Das geheime Leben der Tiere (Savanne) - Maru - Die Reise der Elefanten - Kira Gembri - E-Book

Das geheime Leben der Tiere (Savanne) - Maru - Die Reise der Elefanten E-Book

Kira Gembri

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Beschreibung

Voller Freude begrüßt die Elefantenherde das neugeborene Kalb Maru. Doch ausgerechnet Marus Mutter Isago wirkt kühl und verschlossen – sie hat mit Erinnerungen aus der Vergangenheit zu kämpfen, denn Elefanten vergessen nie! Als die Herde sich auf die weite Reise ins grüne Paradies macht, verlieren Maru und Isago den Anschluss. Die beiden Elefanten sind ganz auf sich allein gestellt. Von nun an müssen Mutter und Tochter lernen, einander zu vertrauen, denn Gefahren lauern überall. Aufregende Abenteuer, erstaunliche Wunder der Natur und das spannende Leben der Tiere – diese Kinderbuch-Reihe entführt Kinder ab 8 Jahren in die verschiedenen Lebensräume der Erde. Ob im tiefen Meer, im dichten Wald oder in der weiten Savanne: In den Geschichten erleben Tiere wunderschöne und zugleich bewegende Abenteuer. Die Kinder tauchen in die Welt der Tiere ein, werden für die Vielfalt der Natur begeistert und lernen viel Neues auf den Wissensseiten. Mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Illustrationen. Lehrreich wie ein Sachbuch und berührend wie ein Disney-Klassiker! Alle Bände dieser Reihe: Das geheime Leben der Tiere (Savanne) - Nuru und Lela - Das Wunder der Wildnis Das geheime Leben der Tiere (Savanne) - Maru - Die Reise der Elefanten Das geheime Leben der Tiere (Savanne) - Im Reich der Geparde Das geheime Leben der Tiere (Savanne) - folgt Die Titel sind auf Antolin.de gelistet.

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Inhalt

1. Kapitel: Überall Beine

2. Kapitel: Viel zu tun

3. Kapitel: Die Welt verändert sich

4. Kapitel: Alte Bekannte

5. Kapitel: Gefährliches Vergnügen

6. Kapitel: Auf Wanderschaft

7. Kapitel: Neue Wege

8. Kapitel: Gewitter ohne Wolken

9. Kapitel: Allein

10. Kapitel: Brodeln im Bauch

11. Kapitel: Jäger und Gejagte

12. Kapitel: Trauriges Geheimnis

13. Kapitel: Die Fährte des Riesen

14. Kapitel: Aus heiterem Himmel

15. Kapitel: Gebrochenes Versprechen

16. Kapitel: Der Silbervogel

17. Kapitel: Ein Festmahl

18. Kapitel: Spuren für die Ewigkeit

19. Kapitel: Blutroter Horizont

20. Kapitel: Ein ganz besonderes Bad

Und wie ist das alles wirklich?

1. Kapitel:

Überall Beine

Marus Leben in der Savanne begann mit einem Plumps.

Elefanten bekommen ihre Kinder im Stehen, aber davon wusste Maru nichts. Sie spürte nur, dass Zur-Welt-Kommen keine sehr gemütliche Sache war. Benommen blieb sie liegen, während ein unglaublicher Lärm ertönte: wildes Trompeten … ein Grollen, das den Boden erzittern ließ … und das Scharren riesiger Füße im Sand.

Marus Augen waren noch zu schlecht, um Einzelheiten zu erkennen. Außerdem war es dunkel. Nur hin und wieder wurde sie von Sonnenstrahlen getroffen, wenn die mächtigen Baumstämme ringsum zur Seite schwankten. Gleich danach schlossen sich diese Lücken wieder, und Maru lag verborgen wie auf einer Lichtung im finsteren Wald.

In Wirklichkeit waren es gar keine Baumstämme, sondern Beine. Die gesamte Herde hatte sich um Maru geschart, nachdem sie zu Boden gestürzt war. Sie alle wirbelten Staub über das neugeborene Kalb und die Stelle der Geburt, um verräterische Gerüche zu verbergen. Dann traten sie in einem wilden Freudentanz von einem Fuß auf den anderen, fächelten mit den Ohren und schrien, so laut sie konnten. Das war nicht nur Jubel, sondern auch eine Warnung an alle Raubtiere da draußen: Wehe, ihr kommt uns in die Quere! Wir haben nun jemanden bei uns, den wir mit ganzer Kraft verteidigen werden!

Aber auch davon verstand Maru noch nichts. Im Moment hatte sie genug damit zu tun, ihren Kopf zu heben. War der schwer! Am besten, sie machte es sich wieder bequem. Der trompetende, schwankende Wald würde sie nicht vom Schlafen abhalten. Sie gewöhnte sich schon langsam an ihn.

Doch als Maru den Kopf sinken ließ, schob sich plötzlich ein dickes, warmes Etwas unter ihr Kinn. Das war ihre erste Begegnung mit einem voll ausgewachsenen Rüssel. Später würde sie sich daran erinnern, wie stark er sich angefühlt hatte – und zugleich wie sanft.

„Steh auf, Kleines“, brummte es weit über ihr. Eine gigantische Elefantin ragte vor Maru in den Himmel. Sie hatte dicke, anmutig geschwungene Stoßzähne, und das Sonnenlicht schimmerte durch unzählige Risse und Löcher in ihren Ohren.

„Mama?“, fragte Maru.

„Ich bin Warona, deine Anführerin.“ Die Riesin stupste Maru mit dem Fuß in die Seite, während ihr Rüssel immer noch Marus Kopf nach oben drückte. „Steh auf! Es ist wichtig, dass du das lernst.“

„Wer liegen bleibt, muss verhungern.“ Eine sehr viel kleinere Elefantenkuh erschien in Marus Blickfeld. Sie war selbst noch ein Kalb, hatte aber bereits kurze Stoßzähne. Frech streckte sie den Rüssel aus, beschnupperte Maru und kitzelte sie hinterm Ohr.

„Mama?“, versuchte es Maru wieder.

„Ja, mein Kind.“ Die kleine Elefantenkuh blinzelte schelmisch, bis sie von der Riesin beiseitegeschoben wurde.

„Das ist bloß Setso, deine Herdenschwester. Hör nicht auf sie. Ihr Köpfchen ist vor allem mit Unsinn gefüllt.“ Warona schlang ihren Rüssel wie einen riesigen, weichen Haken um Marus Körper. Dann begann sie vorsichtig, aber unerbittlich zu ziehen. Eigentlich wollte Maru immer noch ihre Ruhe haben, doch sie spürte, dass sie sich auf Warona verlassen konnte. Also versuchte sie, ihren vorderen Teil in die Höhe zu stemmen. Dann den hinteren Teil. Und dann … knickte die vordere Hälfte wieder ein.

Was für eine Zumutung!

Maru hätte vor Wut trompetet, wenn sie es schon gekonnt hätte. So aber blieb ihr nichts anderes übrig, als einen neuen Versuch zu starten. Nach einigem Gezappel und noch mehr Hilfe von Warona schaffte sie es schließlich auf ihre vier kleinen, runden Füße. Sie war erschöpft, und in ihrem Magen grummelte es. Das war bestimmt dieses Verhungern, das Setso gemeint hatte. Dagegen musste dringend etwas unternommen werden!

„Ich stehe jetzt“, verkündete sie – nur für den Fall, dass jemandem diese Heldentat entgangen war. „Wie geht es weiter?“

„Du gehst weiter.“ Vergnügt stemmte Setso den Rüssel gegen ihre neue kleine Herdenschwester. „Meine Güte, siehst du ulkig aus. Du hast ja Haare auf dem Kopf wie ein Affenbaby!“

„Vor vier Jahren hast du auch so ausgesehen.“ Warona drängte Setso beiseite, aber auch sie schien der Meinung zu sein, dass auf Stehen Gehen folgen musste. Liebevoll schob und zog sie an Maru, bis diese sich mit wackeligen Beinchen in Bewegung setzte.

Während Maru im Kreis der Herde vorwärtstaumelte, schwebten von überallher Rüssel in ihre Richtung. Jeder wollte an ihr riechen, jeder wollte sie kennenlernen. Nur ein Rüssel hing schlaff herab, und auf genau den führte Warona ihren Schützling zu. „Hier“, brummte sie leise. „Das ist deine Mama.“

Maru hob den Kopf. Verschwommen erkannte sie eine Elefantenkuh, die größer als Setso, aber sehr viel kleiner als Warona war. Ihre Stoßzähne waren noch ganz schmal, und in den Rändern ihrer Ohren zeigte sich kein einziger Riss. Den Kopf hielt sie auffällig tief. Nichts schien ihr wichtiger zu sein als der Blick auf den Boden.

„Isago, Liebes. Ich bringe dir dein Kind.“ Einen Moment lang ließ Warona ihre Rüsselspitze um das Gesicht der jungen Elefantin herumgleiten. Dazu gab sie ein tiefes, beruhigendes Grollen von sich, denn Isago war eindeutig nervös. Hektisch schlug sie mit den Ohren, als das neugeborene Kalb unter ihren Bauch stolperte. Es war so klein, dass es einfach unter ihr hätte hindurchspazieren können – aber das wollte es gar nicht.

Maru witterte, dass sich zwischen Isagos Vorderbeinen etwas sehr Wichtiges befand. Etwas, das warm und gut und nahrhaft duftete. Sie näherte ihr Mäulchen den beiden Zitzen, da wurde ihr auf einmal der Zugang versperrt. Isago hatte ein Vorderbein zurückgestellt.

He, was war denn das? Maru quiekte erschüttert. Sollte sie etwa verhungern, so wie Setso gesagt hatte?

„Die Kleine muss trinken, Isago.“ Abermals grollte Warona und streichelte Isagos Bein. Die Anführerin strahlte so viel Ruhe und Sicherheit aus, dass Maru mit dem Quieken aufhörte. Und dann, endlich, schob Isago das Bein nach vorn. Nun war der Weg zu ihren Zitzen frei.

Kurz darauf stand Maru unter dem Bauch ihrer Mutter, den winzigen Rüssel nach oben geringelt, und schlürfte laut. Sie stellte keine Fragen mehr. Erstens war sie zu beschäftigt, und zweitens spürte sie, dass sie von Isago keine Antworten bekommen würde. Isago konnte und wollte ihr nicht mehr geben als Milch.

Während Maru trank, ließ die Herde ihr neuestes Mitglied nicht aus den Augen. Ihr Scharren, Schnauben und zufriedenes Grummeln gab Maru das Gefühl, rundum geborgen zu sein. Hier wurde sie geliebt und beschützt. Solange sie die anderen hatte, brauchte sie vielleicht gar keine richtige Mama.

***

Isago hatte gelernt, vor ihrer Angst davonzulaufen. Egal ob sie auf bedrohliche Gerüche oder Geräusche traf: Isago rannte. Auch die Geburt ihres Kalbes hatte ihr Angst gemacht. Da war etwas unter ihr zu Boden gefallen, das lebendig und sehr fremd gerochen hatte. In derselben Sekunde war Isago losgestürmt. Ein paar Meter weiter wurde sie von der Herde gestoppt, die ihr mit Tänzen und Freudenschreien zu zeigen versuchte, dass soeben etwas Gutes passiert war. Etwas Wunderbares, vor dem man sich bestimmt nicht zu fürchtenbrauchte!

Doch Isago fühlte das nicht. Wie erstarrt blieb sie stehen, während man ihr Kalb willkommen hieß. Es wurde zu ihr gebracht, und sie ließ sich von Warona überreden, ihm Milch zu geben. Immerhin wusste dieAnführerin nach fünfundvierzig Lebensjahren und sechsKälbern genau, was man in so einer Situation tun musste. Isago hingegen war kaum erwachsen. Sie hatte noch nie zuvor ein Kalb gehabt … und an ihre eigene Kälberzeit dachte sie nicht mehr.

Nein, sie hatte diese Zeit nicht vergessen. Elefanten vergessen nichts. Aber Isago war ein Elefant, derversuchte, sich nicht zu erinnern. Denn das war die Zeit gewesen, in der ihre Angst begonnen hatte.

2. Kapitel:

Viel zu tun

In den Tagen nach ihrer Geburt hatte Maru sehr viele Pläne. Wichtige, großartige Pläne, die dringend verfolgt werden mussten. Erstens trinken – und zweitens schlafen.

Komischerweise hatte die Herde etwas ganz anderes im Sinn: Sie wanderte von früh bis spät durch die Gegend. Maru konnte es nicht fassen. Die Großen waren regelrecht besessen vom Gehen, und sie schliefen so gut wie nie!

Erst mit der Zeit begriff Maru, dass die Herde sich nicht einfach nur bewegen wollte. Eigentlich waren die Großen so viel auf den Beinen, um gigantische Mengen Grünzeug in ihre Mäuler zu stopfen. Sattwerden schien eine furchtbar mühsame Angelegenheit zu sein, wenn man keine Milch mehr trank. Trotzdem achteten alle darauf, dass Marus Wünsche nicht zu kurz kamen. Ihretwegen gab es immer wieder Ruhepausen im Schatten, und wenn sie Hunger hatte, brauchte sie nur den Kopf unter Isagos Bauch zu schieben – schon stoppte die gesamte Herde. Geduldig standen die Riesen da, während ihr kleinstes Mitglied trank.

Wahnsinn, dachte Maru. Vielleicht bin in Wahrheit ich die Anführerin und weiß es bloß noch nicht! Um das zu testen, marschierte sie schnurstracks an den anderen vorbei. Sofort streckten sich einige Rüssel in ihre Richtung, sie bekam einen sanften Klaps und wurde in den sicheren Wald aus Beinen zurückgeholt.

Also bin ich doch nicht die Anführerin, stellte Maru mit leiser Enttäuschung fest. Aber … ich bin jedenfalls sehr, sehr wichtig.

Nach und nach lernte sie auch die Rollen der anderen Herdenmitglieder kennen. Am meisten Verantwortung trug natürlich Warona, die Älteste von allen. Sie bestimmte jeden Tag, wohin sie gingen, wann sie ruhten und wo sie fraßen. Wenn Warona die Herde anführte, hielt sie ihren Rüssel nach oben gereckt, um alle Gerüche in der Luft zu prüfen. Die anderen trotteten hinterher, und ihre Rüssel baumelten entspannt nach unten. Sie verließen sich ganz auf Waronas Erfahrung und ihren Spürsinn. Auch Maru wusste, dass sie sich in der Nähe der weisen Leitkuh vor nichts zu fürchten brauchte.

Es gab noch zwei andere große Erwachsene: Anaya, die mit ihrem krummen linken Stoßzahn fast so schelmisch wirkte wie ihre Tochter Setso, und die gemütliche Loapi. Tante Loapi hatte überhaupt keine Stoßzähne, was ihrem Gesicht einen besonders sanften Ausdruck verlieh. Die Kälber der beiden waren schon ziemlich groß, sodass die Tanten sich mit aller Zärtlichkeit auf das neue Baby konzentrieren konnten. Wenn Maru auch nur das leiseste Quieken ausstieß, waren sie gleich bei ihr und betasteten sie sorgenvoll.

Aber viel Gelegenheit bekamen sie dazu nicht. „Ich mach das schon!“, rief Setso und drängte sich zwischen ihrer Mama und ihrer Tante hindurch. Eifrig schnüffelte sie an Maru und schob ihr die Rüsselspitze ins Maul. Man hätte meinen können, sie wäre schon ihr ganzes Leben lang ein Kindermädchen gewesen. „O ja, ein feines Baby“, lobte sie. „Ein rundes, gesundes, stoppeliges, moppeliges …“

„Setsooo!“, quiekte Maru erneut. „Mir tut was weh! In meinem Gesicht – oh, und es wird immer schlimmer!“

„Du stehst auf deinem Rüssel, du Affenköpfchen.“ Setso gab Maru einen Schubs, damit sie einen Schritt zur Seite stolperte. Sofort hörte das fiese Ziepen in Marus Gesicht auf. Etwas beschämt schielte sie auf das jämmerliche Ding, das knapp über ihren Füßen baumelte. Wie daraus mal ein richtiger, starker Rüssel werden sollte, mit dem man kämpfen und trompeten, Dinge heben und ausreißen konnte, war ihr ein absolutes Rätsel.

Doch neben ihrem Kindermädchen konnte sie nicht lange missmutig bleiben. „Affenköpfchen, Borstenschöpfchen!“, rief Setso und warf sich seitwärts ins Gras. Die Herde machte gerade Mittagspause, und es sah aus, als wollte Setso nun eine Runde schlafen. Ihre funkelnden Augen verrieten allerdings, dass sie putzmunter war. „Na, siehst du nur aus wie ein Pavian, oder kannst du vielleicht auch so klettern?“, rief sie keck.

Damit begann eines von Marus Lieblingsspielen. Setso erlaubte ihr, auf sie draufzuklettern und sie als Rutschbahn zu benutzen! Zwischendurch machten auch die ältesten Kinder der Herde mit: Setsos großer Bruder Pitso und ihr Cousin Pino. Aber die zwei rauften bald so wild, dass die Mädchen sich lieber zurückzogen.

„Irgendwann“, meinte Setso nachdenklich, „wird Pino sich auf Pitso draufsetzen, und der ist dann platt wie ein zerdrückter Dunghaufen. Oder Pitso schubst Pino so heftig, dass er in den nächsten Baum fliegt!“

„Wieso machen sie das denn?“, wollte Maru wissen, die schon wieder glücklich auf ihrer Herdenschwester thronte. Setso zappelte ein bisschen, und mit einem knarzenden Frrrrr! rutschte Maru den rauen Rücken hinunter.

„Sie üben“, erklärte Setso. „Irgendwann werden sie richtig mit anderen Bullen kämpfen müssen, um zu zeigen, dass sie die Stärkeren sind. Wer am stärksten ist, wird von den Weibchen am meisten gemocht, verstehst du?“

„Nö“, sagte Maru und machte sich daran, abermals auf den Setso-Hügel zu kraxeln.

„Na ja, musst du eigentlich auch nicht. Bis die beiden so weit sind, vergeht noch viel, viel Zeit. Vorher werden sie sich mit ein paar anderen Jungs zusammentun, die genauso doof sind wie sie, und mit denen durch die Gegend ziehen. Ich hoffe bloß, es ist auch ein erfahrener Bulle dabei, der ihnen Manieren beibringt!“ Setso wackelte wieder, aber diesmal hatte Maru keine Freude an der Rutschpartie. Erschrocken kullerte sie ins Gras und schaute ihre Herdenschwester aus großen Augen an.

„Pino und Pitso verlassen die Herde?!“

„Ja, in wenigen Jahren. So läuft das nun mal“, entgegnete Setso.

„Und ich? Muss ich auch irgendwann von euch weggehen?“ Maru war starr vor Entsetzen. Sie stellte sich vor, keinen schützenden Wald aus Beinen mehr um sich zu haben. Kein ständiges Grollen, Schmatzen und Schnauben zu hören. Nicht immer wieder von einem Rüssel beschnuppert oder gestreichelt zu werden …

„Du bist doch kein Bulle, Affenköpfchen!“, unterbrach Setso diese furchtbaren Gedanken. „Du bleibst bei uns, bis du so alt bist wie dieser Akazienbaum. Und so groß. Und so runzelig! Alles klar? – Jetzt leg dich ein bisschen in den Schatten und schlaf.“

Beruhigt rappelte Maru sich auf und lief zu den Erwachsenen hinüber, die Seite an Seite unter dem Baum standen. Ihre Rüssel waren vor Entspannung so lang geworden, dass sie bis auf den Boden hingen. Nur ihre Ohren waren ständig in Bewegung. Wie riesige Flügel wehten sie hin und her, um von der Luft gekühlt zu werden. So ließ sich die Mittagshitze viel besser aushalten.

Maru ahmte die Bewegung nach, aber ihre Ohren waren zu klein. Also verzog sie sich unter den nächstbesten Bauch, um noch mehr Schatten abzubekommen.

Dieser Bauch gehörte zufällig Isago. Sie stand ein wenig abseits, wie immer mit tief gesenktem Kopf. Still ließ sie ihr Kalb trinken, und Maru musste daran denken, dass sie eine Rolle in der Herde noch nicht durchschaut hatte: Es gab die weise Anführerin, die fürsorglichen Tanten, das lustige Kindermädchen und die beiden Raufbolde. Aber Isago war … einfach nur da. So als gehörte sie nicht auf dieselbe Weise dazu wie die anderen.

Maru war zu müde, um weiter darüber nachzudenken. Sie kippte zur Seite und streckte sich gemütlich im Gras aus. Das Schnarchen der Großen war wie eine beruhigende Melodie. Schon bald döste Maru ein … und schreckte wieder hoch, als sie von grellem Licht getroffen wurde.

Hilfe, was war das denn? Mit pochendem Herzen starrte Maru in den weiten, riesigen Himmel, der sich über ihr spannte. Dann stemmte sie sich ächzend auf die Füße. Ihre Haut fühlte sich heiß und trocken an. Der Schatten des Baumes war weitergewandert, und Isago mit ihm. Seelenruhig stand sie ein paar Schritte entfernt, die Augen halb geschlossen, während ihr Kalb in der prallen Sonne lag.

Aus Marus Maul drang ein kehliger Laut. Es war der Ruf eines Babys in Not, und er fuhr wie ein Blitz durch die Herde. Schlagartig hoben alle Elefanten die Köpfe, dann ertönte ein vielstimmiges Grollen: Beschwichtigung. Warona kam herübergeeilt und schob Maru in das sichere Viereck zwischen ihren Füßen. „Alles in Ordnung, Kleines“, brummte sie. „Ich bin ja da.“

Allmählich entspannten sich auch die anderen, und es kehrte wieder Mittagsruhe ein. Nur Marus Herz klopfte immer noch heftig. Sie versuchte, an Waronas Beinen vorbei zu Isago zu spähen, konnte sie aber nicht genau erkennen. Wahrscheinlich döste sie unverändert vor sich hin, so als wäre überhaupt nichts passiert. Sie sorgte sich kein bisschen um ihr eigenes Kalb!

Warona schien Marus Gedanken zu erraten. „Du darfst ihr das nicht übel nehmen“, sagte sie leise. „Isago meint es nicht böse. Sie ist nur ein wenig … anders.“

„Anders?“, fragte Maru. „Aber warum?“

„Weiß ich auch nicht genau.“

Jetzt war Marus Müdigkeit restlos verflogen. Dass Warona eine Frage nicht beantworten konnte, kam ihr unglaublich vor. Der Leitkuh entging doch nichts, was in der Herde geschah! „Wieso weißt du das nicht?“, bohrte Maru staunend nach.

„Nun, ich kenne sie noch nicht so lange. Anders als Anaya und Loapi ist sie nicht meine Tochter. Sie kam erst vor wenigen Jahren zu uns.“

„Und woher?“

Warona zögerte einen Moment. „Ich glaube, sie war früher bei den Menschen.“

„Wer sind die denn?“

Diesmal dauerte Waronas Zögern ein wenig länger. „Das sind Lebewesen, die sich von uns unterscheiden“, sagte sie schließlich.

„Du meinst, wie Giraffen und Warzenschweine und Gnus und …“

„Ja, ungefähr. Aber die Unterschiede sind noch größer. Und deshalb ist eben auch Isago so anders.“ Warona drehte den Kopf und klappte ein paarmal mit den Ohren. Dann kam aus ihrer Brust ein tiefes Kollern. Das war das Signal zum Aufbruch, dem die ganze Herde gehorchte. Für Maru bedeutete es diesmal auch: Genug mit den Fragen. Wohl oder übel stellte sie sich mit den anderen in einer Reihe auf. Isago bekam den Platz direkt vor ihr. Ein anderes Elefantenkind hätte jetzt vielleicht nach dem Schwanz seiner Mutter gefasst, um sich beim Wandern daran festzuhalten, doch Maru spürte eine seltsame Scheu. Sie hatte etwas Wichtiges über Isago erfahren – und trotzdem erschien sie ihr fremder als je zuvor.

***

Isago erinnerte sich noch an das graue Tuch. Die Menschen hatten es gebracht, weil sie nicht trinken wollte. Nun spannten sie es immer über ihr auf, wenn sie mit der Flasche kamen. Es sollte so aussehen wie der Bauch einer Elefantenmutter, und es sollte Isago Geborgenheit spenden. Doch Isago wollte nicht daranerinnert werden, wie es gewesen war, unter ihrer Mutter zu stehen. Der Gedanke war viel, viel schlimmer und tat viel mehr weh als die Leere in ihrem Magen! Also schlüpfte sie unter dem Tuch hervor und lief wieder in großen Achtern durch den Raum: verwirrt, einsam und ohne Pause. Bis ein Mensch sie zwischen seine Knie klemmte und ein anderer ihr den Flaschensauger einfach ins Maul drückte. Da gab Isago schließlich auf und trank.

Das Tuch wurde wieder fortgeräumt. Von diesem Tag an spielten Mutterbäuche in Isagos Leben keine Rolle mehr.

3. Kapitel:

Die Welt verändert sich