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Papst Evangelos ist tot und Lukas Bischoff wird von seltsamen Träumen geplagt. Seltsame Krankheiten treten in verschiedenen Ländern auf. Im Vatikan entbrennt der Kampf um die Macht und die Natur fordert ihre Rechte. Gelingt es Lukas noch rechtzeitig das Geheimnis zu lüften und die Menschheit zu retten?
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
© 2024 Sven Theiner, 40885 Ratingen
Umschlagsgestaltung: Sven Theiner
Vertriebspartner: Tolino Media
Lektorat: Jan Andresen
Printed in Germany
Nachdruck, Kopie, Verkauf oder Vervielfältigung nur durch Genehmigung des Autors.
´Nihil in terra sine causa fit. Omnia tempus habent.´
Widmung & Danksagung
Dieses Buch ist all jenen gewidmet, die auf der Suche nach einem friedlicheren Zuhause sind.
Mein Dank gilt all denen, die mich in den letzten Jahren unterstützt und in jeder Situation zu mir gestanden haben.
Und er sprach zu mir: Diese Worte sind gewiss und wahrhaftig, und [der] Herr, der Gott der Geister der Propheten, hat seinen Engel gesandt, seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss. Und siehe, ich komme bald. Glückselig, der da bewahrt die Worte der Weissagung dieses Buches! Und ich, Johannes, bin der, welcher diese Dinge hörte und sah; und als ich hörte und sah, fiel ich nieder, um anzubeten vor den Füßen des Engels, der mir diese Dinge zeigte. Und er spricht zu mir: Siehe zu, tue es nicht. Ich bin dein Mitknecht und der deiner Brüder, der Propheten, und derer, welche die Worte dieses Buches bewahren. Bete Gott an. Und er spricht zu mir: Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches; die Zeit ist nahe.
(Offenbarung 1.1, 1.3,Offenbarung 10.4)
Prolog
Der Abend des 06.11.1872 war in New York ungewöhnlich kalt und nass, als ein bitterer Wind durch die Straßen pfiff und Regen die Pflastersteine glänzen ließ. In der Bar Wild Beans, nicht weit vom Hafen entfernt, saß der Seemann Edward Heard mit dem befreundeten Reeder Samuel Bezos zusammen.
Edward, noch immer in seinen dicken Mantel gehüllt, der ihn draußen vor der klirrenden Kälte geschützt hatte, nahm einen tiefen Schluck aus seinem Krug.
Die Bar war überfüllt mit Seeleuten, Herumtreibern und Hafenarbeitern. Sie versuchten, ihre Sorgen in Alkohol und Glücksspielen zu ertränken. Der schwere Geruch von Schweiß, Alkohol und Tabakdampf hing wie eine bleierne Wolke in der Luft, die Edward regelrecht widerte.
„Wann soll die Amazon denn nun in See stechen?“, fragte Samuel Bezos und riss Edward aus seinen Gedanken.
Edward schaute ihn grimmig an. „Das Schiff heißt nicht mehr Amazon, sondern Mary Celeste. Hatte ich dir das noch nicht gesagt?“.
Samuel schüttelte den Kopf. „Nein. Falls du es mir erzählt hast, habe ich es wohl wieder vergessen. Nun, wann läuft das Schiff nun aus?“.
„Morgen früh“, antwortete Edward kühl und winkte dem Wirt, um sich einen weiteren Krug Bier zu bestellen.
„Wann wird die Fracht geliefert?“.
„Heute Nacht. Das Schiff soll morgen früh beladen werden, ehe wir am Nachmittag in See stechen“.
Edward Heard war kein Mann der vielen Worte und schon keiner, der freiwillig viel von sich preisgab. Das machte Unterhaltungen mit ihm oft schwierig und frustrierend.
„Wohin soll denn nun die Reise gehen?“, fragte Samuel nach. Er kannte Edward schon lange und wusste genau, wie er ihn aus der Reserve locken konnte.
„Es ist geplant, dass wir unsere Fracht nach Genua bringen. Von dort aus soll sie in den Vatikanstaat und nach Rom gebracht werden“.
Samuel lachte. „Ausgerechnet nach Rom und in den Vatikanstaat? Ich dachte, ihr verschifft nur Wirtschaftsgüter nach Europa!“.
„Soweit mir bekannt ist, wird das Schiff neben 1701 Fässern Rohalkohol auch mit neun Fässern Messwein für den Heiligen Stuhl beladen.“ Edward sprach etwas langsamer, ein untrügliches Zeichen dafür, dass er schon mehr als nur ein Bier getrunken hatte.
„Ich wusste ja schon immer, dass der Heilige Vater nicht nur Wasser und Brot zu sich nimmt. Wann werdet ihr zurückkehren? Meine Frau und ich würden euch gerne an den Weihnachtsfeiertagen zu uns einladen!“.
Edward verzog bei dem Gedanken an die Weihnachtsfeiertage das Gesicht. Für ihn waren es Tage wie jede andere. „Kapitän Briggs plant unsere Rückkehr noch vor den Feiertagen. Wenn nicht wieder etwas dazwischenkommt“.
Samuel zeigte sich erfreut. „Prima, dann klappt es ja doch noch!“ Er warf einen Blick auf seine Taschenuhr und stellte fest, dass es schon spät war. So verabschiedete er sich von Edward und verließ eilig die Bar.
Kaum war er fort, als Reverend Saunders auf Edward zukam. „Wie ich gerade unfreiwillig mitanhörte, fahren Sie mit Captain Briggs nach Genua?“.
Edward nickte. „Wollen Sie etwa mitfahren, Reverend, oder sind Sie einfach nur neugierig?“.
Der Reverend sah ihn verärgert an. „Ich glaube, Edward, Sie haben ein wenig zu tief ins Glas geschaut. Ich frage nur deswegen, weil die Frau des Captains, Sarah, die Tochter eines befreundeten Reverends ist. Vielleicht kannten Sie Reverend Cobb ja noch“.
„Ich bin kein guter Kirchgänger, Reverend. Nein, ich kannte den alten Herrn nicht!“.
„Nun, das ist bedauerlich. Sie müssen wissen, die Vorfahren von Reverend Cobb waren Kreuzritter“.
Edward haute auf den Tisch. „Das interessiert mich nicht die Bohne, Reverend. Nun entschuldigen Sie mich, ich habe zu tun!“. Edward erhob sich und verließ die Bar, den verdutzten Reverend zurücklassend.
Reverend Saunders ging zu seinem Platz zurück, wo bereits ein anderer Reverend auf ihn wartete. „Nun?“, fragte dieser.
Reverend Saunders antwortete: „Offenbar weiß die Besatzung nichts von der Besonderheit der Ladung. Wir müssen also auf anderem Weg in Erfahrung bringen, welche Hinterlassenschaft Reverend Cobb vor unseren Augen nach Italien bringen lässt!“.
Am nächsten Tag stach die Besatzung der Mary Celeste voll beladen in See. Einige Tage später befand sich das Schiff kurz vor den Azoren. Es war kaum Wellengang und nur ein schwacher Wind wehte. Kapitän Briggs und seine Frau Sarah standen an Deck und unterhielten sich. Briggs, gerade mal siebenunddreißig Jahre alt, hielt sich an der Reling fest. Seine Frau stand neben ihm, ihre kleine Tochter Sophia im Arm. Sie trug ein schlichtes, weißes Kleid mit Rüschen.
„Meinst du, wir tun das Richtige?“, fragte sie ihren Mann mit belegter Stimme.
Er sah ihr tief in die Augen. Sein Gesicht verzog sich vor Anspannung. „Ich denke schon. Es war immerhin der letzte Wille deines Vaters“.
Sarah senkte den Kopf. „Ich wusste nicht, welche Bürde er all die Jahre mit sich getragen hatte. Bis vor seinem Tod habe ich nichts von alldem gewusst. Selbst Mutter wusste nicht, was er all die Jahre vor uns verbarg“.
„Er war ein guter Mann, Sarah, auch wenn er es nicht immer zeigen konnte. Er hatte Ferdinand Bischoff versprochen, das Geheimnis zu bewahren und die Reliquien zu hüten, bis Ferdinand sich tatsächlich in Sicherheit befand. Es war Schicksal, dass Ferdinand ihm kurz vor dem Tod deines Vaters schrieb, dass er unversehrt im deutschen Kaiserreich weilt. Er bat deinen Vater darum, die Reliquien in die Hände des Heiligen Vaters zu übergeben, damit er sie für den würdigen Nachkommen an einem sicheren Ort aufbewahren kann“.
„Doch der Preis ist hoch, findest du nicht Benjamin? Was ist, wenn der geheimnisvolle Fremde davon Wind bekommt und danach sucht? Er hat schon einmal getötet und wird es wieder tun, um an das Vermächtnis der Kreuzritter zu gelangen!“.
Kapitän Briggs nahm seine Frau in die Arme. „Meine liebe Frau, wir werden auch diese Situation meistern. Ich habe bereits meine Vorkehrungen getroffen. Niemand wird uns etwas antun, so wahr ich Benjamin Briggs heiße!“.
Einige Tage später war in der New York Times die Überschrift zu lesen: „05.12.1872. Geisterschiff entdeckt! Die Mary Celeste trieb tagelang ohne Mannschaft auf See. Letzter Logbucheintrag vom 25.11.1872. Das Schiff ist unversehrt, doch die Besatzung ist wie vom Erdboden verschluckt“.
1
Es war noch sehr früh am Morgen, als Lukas Bischoff nachdenklich am Esszimmertisch in seinem Haus in New York vor einer leeren Kaffeetasse saß. Draußen war es noch dunkel, und die Straßenlaternen warfen flackernde Schatten durch die Fenster. Gedankenverloren sah er hinaus, die Augenlider schwer von der schlaflosen Nacht. Er bemerkte nicht einmal, wie seine Frau den Raum betrat.
„Konntest du diese Nacht wieder nicht schlafen?“, fragte Brooke, bekleidet in einem flauschigen, blauen Schlafanzug, während sie Kaffeepulver in die Kaffeemaschine füllte.
Müde antwortete er: „Nein, Schatz. Ich hatte wieder diesen seltsamen Traum“.
Brooke goss den frisch gebrühten Kaffee in die leere Kaffeetasse vor Lukas, stellte die Kanne auf den Tisch und setzte sich neben ihn. „Möchtest du mir erzählen, worum es in dem Traum ging?“. Sie sah ihn mit besorgten Augen an.
Lukas lächelte schwach. „Wenn ich es selbst nur noch wüsste. Immer wenn ich aus dem Traum aufwache, habe ich schon wieder vergessen, worum es darin ging“.
„Vielleicht arbeitest du zu viel...“. Brooke griff nach seiner Hand und drückte sie sanft.
Lukas nahm einen Schluck Kaffee, der ihn zumindest körperlich etwas aufweckte. „Ja, das wird es wahrscheinlich sein“, antwortete er ihr.
„Wann fängt denn der neue Geschäftsführer bei euch an?“.
„In ein paar Wochen. Gina trifft bereits die Vorbereitungen und stellt alles Wichtige für ihn zusammen“. Er ließ seine Finger über die Tischplatte gleiten, als würde er versuchen, seine Gedanken zu ordnen.
Brooke lachte leise. „Das ist wieder mal typisch für Gina“.
„Ja, in der Tat. Du kennst sie ja. Anfangs war sie nicht sonderlich von der Idee angetan, aber inzwischen hat sie sich daran gewöhnt, dass ich bald nicht mehr jeden Tag im Büro sein werde“.
Mit einem freudigen Gesichtsausdruck sagte sie: „Dann hast du auch endlich wieder mehr Zeit für uns, insbesondere für Julian“. Ihre Augen leuchteten bei dem Gedanken, mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen.
Plötzlich wurde Lukas nervös. „Sag mal, Brooke, wie spät ist es inzwischen? Ich habe meine Uhr auf dem Nachttisch liegen lassen“. Er nahm einen weiteren Schluck aus seiner Kaffeetasse.
Brooke sah auf ihre Uhr und antwortete: „Es ist schon Viertel nach sieben!“.
Eilig stand Lukas auf. „Verdammt, ich habe um neun Uhr ein wichtiges Meeting. Jetzt muss ich mich beeilen, damit ich rechtzeitig alles für das Meeting zusammenstellen kann“.
Mit diesen Worten verließ Lukas seine kopfschüttelnde Frau und ließ sie allein am Tisch sitzen. In Windeseile zog er sich an und putzte sich die Zähne. Danach gab er Brooke einen flüchtigen Kuss und verließ mit seiner Aktentasche das Haus.
Wenige Minuten später betrat er das Vorzimmer des Verlagshauses. „Mr. Bischoff, so früh schon im Büro?“, fragte Gina Brown ihn erstaunt. Um diese Uhrzeit hatte sie ihn nicht erwartet.
Lukas sah sie mit verzogenen Mundwinkeln an. „In ein paar Minuten beginnt doch das Sponsorenmeeting. Dafür möchte ich gut vorbereitet sein“, entgegnete er gereizt.
Gina blätterte geschwind in ihrem Outlook-Kalender herum. Nachdem sie fand, was sie suchte, verschränkte sie die Arme und sagte mit Nachdruck: „Mr. Bischoff, allmählich fange ich an, mir Sorgen um Sie zu machen. Ich dachte zuerst, dass ich mich vertan habe und habe zur Sicherheit im Kalender nachgeschaut. Doch das Meeting mit den Sponsoren findet erst in einer Woche statt!“.
Lukas seufzte laut. So etwas war ihm noch nie passiert. „Anscheinend bin ich wohl etwas durch den Wind!“. Innerlich war er erleichtert, weil er sich nicht wirklich vorbereitet auf das Meeting fühlte. Dennoch verärgerte es ihn, dass er deswegen so eilig aus dem Haus gestürzt war.
Gina legte ein paar Unterlagen auf ihrem Schreibtisch zur Seite und sah ihn besorgt an. „Ich will ja nicht neugierig erscheinen, aber Sie sind seit einigen Tagen nicht wirklich bei der Sache. Gibt es Probleme zu Hause?“.
Lukas sah sie mit strengen Blicken an. „Natürlich nicht. Es ist alles in Ordnung!“.
Gina zog die Augenbrauen hoch. „Nun mal Butter bei die Fische, Mr. Bischoff. Irgendetwas beschäftigt Sie doch schon seit Tagen!“.
Er wusste, dass er seiner Sekretärin nichts vormachen konnte. Doch er musste selbst erst einmal herausfinden, was ihn so beschäftigte. Daher antwortete er knapp: „In der Tat!“.
„Wollen Sie es mir nicht erzählen, Mr. Bischoff? Vielleicht kann ich Ihnen helfen...“.
Lukas hielt es für den Augenblick für einen falschen Zeitpunkt. Er winkte ab. „Vielleicht später“, sagte er und ging nachdenklich in sein Büro.
„Was ist denn mit Mr. Bischoff heute los?“, fragte Mrs. Bowers, die Gina in diesem Moment eine Dokumentenmappe auf den Schreibtisch legte.
Gina setzte ihre Lesebrille auf und antwortete: „Irgendetwas beschäftigt ihn, aber er will mir partout nicht sagen, was es ist“.
Mrs. Bowers lächelte ironisch. „Bestimmt hat ihn der neue Buchhalter wieder einmal verärgert. Er kriegt sich schon wieder ein“.
Mit diesen Worten ging Mrs. Bowers zurück in ihr Büro. Leise sagte Gina zu sich: „Ich vermute, dass da etwas mehr dahintersteckt! Früher oder später wird er mir schon noch erzählen, was ihn bedrückt“. Sie nahm dann die Dokumentenmappe und tippte nachdenklich auf ihrer Tastatur herum.
*
In einer Schiffswerft am New Yorker Hafen saß Olaf Omundson, Reeder der Huntsman Harbour Company, an seinem Schreibtisch und sah ein paar Frachtpapiere durch. Der Raum war erfüllt von dem Geruch von Holz und Öl, vermischt mit der salzigen Brise des nahen Meeres.
Gerade als er losgehen wollte, um sich einen Kaffee aus der Werftküche zu holen, trat einer seiner Angestellten ein. „Mr. Omundson, der Taucher, den Sie beauftragt haben, Unterwasserbilder von dem Wrack am Rochelais-Riff zu machen, hat soeben die Bilder über das Internet an Sie verschickt“, sagte er und gab ihm weitere Frachtpapiere.
„Danke“, entgegnete Omundson und schickte den Mann zurück in die Werft.
„Sie wollen doch nicht etwa dieses alte Ding bergen lassen, oder?“, fragte seine Buchhalterin daraufhin.
Olaf Omundson, der sich inzwischen seinen Kaffee geholt hatte, antwortete: „Es kommt darauf an, in welchem Zustand das Schiff ist. Immerhin ist der alte Kahn eine Legende!“.
Sie legte ihre Brille beiseite und meinte forsch: „Sofern es sich überhaupt um die Celeste handelt. Bisher sind dies ja nur Spekulationen. Schließlich weiß niemand, wo sie tatsächlich gesunken ist, wenn sie nicht absichtlich versenkt wurde“.
„Ja“, murmelte Omundson etwas grimmig, „das ist wahr. Doch wenn es sich bei dem Wrack tatsächlich um die Celeste handelt, wäre es die Sensation des Jahres. Wenn wir sie heben und restaurieren können, würde es uns eine Menge Geld einbringen!“.
„Das glauben Sie doch nicht wirklich, Mr. Omundson, oder?“.
Bevor er ihr antworten konnte, klingelte sein Telefon. „Omundson?“, sprach er barsch in den Hörer.
Am anderen Ende war der von ihm beauftragte Taucher. Dieser fragte, ob sich Omundson schon die Bilder von dem Wrack angesehen habe. Omundson verneinte und erklärte, dass er sich die Bilder später ansehen werde. Er würde sich dann zu gegebener Zeit wieder bei ihm melden. Danach beendete er das Gespräch.
„Warum haben Sie ihm nicht gesagt, dass Sie sich heute die Bilder zusammen mit Professor Swenson anschauen, sobald dieser hier eintrifft?“, fragte sie ihn.
Mürrisch antwortete er: „Das geht ihn nichts an, mit wem und wann ich mir die Bilder anschaue!“.
Seine Buchhalterin schüttelte den Kopf. „Alter Griesgram“, murmelte sie und verließ kopfschüttelnd den Raum.
Olaf Omundson legte die Frachtpapiere beiseite und schaltete seinen Computer ein. Er war nun doch neugierig auf die Bilder von dem Wrack. Es dauerte nicht lange, bis der Rechner hochgefahren war und er seinen E-Mail-Account geöffnet hatte.
Er stellte fest, dass der Taucher ihm zwei E-Mails mit Bildern zugesandt hatte. Gerade hatte er die erste Mail geöffnet, als auch schon seine Buchhalterin mit Professor Swenson zurückkam.
„Es freut mich, dass Sie kommen konnten“, sagte Omundson.
„Ich habe lange überlegt, aber ich war doch neugierig zu erfahren, ob es sich tatsächlich um die Celeste handelt. Immerhin gab es bisher nur Spekulationen, ob sie tatsächlich am Rochelais-Riff versenkt wurde“.
„Wir werden es gleich erfahren. Wie ich hörte, sollen Sie ja einer der führenden Spezialisten auf dem Gebiet sein“.
Swenson lachte. „Experte würde ich nicht gerade sagen, aber ich interessiere mich hobbymäßig für alte Schiffe, besonders versunkene. Mein Forschungsgebiet ist eher anderer Natur“.
„Ich hörte davon. Schade, dass sich die Schriftrollen von Qumran nicht als echt erwiesen haben“.
„Wenn Sie wüssten“, dachte Swenson sich. Während Omundson das erste Video des Tauchers öffnete, fragte Swenson: „Woher kommt eigentlich Ihr Interesse an der Celeste?“.
„Per Zufall las ich vor einigen Wochen in der New York Times einen Bericht über versunkene und verschollene Schiffe. Dabei las ich, dass die Celeste wahrscheinlich irgendwo an der Küste Haitis versenkt wurde. Da sich ja bekanntlich jede Menge Mythen um das Schiff ranken, dachte ich mir, sie zu heben sei vielleicht eine Chance, unsere Reederei etwas bekannter zu machen“.
„Sie planen also, das Schiff zu restaurieren?“.
„Sofern sie noch in einem Zustand ist, in dem man sie restaurieren kann. Wir werden es ja gleich sehen...“.
Omundson öffnete daraufhin das Video der ersten E-Mail. Gespannt verfolgten der Professor und er die Aufnahmen der Unterwasserkamera. Zunächst bekamen sie nur Bilder von verschiedenen Korallen und Fischen in dem türkisfarbenen Wasser zu sehen.
Ein paar Minuten verstrichen, ehe der Taucher in die Nähe des alten Wracks gelangte. Es war vollkommen mit Algen, Seeanemonen und anderen Wasserpflanzen sowie Muscheln übersät.
Der Taucher schwamm mit seiner Unterwasserkamera noch näher an das Wrack heran. Neben dem Wrack lagen auf dem Grund einige Fässer und Blechdosen herum. Das Schiff selbst schien schon etwas angegriffen zu sein. Der Taucher schwamm um das Schiff herum und ging dabei nah an das Holz, aus dem das Schiff bestand, heran.
Omundson machte einen enttäuschten Eindruck, jedenfalls, was sein Gesichtsausdruck in dem Moment ausdrückte. „Nun“, sagte Swenson, „es sieht nicht so aus, als ließe sich das Schiff heben und restaurieren. Zudem ist nicht wirklich erkennbar, ob es sich dabei tatsächlich um die Mary Celeste handelt“.
Omundson seufzte. „Ich hatte mir zugegeben mehr davon versprochen“.
Swenson klopfte ihm auf die Schulter. „Nichts für ungut. Sie haben es zumindest versucht“. Er nickte betrübt, und sie schauten sich gemeinsam den Rest der Aufnahmen an.
Gerade als Omundson das zweite Video öffnen wollte, sagte Swenson zu ihm: „Nun könnte ich doch einen Kaffee vertragen“.
Er stand auf und ging los, um eine Tasse und Kaffee für den Professor zu besorgen. Dieser öffnete nochmal das erste Video. Etwas an den Bildern hatte sein Interesse geweckt. Er spulte bis zu der Stelle vor, wo der Taucher Bilder von der Seite des Schiffswracks machte. Dann hielt er das Video an und zoomte das Bild auf doppelte Größe. „Aber das... das Symbol habe ich doch schon mal irgendwo gesehen...“, murmelte er nachdenklich.
Da der Professor Schritte näher kommen hörte, schloss er das Video wieder. Einige Sekunden später kam Omundson wieder in den Raum. „Leider haben wir keinen Zucker mehr da, Professor“, sagte er und gab dem Professor eine Tasse Kaffee.
„Das ist nicht so tragisch“, entgegnete Swenson. „Tut mir leid, dass das Wrack in solch schlechtem Zustand ist!“. Das meinte er ehrlich.
„Mir erst einmal! Ich hatte gehofft, dass es eventuell in einem besseren Zustand ist...“.
„Nun ja, vielleicht wäre es gar nicht verkehrt, das alte Ding in diesem Zustand zu heben. Es wird zwar schwierig, aber so könnte man es eingehend untersuchen und eventuell originalgetreu nachbauen“.
„Gar keine schlechte Idee! Ich werde darüber nachdenken“.
Der Professor sah auf seine Uhr. „Oh, doch schon so spät. Ich fürchte, Sie müssen sich das zweite Video ohne mich ansehen. Ich habe noch einen Termin!“.
Omundson seufzte. Er verabschiedete den Professor und schaute sich das zweite Video an. Währenddessen war Swenson schon vor der Tür der Werft und telefonierte.
„Ming Xao? Hier Professor Swenson! Wir müssen uns unbedingt treffen, ich habe da etwas, was Sie interessieren wird! Was? Ja, natürlich kam ich dafür hierher. Ich melde mich bei Ihnen, sobald ich wieder in Tel Aviv angekommen bin!“.
*
Der Sekretär des verstorbenen Papstes Evangelos, Jaques Bouvier, stand in den privaten Gemächern des Papstes, umgeben von den leisen, ehrfurchtsvollen Schatten des Vatikans. Zusammen mit dem Koch, einem bulligen Mann mit einer tiefen Stirnfalte und einem herzlichen Lächeln, packte er sorgfältig die letzten persönlichen Gegenstände des Papstes in Kartons. Das Licht fiel sanft durch die hohen, gotischen Fenster, tauchte den Raum in ein goldenes Schimmern und verlieh ihm eine fast heilige Aura.
„Danke, dass Sie mir helfen, die Sachen einzupacken“, sagte Bouvier mit einem schwachen Lächeln und einem Anflug von Melancholie in seiner Stimme.
Der Koch, dessen Namen Bouvier nie erfahren hatte, erwiderte mit einem Schulterzucken und einem warmen Lächeln: „Immerhin haben Sie mir letzte Woche ja auch bei meinen Einkäufen geholfen. Eine Hand wäscht die andere. Ich verstehe nur nicht, warum Sie das nicht zusammen mit der Garde machen!“.
Bouvier straffte die Schultern und antwortete mit ernster Miene: „Als rechte Hand des Papstes ist es auch nach seinem Dahinscheiden meine Aufgabe, mich darum zu kümmern, bis das Konklave einen neuen Papst wählt“.
Der Koch schüttelte leicht den Kopf, seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Das kann ja noch Wochen dauern…“.
Plötzlich durchbrach eine tiefe Stimme die Stille des Raumes. „Nein, das wird es nicht!“.
Der Koch zuckte zusammen, und auch Bouvier hielt inne. „Oh, Bischof Wannheimer, ich habe Sie gar nicht kommen hören“, sagte Bouvier und bemühte sich, seine Überraschung zu verbergen.
Bischof Wannheimer, ein hagerer Mann mit durchdringenden Augen, trat mit Kardinal Obuso an seiner Seite aus den Schatten. „Ich bin soeben erst mit Kardinal Obuso eingetroffen. Wir wollten Ihnen mitteilen, dass ab kommenden Samstag das Konklave zusammentrifft, um den Nachfolger des Papstes zu wählen!“, erklärte Wannheimer und musterte dabei die Räumlichkeiten mit einem misstrauischen Blick.
Bouvier legte einen letzten Brief des Papstes in einen Karton und fragte mit festem Blick: „Ich gehe mal davon aus, dass Sie auch den letzten Wunsch von Papst Evangelos respektieren werden?“.
Wannheimer verzog das Gesicht, seine Augen funkelten vor Missbilligung. „Nach eingehender Beratung mit den wichtigsten Geistlichen haben wir dem zugestimmt. Auch wenn ich immer noch nicht damit einverstanden bin. Es widerspricht jeglicher Logik, jedem kirchlichen Erlass!“.
Der Koch sah verwundert zu Bouvier hinüber, der erklärte: „Papst Evangelos hat einen weiteren Brief hinterlassen, in dem er darum bat, seinen Tod erst dann bekannt zu machen, wenn der neue Papst in sein Amt eingeführt wird“.
Wannheimer fauchte: „Eine völlig absurde Bitte. Dies hat es in der Geschichte der katholischen Kirche noch nie gegeben. Doch ich wurde bei der Abstimmung überstimmt“.
Bouvier lächelte ein wenig. „Wie heißt es doch so schön? Man soll den Wunsch eines Toten respektieren und nicht gegen seinen Willen handeln!“.
Wannheimer ballte die Fäuste, seine Lippen zu einem schmalen Strich gepresst. „Erst handelt Evangelos gegen Gottes Willen, indem er selbst seinen eigenen irdischen Abgang bestimmt, und nun soll er auch noch dafür belohnt werden, indem man seinen letzten Wunsch respektiert!“.
Bouvier spürte, wie Zorn in ihm aufstieg, doch er hielt seine Stimme ruhig. „Papst Evangelos hatte seine Gründe dafür, so zu handeln, wie er es tat“.
Wannheimer trat einen Schritt näher, seine Augen funkelten vor Neugier. „Wollen Sie damit andeuten, dass Sie den Grund für sein unkirchliches Handeln kennen?“.
Bouvier sah ihm direkt in die Augen und antwortete kalt: „Selbst wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen mit Sicherheit nicht verraten. Auch über den Tod hinaus bin ich ihm zur Treue und Verschwiegenheit verpflichtet. Sie als Mann der Kirche sollten das besser wissen, nicht?“.
Wannheimer hob eine geballte Faust und sagte mit zorniger Stimme: „Darüber kann man in diesem Fall geteilter Meinung sein. Jedenfalls würde ich an Ihrer Stelle auch schon mal meine sieben Sachen zusammenpacken. Sobald der neue Papst feststeht, sind Ihre Tage jedenfalls gezählt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand einen Sekretär in den päpstlichen Mauern duldet, der einem Sünder die Treue hält!“.
Mit diesen Worten drehte er sich abrupt um und verließ den Raum, die Tür knallte laut hinter ihm zu. Der Koch, immer noch fassungslos, sagte leise: „Welch unangenehmer Zeitgenosse“.
Bouvier stieß einen tiefen Seufzer aus. „Zumindest wissen wir jetzt, welche Erwartungen er an das Konklave hat“.
Der Koch blickte ihn fragend an. „Ich verstehe nicht ganz…“.
Bouvier lächelte bitter. „Nun, es ist doch offensichtlich. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass sein Wunschkandidat der nächste Papst sein wird“.
„Meinen Sie wirklich?“.
„Er hat sich verraten, als er mir nahelegte, meine Sachen schon mal zu packen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Nachfolger des Papstes erneut nach einem Sekretär suchen wird. Es würde zu viel kostbare Zeit dafür verschwendet werden. Zeit, die an anderer Stelle sicherlich besser benötigt wird“.
Der Koch nickte nachdenklich. „Nun, wenn Sie das sagen… Man kann den Menschen immer nur vor den Kopf schauen. Was sich dahinter tatsächlich verbirgt, weiß niemand“.
Bouvier nickte. Nachdem der Koch den Raum verlassen hatte, setzte sich Bouvier an den alten, schweren Schreibtisch des Papstes und griff zum Telefon. Leise sprach er in den Hörer: „Der Anfang ist gemacht. Operation Nemesis kann starten!“.
*
Brooke Bischoff war gerade erst von einem anstrengenden Tag nach Hause gekommen, als ihr Sohn Julian ihr aufgeregt in die Arme fiel. Die Wohnung war erfüllt von dem beruhigenden Duft frischer Blumen, und die Abendsonne warf warme, goldene Streifen durch die Fenster.
„Endlich bist du wieder da!“, rief Julian, seine Augen leuchteten vor Begeisterung.
„Was bist du denn so aufgeregt?“, fragte Brooke lächelnd und schlüpfte aus ihren hochhackigen Schuhen in bequeme Hausschuhe.
„Er will Ihnen sicherlich erzählen, was wir heute nach der Schule gemacht haben“, sagte Ashley, das Kindermädchen, während sie sich ihren Mantel anzog.
Brooke warf ihr einen fragenden Blick zu. „Das hört sich ja geheimnisvoll an. Na dann erzähl mal…“, ermutigte sie ihren Sohn.
Julian stellte sich vor seine Mutter und platzte heraus: „Wir waren heute im Planetarium!“.
Ashley lachte leise. „Ja, und ich hatte alle Mühe, ihn von dort wieder nach Hause zu bekommen. Den Film über das Sonnensystem musste ich mir gleich dreimal ansehen!“.
„Wir haben ganz viele interessante Sachen gesehen. Wusstest du, dass um den Saturn jede Menge Ringe sind?“, fragte Julian begeistert.
Brooke lächelte und blinzelte Ashley zu. „Ach nein, das wusste ich noch nicht. Das hört sich ja interessant an! Wenn du dich fürs Bett umgezogen hast, kannst du mir ja beim Abendbrot mehr davon erzählen. Papa kommt heute etwas später!“.
Julian grinste bis über beide Ohren und verschwand im Bad. „Es scheint ihm ja sehr gut gefallen zu haben. Danke, dass Sie so kurzfristig einspringen konnten, Ashley“, sagte Brooke dankbar.
Ashley winkte ab. „Nicht der Rede wert, Mrs. Bischoff. Habe ich doch gerne gemacht“.
Brooke zog ein kleines Bündel Geld aus ihrer Tasche. „Ihr Lohn für diesen Monat“.
Ashley zögerte. „Danke, aber das wäre wirklich nicht notwendig gewesen. Es ist ja noch nicht Monatsende“.
Brooke lächelte. „Sehen Sie es als kleine Belohnung. Ich hoffe, wenn Lukas mehr zu Hause ist, wird es für uns alle etwas ruhiger und entspannter“.
Ashley nickte und verabschiedete sich. Gerade als sie die Tür öffnete, stand Anna Rotolos davor, eine alte Freundin der Familie, die gerade die Türklingel betätigen wollte.
„Anna, das ist ja eine nette Überraschung!“, sagte Brooke überrascht und nahm ihr den Mantel ab. „Kann ich Ihnen etwas anbieten? Tee, Wasser, Kaffee…?“.
„Nein, danke. Ich werde auch nicht lange bleiben. Ich komme gerade von einem Kongress hier in New York und werde heute noch nach Griechenland zurückfliegen. Bei unserer letzten Zusammenkunft hat Ihr Mann mir ja angeboten, Sie zu besuchen, falls ich mal nach New York komme“.
Brooke seufzte leise. „Leider ist Lukas noch im Büro, und ich weiß nicht, wann er nach Hause kommen wird. Aber wo Sie schon mal hier sind und Lukas nicht da ist, können wir beide uns doch unterhalten…“.
Anna lachte. „Es klingt fast so, als hätte ich etwas verbrochen“.
„Nein, natürlich nicht. Aber ich könnte den Rat einer unabhängigen Person gerade gut gebrauchen!“, sagte Brooke, ihre Stimme zitterte leicht vor Aufregung.
„Ist etwas mit Ihrem Mann?“, fragte Anna besorgt.
Brooke nickte und setzte sich mit Anna ins Wohnzimmer. „Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, aber Lukas verhält sich seit unserer Rückreise aus Griechenland seltsam. Nicht, dass er sich mir oder Julian gegenüber anders verhält als sonst, doch er ist sehr schweigsam und schläft in letzter Zeit sehr unruhig. Ich glaube, es hängt mit den Geschehnissen dort zusammen“.
Annas Neugier war entfacht. Sie lehnte sich vor und hörte aufmerksam zu, als Brooke weiter erzählte. „Wir hatten hier noch einmal über eine Sache gesprochen, die seine Tante betrifft. Während ich in Deutschland war, als sie im Krankenhaus lag, habe ich herausgefunden, dass sie ein Kind hat, welches sie aus irgendwelchen Gründen zur Adoption freigab. Es kann auch sein, dass ihn dies so sehr beschäftigt“.
Anna runzelte die Stirn. „Vielleicht sollten Sie versuchen herauszubekommen, was es damit auf sich hat. Vielleicht weiß Ihr Mann ja etwas, was er Ihnen nicht erzählen möchte…“.
Brooke dachte nach. Die Idee war gar nicht so abwegig. „Was schlagen Sie vor, was ich tun sollte?“.
Anna stand vom Sofa auf. „Erst einmal abwarten. Wenn die Zeit gekommen ist, wird Ihr Mann mit Sicherheit mit Ihnen darüber reden. Leider muss ich mich schon wieder auf den Weg zum Flughafen machen. Schade, dass ich Lukas nicht persönlich antreffen konnte“.
Brooke begleitete Anna zur Tür. „Das Angebot gilt immer noch. Sie können gerne jederzeit herkommen, wenn Sie mal wieder in New York sind. Rufen Sie am besten vorher kurz durch. Ich verspreche Ihnen, dass ich dann persönlich dafür Sorge trage, dass Lukas auch hier ist!“.
Anna lächelte. „Das werde ich. Danke für die Gastfreundschaft, Brooke“.
„Gute Reise, Anna. Und passen Sie auf sich auf“, sagte Brooke, während sie Anna hinausbegleitete.
Brooke schloss die Tür und lehnte sich einen Moment lang dagegen. Ihre Gedanken kreisten um Lukas und die geheimnisvolle Verbindung zu seiner Tante. Sie wusste, dass sie einen Weg finden musste, ihm zu helfen, bevor es zu spät war.
2
Am nächsten Morgen saß Begû Kaptanoglu bereits früh am Schreibtisch in der kleinen italienischen Polizeistation. Die morgendliche Sonne fiel durch das Fenster und beleuchtete den Raum mit einem warmen Glanz. Um ihn herum stapelten sich die Akten und Polizeiberichte, die er sorgfältig durchsah. Die Luft roch nach altem Papier und Kaffee, während draußen die Geräusche der aufwachenden Stadt langsam durch die offenen Fenster drangen.
„Sitzen Sie immer noch an dem Falconetti Fall?“, fragte die Gerichtsmedizinerin, Dr. Bianca Rossi, die gerade hereinkam und ihm den Autopsie Bericht reichte. Sie war eine energische Frau, mit kurzen dunklen Locken und einem scharfen Verstand, der immer auf der Suche nach neuen Informationen zu sein schien.
Begû hob den Blick von den Akten und nickte. „Nein, ich habe begonnen, in den alten Unterlagen des Lacroix-Falls zu wühlen“.
Sie sah überrascht aus. „Aber nach dem Tod von Benjamin Lacroix sollte der Fall doch abgeschlossen sein, oder nicht?“.
„Wenn es nach der französischen Regierung geht, ja“, antwortete Begû ruhig, während er die Seiten des Berichts überflog. „Die Franzosen haben bereits angefordert, dass wir bis Ende nächster Woche alle relevanten Unterlagen nach Paris schicken“.
„Nun ja, das macht Sinn. Immerhin war er französischer Staatsbürger“, stimmte sie zu und zog einen Stuhl heran, um sich neben Begû zu setzen. „Aber er hat hier in Italien und auch in Deutschland schwere Verbrechen begangen“.
„Ich habe gehört, dass nicht viele Leute bei seiner Beerdigung waren“, bemerkte sie nebenbei.
Begû lächelte ironisch. „Richtig. Außer einem Priester und einer Menge Vögel und Tiere, die zufällig vorbeiflogen, war niemand anwesend“.
„Sie scheinen enttäuscht zu sein, Begû...“, bemerkte Dr. Rossi.
„Ein wenig schon“, gestand Begû nachdenklich. „Ich hatte gehofft, dass zumindest ein paar Bekannte oder Verwandte gekommen wären. Vielleicht hätte das geholfen, mehr über ihn zu erfahren“.
„Warum interessiert Sie das so sehr?“.
Er reichte ihr die Akte von Benjamin Lacroix. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass an der Geschichte etwas nicht stimmt. Ein Selbstmord passt einfach nicht zu seinem Profil“.
Die Gerichtsmedizinerin nahm die Akte und begann darin zu blättern. „Er scheint eine ziemliche Liste an Vergehen gehabt zu haben...“.
„Meist kleine Delikte“, ergänzte Begû, „aber dann diese Entführung von Alexandra Berger und Anna Rotolos. Glauben Sie wirklich, dass jemand, der so etwas tut, auch fähig wäre, einen Mord zu begehen, geschweige denn Selbstmord?“.
„Unter bestimmten Umständen ist alles möglich", sagte Dr. Rossi bedächtig. "Sein Vater starb bei einem Unfall, als er siebzehn war, und seine Mutter kam bei einem Brand ums Leben, als er einundzwanzig war. Solche Ereignisse können Menschen in unterschiedliche Richtungen treiben“.
„Aber er hatte sein Leben nach dem Tod seiner Mutter wieder in den Griff bekommen“, fuhr Begû fort. „Er hat das Abitur gemacht, begann Jura zu studieren und arbeitete in einer angesehenen Kanzlei. Ist es vorstellbar, dass er all das einfach aufgibt und zu einem Mörder wird?“.
„Manchmal braucht es nur einen letzten Auslöser“, überlegte Dr. Rossi. „Gab es nicht auch eine kurze Liaison mit Alexandra Berger?“.
Begû nickte. „Ja, aber trotz der Trennung hat er weiterhin in der Kanzlei gearbeitet, bis er nach seinem letzten Urlaub abrupt gekündigt hat und alles hinter sich gelassen hat, wofür er so hart gearbeitet hatte“.
„Das ist seltsam, aber nicht ungewöhnlich. Menschen verändern sich manchmal unerwartet“, stellte sie fest.
„Ich bin überzeugt, dass die Trennung von Alexandra Berger nicht der einzige Grund für seine Veränderung war“, sagte Begû nachdenklich. „Es muss etwas anderes geben“.
Dr. Rossi lächelte, während sie Begû ansah. „Ich kenne diesen Blick von Ihnen. Planen Sie, den Fall auf eigene Faust wieder aufzurollen?“.
Begû lehnte sich etwas vor und faltete die Hände. „Sie kennen mich gut. Ich werde keine Ruhe finden, bis ich sicher bin, dass es wirklich Selbstmord war und nicht die Tat eines durchgeknallten Mannes“.
„Wie werden Sie dem Dienststellenleiter erklären, dass Sie den Fall weiter verfolgen?“.
Er antwortete leise: „Er muss es nicht erfahren. Ich werde um ein paar Tage Urlaub bitten und dann eigene Ermittlungen anstellen“.
Sie legte beruhigend ihre Hände auf seine. „Seien Sie vorsichtig. Wenn Ihre Intuition Recht hat, könnte auch Ihr Leben in Gefahr sein...“.
„Ich verspreche, auf mich aufzupassen“, versicherte Begû. „Aber ich habe jemandem versprochen, auf einen Schützling von ihm aufzupassen. Solange ich nicht sicher bin, dass er außer Gefahr ist, werde ich alles tun, um ihn zu schützen. Das schwöre ich“.
Dr. Rossi seufzte, in der Hoffnung, dass er nicht zu weit gehen würde und sich selbst in Gefahr brachte. Sie nahm sich vor, ihm zu sagen, was sie für ihn empfand, wenn dieser Fall einmal abgeschlossen war. Sie hoffte nur, dass sie beide nicht enttäuscht werden würden.
*
Zur gleichen Zeit half Beata Hofmeyer ihrer Tochter bei den Hausaufgaben. Mathematik war nicht unbedingt Beatas Stärke, aber um ihrer Tochter dabei zu helfen, reichte ihr Schulwissen gerade noch aus.
„Wenn wir die letzte Aufgabe gelöst haben, mache ich uns erst einmal was zu essen“, sagte Beata zu Christina, die schon nervös auf ihrem Stuhl hin und her wippte.
„Ist gut, aber bitte nicht schon wieder Spagetti! Die hatten wir erst vorgestern“. Ihre Tochter war zwar ein begeisterter Fan von Nudeln, aber jeden zweiten Tag Nudeln zu essen, war auch ihr zu viel.
Beata entgegnete lächelnd: „Keine Sorge, ich habe vorhin im Supermarkt frischen Salat, Pilze und zwei Koteletts gekauft und werde uns davon ein wunderbares Abendessen zaubern!“.
Die Augen ihrer Tochter leuchteten. Endlich mal kein Fertiggericht oder Fast Food. „Gehst du bald wieder arbeiten Mama?“.
Beata seufzte. „Die Suspendierung wurde leider noch nicht aufgehoben. Ich fürchte, dass wird auch noch etwas dauern. Solange müssen wir halt versuchen mit unserem ersparten und dem Geld deines Vaters über die Runden zu kommen“.
„Papa sagt, die hättest nur keine Lust zu arbeiten, sonst hättest du dir schon längst eine andere Arbeit gesucht!“.
Beata lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie versuchte, ihrer Tochter die Verärgerung über die Worte ihres Vaters nicht anmerken zu lassen. „So, dass hat er also gesagt? Na ja, er muss es ja wissen. Zumindest bin ich nur vorübergehend suspendiert, während dein Vater in den letzten Jahren bei drei verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet hat, weil er mit seinem Vorgesetzten nicht klar kam!“.
Christina legte ihren Stift beiseite. „Bist du jetzt Böse auf Papa?“.
Beata winkte ab. „Nein mein Schatz. Ich ärgere mich nur etwas, dass dein Vater über Dinge spricht, von denen er keine Ahnung hat. Ich zumindest habe Spaß an meiner Arbeit und nicht vor den Job zu wechseln“.
Im gleichen Moment klingelte ihr Handy. „Beata Hofmeyer?“. Am anderen Ende der Leitung war Christinas Vater. „John, wie komme ich zu der Ehre, dass du mich anrufst? Bis vor wenigen Minuten ging es mir gut, bis unsere Tochter mir sagte, was du zu ihr gesagt hast. Du hast es nicht so gemeint? Ach so. Es wäre nett gewesen, wenn du es mir selbst gesagt hättest, als mit unserer Tochter darüber zu reden. Deswegen hast du aber nicht angerufen oder? Was soll das heißen, du kannst Christina am Wochenende nicht nehmen? Ich hatte mir für das Wochenende schon was vorgenommen! Wie du meinst. Wenn dir das wichtiger ist, als unsere Tochter, dann sag es ihr bitte selbst“, sagte Beata verärgert und gab das Handy ihrer Tochter.
Im gleichen Augenblick klingelte es an der Tür. Wütend riss sie die Tür auf. „Was ist denn nun schon wieder?“, meinte sie gereizt.
„Komme ich vielleicht gerade etwas ungelegen?“, sagte Victor Jascharoff überrascht über ihre Begrüßung.
Beata wurde rot im Gesicht. „Oh, Victor, Sie sind es. Ich dachte, es wäre diese schreckliche Frau von nebenan. Sie nervt mich schon seit Tagen damit, dass ich diese Woche den Flur noch nicht gewischt habe!“.
„Das hört sich nach Stress im Haus an. Soll ich wieder gehen?“.
Beata hatte sich inzwischen wieder etwas beruhigt. „Nein, kommen Sie ruhig rein. Ich hatte gerade nur einen kleinen Streit mit Christinas Vaters. Brauchen Lukas und Sie wieder meine Hilfe?“.
Victor lachte etwas amüsiert. „Nein, eigentlich wollte ich Sie nur mal besuchen und nachhören, ob Ihre Suspendierung inzwischen wieder aufgehoben wurde!“.
Beata führte ihn in das Wohnzimmer und schloss die Tür wieder hinter ihm. Sie sprach noch kurz mit ihrer Tochter, die danach in ihr Zimmer ging. Dann setzte sie sich zu Victor ins Wohnzimmer. „Nein, leider nicht. Der Vorstand setzt sich erst in zwei Monaten wieder zusammen. Ich hoffe, dass danach eine Entscheidung fällt, damit ich mich gegebenenfalls um eine neue Anstellung kümmern kann“.
„Soll ich Lukas fragen, ob er Ihnen irgendwie helfen kann?“, wollte daraufhin Victor von ihr wissen.
Beata seufzte. „Ich fürchte, dass auch Lukas Bischoff dagegen Machtlos ist. Es sei denn, er hätte Informationen über meinen Onkel, die mir helfen könnten“.
Victor grinste verlegen. „Ich fürchte, dafür kannte er Ihren Onkel zu wenig. Es muss doch irgendetwas geben, was Ihnen helfen kann“.
„Meine Familie schweigt bedauerlicherweise zu diesem Thema. In seinem Nachlass war auch nichts zu finden, was für ihn sprechen könnte. Im Gegenteil“, sagte Beata.
Sie stand vom Sofa auf, öffnete den Wohnzimmerschrank und holte eine kleine Kiste heraus. Wortlos übergab sie Victor die Kiste. Er öffnete sie und schaute hinein.
„Das hat vielleicht nichts zu bedeuten Beata!“, sagte er daraufhin.
„Jede Menge Abzeichen und Ehrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Wenn er nichts damit zu tun hatte, warum hat er sie aufgehoben?“.
„Vielleicht um sich selbst an die grausame Zeit zu erinnern. Ich kannte Ihren Onkel, wenn auch zugegeben nicht viel länger als Lukas. Doch er war kein schlechter Mensch. Seit Lukas Geburt hat er ihn bewacht und beschützt, als wäre er sein eigener Sohn!“.
Beata holte zwei Weingläser aus dem Schrank und holte einen Wein aus der Küche. Sie goss sich beiden einen Schluck ein. Danach entgegnete sie ihm: „Das ist noch so ein Geheimnis meines Onkels. Warum hat er das all die Jahre getan? Niemand aus der Familie wusste davon“.
Victor nippte etwas an seinem Glas Wein. „Nun, Ihr Onkel war einst verliebt in die Großmutter von Lukas. Doch sie heiratete einen anderen Mann, den Großvater von Lukas. Nach dem Tod des Großvaters nahm seine Großmutter ihrem Onkel auf ihrem Sterbebett das Versprechen ab, das er sich um ihre Familie kümmert und ihren Enkel beschützt. Lukas Großmutter starb, als er drei Jahre alt war“.
„Seltsam ist das ganze dennoch. Dann noch seine letzte Bitte an mich, Lukas zu helfen wenn er Hilfe braucht“.
„Nun, ich gebe zu, nicht alles ist zu erklären, was Ihr Onkel tat. Aber wäre er wirklich ein schlechter Mensch gewesen, hätte er sich nicht all die Mühe gemacht!“.
„Die Frage ist nur, wie das zu beweisen ist“.
„Dann müssen wir halt Gegenbeweise suchen, die Ihre Suspendierung aufheben können“.
„Wir?“, fragte sie erstaunt und trank etwas Wein aus ihrem Glas.
„Ja, wir. Ich erkläre mich gerne dazu bereit, Sie bei Ihrer Suche nach Entlastungsmaterial zu unterstützen“.
Beata war überrascht. Damit hatte sie nicht gerechnet. „Nun denn Victor, ich bin einverstanden und nehme Ihre Hilfe gerne an. Doch ich warne Sie vorsichtshalber schon mal vor. Es wird nicht einfach werden“.
„Das ist gut. Ich liebe knifflige Puzzlearbeit. Zusammen werden wir schon etwas finden, was Sie wieder in Lohn und Brot bringen wird“. Beide stießen mit ihren Gläsern an. Nach einigen Minuten verabschiedete er sich wieder und verließ pfeifend die Wohnung.
„Mami, ist der Mann wieder weg?“.
„Ja“, sagte Beata und schaute Victor hinterher, bis er in ein Taxi stieg und damit losfuhr.
„Wirst du den Mann wieder sehen?“, wollte Christina wissen, „Er war sehr nett“.
Nachdenklich antwortete sie: „Ich denke schon. Ich hoffe es sogar sehr!“.
Nachdenklich blieb Beata noch eine Weile nachdenklich in der Tür stehen. Sie hatte das Gefühl, dass sich etwas in ihrem Leben zu verändern begann, auch wenn sie noch nicht genau sagen konnte, wohin es sie führen würde.
Christina unterbrach ihre Gedanken, als sie fragte: „Mom, bist du verliebt?“.
Beata strich ihrer Tochter über das Haar. „Wir werden sehen, was die Zeit bringt. Jetzt lass uns essen, bevor der Salat welk wird“.
Christina nickte zustimmend und setzte sich an den Tisch. Beata lächelte, als sie bemerkte, wie sehr sich ihre Tochter über das selbstgekochte Essen freute. Trotz der Herausforderungen, vor denen sie standen, spürte Beata eine leise Hoffnung in sich aufkeimen, dass sie und Christina einen neuen Anfang machen konnten.
*
Professor Swenson war unterdessen in Tel Aviv angekommen. Er saß zusammen mit Ming Xao, Noam Maynzer und Hasim Arif im Aufenthaltsraum des Museum.
„Ich hoffe, dass Sie einen angenehmen Flug nach Tel Aviv hatten Professor“, sagte Noam und stellte ein Tablett mit gefüllten Kaffeebechern auf den Tisch.
Der Professor nahm seine Lesebrille ab und wischte sich Schweiß im Gesicht mit einem Taschentuch ab. „Zumindest war es im Flugzeug angenehmer, als hier drin!“.
Hasim lachte. „Ja, die Luftfeuchtigkeit ist hier im Moment leider recht hoch. Es ist zudem recht warm für diese Jahreszeit“.
Der Professor setzte seine Lesebrille wieder auf. „Der Klimawandel lässt sich leider nicht leugnen. Wie ich hörte, konnte Ming den Museumsdirektor überzeugen, Sie beide hier anzustellen“.
Noam nickte zustimmend. Ein verstecktes Grinsen entwich seinem Gesicht. „Wir wissen zwar beide nicht, wie sie es schaffen konnte uns beide und den Direktor davon zu überzeugen, aber ja, wir arbeiten nun als Assistenten für Ming im Museum“.
„Mein Charme ist halt unwiderstehlich“, meinte daraufhin Ming und trank etwas von ihrem Kaffee.
„Nun, wir sollten über den Grund sprechen, weshalb ich überhaupt nach Tel Aviv gekommen bin“, sagte der Professor, „es geht um die gefundenen Schriftrollen aus Qumran!“.
Ming, Noam und Hasim sahen einander an. „Gehörten Sie nicht der Expertengruppe an, die der Presse mitteilten, dass sie eine Fälschung sind?“, wollte Hasim erstaunt wissen.
Der Professor beugte sich etwas nach vorne. „Ich bin davon überzeugt, dass sie keine Fälschung sind. Leider wurde ich bei der Anhörung überstimmt“.
Ming wurde hellhörig. „Dann sind sie tatsächlich echt?“, fragte sie verwundert.
„Ich kann es erst mit Sicherheit sagen, wenn ich die Originale noch einmal sehen kann. Die Papyrusrollen, die zur Untersuchung an die Expertenkommission überstellt wurden, sind während der Untersuchung gegen Fälschungen ausgetauscht worden!“.
Hasim zog seine Augenbrauen hoch. „Wie können Sie sich dessen so sicher sein?“.
„Als ich sie das erste Mal sah, fiel mir auf der letzten Seite etwas auf. Am unteren Rand befanden sich zwei kleine Symbole. Als ich mir die Papyrusrollen kurz vor der Anhörung kurz noch einmal anschauen durfte fiel mir auf, dass auf der letzten Seite die Symbole fehlten. Ich stellte die anderen Mitglieder zur Rede, jedoch ohne Erfolg“.
Noam sah den Professor nachdenklich an. „Könnte nicht nur die letzte Seite ausgetauscht worden sein?“.
„Nein“, sagte Professor Swenson, „ich bin mir sicher, dass die Papyrusrollen vollständig ausgetauscht wurden!“.
„Wie können wir uns da sicher sein?“, hakte Noam nach.
Bevor der Professor ihm antworten konnte, sagte Ming: „Die einzige Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden, ist die Originale aus dem Museum zu stehlen. Nicht wahr Professor?“.
Er nickte. „Doch da ist noch etwas…“.
Alle drei sahen den Professor an. Noam sagte schließlich: „Ich vermute, dass ist der Grund für Ihren Besuch, nicht wahr?“.
„Ja. Ein Reeder in New York hat etwas über die Mary Celeste gelesen und daraufhin einen Taucher engagiert, um sie zu finden. Der Taucher hat am Rochelais Riff vor Haiti tatsächlich ein Wrack gefunden. Es stand in nahezu allen Zeitungen. Ob es sich dabei tatsächlich um die Mary Celeste handelt, lässt sich schwer sagen. Ich denke ja. Doch viel interessanter ist, dass ich am Heck des Wrackes dieselben Symbole erkannt habe, wie auf den Papyrusrollen!“.
Ming verzog nachdenklich ihr Gesicht. „Von was für Symbolen sprechen wir hier?“.
Professor Swenson setzte seine frisch geputzte Brille wieder auf. „Das eine ist das Symbol der Kreuzritter, das andere sieht wie ein Familienwappen aus“.
Noam ergriff das Wort. „Würde es dann nicht bedeuten, dass die Papyrusrollen tatsächlich eine Fälschung sind?“.
„Nein, ich denke nicht. Ich habe da eine andere Theorie. Als ich die Papyrusrollen das erste Mal begutachtete, war für mich klar, dass sie echt sein müssen. Wäre es Papier oder ein nachgemachtes Papyrus, wäre die Oberfläche nicht uneben und körnig, sondern eher glatt. Meine Theorie ist, dass die Rollen ursprünglich woanders gefunden wurden und in Qumran platziert wurden, damit sie von Lukas Bischoff gefunden werden“.
Hasim war skeptisch. „Warum weisen die Papyrusrollen dann die gleichen Symbole auf, wie die Mary Celeste? Die Mary Celeste sank gegen Ende des Achtzehnten Jahrhunderts. Die Papyrusrollen sind viel älter!“.
Swenson hustete etwas. Dann erklärte er: „Nun, auch das Symbol wurde nachträglich an den Rollen aufgezeichnet, quasi als Kennzeichnung. Bevor die Besatzung der Mary Celeste auf unerklärliche Weise 1872 verschwand, hatte sie den Auftrag, Fässer nach Genua, Italien, zu bringen.