen Abstecher ins Büro zu machen. Aber Zeit für einen weiteren Kaffee ist noch.
8:50 Uhr: Der Verkehr ist bei Weitem nicht mehr so stressig wie früher, weil viele auf das Pendeln verzichten. Nur die nervigen automatischen Lieferbots der Versandhäuser belasten die Straßen zunehmend. So rollen Sie bereits nach einer halben Stunde Autofahrt auf den nahezu leeren Firmenparkplatz. Sie betreten das Bürogebäude. Obwohl Sie sich in den letzten Jahren schnell an viele Veränderungen gewöhnen konnten, sind Sie jedes Mal von der Leere in den Gängen überrascht. Ein bisschen wehmütig erinnern Sie sich daran, wie es war, als hier die Leute noch hin- und herrannten und die Räume aus allen Nähten platzten, sodass die Geschäftsleitung plante, in ein größeres Gebäude umzuziehen. Zum Glück hatte sich die Entscheidung hingezogen, schließlich war sie dann von der Realität eingeholt worden. Immer mehr Mitarbeiter wählten Homeoffice-Lösungen, Telearbeiter aus der ganzen Welt übernahmen Arbeitspakete. Die Sorge der Mitarbeiter, dass die Digitalisierung Arbeitsplätze vernichten würde, hatte sich als unbegründet herausgestellt. Heute arbeiten für Ihr Unternehmen mehr Menschen als je zuvor. Ironischerweise war die einzige Reduzierung an Arbeitskräften genau dort erfolgt, wo man es am wenigsten vermutet hatte: in der Geschäftsleitung und im mittleren Management.
9:00 Uhr: Sie haben an einem der vielen freien ergonomisch designten Open-Space-Tische Platz genommen und öffnen das Kommunikationsfeld der Firmen-App. Eine Liste aller Nachrichten, von E-Mails bis zu Chats und Textmessages, erscheint. Neben jeder Nachricht hat das System mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) bereits eine vorformulierte Antwort eingeblendet, die es – basierend auf Ihrem Kommunikationsstil, prognostiziertem Arbeitsverhalten und auf den Informationen aus Ihrem Terminkalender – berechnet hat. Im Prinzip könnte das System auch gleich die Antworten versenden, ohne dass Sie noch einen Blick darauf werfen, so präzise sind die Nachrichten formuliert; sie klingen, als hätten Sie sie, wie in den alten Tagen, noch selbst verfasst. Es wurde sogar für jeden Adressaten der entsprechende Tonfall übernommen, den Sie normalerweise pflegen. Niemand kann mehr den Unterschied zwischen einer selbst- und einer von der KI formulierten Nachricht ausmachen. Dennoch gibt es Ihnen ein Gefühl der Sicherheit, noch mal einen letzten Blick auf jede Antwort zu werfen, bevor Sie auf Senden klicken.
9:02 Uhr: Das Abarbeiten der Nachrichten, wofür Sie vor wenigen Jahren noch mindestens zwei Stunden gebraucht haben, ist in zwei Minuten erledigt. Nur eine letzte Meldung blinkt noch ungeduldig auf: Ihr Chef wünscht einen Bericht über den aktuellen Stand des Projekts, für das Sie verantwortlich sind. Das hätte er eigentlich durch wenige Mausklicks selbst machen können. Aber trotz der Digitalisierung ist das Ego nicht gestorben, und wenn er sich wichtig fühlen will, indem er gelegentlich Mitarbeiter im alten Stil um Informationen bittet, dann sei’s drum. Kann ja nicht schaden, sein Ego ein wenig zu füttern. Also öffnen Sie einen weiteren Bereich der Unternehmens-App, ziehen ein paar Charts und Textbausteine hin und her und lassen sich das Ergebnis anzeigen. Es erscheint ein fünfseitiger Bericht mit hübsch anmutenden Grafiken und von der KI erstellten Erkenntnissen. Zufrieden klicken Sie auf Senden, nicht ohne zuvor noch einen persönlichen Gruß an den Chef durch die KI einfügen zu lassen.
9:04 Uhr: Eine neue Meldung taucht in Ihrem To-do-Feld auf. Stimmt, ja! Sie sollten noch das Protokoll vom letzten Meeting schreiben. Schließlich geht auch in der digitalisierten Welt nichts über persönliche Treffen und gute Dokumentation. Sie lassen eine weitere Software Ihre handschriftlichen Notizen in Texte umwandeln und durch die KI zu zusammenhängenden Texten formulieren. Sie nehmen sich noch mal fünf Minuten Zeit, das Protokoll durchzulesen, und korrigieren drei Stellen. Dann stellen Sie es in die unternehmensinterne Social-Media-App.
9:12 Uhr: Sie schauen auf die Uhr. Die Routinearbeit ist erledigt. Sie überlegen, was Sie jetzt machen könnten, um das Unternehmen voranzubringen. Vielleicht ist es mal wieder an der Zeit die Vertriebszahlen der letzten Woche auszuwerten, um zu sehen, welche Möglichkeiten es zur Umsatzsteigerung gibt. Drei Mausklicks später hat die Firmensoftware nicht nur die Auswertungen automatisch durchgeführt, sondern basierend auf Best-Practice-Analysen und den internationalen Markt- und Kundendaten auch gleich Vorschläge zu möglichen neuen Marketingmaßnahmen unterbreitet. Die Software zeigt Ihnen an, welches Budget Sie zur Verfügung hätten und auf welches Kundensegment Sie dieses konzentrieren sollten. Sie öffnen den Projektmanagementbereich der Firmensoftware und stellen die Aufgabe ein. Die KI berechnet aus dem Anbieterpool und anhand eines auf Erfahrung aufbauenden Algorithmus die Arbeitspakete und ermittelt, welcher externe Anbieter und welche internen Kollegen die jeweilige Aufgabe am besten umsetzen können. Das dauert nur fünf Sekunden, dennoch nutzen Sie die Gelegenheit, sich einen Kaffee zu holen.
9:35 Uhr: Enttäuscht kommen Sie zurück. Es war niemand zum Plaudern in der Kaffeeküche. Die Software fragt Sie, ob Sie das Projekt starten wollen. Sie überlegen kurz und lassen sich sicherheitshalber noch die Erfolgswahrscheinlichkeit berechnen. Die KI weist diese mit 68 Prozent aus bei einer fünfprozentigen Fehlertoleranz in der Berechnung. Die übliche durchschnittliche Erfolgswahrscheinlichkeit liegt bei 53 Prozent. Also ein guter Wert. Sie klicken auf Starten. Die KI erstellt die Beauftragung und informiert alle Beteiligten. In einem weiteren Pop-up-Fenster werden Sie gefragt, ob Sie ein persönliches Kick-off-Meeting mit allen Beteiligten wünschen. Wie selbstverständlich klicken Sie auf Ja, schließlich sind menschliche Beziehungen der Schlüssel zum Erfolg. Außerdem haben die anderen ohnehin Zeit, es gibt ja schon seit Jahren nicht mehr so viel zu tun wie früher, und vielleicht wäre dann auch mal wieder jemand in der Kaffeeküche. Die KI sucht Ihnen unter Hinzuziehung der Kalender und Arbeitsabläufe aller Beteiligten den optimalen Termin und Ort aus. Sie klicken auf Einladen.
9:38 Uhr: Sie lehnen sich zurück, starren an die Decke und lauschen auf die Leere des Büros. Sie fragen sich, was Sie nun den Rest des Tages machen sollen. Schließlich sind Sie eigentlich fertig mit der Arbeit. Oder beginnt sie vielleicht gerade erst?
Nun meine Frage an Sie: Was löst dieses utopische Szenario in Ihnen aus? Wenn ich in meinen Vorträgen dieses Szenario skizziere, reagieren die einen mit Beklemmung oder gar Angst. Sie fragen sich, wozu sie in Zukunft überhaupt noch gebraucht werden. War all das, was ich bisher gemacht habe, überflüssig? Bin ICH überflüssig? Andere hingegen reagieren mit Erleichterung und Begeisterung: endlich mehr Freiheit. Endlich kann ich mich um das kümmern, was ich eigentlich machen will. Beide Gefühle haben ihre Berechtigung. Es sind genau die Gefühle, die auch Ihre Mitarbeiter haben, selbst wenn sie die Zukunft nie so im Detail durchgespielt haben.
Vielleicht halten Sie aber dieses utopische (oder vielleicht auch dystopische) Szenario für unrealistisch. Tatsächlich gibt es alle hier geschilderten Softwarelösungen bereits und sie werden teils schon in Unternehmen eingesetzt. Es handelt sich hier also nicht um Science-Fiction. Dennoch erleben wir derzeit Digitalisierung oft anders. Statt automatisiertes Arbeiten erleben wir oft Chaos und Mehrarbeit. Nichts könnte weiter entfernt sein von dem Szenario als das, was Mitarbeiter heute tausendfach in Unternehmen erleben, die sich mit einer heilsversprechenden IT herumschlagen müssen. Hierauf werden wir später noch eingehen.
Mitarbeiter wissen, dass sich gerade etwas radikal ändert. Die Frage ist, was wir daraus machen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Digitalisierung ist es, nicht den Menschen überflüssig zu machen, sondern uns Routinearbeit abzunehmen. Manchmal läuft dies nur unglücklicherweise auf das Gleiche hinaus. Machen Sie doch einmal folgendes kleine Gedankenspiel, um die Auswirkungen auf Ihren Arbeitsbereich abzuschätzen: Führen Sie eine kleine Inventur Ihres Arbeitsalltags durch. Überlegen Sie, wie viel Ihrer Arbeitszeit Sie mit Routinetätigkeiten verbringen, die in naher Zukunft Software oder eine KI erledigen könnte. Dann ziehen Sie mal all die Besprechungen ab, die eigentlich überflüssig sind. Alles andere, was übrig ist, ist die wirklich produktive Zeit, für die Sie als Mensch in Zukunft gebraucht werden. Führen wir den Gedanken weiter: Fragen Sie sich jetzt, wie viel Ihrer Arbeitszeit, die keine Routinearbeit ist, Sie mit dem verbringen, was Sie als Mensch besser können als jede Software, wie zum Beispiel Menschen inspirieren, Beziehungen zwischen den Mitarbeitern gestalten und führen? Dann erkennen wir vielleicht den wahren Wert unserer Arbeit. Ich habe dieses Gedankenspiel neulich mit der Chefsekretärin einer Hochschule durchgeführt. Ihre Arbeitstage waren damit vollgestopft, die Kapazitäten der Professoren und Dozenten zu koordinieren, Studentensprechstunden zu planen und vieles mehr. Ich fragte sie, ob sie sich nicht vorstellen könne, dass dies bald eine Software erledigen würde. So führten wir gemeinsam eine gedankliche digitale Inventur durch. Nach einigen Minuten wurde sie bleich und sagte unglücklich: »Wenn so eine Software kommt, bin ich ja eigentlich überflüssig.« Ein Student, der mit drei weiteren Kommilitonen dem Gespräch zugehört hatte, konnte nicht mehr still bleiben. »Aber Sie sind doch das Herz der Hochschule. Ohne Sie fehlt doch komplett die menschliche Wärme«, brach es aus ihm heraus. Seine Mitstudenten stimmten ihm eifrig zu. Er hatte erkannt, was der Chefsekretärin vollkommen entgangen war. Sie ist nämlich nicht einfach eine Organisatorin. Sie ist die Führungskraft der Hochschule, nur eben nicht hierarchisch. Und glauben Sie mir, bei lauter verkopften Akademikern braucht es mehr Führung, als vielen bewusst ist. Das Herz lässt sich eben nicht in Produktivitätskennzahlen messen, ist aber unverzichtbar.
Ob in unserem utopischen Szenario oder dem Fall der Chefsekretärin, wir haben gesehen, dass Beziehungen in Zukunft wichtiger sein werden als je zuvor. Menschen sind Beziehungswesen und werden es immer bleiben. Nur die Art der Beziehungen und wie wir sie pflegen werden, wird sich ändern. Hieraus ergibt sich die erste Anforderung an Führungskräfte im digitalen Zeitalter:
Anforderung 1: Führungskräfte werden mehr Beziehungsarbeit leisten müssen
Beziehungen sorgen für Inspiration, Orientierung, Sicherheit und Motivation. Die Digitalisierung wird Beziehungspunkte reduzieren, ob zum Kunden oder zwischen den Mitarbeitern selbst. Aber gerade diese wenigen Berührungspunkte kann eine Software nicht ausgestalten. Wieso gibt es heute im Zeitalter von E-Mail, Skype und WhatsApp so viele Geschäftsreisen wie nie zuvor? Eben weil die besten elektronischen Medien bis heute das persönliche Gespräch nicht ersetzen können. Wertvolle Beziehungen sind der Schlüssel zu Höchstleistung und Erfolg, und das auch, wenn man nicht der geborene Teamarbeiter ist.
Gerade wenn wir uns auf unbekanntes Terrain vorwagen, löst dies oft Ängste aus, wie wir es bereits bei unserem utopischen Beispiel gesehen haben. Wenn schon eine einfache Veränderung der Teamstruktur Ängste auslöst, wie ist es dann erst bei der Einführung einer neuen Software oder gar einer Umwälzung der Arbeitswelt? Zusätzlich wird in den Medien und von Skeptikern ein Horrorszenario nach dem anderen entworfen. Dies wirkt sich zwangsläufig auch auf Ihre unmittelbare Führungsarbeit aus. Wie wollen Sie Mitarbeiter dazu bringen, die Digitalisierung erfolgreich zu gestalten, wenn diese in permanenter Angst leben, eines Tages durch eine solche Software überflüssig zu werden? Wir können davon ausgehen, dass sich die Chefsekretärin der Hochschule vehement gegen jede Digitalisierungsbestrebung wehren wird, offen oder unterschwellig, solange wir nicht über Führung Ängste nehmen und neue Wege aufzeigen. Wenn Sie Mitarbeiter erfolgreich in das digitale Zeitalter führen wollen, dann ist es wichtig, diese Ängste zu kennen und in der Führung zu berücksichtigen.
Der Wesenskern der Digitalisierung ist nicht einfach eine neue Software, es ist die mobile Vernetzung von Computersystemen und sämtlicher Arbeitsprozesse. Dies führt zu radikal neuen Arbeitswelten, die im Begriff sind, nahezu alles, was wir bis jetzt kennen, auf den Kopf zu stellen. Wir beginnen erst langsam, die Auswirkungen zu verstehen. Der Mensch erfindet zwar – die Konsequenz der eigenen Erfindungen zu begreifen und damit umgehen zu können, erweist sich jedoch meist als schwieriger als die Entwicklung der Erfindung selbst.
James Watts Weiterentwicklung der Dampfmaschine, die er im Jahr 1769 zum Patent anmeldete, begann die britische Wirtschaft zwar bereits wenige Jahre nach der Einführung zu verändern. In dieser ersten industriellen Revolution entstanden neue Berufsbilder, Produktionsprozesse begannen sich zu verändern und die Produktivität stieg. Aber erst ab dem 19. Jahrhundert, also rund 50 Jahre später, folgten die wirklich radikalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen, wie die Landflucht, riesige Produktionsanlagen, gänzlich neue Arbeitsprozesse, aber auch gesellschaftliche Verwerfungen. Die in den wenigen Jahren steigenden Produktivitätsraten der Maschinen allein konnten dies nicht ermöglichen. Vielmehr war diese Entwicklung möglich geworden durch gesellschaftliche Veränderungen, durch ein starkes Bevölkerungswachstum und neue Ideen, wie die Aufklärung, die das alte Ständesystem aufbrachen. Nicht allein die Dampfmaschine war die Ursache für diese explosionsartige zweite industrielle Revolution, sondern die gravierenden Veränderungen im menschlichen Denken, in der Weltanschauung und in der Gesellschaft boten nun den optimalen Nährboden für die zweite und radikalere Umwälzung. Nicht anders ist es mit den Technologien der Digitalisierung, die eben auch nicht mehr so neu sind. Die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen wirken aber wie ein Katalysator, der diese Weiterentwicklungen aufgreift und die Auswirkungen potenziert, die sich dann wieder auf die Gesellschaft auswirken.
Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen, die den Umbruch der industriellen Revolution erlebten, auch nicht immer begeistert waren. Auch sie hatten Ängste vor den Veränderungen und der unmittelbaren Zukunft. Der Mensch ist seit jeher Neuerungen nicht nur mit Freude, sondern auch mit einer ordentlichen Skepsis begegnet. Meistens kam es dann nicht ganz so schlimm wie befürchtet, und selbst wenn, dann fand die Menschheit fast immer Wege, diese Neuerungen zu ihren Gunsten zu drehen. Stellen Sie sich vor, wie ein Mensch aus dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts heute die Welt sehen würde. Wahrscheinlich würde er das, was wir als selbstverständlich oder gar erstrebenswert ansehen, als Horror empfinden. Wir sind Kinder unserer Zeit. Zukunft bedeutet immer eine neue Zeit, und das kann schnell dazu führen, dass wir uns wie verwaiste Kinder fühlen.
»Uns steht eine Katastrophe bevor«, lautete die Überschrift der Titelgeschichte des Spiegels zur Automatisierung von Produktionsprozessen. Mit drastischen Worten wird darin die nahende Katastrophe beschrieben: Winzige elektronische Bausteine bedrohen Millionen von Arbeitsplätzen in Industrie und Dienstleistungsgewerbe. Weder Regierung noch Gewerkschaften wissen, wie sie die Folgen des Fortschritts unter Kontrolle bringen können. Anschaulich wird geschildert, wie viele Arbeitsprozesse derart vereinfacht und automatisiert werden, dass der Mensch kaum noch gebraucht wird. Der englische Gewerkschaftsführer Clive Jenkins wird mit den Worten zitiert »[Computer] können die meisten Jobs der meisten Menschen für die meiste Zeit ersetzen. Das ist keine Science-Fiction-Vision, sondern eine realistische Annahme.« Ein hochaktueller Artikel, der die Brisanz der Entwicklung ausführlich auf den Punkt bringt. Nur ist diese Spiegelgeschichte von April 1978![2] Bei den beschriebenen arbeitsplatzvernichtenden Neuerungen handelt es sich um Mikroprozessoren und Computer in der Fertigungsindustrie. Heute erleben wir eine Neuauflage der damaligen Diskussion. Auch die in dem Artikel zitierten Befürchtungen des englischen Computer-Experten Peter Largo, dass »unsere Gesellschaft insgesamt, die parlamentarische Demokratie, wie das Recht auf Arbeit oder die Verteilung des Volkseinkommens« nachteilig beeinflusst werden würden, kommen einem irgendwie sehr aktuell vor.
Der Höhepunkt der Beschäftigungsapokalypse wurde in dem Artikel für die Jahrtausendwende plus minus einiger weniger Jahre prognostiziert. Bekanntermaßen ist es anders gekommen. Nun war der Weg nicht ohne Beschwerden. Wir haben einige erhebliche gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Herausforderungen und Krisen durchleben und bewältigen müssen. Auch die Digitalisierung wird nicht geschmeidig vonstattengehen. Wir werden in absehbarer Zeit Produktionseinbrüche sowie wirtschaftliche und gesellschaftliche Verwerfungen erleben bzw. wir erleben sie bereits, eben weil es dauert, bis sich die Gesellschaft und die Menschen den von uns selbst geschaffenen Erfindungen anpassen und sie beherrschen. Da helfen leider auch gut gemeinte Kontrollsysteme und Restriktionen nicht. So hatte die IG Metall in einer groß angelegten Studie aus den Jahren 1982/83 die Forderung der Entkoppelung von Mensch und Maschine gefordert, was konkret ein Tätigkeitsverbot von Robotern in gewissen Aufgabenbereichen bedeutet hätte.[3] Die IG Metall forderte drei Beschäftigungsstufen in der Fertigung. Meister sollten sich mit der übergeordneten Steuerung und Planung befassen, Facharbeiter sollten die aufwendigen Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten durchführen und lediglich angelernte Arbeiter sollten programmieren und Computer steuern. Schlagen Sie heute mal einem Unternehmen vor, dass angelernte Arbeiter programmieren sollen und Meister nichts mit Computer zu tun haben sollten. Das mag vielleicht der Wunschtraum einzelner Mitarbeiter sein, geht jedoch völlig an der Realität vorbei. Es wurde völlig verkannt, dass Programmierung ein eigener Aufgabenbereich werden konnte, in dem heute Hundertausende eigens dafür ausgebildete Fachkräfte arbeiten.
Es ist also weder davon auszugehen, dass der Mensch, aller Horrorprognosen zum Trotz, überflüssig wird, noch halten Regulierungen, auch wenn sie noch so gut gemeint sind, Veränderungen auf. Technische Erfindungen haben in der Geschichte der Menschheit noch nie zu Massenarbeitslosigkeit geführt, im Gegenteil, diese haben eher mehr Arbeit geschaffen. Während 1882 die Erwerbstätigenquote mit 41,9 Prozent bei rund 19 Millionen Personen lag,[4] ist diese heute sogar mit fast 50 Prozent leicht höher, und das bei rund 44 Millionen Beschäftigten.[5]
Eine Prognose stimmte jedoch. Zwar sind mehr Menschen als je zuvor beschäftigt, jedoch arbeiten wir pro Kopf im Durchschnitt weniger. In der Kaiserzeit um 1870 betrug die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 70,8 Stunden, im Jahr 1924 dann 50,4 Stunden[6] und im Jahr 2016 bereits nur noch 38,1 Stunden[7]. Allerdings kenne ich nicht allzu viele Beschäftigte, die sich über diesen Rückgang der persönlichen Wochenarbeitszeit beschweren. Denn die geringere Wochenarbeitszeit hat historisch betrachtet keine finanziellen Nachteile. So ist das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 2.600 Euro (umgerechnet) im Jahr 1880[8] auf rund 40.000 Euro im Jahr 2017 explodiert. Auch wenn bestimmt zu Recht angemerkt wird, dass zu wenig von diesem Wohlstand in den Privathaushalten ankommt, so hat sich der Index der Reallöhne von 1950 bis heute fast versechsfacht. So schlecht geht es uns also nicht, aber jammern lässt sich am liebsten auf hohem Niveau.
Wir können also getrost davon ausgehen, dass in Zukunft nicht eine Minderheit an Menschen vierzig Stunden pro Woche arbeitet, während alle anderen ein inhaltloses Dasein fristen. Wahrscheinlicher ist es, dass wir, wie in unserem utopischen Zukunftsszenario, alle deutlich weniger arbeiten werden. Anders ausgedrückt: Wir werden mit wenigen Stunden Arbeit besser leben als die Generationen davor. Alles andere sind Routinearbeiten und Zeitfüller. Das Konzept des acht- bis zehnstündigen Arbeitstages ist ohnehin menschheitsgeschichtlich gesehen eher jung und hatte sich mit der Sesshaftwerdung und der Landwirtschaft etabliert, also vor rund 8 000 bis 10 000 Jahren. Die hunderttausende Jahre zuvor haben unsere Vorfahren nur wenige Stunden am Tag mit Nahrungssammeln und Jagen verbracht. Die restliche Zeit saßen sie herum, redeten, waren kreativ und verbrachten die Zeit mit Nachdenken. Anthropologen gehen davon aus, dass diese Zeit die kreativste der Menschheit war und viele Sagen und Religionen in dieser Zeit ihren Ursprung hatten. Leider gab es damals keine Schrift, sodass uns nur die Höhlenmalereien und einige wenige Überlieferungen geblieben sind. Vielleicht war der Acht- bis Zehn-Stunden-Tag nur ein kurzer Irrtum in der Menschheitsgeschichte. Wahrscheinlich werden uns unsere Enkelkinder mitleidig anschauen, wenn wir über unseren Arbeitsalltag erzählen, und sich wundern, wieso wir so verrückt waren, so viel unnütze Arbeit zu leisten, ähnlich wie wir mitleidig auf das traurige Los der Arbeiter des neunzehnten Jahrhunderts blicken.
Übrigens zeigen zahlreiche Forschungen, dass wir auf Dauer ohnehin nur maximal fünf Stunden pro Tag geistig produktiv sein können. Insofern entspricht eine deutliche Reduzierung unserer Arbeitszeit auch der menschlichen Natur.